Gelbes Licht

Vor ungefähr zwei Monaten schrieb Hw. Pater Ronald Ringrose einen bewundernswerten Brief an den US-amerikanischen Distriktoberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. namens Hw. Pater Arnaud Rostand. Nicht alle Leser dieser „Eleison Kommentare“ werden diesen Brief kennen. Hw. Ringrose betreut als unabhängiger Priester seit über 30 Jahren die traditionelle katholische Gemeinde St. Athanasius nahe Washington, D.C., und er war stets ein treuer Freund der Bruderschaft, auch wenn er kein Mitglied von ihr ist. Im Juni letzten Jahres war Hw. Ringrose mit seiner Gemeinde Gastgeber für das erste Treffen der Kernmannschaft jener Bruderschaftspriester, welche in den USA Widerstand gegen den Kurswechsel der Bruderschaft leisten. Zwar fand besagter Kurswechsel schon seit längerem im Verborgenen statt, doch wurde er erst im Frühling des letzten Jahres offen und für alle sichtbar. Als getreue Führungskraft von Bischof Fellay in den USA schlug Hw. Rostand in einem Brief zuvor dem Hw. Ringrose ein Treffen vor, wo der Distriktobere ihn dann davon überzeugen könnte, daß der Kurswechsel gar kein echter Wechsel sei. Es folgt die Antwort von Hw. Ringrose:—

„Vielen Dank für Ihren Brief vom 12. Oktober 2012, wo Sie ein Treffen vorschlagen, um die Situation in der Priesterbruderschaft zu diskutieren. Obwohl dies ein sehr freundliches Angebot Ihrerseits ist, welches ich sehr schätze, so denke ich dennoch nicht, daß dieses Treffen einen nützlichen Zweck haben würde. Denn die Probleme der Priesterbruderschaft kommen von ihrer obersten Führung her, und Sie sind nicht in einer Position, dies zu ändern.

Tatsächlich war ich seit vielen Jahren ein großer Befürworter der Priesterbruderschaft. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, daß meine Mission als Priester und die Mission der Bruderschaft ein- und dieselbe war: den Seelen zu helfen, den katholischen Glauben aufrechtzuerhalten während dieser Zeit, wo er selber vom nachkonziliaren Rom aufgegeben worden zu sein scheint.

Inzwischen muß ich mit meiner Unterstützung der Priesterbruderschaft allerdings vorsichtiger und zurückhaltender sein. So war ich tief beunruhigt, als Ihr Generaloberer sagte, daß 95% des Zweiten Vatikanischen Konzils annehmbar seien. Und ich bin sehr erstaunt darüber, daß die Bruderschaftsführung an drei der Bischöfe der Bruderschaft antwortete, daß letztere aus den Irrtümern des Zweiten Vatikanum eine „Super-Häresie“ machen würden. Auch bin ich enttäuscht darüber, wie saft- und kraftlos die Reaktion der Bruderschaft auf Assisi III ausgefallen ist. Ich bin traurig über die ungerechte Disziplinierung jener Bruderschaftspriester, welche nach dem Vorbild Erzbischof Lefebvres handeln. Und schließlich bin ich empört über die Behandlung von Bischof Williamson durch die Bruderschaft – empört nicht nur über seinen kürzlichen Ausschluß aus der Bruderschaft, sondern auch über sein schäbiges Behandeltwerden während der letzten Jahre.

Wenn ich bis vor dem letzten Jahr von einem Gemeindemitglied zur Priesterbruderschaft gefragt wurde, so gab ich stets grünes Licht. Angesichts ihrer jüngsten Aktionen gebe ich zwar noch kein rotes Licht, aber ein gelbes Licht der Vorsicht. Das rote Licht von meiner Seite wird kommen, wenn und sobald die Bruderschaft zuläßt, von der Konzilskirche aufgesogen zu werden, welcher der Erzbischof sich so heftig widersetzte.

Mit großer Trauer schreibe ich diese Worte. Denn die Bruderschaft zählt viele gute, eifrige und gläubige Priester. Viele unter ihnen kenne und schätze ich. Von ihnen hängen viele Seelen ab. Aus Liebe zur Bruderschaft fürchte ich um ihre Zukunft. Und ich fürchte, daß sie einen selbstmörderischen Weg eingeschlagen hat. Die Bruderschaftsführung mag vielleicht denken, daß ein Vertrag mit dem konziliaren Rom vom Tisch sei, aber ich fürchte, daß Rom hier anders denkt.

Ich bete darum, daß die Bruderschaft wieder zu dem Kurs zurückkehrt, welchen Erzbischof Lefebvre ihr zugedacht hat, und zwar ohne Kompromisse und Ausflüchte. Wenn die Bruderschaft dies macht, so wird sie wieder meine uneingeschränkte Unterstützung haben.“

Am Ende schließt Hw. Ringrose seinen Brief mit brüderlichem Gruß. Der Brief ist wahrlich ein Modell für scharfsinniges Denken und Höflichkeit, für Festigkeit und Nächstenliebe. Lange lebe Hw. Ringrose, damit er eine einzigartige Bastion des Katholizismus direkt neben der Hauptstadt der Vereinigten Staaten von Amerika aufrechterhalten kann.

Kyrie eleison.