Eleison Comments

Viganò Light?

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In einer Reihe kürzlicher öffentlicher Stellungnahmen, von denen die vom 9. Juni besonders grosses Aufsehen erregte, hat der italienische Erzbischof Carlo Viganò, bis heute Mitglied der offiziellen Kirchenhierarche, Vatikan II mit einer Schärfe verurteilt, die man bei der überwältigenden Mehrheit seiner Kollegen nicht findet. Doch jetzt hat sich ein italienischer Theologe, Pater Alfredo Morselli, zu Wort gemeldet, der Erzbischof Viganòs hartes Urteil mildern möchte. Pater Morselli geht keineswegs so weit, das Konzil zu verteidigen, argumentiert jedoch z.B., dieses sei nicht allein verantwortlich für die Krise, welche die Kirche in den Jahren danach heimsuchte. Wir geben seine „Thesen zum Konzil,“ die er in neun Hauptpunkten und acht Nebenpunkten veröffentlicht hat, hier in verkürzter Form wieder und kommentieren sie unsererseits.

1 Die gegenwärtige Krise ist von beispielloser Schwere; sie ist ihrem Wesen nach neomodernistisch, jedoch bedeutend schwerwiegender als die ursprüngliche modernistische Krise zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
2 Allerdings ist Vatikan II nicht einfach die Ursache der heutigen Krise, weil:
2.1 Die Krise schon lange vor 1960 begann,
2.2 ihr Neomodernismus ohne die tiefe Verdorbenheit des modernen Menschen niemals Wurzeln geschlagen hätte, und
2.3 das Pontifikat von Papst Franziskus schon lange vor dem 21. Jahrhundert vorbereitet wurde.
3 Wir müssen zwischen dem Konzil selbst und dem Post-Konzil, oder den Nachwehen des Konzils, unterscheiden;
3.1 Das Konzil kann nicht für alle ihm angelasteten Irrtümer verantwortlich gemacht werden, selbst wenn sie in seinem Namen begangen wurden,
3.2 Der Heilige Geist war beim Konzil zugegen, so dass man nicht sagen darf, am Konzil sei überhaupt nichts Gutes gewesen.
4 Die Texte des Konzils enthalten zweideutige Formulierungen, die von den Neomodernisten ausgenutzt werden können.
5 Fast all diese Probleme wurden später durch offizielle Klarstellungen der Kirche gelöst.
6 Die Probleme gehen weniger auf Irrtümer zurück als auf den Wunsch, inklusiv statt exklusiv zu sein.
7 Ein tragisches Beispiel dieses Wunsches ist die Weigerung des Konzils, den Kommunismus zu verurteilen.
8 Das Konzil „pastoral“ zu nennen, bedeutet nicht, dass an seinen Erklärungen nichts Dogmatisches ist.
9 Man darf das Konzil lediglich in Übereinklang mit der Kirchenlehre über den Glauben kritisieren. Deshalb:
9.1 Der Glaube bedeutet, Gott zu vertrauen, d. h. seine Wahrheiten durchwegs zu akzeptieren und nicht zu wählen, an welche man glaubt und an welche nicht.
9.2 Das Magisterium der katholischen Kirche ist der oberste Schiedsrichter darüber, welche die Wahrheiten sind, an die man zu glauben hat.
9.3 Das Magisterium ist nicht offen für private Interpretationen. Es allein kann seine eigenen Entscheidungen interpretieren.

Hier nun ein kurzer Kommentar zu jeder dieser Stellungnahmen Pater Morsellis:

1 Dieser einleitende Punkt zeigt, wie sehr Pater Morselli mit Erzbischof Viganò übereinstimmt. Bravo!
2 Wer würde eine Explosion lediglich dem Zünder zuschreiben? Selbstverständlich braucht es auch Sprengstoff.
2.1 In der Tat hatte Vatikan II eine lange Reihe von Ahnen, insbesondere die protestantische „Reformation“ sowie die Revolution von 1789.
2.2 Völlig richtig. Die tiefe Verderbtheit des modernen Menschen ist erst im Verlauf von Jahrhunderten herangereift.
2.3 Auch das ist wahr. Fünf neomodernistische Päpste haben den sechsten vorbereitet, der ebenfalls Neomodernist ist, dies jedoch in der Praxis noch weitaus deutlicher zeigt.
3 Vorsicht! Ist jemand, der die Stalltür entriegelt, etwa nicht schuld daran, wenn die Pferde dann ausreissen?
3.1 „Ich wollte nie, dass die Pferde ausreissen. Ich wollte nur, dass sie frei im Sonnenschein
herumspringen könnten!“
3.2 Der Heilige Geist hat das Konzil zwar vor noch schlimmeren Irrtümern bewahrt, den Bischöfen aber ihren freien Willen gelassen.
4 Die tödlichen Zweideutigkeiten wurden von den Neomodernisten absichtlich eingebaut, und die”Katholiken”stimmten dafür.
5 Diese „Klarstellungen,“ an die Pater Morselli glaubt, klären in der Regel gar nichts, sondern lassen das Problem bestehen. „Ändert ein Leopard seine Flecken?“ (Jeremia, XIII, 23)
6 Leider ist es gerade der Wunsch, inklusiv zu sein, der einst fest verschlossene Türen wieder für den Irrtum öffnet.
7 Erzbischof Lefebvre sagte, die Weigerung, den Kommunismus zu verurteilen, werde dieses Konzil für immer stigmatisieren.
8 Schreckliche Zweideutigkeit: Das Konzil war nicht dogmatisch, musste jedoch wie ein Dogma befolgt werden!
9 „Das Gift ist im Schwanze“ – am Ende nimmt Pater Morselli zum Autoritätsargument Zuflucht! –
9.1 Natürlich müssen wir das glauben, was wirklich von Gott kommt, und nicht, was wir selber wählen.
9.2 Und wenn Er von uns Glauben verlangt, wie Er es tut, so muss Er uns ein unfehlbares Magisterium zur Verfügung stellen.
9.3 Aber jenes Magisterium besteht aus fehlbaren Kirchenbeamten, die alle über den freien Willen verfügen, welchen der Liebe Gott ihnen nicht nehmen wird, und wenn sie ausnahmsweise ihre Plicht katastrophal verraten, so wird Er von den Schafen erwarten, dass sie ihre Hirten nach ihren Früchten beurteilen.

Kurz, die Strenge, mit der Erzbischof Viganò Vatikan II nach seinen Früchten beurteilt, übertrifft die Autorität, zu der Pater Morselli Zuflucht nimmt.

Kyrie eleison.