Donnerstagsgedanken
Höchstwahrscheinlich wissen viele Leser aus der Karwoche-Liturgie, die normalerweise nächste Woche zelebriert wird, was die Evangelien über die Passion unseres Herrn berichten, doch haben sie vielleicht nie darüber nachgedacht, wie viele der verschiedenen Momente der Passion auf die Lage der Katholiken in der heutigen Zeit übertragen werden können. Man denke beispielsweise an die furchtbare Not unseres Herrn im Garten Gethsemane. Er sagte damals viele Dinge, von denen jedes auf zahlreiche Weisen interpretiert werden kann.
Am Donnerstagabend ist Jerusalem voll von Pilgern aus Judäa, Galiläa und der Diaspora, und in der ganzen Stadt herrscht eine elektrische Spannung, weil jeder, der etwas auf sich hält, wegen des grossen Pessachfestes dort ist, und im Zentrum der Spannung steht Jesus. Er wird von seinen Aposteln und Jüngern, aber auch von den zahlreichen Menschen, die Er während der letzten drei Jahre seines irdischen Lehramtes belehrt, geheilt, getröstet und gestützt hat, zutiefst geliebt. Andererseits scheint es, dass die religiösen Verwalter des Tempels, die Hohepriester sowie die Schreiber und Pharisäer heftigen Groll auf Ihn empfinden und Ihn unter allen Umständen weghaben wollen. Was hat Er denn Böses getan? Und was werden sie Ihm antun? Die ganze Stadt (Hauptstadt?) spricht nur noch von Jesus.
In dieser gespannten Atmosphäre feiert Er das Abendmahl mit Seinen Aposteln, wobei er den Zeremonien des Alten Testaments merkwürdig anmutende, aber ausserordentlich ernsthafte neue hinzufügt und spricht, als sei Er im Begriff, seine Jünger zu verlassen. Er schickt Judas Ischariot weg, und dann führt Er die anderen Apostel in den Garten Gethsemane. Sie sind erschrocken und besorgt, aber Petrus ist bereit zu kämpfen und hat zu diesem Zweck ein Schwert mitgenommen. Acht von den elf lässt Jesus zurück, doch Petrus, Jakobus und Johannes führt Er noch tiefer in den Olivenhain, wo Er sie auffordert, zu beten, und sie warnt, wenn sie nicht beteten, könnten sie leicht in Versuchung geraten. Dann lässt Er auch sie hinter sich zurück, und Er betet in Seiner furchtbaren Not dreimal, findet Seine Jünger aber jedes Mal schlafend vor, wenn Er sich wieder zu ihnen gesellt. Schliesslich führt Judas Ischariot die Tempelwache herbei, damit sie Unseren Herrn verhaften kann, fern vom Volk, das ihn womöglich schützen könnte, und er verrät Ihn mit einem Kuss. Petrus wird wütend, zieht sein Schwert und haut, um seinen geliebten Herrn zu verteidigen, einem der Diener des Hohepriesters ein Ohr ab, wonach ihn Jesus anweist, sein Schwert wieder einzustecken. Dafür nennt er drei Gründe.
Erstens: „Wer das Schwert nimmt, der wird durch das Schwert umkommen.“ Unser Herr denkt da nicht an einen Kampf zwischen irdischen Widersachern, sondern an den geistigen Kampf, den entscheidend wichtigen Kampf um die ewige Rettung von Seelen. Diesen kann Er niemals mit Gewalt führen, weil diese lediglich Gegengewalt hervorrufen würde. Der zweite Grund ist ähnlicher Art: „Meinst, du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, und er würde mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schicken?“ Selbstverständlich verfügt der Schöpfer des Universums über genug physische Kraft, um ganze Armeen von Feinden Seines Sohnes zu vernichten, doch so würden die göttlichen Personen keine Seelen gewinnen, im Gegenteil: Überlegene physische Kraft würde auf diese Weise von Gott besiegte Seelen Ihm lediglich entfremden. Und drittens: „Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, dass es so geschehen muss?“ Gottes in der Heiligen Schrift offenbarter Plan war von Ewigkeit an, dass Jesus Seelen (eine Minderheit von ihnen) gewinnen wird, indem Er sich selbst vernichten lässt! Jesus wird siegen, indem Er, wie man heute zu sagen pflegt, zumindest dem Anschein an, ein „Verlierer“ ist! Zu diesem Zeitpunkt ist Petrus der „Verlierer,“ und in völligem Unverständnis seines geliebten Herrn flieht er, gefolgt von den anderen zehn Aposteln.
Wie so viele männliche Traditionalisten heute ist Peter ein Mannsbild von echtem Schrot und Korn. Es fehlt ihm weder an Glauben noch an Mut noch an Hingabe gegenüber seinem göttlichen Herrn, doch hat er geschlafen, anstatt im Garten zu beten. Hätte er gebetet statt geschlafen, hätten seine Gedanken göttlich statt menschlich, allzu menschlich, sein können, und er hätte wohl verstanden, dass Jesus zum Klang einer weit höheren Trommel marschierte als Petrus, so mutig und treu dieser auch sein mochte. Durch den Liberalismus oder den Sedisvakantismus hauen Katholiken heute nicht nur einem der Diener des Hohepriesters ein Ohr ab, sondern sie schlagen dem Hohepriester selbst den Kopf ab, durch sanfte Quasi-Häresie oder durch hartes Quasi-Schisma. Doch hat Unser Herr Selbst uns nicht mahnend darauf hingewiesen, dass auch seine Kirche siegen wird, indem sie verliert? Wird sie am Ende der Welt (Lukas XVIII, 8) nicht fast verschwunden sein? Ein Mysterium . . .
Kyrie eleison.