Konziliarismus

Madiran – Schlussfolgerung

Madiran - Schlussfolgerung on Januar 9, 2021

Mit dem 1968 erschienenen Buch Die Häresie des 20. Jahrhunderts von Jean Madiran (1920–2013) haben sich bisher sieben Ausgaben dieser”Kommentare”auseinandergesetzt; in der ersten wurde der Prolog analysiert, und in jedem der sechs folgenden wurde jeweils einer der sechs Teile des Werks zusammengefasst. Es lohnt sich, die einzelnen Teile wieder zu einem Ganzen zusammenzusetzen, um daraus einige grundlegende Lehren bezüglich der heutigen Situation der Kirche und der Welt ziehen und zu einer allgemeinen Schlussfolgerung gelangen zu können: Wie ist die Kirche in ihre heutige, zutiefst verwirrte Lage geraten?

Schon im Prolog hob Madiran mehrere kardinale Punkte hervor: Das Problem waren die hochrangigen Prälaten, die Bischöfe, die, nachdem sie zuvor schon seit wenigstens hundert Jahren im Namen des Fortschritts das Schiff immer mehr aus der Verankerung gelöst hatten, im 20. Jahrhundert das Christentum recht eigentlich unterwanderten und damit einen Prozess einleiteten, der zum Kommunismus führt. Das Drama begann schon lange vor Vatikan II. Es wurzelt im Glaubensverlust der Bischöfe. Das Endergebnis wird der Triumph des Kommunismus sein. Im Jahre 2020 führt die Covid-Lüge dazu, dass der Kommunismus energisch an unsere Türen klopft.

In Teil I legte Madiran – wie Pius X. anno 1907 in seiner Enzyklika Pascendi – dar, wie die Bischöfe ihre implizite Apostasie philosophisch untermauerten, indem sie sich den Subjektivismus der modernen Philosophie zu eigen machten, mit dem ausnahmslos jede Wahrheit, einschliesslich des katholischen Dogmas, dem persönlichen Ermessen des Einzelnen überlassen wird. Vergesst die objektive Realität. Von nun an ist das Objekt meinem Geist unterworfen und nicht mein Geist dem Objekt. Ich habe die Fesseln der Realität abgeschüttelt.  Diese irrsinnigen Prinzipien sind der Ursprung des Wahnsinns, der heutzutage jeden Bereich der Kirche und der Welt erfasst.

In Teil II erklärte Madiran, die Neubischöfe strebten eine Neureligion an, und diese Neureligion müsse zwangsläufig auf Kriegsfuss mit der katholischen Religion stehen. Die Neubischöfe besässen keinesfalls das Recht, den Gläubigen ihre falsche Religion aufzuzwingen, und auch als katholischer Laie hätte Madiran sehr wohl das Recht, ihnen energisch zu widersprechen. Im Jahre 2021 erleben wir wunderbarerweise, wie ein Erzbischof Viganò genau dieselbe Position einnimmt, was vor ihm bereits Erzbischof Lefebvre getan hatte. Es gibt eine objektive und unveränderliche katholische Wahrheit, die es den Katholiken erlaubt, ihren schwer irrenden Bischöfen nicht zu folgen.

In Teil III, IV und V legte Madiran den Inhalt der Häresie des 20. Jahrhundert in sieben Thesen dar, die er den Schriften des Bischofs von Metz entnommen hatte, welcher laut Madiran diese Häresie am prägnantesten verkörperte: 1 Heute verändert sich alles, so dass das Konzept der Errettung durch Christus in unseren Tagen verändert werden und 2 stärker sozialisiert werden muss, denn 3 der Glaube hört heute auf die Welt, und 4 die Sozialisierung der heutigen Welt ist eine Gnade, 5 weil in der Tat kein Zeitalter je so brüderlich gewesen ist und 6 mit solcher Freude in die Zukunft geblickt, d. h. gehofft hat, wie unser eigenes.

