Des Papstes Desintegration – II
Das Versepaar am Anfang oder Ende jeder Ausgabe dieser”Kommentare”besteht in aller Regel aus nur zwei kurzen Zeilen; dies bedeutet, dass die betreffende Aussage in so gedrängter Form gemacht wird, dass sie manchmal schwer zu verstehen ist. Das letztwöchige Versepaar war ein Beispiel hierfür. Doch da seine Botschaft zum Kern des grossen Irrtums vorstösst, der die katholische Kirche seit Vatikan II (1962–1965) heimsucht, lohnt es sich, zu diesen beiden Zeilen zurückzukehren und ihnen vermehrte Aufmerksamkeit zu widmen. Sie lauteten:
Mit ihrem Geschenk konnten die Griechen die Verteidiger Trojas betrügen,
Doch gefährlicher als jene Griechen sind heute Modernisten mit all ihren Lügen.
Die erste der beiden Zeilen bezieht sich auf ein berühmtes Zitat aus dem zweiten Buch von Virgils lateinischem Epos”Äneis», das, in unsere Sprache übersetzt, bedeutet:”Was das auch sei, ich fürchte die Griechen, selbst wenn sie Geschenke bringen.”Der Trojanische Krieg dauerte seit zehn Jahren an, und trotz seiner gewaltigen Anstrengungen war es dem griechischen Heere nicht geglückt, die Stadt Troja mit militärischen Mitteln zu erobern. Nun greifen die Griechen zu einer tückischen List: Ausserhalb der Tore Trojas lassen sie ein hohles, hölzernes Pferd, in dessen Inneren sich griechische Krieger verbergen, als”Geschenk”für die Trojaner zurück. Die Trojaner beraten sich, was sie mit diesem schönen Ross tun sollen – sollen sie es durch das Tor in die Stadt ziehen? Ein weiser, alter Trojaner sagt nein, denn was immer das sei, er könne den Griechen nicht vertrauen. Zu Trojas Unglück schenkt man seiner Warnung kein Gehör; das Pferd wird durch die Stadtmauer geschleppt, nachts steigen die Krieger aus seinem Bauch, Troja wird durch einen Überraschungsangriff eingenommen, und die Griechen gewinnen den Trojanischen Krieg durch jene Heimtücke, für die sie in der antiken Welt berüchtigt waren.
Doch die zweite Zeile des Versepaars besagt, dass selbst die Ränke der alten Griechen bei weitem nicht an die hinterlistigen Intrigen der heutigen Modernisten heranreichen, die sich ins Herz der katholischen Stadt einschleichen und ihre Grundfesten selbst zerstören. Wie ist das nur möglich?
Unsere Antwort lautet: Dadurch, dass die Menschheit im Laufe der Jahrhunderte ihren Sinn für die Realität Gottes und ihre eigene Abhängigkeit von Gott verloren hat. Dieser Verlust erfolgte mutwillig. Um das letzte Zeitalter der Welt mit der grössten Ernte von Seelen für die Freuden der ewigen Seligkeit einzuläuten, gewährte der allmächtige Gott der Menschheit die grösste aller Gnaden, die Menschwerdung Seines eigenen und einzigen göttlichen Sohnes, der am Kreuze starb, um den neuen und ewigen Bund zwischen Gott und dem Menschen mit Seinem Blut zu besiegeln und die katholische Kirche zu begründen, die allen Menschen durch ihre Sakramente die Früchte jenes Märtyrertodes und die Erlösung zu bescheren vermag. Und nach anderthalbtausend Jahren war es dieser Kirche in der Tat gelungen, die christliche Zivilisation zu schaffen, die jeder anderen unvergleichlich überlegen war.
Aber nach fünfzehnhundert Jahren schürte genau dieser Sieg der Christenheit den Stolz der Menschen, so dass sie eine Reihe immer raffinierterer Heucheleien ersannen, um ihre Freiheit von der Wahrheit Gottes zu erkämpfen. Der Protestantismus und der Jansenismus gaben vor, katholisch zu sein, der Liberalismus gab vor, christlich zu sein, der Kommunismus stellte sich als volksfreundlich dar, und die von diesen wachsenden Heucheleien erzeugte Welt wurde zusehends schwerer für das Alltagsleben von Katholiken. umso mehr, als diese moderne Welt ständig”normaler”wurde. Zuletzt wurde es infolge dieses von aussen ausgeübten Drucks beispielsweise für ein katholisches Ehepaar anscheinend so gut wie unmöglich schwer, in einer heutigen Grossstadt alle Kinder zu gebären und aufzuziehen, die Gott ihm senden kann. Ihren gewaltigsten Triumph errang die Heuchelei mit Vatikan II dadurch, dass sich Postkatholiken dank einem willfährigen Klerus als Katholiken ausgaben; dadurch geriet die wahre Kirche in tiefste Verwirrung, die bis zum Tage andauern wird, den Gott wählen wird, um den Augiasstall, welcher der Vatikan heute geworden ist, radikal zu säubern.
Doch Gott hat Seine unveränderliche Kirche niemals im Stich gelassen, ebenso wenig die Seelen, die, auf welcher Ebene auch immer, treu in ihrem Schosse verharren, und keine Seele braucht zu fürchten, von Gott verlassen zu werden, wenn sie die wahre Kirche, oder Gottes Realität, nicht selbst voraus verraten hat. Allerdings mag Gott von solchen Seelen ein gewisses Mass an Leiden verlangen, um einen Beitrag zur Sühnung jener Sturmwellen der Sünde zu leisten, welche über die Menschheit hinwegfegen. Mögen diese Seelen nicht leichtfertig einer jener vielen Heucheleien verfallen, mittels welcher moderne Menschen sich selbst betrügen und sich einreden, dass Gott gar nicht existiere oder dass ihre eigene Realität der Seinen vorzuziehen sei . . .
Kyrie eleison.