Zwei Bischöfe
Seitdem im Sommer und Herbst 2012 klar wurde, dass zwei der drei Bischöfe, die der Priesterbruderschaft St. Pius X. angehörten, hinsichtlich deren Beziehungen zu Rom nicht mehr dieselbe Position vertraten wie noch am 7. April jenes Jahres in ihrem Brief an das Hauptquartier der Bruderschaft, fragen sich deren Anhänger – Priester und Laien – nach den Gründen für diesen Gesinnungswandel. Die wenigsten waren – oder sind – der Ansicht, der Kurswechsel der Bischöfe sei eine Frage von Personen oder Persönlichkeiten gewesen. Da der erwähnte Brief nachdrücklich davor warnte, von der Linie Erzbischof Lefebvres abzuweichen, der Kontakte mit einem unbekehrten Rom klar abgelehnt hatte, deuteten die meisten den neuen Kurs der beiden Bischöfe als das, was er war, nämlich ein Einknicken vor der veränderten Taktik des Generaloberen, die sich als „Kontakte vor der Bekehrung“ zusammenfassen lässt. Doch da sich das konziliäre Rom zwischen 1988 und 2012 kaum verändert hatte – es sei denn zum Schlechteren –, warum haben die zwei Bischöfe dann ihre zuvor hochgehaltenen Prinzipien über Bord geworfen?
Die Frage ist bis zum heutigen Tag von unverminderter Bedeutung. Was gewinnt die Bruderschaft für den Glauben – und nicht etwa der Glaube für die Bruderschaft! – durch freundliche Kontakte mit den Konzilsrömern, die nach wie vor fanatisch an der Ökumene von Vatikan II festhalten, bis hin zur Verehrung des Papstes für die Pachamama-Götzenbilder in den Gärten des Vatikans selbst? Eines scheint sicher: In den letzten 20 Jahren hat die Bruderschaft ihre Zukunft auf Gedeih und Verderben mit dieser Freundschaft verknüpft, und nun plötzlich auf letztere zu verzichten, liefe auf das Eingeständnis hinaus, dass die während dieser 20 Jahre betriebene Politik ein grosser Fehler gewesen ist. Deshalb kann die Bruderschaft, die dringend neue Bischöfe für ihr weltweites traditionalistisches Apostolat benötigt, nicht nach freiem Ermessen traditionalistische Bischöfe auswählen und weihen, weil diese den Konzilsrömern sicherlich missfallen würden. Aus diesem Grund schulterten die beiden Bischöfe anno 2012 ein schweres Kreuz, das mit jedem Jahr noch drückender wird: Sie trugen emsig dazu bei, die Bruderschaft in eine Sackgasse zu treiben, mit dem Ergebnis, dass es dieser im Jahre 2019 verwehrt bleibt, ihre eigenen Bischöfe zu haben, obwohl sie nicht ohne solche auskommen kann.
In jüngster Vergangenheit sind Informationen zugänglich geworden, die einiges Licht auf den Entscheid der beiden Bischöfe werfen, dem Grundsatz des Erzbischofs „Bekehrung vor Kontakten,“ zu dem sie sich eben noch bekannt hatten, untreu zu werden. Was Bischof de Galarreta betrifft, so haben wir erfahren, dass er fast unmittelbar nach der Publizierung des Briefs vom 7. April im Internet dem Hauptquartier der Piusbruderschaft seine Aufwartung machte, um sich gegenüber dem Generaloberen für dessen Veröffentlichung zu entschuldigen und sich ausdrücklich von diesem Schritt zu distanzieren. Doch wie konnte er sich von der Veröffentlichung distanzieren, ohne zugleich den Inhalt zu missbilligen? Allem Anschein nach war seine Besorgnis, die Publizierung des Schreibens könnte zur sofortigen Implosion der Bruderschaft führen, grösser als seine Furcht, dessen Inhalt könnte die Sackgasse entlarven, in die sich die Bruderschaft verrannt hatte, und ihre Abkehr von der Linie des Erzbischofs, der den Glauben unerschütterlich verteidigt hatte, in grellem Licht erscheinen lassen. War das Überleben der Bruderschaft für ihn wichtiger als dasjenige des Glaubens?
Bischof Tissier de Mallerais brauchte wesentlich länger, um – bildlich gesprochen – seine Unterschrift unter den Brief zurückzuziehen, doch Anfang 2013 war es klar, dass auch er diesen Schritt tatsächlich vollzogen hatte. Einem Freund erteilte er folgende bischöfliche Belehrung: Roms Bekehrung kann nicht von einem Tag auf den anderen erfolgen. Eine offizielle Anerkennung wird uns dazu befähigen, weit effizienter als bisher vom Inneren der Kirche aus zu wirken. Wir brauchen Geduld und Takt und dürfen die Dinge nicht überstürzen, um die Römer nicht aus der Fassung zu bringen, die unsere Kritik des Konzils auch weiterhin nicht goutieren, aber wir setzen uns Schritt für Schritt durch – ist dies nicht das, was die Heiligen taten? Wir müssen auch in Zukunft Skandale anprangern und das Konzil attackieren, aber wir müssen intelligent genug sein, um die Denkweise unserer Gegner zu verstehen, zu denen immerhin auch der Mann auf dem Stuhl Petri gehört. Bischof Fellays Politik ist nicht wirklich gescheitert: Am 13. Juni 2012 wurde nichts unterschrieben, und in den letzten 17 Monaten ist nichts Katastrophales, nichts Aufsehenerregendes geschehen. Ein paar Priester haben uns aufgrund mangelnder Vorsicht und fehlenden Urteilsvermögens verlassen, was ich bedauerlich finde, aber das war ganz und gar ihre eigene Schuld. Kurzum, versucht anderen mehr und euch selbst weniger zu vertrauen. Schenkt euer Vertrauen der Bruderschaft und ihren Führern. Alles ist gut, was gut endet. Das sollte der Geist eurer nächsten Entscheidungen und Schriften sein.
Soviel zu den Gründen, die den Bischof dazu bewogen, seinem Freund Linientreue gegenüber Bischof Fellay ans Herz zu legen. Doch haben Bischof de Galarreta oder Bischof Tissier de Mallerais oder Bischof Fellay die Beweggründe des Erzbischofs zum Abbruch der Kontakte mit den Konzilsrömern vollumfänglich begriffen? Unterschätzen sie nicht alle drei aufs gröblichste die beispiellose Krise, die durch den fortlaufenden Verrat der Konzilsprälaten an der Wahrheit und am Glauben hervorgerufen worden ist? Wie kann ein Kompromiss in Fragen der Doktrin oder rein menschliches Politisieren mit Rom diese vorapokalyptische Krise lösen?
Kyrie eleison.