Madiran bemerkte hierzu, dass diese brüderliche und hoffnungsvolle Sozialisierung auf eine Neureligion hinausläuft, und diese Neureligion ist der Kommunismus. In der Tat sind die Prälaten seit Vatikan II immer stärker nach links abgedriftet; ihre Religion des Menschen ist zu ihrem Neukreuzzug geworden und der Mensch zu ihrem Neugott. Und Jesus Christus, Seine Gesegnete Mutter, der Himmel und die Hölle geraten im realen Leben mehr und mehr in Vergessenheit.

In Teil V präsentierte Madiran die siebte These des Bischofs von Metz: 7 Das Naturrecht kommt aus dem Inneren des Menschen, in anderen Worten, es existiert kein objektives Gesetz für den Menschen, das von aussen oder oberhalb seiner kommt. Dies, so Madiran, bedeutet, dass es keine Natur, keine Übernatur, kein zehn Gebote, keine wahre Nächstenliebe, keine Möglichkeit einer Gesellschaft – geschweige denn einer christlichen Gesellschaft – geben kann. Solch unverhüllte Subversion kann nur zum Kommunismus führen. So weit sind wir gekommen, im Jahre 2021 in weitaus höherem Masse als anno 1968. In diesem Teil stösst Madiran zu den Wurzeln der Desorientierung und Entortung des modernen Menschen vor, die einen Polizeistaat zur einzig möglichen Gesellschaftsform macht.

In Teil VI schloss Madiran sein Buch ab, bald nach den Pariser Studentenunruhen im Frühling 1968, die ihm Anlass zu einer schneidend scharf formulierten Schlussfolgerung boten. In Teil II, der den Bischöfen gewidmet ist, hatte er geschrieben, indem die Neukirche ausschliesslich moderne Dinge lehre, verwandle sie die Jugendlichen von heute in die Barbaren von morgen – und nun waren diese da und erfüllten im Jahre 1968 die Strassen von Paris (und im Jahre 2020 die Strassen der USA) mit Chaos. Madiran hielt die Bischöfe für verantwortlich. Der Kommunismus ist eine falsche Lösung. Gott allein ist die wahre Lösung.

                                                                                                                                                  Kyrie eleison.

Madiran – These VII

Madiran - These VII on Dezember 12, 2020

Teil V ist nicht der leichteste Teil des 1968 erschienenen Buchs von Jean Madiran (1920–2013) über die Häresie des 20. Jahrhunderts, weil er sich mit dem Naturrecht auseinandersetzt, das für moderne Geister schwer zu erfassen ist. Der Grund dafür besteht darin, dass der Schöpfergott, der Erschaffer des Naturrechts sowie jener, der es all Seinen Geschöpfen einprägt, der grosse und gute Gott, für die überwältigende Mehrheit der modernen Geister ein Buch mit sieben Siegeln ist. Nichtsdestoweniger ist das Naturrecht für Madiran so wichtig zum Verständnis der Häresie des 20. Jahrhunderts, dass er es ins Zentrum der letzten seiner sieben Thesen rückt, die er den Schriften des französischen Bischofs Schmitt entnahm, um einer ansonsten formlosen Häresie trotz allem eine gewisse Form zu verleihen. Hier nun eine Zusammenfassung von Madirans Analyse:

7 Das Naturrecht ist der Ausdruck des kollektiven Bewusstseins der Menschheit. Hieraus folgt, dass es kein objektives moralisches Gesetz gibt, das von Gott stammt und von Ihm im Herzen des Menschen festgeschrieben wird, sowie die immerwährende Kirche immer gelehrt hat.

