Zieht Die Leiter Hoch! – I

Viele Menschen, die eigentlich auf Erzbischof Lefebvre hören sollten, tun dies nicht mehr, als wüssten sie es besser, oder als hätte er gegen Ende seines Lebens, nachdem er der Priesterbruderschaft St. Pius X. um ihr Überleben sicherzustellen vier Bischöfe hinterlassen hatte, nichts sonderlich Wichtiges mehr gesagt oder getan. Doch im September 1990 vergönnte es ihm die Vorsehung, seinen Priestern in Écône eine Retraite zu predigen, in der er ihnen – oder wenigstens jenen, die Ohren hatten, um zu hören – seine Richtlinien für ihre Zukunft hinterlassen konnte. Lasst uns nochmals einen der wichtigsten Absätze zitieren und voll Trauer darüber seufzen, dass man ihm kein Gehör schenkte, oder ihn nicht verstand:

Dieser Kampf zwischen der Kirche und den liberalen Modernisten ist derselbe Kampf wie der von Vatikan II. Es ist gar nicht so kompliziert. Und die Auswirkungen sind weitreichend. Je mehr man die Dokumente von Vatikan II mitsamt ihrer Interpretation durch die Kirchenautoritäten – nach dem Konzil – analysiert, desto klarer erkennt man, dass das Problem nicht nur in gewissen Irrtümern wie dem Ökumenismus, der Religionsfreiheit, der Kollegialität oder einer Form des Liberalismus besteht, sondern in einer regelrechten Perversion des Geistes. Es ist eine neue Philosophie, beruhend auf der Philosophie des Modernismus. Das Buch, das ein deutscher Theologe, Johannes Dörmann, soeben publiziert hat und das Sie hoffentlich schon bald in den Händen halten werden, ist in dieser Hinsicht sehr aufschlussreich. Er kommentiert das Denken von Papst Johannes Paul II., insbesondere eine Retraite, die er im Vatikan predigte, als er noch Bischof war. Dörmann zeigt, dass das Denken des Papstes rein subjektiv ist. Und wenn man seine Reden wieder liest, erkennt man, dass dies in der Tat der Fall ist. Dem Anschein zum Trotz ist sein Denken nicht katholisch.

Das Verständnis, das der Papst von Gott, Unserem Herrn, hat, entspringt den Tiefen des menschlichen Bewusstseins und nicht irgendeiner objektiven Offenbarung, an die er sich geistig hält. Der Mensch schafft seine eigene Vorstellung von Gott. Kürzlich sagte der Papst beispielsweise, die Vorstellung der Dreifaltigkeit könne erst sehr spät entstanden sein, weil die innere seelische Beschaffenheit des Menschen erst fähig werden musste, sich zum Verständnis der Heiligen Dreifaltigkeit zu erheben. Dies bedeutet, dass die Vorstellung der Dreifaltigkeit nicht einer – äusseren – Offenbarung entstammt, sondern den – inneren – Tiefen des menschlichen Bewusstseins. Es ist dies ein vollkommen verschiedenes Konzept der Offenbarung, des Glaubens und der Philosophie, und es ist eine totale Perversion. Wie können wir dieser entrinnen? Ich habe keine Ahnung, aber jedenfalls ist das die Wirklichkeit. Das sind keine kleinen Irrtümer. Wir bewegen uns hier im Rahmen einer Philosophie, die auf Descartes und Kant zurückgeht, den gesamten Stammbaum moderner Philosophen, die der Revolution den Weg gebahnt haben. ( . . . )

Anschliessend zitiert der Erzbischof Papst Johannes Paul II. mit des Papstes eigenen Worten, die ökumenische Bewegung sei sein „wichtigstes seelsorgerisches Anliegen.“ Dies erkenne man in der Praxis daran, dass er ständig Delegationen irgendwelcher Sekten und Religionen empfange. Und der Erzbischof fügt hinzu, diese ganze Ökumene habe die Kirche keinen einzigen Schritt vorwärtsgebracht und könne dies auch gar nicht – sie bewirke nichts anderes, als Nichtkatholiken in ihren Irrtümern zu bekräftigen, ohne den Versuch zu ihrer Bekehrung zu unternehmen. Schliesslich zitiert der Erzbischof den Staatssekretär des Papstes, Kardinal Casaroli, in einer kurz zuvor gehaltenen Ansprache an die UN-Kommission für Menschenrechte. Casaroli zitiert seinerseits eine Aussage des Papstes, wonach die Religionsfreiheit ein Eckpfeiler des Gebäudes der Menschenrechte sei. Der Mensch, und jeder Mensch, ist das zentrale Anliegen des Heiligen Stuhls, so wie er zweifellos auch das Ihre ist, schliesst der Kardinal. Und der Erzbischof schliesst seinerseits vor den Pius-Priestern, die sich für die Retraite vor ihm versammelt hatten:

Alles, was wir tun können, ist die Leiter hochzuziehen (d. h. alle Kontakte abzubrechen). Es gibt nichts, was wir mit diesen Leuten tun können, weil wir mit ihnen nichts gemein haben.

Dies ist die korrekte Schlussfolgerung, wenn man es mit Menschen zu tun hat, deren Denken auf einer Leugnung der Realität ausserhalb des menschlichen Geistes beruht und die Fähigkeit des Geistes bestreitet, diese ausserhalb seiner selbst stehende objektive Realität zu erkennen. Sie sind geistig krank, wie Säue, vor die man keine Perlen werfen soll, damit sie, wie Unser Herr sagt, „euch nicht zertreten mit ihren Füssen und sich umwenden und euch zerreissen“ (Matthäus VII, 6). Denn hat das konziliäre Rom in den letzten zwanzig Jahren etwas anderes getan, als die Bruderschaft zu „zerreissen,“ d. h. von ihrem ursprünglichen Ziel abzubringen, so sehr sich diese sich auch bemüht hat, Kontakte zu knüpfen, um eine offizielle Anerkennung zu erreichen?

Kyrie eleison.