Fünfzigerismus im Visier

Der Grund für die – wenigstens bisher – schwache Reaktion innerhalb der Priesterbruderschaft St. Pius X. auf den vollständigen Kurswechsel unter Bischof Fellay liegt im Wunsch begründet, zum Katholizismus der 1950ger Jahre zurückzukehren. Dies beobachtet eine katholische Gläubige, welche in der englischsprachigen Welt die hl. Messe bei der Bruderschaft besucht. Sie schrieb kürzlich an mich:—

»Warum verfügt unser Teil der Welt über keinen „Widerstand“? Die Antwort meine ich herausgefunden zu haben. Sie erwähnten viele Male, daß die meisten der ursprünglichen Bruderschaftsoberen den Erzbischof Lefebvre nie richtig verstanden haben. Hier bei uns vor Ort gilt diese Einschätzung auch für viele der ursprünglichen Kapellengründer, welche heute so an der Bruderschaft und ihren jetzigen Oberen hängen. Wie kommt das? Warum unternehmen sie nichts, wo doch jetzt von innen zu zerstört werden droht, wofür sie so lang und hart gekämpft haben?«

»Die Antwort faßte am Sonntag eine ältere Dame für mich zusammen. Wie ihr Ehemann und sie die Dinge sehen, kämpften sie beherzt sich durch die 1970ger und 1980ger Jahre, und sehen heute in der Kapelle die Frucht ihrer Anstrengungen. Die Messe mit all ihren äußeren Insignien, dem Grundstück, dem Gebäude, den Sitzbänken, den Statuen, den liturgischen Gewändern – alles dies wird durch die bloße Existenz des „Widerstands“ bedroht. Die Gläubigen kämpften all die Jahre dafür, den Katholizismus ihrer Jugend wiederherzustellen. Für sie geht es überhaupt nicht um die Frage nach der Glaubenslehre. Die ältere Dame ist zwar Mitglied eines Drittordens, denkt aber, daß doktrinäre Angelegenheiten nichts für Laien, sondern nur für Priester und Bischöfe seien. Für sie bedeutet das Studieren von päpstlichen Lehrschreiben eine Einmischung in Angelegenheiten, welche Gott nur für die Kirchenhierarchie vorgesehen habe.«

»Also fragte ich diese Dame, ob sie überhaupt einen Bedarf dafür sieht, ihren Glauben zu verstehen, und ob einzelne Seelen vor Gott sich verantworten müßten für die Frage, ob sie ihren Glauben auch kennen. Ihre Antwort war zwar aufrichtig, aber höchst erstaunlich. Denn sie sagte: „Nein. Vielmehr liegt die Verantwortlichkeit eines Katholiken darin, seinen Oberen zu gehorchen.“ Und wenn diese Oberen im Irrtum sind? „Trotzdem gehorchen. Denn alles anderes hieße Rebellion.“ Und weiter sagte sie, daß bei einem Katholiken bereits dann „Zeichen der Rebellion“ vorhanden seien, wenn er seine Oberen „in Angelegenheiten, welche den Katholiken nichts angehen,“ wie die Doktrin, in Zweifel ziehe. Wenn der Obere falsch liege, werde Gott ihn schon richten – „Einer handelt also niemals falsch, wenn einer dem Priester gehorcht.“ Da haben wir es: die „Widerständler“ seien Rebellen, ungehorsam, despektierlich. Nach dem Motto: Wie können sie es wagen, die Oberen in Frage zu stellen? Und annehmen, Doktrin studieren oder Fragen über ihre Oberen aufwerfen zu dürfen? Und somit sind die „Widerständler“ böse – nicht weil sie doktrinär falsch liegen, sondern weil ihre Worte und Taten den Katholizismus der 1950ger Jahre gefährden.«

»Nun ist allerdings blinder Gehorsam albern. Denn was sollen wir Schäfchen machen, wenn der Hirte geschlagen und die Herde zerstreut ist? Vorgeben, daß alles in Ordnung sei und uns im Namen des Gehorsam von Wölfen verschlingen lassen? Was kann ich solchen Gläubigen denn noch sagen? Sie sind willentlich ignorant und denken noch dazu, daß willentliche Ignoranz eine Tugend sei. Woher kommt ein solche Geisteshaltung? Welcher Irrtum kroch hier in die Kirche und veranlaßte die Katholiken, ihren Verstand auszuschalten? Da bleibt mir nur noch zu sagen übrig: wenn die Bruderschaft solche Herden von lobotomisierten Schafen hat, so wird das konziliare Rom die letzte katholische Bastion im Handstreich hinwegfegen. Die Bruderschaftskapellen brauchen nur noch durch eine formelle Vereinbarung an die Jurisdiktion der konziliaren Ortsbischöfe übergeben zu werden, oder durch eine praktische Zusammenarbeit mit den Priestern des Novus Ordo – was wir bereits vor Ort sahen.«

Beachten wir, wie diese Gläubige die Möglichkeit anschneidet, daß das konziliare Rom die Priesterbruderschaft nicht, wie bisher angenommen, durch eine klare Vereinbarung aufsaugen könnte, sondern vielmehr durch eine schrittweise Verschmelzung. Das ist eine echte Gefahr. Vielleicht bekommt das Generalhaus der Bruderschaft genau diese Vorgehensweise von seinen „neuen Freunden“ in Rom empfohlen?

Kyrie eleison.