Verhängnisvoller Augenblick

Verhängnisvoller Augenblick on Oktober 5, 2013

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Die meisten Leser dieser „Kommentare“ haben inzwischen wahrscheinlich das gravierende Problem verstanden, welches die Glaubensverteidigung der Führer der Priesterbruderschaft St. Pius X. lähmt, und würden daher vielleicht lieber über andere Themen lesen. Doch weil der globale Abfall vom Glauben in den Köpfen von Millionen heutiger Menschen eine so große Verwüstung angerichtet hat, denke ich, daß wir die Natur des Glaubens, seine Notwendigkeit, und die Methoden seiner Unterwanderung, gar nicht oft genug untersuchen können. Ohne auf den jüngsten Unglücken oder Vergehen der Priesterbruderschaft herumreiten zu wollen, möchte ich doch ein weiteres Beispiel ihrer Geschichte aus dem letzten Jahr herausgreifen.

Viele Teilnehmer des Generalkapitels der Priesterbruderschaft im Juli 2012 feierten es unmittelbar danach als einen Triumph der Einheit über die Not und die Spannungen der vorangegangenen Monate. Doch zwischenzeitlich wurde diese Euphorie durch eine nüchterne Sicht auf das Generalkapitel abgelöst, und einige seiner Teilnehmer stufen es nun sogar als Katastrophe ein. Einer der Kapitelteilnehmer – oder Kapitulanten, wie sie auch genannt werden – hat jenen Augenblick des Generalkapitels als verhängnisvoll bezeichnet, wo die 39 führenden Bruderschaftspriester (mich ausgeschlossen) ihre eigene Bruderschaft und ihre Oberen über die Glaubenslehre gestellt haben – genau so, wie die Masse der katholischen Bischöfe auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil es gemacht hatte.

Die Beratungen auf dem Generalkapitel wurden angemessen eröffnet durch einen schwerwiegenden lehrmäßigen Angriff des Rektors des Bruderschaftseminars von Ecône auf die Doktrinelle Deklaration von Mitte April 2012, durch welche die Bruderschaft offiziell sich bereit erklärte, mit den römischen Neo-Modernisten einen Kompromiß einzugehen bezüglich des Konzils, der Neuen Messe, des neuen Kirchenrechts (CIC) und der „Hermeneutik der Kontinuität“ von Papst Benedikt. Der Ton des lehrmäßigen Angriffs war gewiß gemäßigt und respektvoll, doch seine Substanz von äußerst gravierender Natur. Denn praktisch sagte der Angriff aus, daß jene Personen, welche die April-Deklaration abgefaßt oder sie zur Vorlage in Rom vorangetrieben hatten, in Fragen der katholischen Doktrin inkompetent waren. Wenn diese Personen bewußt inkompetent waren, so wären sie Glaubensverräter; wenn sie hingegen unbewußt inkompetent waren, so wären sie unfähig, eine katholische Kongregation anzuführen, welche eigens zur Verteidigung des Glaubens gegründet worden war. Stille befiel das Kapitel, als die Kapitulanten zu begreifen anfingen, wie schwerwiegend die impliziten Anschuldigungen gegen ihre Oberen waren.

Doch dann brach der Rektor des Bruderschaftsseminars von Argentinien das Schweigen und sagte, daß das Kapitel unmöglich einen Schlag gegen den Generaloberen führen könne, indem es von ihm verlange, daß er seine Doktrinelle Deklaration zurückziehen solle. Außerdem werde dieses Zurückziehen ja in der Schlußerklärung des Kapitels implizit enthalten sein. Ein weiterer Kapitulant brachte dann einen anderen Punkt auf den Tisch, und schon fuhr das Kapitel mit anderen Themen fort. Doch das doktrinelle Problem der verräterischen April-Deklaration wurde weder durch die Schlußerklärung des Kapitels bzw. seine sechs Bedingungen für ein zukünftiges Übereinkommen mit Rom auf klare Weise gelöst, noch durch irgendeine spätere klare Zurücknahme vonseiten des Generaloberen – ganz im Gegenteil. Und die Bruderschaft wird auch weiterhin geleitet durch praktische Übereinstimmung mit der Politik von Sanftheit gegenüber den Glaubensfeinden in Rom, welche den Glauben und mit ihm die Kirche in Stücke reißen.

Wie konnte den Kapitulanten entgehen, daß der „Respekt vor den Oberen“ über den Glauben gestellt wurde? Warum beharrten sie nicht darauf, daß das doktrinelle Problem – das mit Abstand größte Problem des gesamten Kapitels – hätte geklärt werden müssen, bis alle vollständig erfaßt haben würden, welche Schritte auf der Stelle zu unternehmen gewesen wären, anstatt geschickt ans Ende des Generalkapitels verschoben zu werden? Es kann nur eine Antwort geben: diese Kapitulanten waren, genau wie die Bischöfe des Zweiten Vatikanum, insgesamt eben Kinder der modernen Welt. Ihnen ist die Glaubenslehre keine Lebensnotwendigkeit, sondern vielmehr etwas, was man eben im Seminar lernt, um Priester zu werden, und dann zwar verehrt, aber mehr oder weniger ins Abseits befördert. Liebe Leser: lest!

Kyrie eleison.