Vatikanum II-B

Die Parallelen zwischen dem Zweiten Vatikanischen Konzil und den jüngsten Geschehnissen in der Priesterbruderschaft St. Pius X. sind so verblüffend, daß wir diese Geschehnisse durchaus Zweites Vatikanum „Nummer 2,“ oder kurz Vatikanum II-B nennen können. Das leuchtet ein. Denn genau dieselbe Versuchung und derselbe Druck der modernen Welt, die in den 1960iger-Jahren die Würdenträger der Amtskirche zusammenbrechen ließen, beherrschen seit dem Jahr 2000 auch eine Reihe von Bruderschaftsmitgliedern und bringen nun die Priesterbruderschaft an den Rand des Zusammenbruchs. Vor kurzem habe ich mir vorgestellt, wie eine Mutter ihrem Kind folgende Gutenachtgeschichte erzählte:—

„Es war einmal eine blühende katholische Kirche. Allerdings war sie umzingelt von einer bösartigen modernen Welt. Daher verurteilte die Kirche die modernen Prinzipien, auf denen diese Welt aufgebaut war. Weil aber die Welt nicht verurteilt werden wollte, tat sie alles in ihrer Macht stehende, um die Kirche zu infiltrieren und die kirchlichen Verurteilungen aufhören zu lassen. Doch gewisse Ereignisse, wie zwei schreckliche Weltkriege, bestätigten die Richtigkeit der Kirche. Also strömten Seelen in großer Zahl in die Kirche, weil sie für die Probleme der Welt wahrhaftige Lösungen bot.“

„Doch dann geschah die Katastrophe! Gerade als derartig viele Seelen das sanfte Joch Christi anzunehmen bereit waren, beschlossen die führenden Kirchenmänner, daß die moderne Welt am Ende doch Recht hatte! Und auf einer großen, vierjährigen Versammlung in Rom paßten die Kirchenmänner die Prinzipien der Kirche an die moderne Welt an. Die Kirchenführer schlossen nun einerseits Freundschaft mit all den früheren Feinden der Kirche, und wurden andererseits sehr grausam zu den wahren Freunden der Kirche, welche mit der Kirchenmodernisierung nichts zu tun haben wollten. Diese wahren Freunde der Kirche machten aber nur eine kleine Minderheit unter den Katholiken aus, denn über die Jahrhunderte hinweg hatten die Katholiken ihr Vertrauen in die Führer so stark ausgebaut, daß sie ihnen selbst dann noch folgten, als diese Führungspersonen die Kirche verrieten. Doch Gott in seiner Barmherzigkeit gab dieser Minderheit unter den Katholiken eine eigene Führungsperson, einen wahrhaft katholischen Erzbischof, um den sich die Katholiken zu scharen anfingen, so daß eine wahrhaft katholische Bewegung des Widerstandes aufzublühen begann.“

„Allerdings war diese Bewegung umzingelt von einer bösartigen Neukirche. Und weil die Neukirchenmänner nicht durch diese Bewegung als Modernisten verurteilt werden wollten, taten sie alles in ihrer Macht stehende, um diese Bewegung auszuschalten. Allerdings bestätigten gewisse Ereignisse, wie das Leerwerden und Schließen einer nach der anderen Institution der Neukirche, nur die Richtigkeit der Bewegung. Also strömten immer mehr katholische Seelen zu dieser Bewegung, weil sie wahrhaftige Lösungen hochhielt für die ansonsten unlösbaren Probleme sowohl der modernen Welt als auch der Neukirche, die in die moderne Welt übergegangen war.“

„Doch dann geschah die Katastrophe! Gerade als immer mehr katholische Seelen von der zusammenbrechenden Neukirche zu dieser Bewegung wechselten, begannen die Oberen dieser Bewegung zu sagen, daß man das Üble der modernen Welt auch übertreiben könne und daß die vierjährige Versammlung in Rom am Ende doch nicht so schlecht gewesen sei. Die Oberen der Bewegung schlossen nun einerseits Freundschaft mit den Neukirchenmännern, und gingen andererseits sehr grausam mit jedem Glied der Bewegung um, welches auf dem Verurteilen der Neukirche und ihren falschen Prinzipien beharrte. Und zu allem Übel besaßen diese Oberen auch Anhänger in der Bewegung, weil die Katholiken sich so an die Vorstellung gewöhnt hatten, daß sie untreu wären, wenn sie ihren Oberen nicht vertrauen würden.“

„Mama, hatte die Geschichte ein glückliches und zufriedenes Ende gefunden?“

„Mein Liebling, das weiß ich nicht, denn die Geschichte ist noch nicht aus. Schlafe jetzt ein.“

Kyrie eleison.