Ein Vierter Bischof

Seit dem Sommer 2012, als die Priesterbruderschaft St. Pius X. offiziell beschloss, einen neuen Kurs einzuschlagen und von dem 40 Jahre zuvor von Erzbischof Lefebvre verkündeten Prinzip „Doktrin zuerst“ abzurücken, ist es faszinierend gewesen zu beobachten, wie die Vorsehung vorging, um die Verteidigung der Kirche zu gewährleisten. Man hätte einen weitverbreiteten Aufstand für Gottes Wahrheit erwarten können. Widerstand innerhalb der Bruderschaft? Ja, er existiert, doch zumindest bis heute vollzieht er sich weitgehend schweigend. Und von aussen? Ja, auch solcher Widerstand regt sich, aber lediglich seitens eines kleinen Häufleins von Laien und einer Handvoll Priester, die mangels einer anerkannten Autorität gespalten sind. Katholiken bedürfen einer Autorität. Und dieses Bedürfnis ist so gross, dass, während in der auf den Menschen zentrierten Neukirche und in der auf Rom zentrierten Neubruderschaft die Wahrheit versiegt, sich die Seelen doch immer noch an beide klammern, dank den Restbeständen päpstlicher Autorität in ersterer und dank den dem Vermächtnis des Erzbischofs noch bestehenden Überresten katholischer Autorität in letzterer.

Doch die Wahrheit ist und bleibt der Zweck der Autorität, und die Autorität ist nicht der Zweck der Wahrheit. Wegen der Erbsünde ist die Autorität die unersetzliche Verteidigerin und Garantin der Wahrheit, aber sie kommt nach der Wahrheit und nicht vor ihr. Man betrachte beispielsweise die letzten Anweisungen Unseres Herrn an Petrus, bevor er von diesem schied und ihm die Aufgabe hinterliess, die Kirche zu leiten (Lukas XXII, 31–32): „Simon, Simon, siehe, der Satan hat euer begehrt, dass er euch möge sichten, wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre [Wahrheit] . Und wenn du dermaleinst dich bekehrst [Wahrheit] , so stärke deine Brüder [Autorität] .“ Und als die Pharisäer wenige Tage zuvor am Palmsonntag versucht hatten, Unseren Herrn zu tadeln, weil Seine Jünger Gott fröhlich und mit lauter Stimme lobten, bezeugte Unser Herr die Notwendigkeit, Gott in der Wahrheit zu verehren, indem Er antwortete (Lukas XIX, 40): „Ich sage euch: Wenn diese werden schweigen, so werden die Steine schreien.“

In der heutigen Neukirche vermengt die Autorität im Motor der Kirche konziliären Irrtum mit katholischer Wahrheit, was so ist, als vermische man im Motor eines Autos Wasser mit Benzin. So wie das Auto dann nicht mehr fahrtüchtig ist, wird auch die Kirche unter diesen Umständen verkrüppelt. Und während sich Erzbischof Lefebvre entschlossen gegen diese Verkrüppelung der Kirche zur Wehr setzte, indem er vier Bischöfe weihte, um eine katholische Autorität aufrechtzuerhalten, die Gottes Wahrheit schützen sollte, tun seine Nachfolger an der Spitze dessen, was einst seine Brüderschaft war, ihr Bestes, um diese Organisation, deren Aufgabe der Schutz der Wahrheit ist, der verkrüppelten und verkrüppelnden Autorität Roms zu unterstellen! Falls diese Nachfolger ernsthaft glauben, sobald sie „innerhalb der offiziellen Kirche“ seien, würden sie eine Position innehaben, die es ihnen erlauben werde, die Neomodernisten zu bekehren, sind sie ausserordentlich naiv. Sie haben das Feuer auf Vatikan II bereits eingestellt. Wann, meinen sie wohl, werden sie das Feuer wieder eröffnen können?

Unter diesen höchst aussergewöhnlichen Umständen braucht es Jünger unseres Herrn, welche die Wahrheit verkünden, um den Steinen diese Anstrengung zu ersparen! Diese Jünger mögen ja nicht so einig sein, wie sie es unter einer wahren Autorität wären (abgesehen von der menschlichen Schwäche). Sie mögen „allenthalben Trübsal haben“ und „Verfolgung leiden,“ sie mögen „unterdrückt“ werden (siehe 2. Korinther IV, 8–9), doch sie müssen da sein, so lange die Wahrheit in der Gefangenschaft schmachtet. Wird dieser Zustand lange andauern? Gott allein weiss es. Viele von uns erwarteten schon vor geraumer Zeit, dass Er eingreifen werde, aber Seine Mühlen mahlen langsam. Eingreifen wird Er jedoch, wenn überhaupt noch irgendetwas gerettet werden soll. Nur Geduld!

In der Zwischenzeit benötigen diese Jünger wenigstens eine kleine Zahl von Bischöfen, die Gewähr dafür bieten, dass in der bischöflichen Lehrtätigkeit sowie in den Sakramenten der Firmung und der Priesterweihe auch weiterhin ein Mindestmass an Wahrheit erhalten bleibt. Im Jahre 1988 weihte der Erzbischof aus demselben Grunde vier davon, zwei für Europa und je einen für Nord- und Südamerika. Im gegenwärtigen Augenblick verfügt der „Widerstand“ in Europa über zwei solche Bischöfe und in Südamerika über einen. In Nordamerika besteht im Moment eine Lücke. So Gott will, wird am 11. Mai dieses Jahres Pater Gerardo Zendejas in der traditionalistischen Gemeinde von Pater Ronald Ringrose in Vienna, Virginia, USA, zum Bischof geweiht werden. Bitten Sie den Allmächtigen Gott um Seinen Segen bei der Zeremonie – und um gutes Wetter!

Kyrie eleison.