Der Grund dafür, dass Bischof Schmitt die Existenz eines solchen göttlichen Gesetzes bestreitet, liegt allem Anschein nach darin, dass es das Sozialleben des Menschen zu mechanisch macht, als ob die Lösung sämtlicher sozialer Probleme der Menschen aus einem Lehrbuch abgelesen werden könnte. Doch Gottes Lehrbuch für den Menschen räumt diesem volle menschliche Freiheit selbst in der Gesellschaft ein, während die Leugnung des Naturrechts, laut Madiran, die Erkenntnis von Recht und Unrecht nicht mehr auf objektives göttliches Recht gründet, sondern auf das subjektive menschliche Bewusstsein, also letzten Endes auf überhaupt kein Recht mehr. Der Mensch ist zwar frei und verantwortlich, doch ist er nicht frei, seine eigenen Gesetze zu machen. Und die Soziallehre der Kirche nimmt Gottes Naturrecht zwar als Ausgangspunkt, doch um es auf die gewaltige Vielzahl neuer konkreter Situationen in unserer Zeit anzuwenden, bedarf es einer sehr grossen Arbeit, wie sie Pius XII. seinerzeit vollbracht hat.  

Ausserdem: Wie kann es ohne natürliches Recht oder natürliche Ordnung im Menschen selbst noch irgendetwas Übernatürliches geben? (Welche”Natur”gäbe es dann, worüber die”Uebernatur”über-stehen sollte?) Es kann dann keine zehn Gebote mehr geben (die das Naturrecht ausdrücken), keine Nächstenliebe mehr (die den Anfang und das Ende der zehn Gebote bildet), keine Naturreligion mehr (die durch das Naturrecht begründet wird), kein Sozialleben mehr (das natürliche Gerechtigkeit voraussetzt), kein christliches Leben mehr (das natürliche Tugenden voraussetzt), und so weiter und so fort. Kurzum, wenn es kein Naturrecht gibt, wird jede Vorstellung einer christlichen Gesellschaft unmöglich; es kann dann überhaupt keine Gesellschaft mehr existieren und erst recht keine christliche.

Einwand: Jedes gute Recht ist klar und eindeutig. Doch wenn das Naturrecht eine dermassen komplizierte Deutung erfordert, kann es weder klar noch eindeutig sein. Deswegen ist es kein gutes Recht. Antwort: In seiner absoluten Grundlage –”Tue das Gute, scheue das Böse”– ist das Naturrecht klar und unerschütterlich. In allem, was von dieser Grundlage abgeleitet wird, ist es für uns Menschen nicht so klar, und es kann erschüttert oder in Frage gestellt werden, doch in sich selbst ist es klar, so wie wenn beispielsweise ein guter Richter in einem verworrenen Rechtsstreit Gerechtigkeit walten lässt. Das Naturrecht ist uns Menschen von innen durch den Verstand bekannt und von aussen durch die Offenbarung, beispielsweise die Offenbarung der zehn Gebote an alle Menschen durch Moses.

Im dritten und letzten Kapitel von Teil V seines Buchs legt Madiran die spirituellen Folgen der Leugnung des Naturrechts dar, die er zuvor in These 7 auf die Häresie des 20. Jahrhunderts zurückgeführt hat. Das Resultat für den individuellen Katholiken ist, dass ihm ein wahres Verständnis des christlichen Lebens sowie die Einsicht, wie weit sein eigenes Leben von diesem entfernt ist, nicht mehr zugänglich sind. Er hat keinerlei Vorstellung von der absoluten Notwendigkeit der übernatürlichen Gnade mehr, um ein christliches Leben zu führen. Er wähnt, durch eigene Kraft ein anständiges Leben zu führen, aber aus diesem Leben sind das erste, zweite, dritte und vierte Gebot verschwunden; das fünfte und das siebte mögen immer noch lebendig sein, doch das achte ist geschwächt, und das sechste, neunte und zehnte Gebote sind oft ebenfalls verschwunden. Dennoch glaubt er, durch seine sentimentale Liebe zum Nächsten, die durch kein objektives Recht diszipliniert wird, seinen Nächsten so zu lieben, wie Christus uns geliebt hat, so dass er zufrieden mit sich selbst ist. In diesem Fall, hält Madiran fest, kann er nicht gerettet werden. Kein Wunder, dass ein solcher Mensch eine”Veränderung des Konzepts der Rettung, die durch Christus gebracht wurde”verlangt – und hier schliesst sich der Kreis, denn wir sind wieder bei der ersten der sieben Thesen, in denen Madiran die Häresie des 20. Jahrhunderts zusammenfasst.

