Benedikts Ökumenismus – II.
Wie bei jedem Streit über die haarsträubenden Zweideutigkeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils wird es auch erst längeren und gelehrten Aufsätzen gelingen, die Aussagen aus Dr. Wolfgang Schülers Buch „Benedikt der XVI. und das Selbstverständnis der katholischen Kirche“ zu beweisen bzw. zu widerlegen. Seine Argumentationslinie ist allerdings deutlich genug erkennbar und verdient, den Lesern der „Eleison Kommentare“ vorgestellt zu werden – damit diese inmitten von so großer Verwirrung klarer sehen. In dieser Hinsicht besitzen Vergleiche zwar gewisse Nachteile, können allerdings recht hilfreich sein.
Ein Ganzes kann auf zwei verschiedene Arten aus einzelnen Teilen zusammengesetzt sein; beispielsweise im Fall eines lebendigen Baums oder eines Stapels Münzen. Entweder ist wie beim Baum das Ganze vorrangig und die Teile zweitrangig, oder es sind wie beim Stapel Münzen die einzelnen Teile vorrangig und das Ganze zweitrangig. Beim Baum ist das Ganze deswegen vorrangig, weil zwar Teile von ihm – wie beispielsweise die Äste – abgetrennt werden können, während der Baum trotzdem weiterlebt und neue Äste austreibt. Indessen verlieren die abgeschnittenen Äste ihr Leben und werden zu etwas gänzlich anderem, beispielsweise zu einem Holzscheit oder einem Stuhl. Im Gegensatz zum Baum bleibt eine vom Stapel entfernte Münze allerdings genau das, was sie vorher auch innerhalb des Stapels war, und wenn nur genügend Münzen entnommen werden, so ist es der Stapel, welcher verschwindet.
Ist die katholische Kirche als Ganzes genommen eher dem Baum oder dem Münzstapel zu vergleichen? Wir erinnern uns, daß die katholische Kirche jene besondere Gemeinschaft von Menschen ist, welche durch drei Dinge vereint sind: durch den Glauben, die Sakramente und die kirchliche Hierarchie. Nun aber gibt Gott selbst allen dreien Leben. Der Glaube ist eine übernatürliche Gnade des Geistes, und alleine Gott kann sie schenken. Die Sakramente verwenden zwar materielle Elemente wie Wasser und Öl, aber erst die ihnen innewohnende übernatürliche Gnade macht sie zu Sakramenten, und diese Gnade wiederum stammt allein von Gott. Gleichfalls besteht die Kirchenhierarchie aus natürlichen menschlichen Wesen; doch wenn diese Menschen nicht von Gott gelenkt würden, so könnten sie niemals von sich alleine Menschen in den Himmel führen.
Deswegen ähnelt die katholische Kirche in unserem Beispiel viel stärker einem lebenden Baum als einem Stapel Münzen – und seien es Goldmünzen. So wie jedem lebenden Organismus ein Lebensprinzip innewohnt, das ihm seine Existenz und Einheit verleiht, so wohnt der katholischen Kirche vor allem Gott inne und dann ihre lebendige Hierarchie, welche ihr eine Existenz und Einheit verleihen. Wenn nun ein Teil der Kirche sich von der Hierarchie durch ein Schisma bzw. vom Glauben durch Häresie abtrennt, dann hört dieser Teil auf, katholisch zu sein und wird etwas anderes, wie beispielsweise die schismatischen Orthodoxen oder die häretischen Protestanten. Zwar mögen die orthodoxen Gläubigen gültige Sakramente behalten haben, aber weil sie nicht mehr mit dem Stellvertreter Christi in Rom vereint sind, wird niemand bei Verstand sie katholisch nennen.
Doch nun kommt das Zweite Vatikanum ins Spiel. Dieses Konzil veränderte das Selbstverständnis der katholischen Kirche: vom früheren Verständnis eines lebendigen Baumes bzw. einer Weinrebe (der Vergleich unseres Herrn, siehe Johannes 15,1–6 ), zum Verständnis eines Stapels Goldmünzen. Vom Wunsch getrieben, die Kirche der modernen Welt zu öffnen, fingen die Kirchenmänner damit an, die Grenzen der Kirche zu verwischen ( Lumen Gentium 8). Das versetzte sie in die Lage zu behaupten, daß es Elemente der Kirche außerhalb der sichtbaren Grenzen der katholischen Kirche gäbe ( Unitatis Redintegratio 3), wie Goldmünzen abseits des Stapels. Und weil eine Goldmünze immer eine Goldmünze bleibt, so konnten diese Kirchenmänner weiterhin behaupten (UR 3), daß Heilselemente innerhalb der Kirche auch in abgetrenntem Zustand und somit außerhalb der katholischen Kirche Heilselemente bleiben. Daraus folgerten zahllose Menschen logischerweise, daß man nicht mehr länger katholisch zu sein brauche, um in den Himmel zu kommen. Das ist die Katastrophe der konziliaren Ökumene.
Wir werden diese Zitate des Zweiten Vatikanum demnächst noch eingehender vorstellen, bevor wir zu Papst Benedikts Bemühungen gelangen, den kirchentrennenden Ökumenismus mit der einigenden Glaubenslehre zu vermengen.
Kyrie eleison.