Zwei Reisen

Von Mitte Dezember 2012 an unternahm ich Reisen nach Nordamerika und Frankreich. Dabei beobachtete ich in der Priesterbruderschaft St. Pius X. einen gefährlichen Zustand der Unschlüssigkeit. In jenen Distrikten, wo der Obere nicht blind ist, wird diese Gefahr momentan noch etwas zurückgehalten, und somit wartet auch der Widerstand. Wo jedoch der Distriktobere ein willfähriger Helfer des Bruderschafts-Generalhauses ist, da geht es zügig in Richtung Neukirche voran und entsprechend nimmt auch der Widerstand Gestalt an. Was genau steht auf dem Spiel?

Seit dem Ausbruch des Protestantismus rutscht die Welt immer weiter von Gott weg. Zwar blieb die katholische Kirche dank dem Konzil von Trient (1545–1563) standhaft, doch schloß die Amtskirche durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) sich diesem Wegrutschen an. Vor allem dank Erzbischof Lefebvre (1905–1991), aber nicht nur durch ihn allein, kamen einige Reste der Trienter Kirche zusammen, um inmitten der Wüste des Modernismus eine katholische Oase zu bilden: die Priesterbruderschaft. Doch wenn bereits die mächtige Kirche nicht widerstehen konnte, so war es gewiß nur eine Frage der Zeit, bis die winzige Priesterbruderschaft versucht sein würde, diesem Wegrutschen sich ebenfalls anzuschließen.

So wie nun aber die offizielle Kirchenführung auf dem Zweiten Vatikanum vorschützen mußte, nicht mit der tridentinischen Kirche zu brechen (was z.B. die „Hermeneutik der Kontinuität“ von Benedikt XVI. vorzugeben versucht), so muß nun auch die offizielle Bruderschaftsführung vorschützen, nicht mit Erzbischof Lefebvre zu brechen. Wie die meisten Politiker der letzten 500 Jahre auch, wenden die Bruderschaftsoberen nun das bekannte Motto an: nach rechts reden, aber nach links marschieren. Denn dies gefällt einer großen Zahl von Menschen, nämlich das Erscheinungsbild des Christentums hochhalten ohne seine Substanz (vergleiche 2. Timotheusbrief 3,1–5 – vor allem Vers 5). Wie Descartes schreiten solche Führungspersonen „unter einer Maske voran,“ um ihre Handlungen auf der Linken durch Worte auf der Rechten zu kaschieren – kurz gesagt durch mehrdeutige Worte.

Wie Hw. Pater Chazal sagt, fiel die Maske der Priesterbruderschaft im Frühling des letzten Jahres. Die Bruderschaftsführung muß sich dann ausgerechnet haben, daß die Zeit reif sei für ihren offenen Schritt in die Amtskirche. Doch – leider für diese Oberen – entstand von März bis Juni 2012 genügend Widerstand, um auf dem Generalkapitel im Juli den unmittelbaren Anschlußversuch an die Neukirche zu blockieren. Deswegen wurde nach diesem Kapitel die Maske wieder aufgesetzt. Doch Liberale bekehren sich nur durch ein Wunder, weil der Linksdrall ihre Ersatzreligion ist. Aus diesem Grunde warten nun die Bruderschaftsoberen gewiß darauf, daß die moderne Welt, das Fleisch und der Teufel ihre Wühlarbeit fortsetzen, den Klerus und die Laien der Bruderschaft nach links zu ziehen. Dann steht bestenfalls nach ein paar Jahren dem Anschluß der Priesterbruderschaft an die Neukirche kein ernsthafter Widerstand mehr entgegen – im Gegensatz zum Sommer des Jahres 2012.

Die Bruderschaft sitzt dadurch zwischen den Stühlen. Aber wie schon der gesunde Menschenverstand von Erzbischof Lefebvre bemerkte, formen allerdings die Oberen ihre Untergebenen und nicht umgekehrt. Deswegen ist – falls nicht durch ein Wunder die Bruderschaftsführung ersetzt wird – die Priesterbruderschaft dazu verurteilt, in die Neukirche sich aufzulösen. Man wird kaum sagen können, daß diese Strafe unverdient wäre. Flehen wir dennoch die Muttergottes an, daß die Barmherzigkeit ihres göttlichen Sohnes Wunder wirken möge.

Kyrie eleison.