„Postmoderne“? – I

Immer wieder stösst man auf die Wörter „postmodern“ und „Postmoderne,“ und man fragt sich, was sie bedeuten oder worauf sie sich beziehen. Eine vernünftige Annahme ist, dass mit der „Moderne“ jene Periode der Weltgeschichte gemeint ist, die mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs anno 1945 einsetzte, als die Zivilisation den Ruinen entsteig und einen neuen Kurs einschlagen musste. Doch mittlerweile liegt das Jahr 1945 fast dreiviertel Jahrhunderte zurück, und 74 Jahre sind eine so lange Zeit, dass die Welt sich unmöglich fortbewegen konnte, ohne sich zu etwas Neuem zu entwickeln – die Welt dreht sich zwar immer, „Volvitur orbis,“ doch noch niemals scheint sie sich rascher gedreht zu haben als in unserem 21. Jahrhundert. Darum ist das, wozu sie sich entwickelt hat, „postmodern.“

Selbstverständlich drängt sich hier die Frage auf, wozu sie sich denn entwickelt hat. Und da gilt es auf ein Buch hinzuweisen, das sehr wohl den wahren Kern der „Postmoderne“ enthüllen könnte: Kultur als Religion: Die postmoderne Interpretation zwischen Kultur und Religion von Wojciech Niemczewski. Hier eine zwei Absätze umfassende Zusammenfassung von Niemczewskis These:

Wir leben in einem Zeitalter aller möglicher Wandlungen, aber die alten religiösen und philosophischen Prinzipien bremsen den Fortschritt und passen nicht mehr zu der Realität um uns herum, die sich rascher denn je zuvor wandelt. Wir erleben nunmehr die „Kultur der Wahl,“ welche all jene kulturellen Elemente umfasst, die wir vermischen können, um unsere eigene Vision der Welt zusammenzusetzen. Die sich uns bietende Möglichkeit der Wahl zwischen ihnen wird dann zum Zeichen der Freiheit um den Preis des alten Elements der Wahrheit. Dies erlaubt uns, dem modernen Leben jederzeit uns anpassen zu können.

Als Ergebnis auferlegt uns diese postmoderne Kultur keine Normen, keine Verpflichtungen, keine Verantwortung gegenüber dem Leben an sich. Sie reicht auch nicht über dieses Leben hinaus, denn Gott mag zwar existieren, aber lediglich innerhalb unser selbst; in Tat und Wahrheit hängt er von uns ab! Der postmoderne Mensch will im Gleichschritt mit seiner Zeit marschieren, d. h. deren Bewegung und Wandel mitvollziehen. Doch wohin führen diese endlose Bewegung und dieser endlose Wandel? Er hat keine Ahnung davon, weil er sich selbst der Fähigkeit beraubt hat, zu definieren, wo er hinsteuert. Deshalb gilt: Selbst wenn Menschen an der Tradition festhalten, kann sich diese nur allzu leicht in dieser neuen Kultur auflösen.

Zur Zeit Noahs – siehe Genesis VI-IX, insbesondere VI, 1–13 – war die Menschheit so verdorben, dass der Allmächtige Gott, um noch eine nennenswerte Zahl von Seelen retten zu können, eine weltweite Strafe verhängen musste, die wenigstens einer Minderheit der Menschen Motivation und Zeit geben würde, um einen glaubhaften Akt der Reue zu vollziehen. Und angesichts der Erbsünde ist es logisch, dass einzig und allein Eingriffe Gottes den Hang des Menschen zum Sturz verlangsamen oder umkehren würden. Natürlich war der grösste dieser Eingriffe Gottes eigene Menschwerdung, aber „je höher einer steht, desto tiefer fällt er“ und so war es nach fast 2000 Jahren voraussehbar, dass der Zustand der Menschheit schlimmer als je sein würde, wenn Gott dies zuliess. Nun aber hat er, wie aus Lukas XVIII, 8 klar hervorgeht, von Ewigkeit an entschieden, das fast völlige Verschwinden der Kirche Seines Sohnes vor dem Ende der Welt zu erlauben. Welche Form wird dieses Verschwinden annehmen? Wir können es heute in Niemczewskis Beschreibung der „neuen Kultur“ erblicken.

Seine Schilderung veranlasst uns dazu, folgende Unterscheidung zwischen „modern“ und „postmodern“ zu treffen: „Modern“ ist die allumfassende Kultur des Nihilismus, der sich insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg ausbreitete – aus Herz und Geist sind sämtliche Überzeugungen, Glaube, Hoffnung und Vertrauen geschwunden, doch sind Herz und Geist selbst noch nicht der Auflösung anheimgefallen, und es existiert immer noch ein schmerzliches Gefühl für das, was verloren gegangen ist. „Postmodern“ ist hingegen die logische Konsequenz dieses Schmerzens, nämlich die Selbstzerstörung der Reste von Herz und Geist durch den Willen, so dass der Schmerz nicht länger empfunden wird. Ich verzichte bewusst auf die Wahrheit, damit mein Geist in einem Lotusland lieblicher Lügen schwebt, die ich nicht mehr als Lügen zu durchschauen vermag, und mein Herz treibt ziellos in einem Traumland trügerischer Begierden umher, wo alles sanft und süss ist und es immer sein wird.

Doch „Eine Tatsache ist stärker als der Bürgermeister“ lautet ein englisches Sprichwort. Gewiss, eine Masse moderner Geister und Herzen hat das Schiff aus der Vertäuung losgerissen und will von Tradition und Sitte nichts mehr wissen, doch Wind und Gezeiten bleiben Wind und Gezeiten, wie zumindest die unveränderlichen Feinde des unveränderlichen Gottes niemals vergessen. Sie wollen alle realen Seelen der realen Hölle überantworten. Wenn Gottes Freunde nur ebenso viel Sinn für die Realität hätten!

Kyrie eleison.