Nochmals Sedisvakantismus – II

Nochmals Sedisvakantismus – II on Oktober 8, 2016

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Für jede katholische Seele, die sich heutzutage der Schwere der Krise, in der die Kirche steckt, bewusst ist und darüber tiefen Schmerz empfindet, kann die Einfachheit des Sedisvakantismus, der die Kirche und die Päpste des Zweiten Vatikanischen Konzils als ungültig abstempelt, zu einer ernsthaften Versuchung werden. Schlimmer noch – die scheinbare Logik der ecclesiavakantistischen und sedisvakantistischen Argumente kann diese Versuchung in eine geistige Falle verwandeln, die bei einem Katholiken im ärgsten Fall zu einem völligen Verlust seines Glaubens führen kann. Aus diesem Grund greifen unsere”Kommentare“ aus dem Wust von Argumenten, die BpS in seinem letzte Woche hier erwähnten Artikel aus dem Jahre 1991 ins Feld führt, nun das Hauptargument heraus, um es einer eingehenderen Prüfung zu unterziehen. Fassen wir dieses Argument nochmals zusammen:

Obersatz: Die Katholische Kirche kann nicht scheitern (Gott selbst hat ihr verheissen, dass sie bis zum Ende der Zeiten Bestand haben wird; siehe Matthäus XXVIII, 20). Untersatz: Die Konzilskirche, oder Kirche des Novus Ordo, die sich dem Neomodernismus und dem Liberalismus vollständig unterworfen hat, ist doch gescheitert. Schlussfolgerung: Die Kirche des Novus Ordo ist in keiner Hinsicht katholisch, und ihre Päpste sind in keiner Hinsicht Päpste. In anderen Worten: Die Kirche ist blütenweiss, während die Neukirche tiefschwarz ist; somit sind Kirche und Neukirche grundverschieden. Auf Geister, die gerne in den Kategorien von schwarz und weiss denken und keine Zwischentöne kennen, wirkt dieses Argument sehr anziehend. Doch für Geister, die anerkennen, dass die Dinge im realen Leben oft grau oder eine Mischung von schwarz und weiss sind (ohne dass schwarz deswegen aufhört, schwarz zu sein, und ohne dass weiss aufhört, weiss zu sein), ist dieses Argument zu absolut, um wahr zu sein. Somit beinhaltet der Obersatz eine Übertreibung der Unmöglichkeit des Scheiterns der Kirche und der Untersatz eine Übertreibung des Scheiterns der Neukirche. Eine Theorie mag absolut sein, aber ihre Verkörperung in der Wirklichkeit ist selten absolut. Betrachten wir näher die Unmöglichkeit eines Abfalls der Kirche sowie den Abfall der Konzilskirche nun so, wie sie in Wirklichkeit sind.

Bezüglich des Obersatzes übertreiben die Sedisvakantisten oft die Unmöglichkeit eines Abfalls der Kirche genau so, wie sie die Unfehlbarkeit der Päpste häufig übertreiben, weil sie diese Übertreibungen zur Rationalisierung des gefühlsmässigen Abscheus darüber benötigen, was seit dem Konzil aus der Katholischen Kirche geworden ist. Doch so wie diese Unfehlbarkeit in Wirklichkeit nicht ausschliesst, dass manche Päpste der Kirchengeschichte schwerwiegende Irrtümer begangen haben, und nur dann Gültigkeit besitzt, wenn der Papst entweder – Gewöhnlich – sagt, was die Kirche stets gesagt hat, oder – Aussergewöhnlich – alle vier Bedingungen der Definition von 1870 erfüllt, schliesst auch die Unmöglichkeit eines Scheiterns der Kirche nicht aus, dass es in manchen Perioden der Kirchengeschichte äusserst schwerwiegende Formen des Abfalls gegeben hat, wie beispielsweise die Triumphe des Islam oder des Protestantismus oder derjenige des Antichrist (Lukas XVIII, 8). Somit ist die Unmöglichkeit eines Abfalls der Kirche durchaus nicht so absolut, wie BpS behauptet.

Was den Untersatz betrifft, so trifft es zwar zu, dass der Abfall der Konzilskirche wesentlich gravierender ist als jener des Islam oder des Protestantismus, weil er auf das Haupt und das Herz der Kirche in Rom zielt, was die beiden früheren Häresien nicht taten. Nichtsdestoweniger hat es ein halbes Jahrhundert Konzilskirche (1965–2016) nicht vermocht, die Kirche zu einem vollständigen Abfall zu veranlassen oder zu bewirken, dass sie in jeder Hinsicht versagte. Beispielsweise hat Erzbischof Lefebvre – und er stand nicht allein – von 1970 bis 1991 das Banner des wahren Glaubens geschwenkt; seine Nachfolger taten von 1991 bis 2012 mehr oder weniger dasselbe, und der von Feinden umzingelte „Widerstand“ bleibt dieser Linie bis heute treu. Und bevor die Kirche in einer nicht allzu fernen Zukunft auf menschlicher Ebene zusammenbricht, wird ihr vollständiges Scheitern zweifellos durch göttlichen Beistand verhindert werden, so wie kurz vor dem Ende der Welt (Matthäus XXIV, 21–22). Deshalb ist sogar das Konzil als Abfall der Kirche nicht dermassen absolut, wie BpS vorgibt.

Somit muss sein Syllogismus umformuliert werden. Obersatz: Die Tatsache, dass die Kirche ewig Bestand haben wird, schliesst zahlreiche schwerwiegende Beispiele von Abfall keineswegs aus, sondern lediglich einen totalen Abfall. Untersatz: Vatikan II war ein äusserst gravierender, jedoch nicht totaler Abfall der Kirche (auch wenn Katholiken, die sich seiner Gefahren bewusst sind, ihn zur Verhütung einer Ansteckung sorgsam meiden müssen). Schlussfolgerung: Die Unfehlbarkeit der Kirche schliesst Vatikan II nicht aus. Kurz gesagt, Gottes eigene Kirche ist grösser als alle Bosheit des Teufels oder des Menschen, selbst Vatikan II. Der Abfall der Konzilskirche mag in der gesamten Kirchengeschichte wohl beispiellos schwerwiegend sein, doch das ewige Bestehen der Kirche und die Unfehlbarkeit der Päpste kommen von Gott und nicht von den Menschen. Wie die Liberalen denken auch die Sedisvakantisten, menschlich, allzu menschlich.

Kyrie eleison.