Kyrie eleison.

Madiran: Sechs Thesen

Madiran: Sechs Thesen on November 28, 2020

Aus dem Prolog zu Jean Madirans Buch „Die Häresie des 20. Jahrhunderts,“ über das Nr. 690 dieser„Kommentare“ vor acht Wochen einen Überblick vermittelte, werden sich viele Leser noch an Madirans Urteil über diese Häresie erinnern, die er als „Nacht, Hohlheit und Leere” bezeichnete. Dennoch wohnte jener Häresie die zerstörerische Kraft inne, nach Vatikan II und bis zum heutigen Tag den katholischen Glauben, die katholische Liturgie, die katholische Kirche und die katholischen Seelen so, wie sie vor dem Konzil waren, bis in ihre Grundfesten zu erschüttern. Deshalb veranschaulicht Madiran seinen Lesern diese Leere mit einer Fülle von Einzelheiten. Dies tut er in den Teilen III, IV und V seines Buches, wo er sieben grundlegende Thesen der Häresie analysiert. Dabei stützt er sich auf die Schriften von Bischof Schmitt, der nach Madirans Urteil die niederschmetternde Leere der neuen Konzilsreligion jäh ins Rampenlicht gerückt hat. Wir führen diese sieben Thesen nun in Fettschrift an, wobei wir Madirans Kommentare jeweils knapp resümieren.

1 Die heutige, in raschem Wandel begriffene Welt erfordert eine Veränderung des Konzepts der Erlösung, die von Christus gebracht wurde, 

2 und sie zeigt, dass die Vorstellung der Kirche von Gottes Plan bis heute nicht genügend evangelisch war.

3 Der Glaube hört auf die Welt.

4 Die Sozialisierung ist nicht nur ein unausweichliches Faktum der Weltgeschichte. Sie ist auch eine Gnade.

5 Kein Zeitalter vor dem unseren war je fähig, das im Evangelium gepredigte Ideal der Brüderlichkeit in seiner praktizierten Form besser zu begreifen.

6 In einer auf die Zukunft ausgerichteten Welt gewinnt die christliche Hoffnung erst ihre volle Bedeutung.

7 Das Naturrecht ist der Ausdruck des kollektiven Bewusstseins der Menschheit. (Diese siebte These ist dermassen explosiv und zerstörerisch, dass Madiran ihr den gesamten fünften Teil seines Werks widmet.)

1 Die beiden ersten Thesen sind von Madiran in dem vorhergehenden Teil seines Buchs bereits analysiert worden, so dass er bezüglich der ersten hier lediglich hinzufügt, dass sie das notwendige und ausreichende Prinzip der ganzen neuen Religion darstellt. Man könnte folgendes Resümee ziehen: So wie der Katholizismus „seinem ganzen Wesen nach Tradition“ ist, ist der Modernismus „seinem ganzen Wesen nach Veränderung.“

 2. T 2 ist die Fortsetzung von T 1, d. h. sie erläutert spezifisch, welche Veränderungen nötig sind. Wie zahllose andere Systeme, angefangen beim Protestantismus, die sich gegen den Katholizismus erhoben, beruft sie sich fälschlicherweise auf das Evangelium, um es gegen die Kirche auszuspielen.

3 T 3 stellt klar, dass T 1 und 2 neu definiert haben, woran die Gläubigen fortan zu glauben haben: So wie die Katholiken an Gott zu glauben pflegten, weil Er Gott ist, müssen sie nun an die Welt glauben, weil sie die Welt ist. 

4. Und an die moderne Welt zu glauben, heisst an ihre grosse Bewegung der Sozialisierung oder des Kollektivismus zu glauben, d. h. an den Kommunismus, denn die Bewegung ist ja nicht bloss unvermeidlich, sondern sogar eine religiöse Gnade (!).

5. In anderen Worten: Die „Rettung durch Christus“ (T 1) sowie der „Plan Gottes“ (T 2) sind nur noch leere Worte, die als Relikte der Vergangenheit beibehalten werden, jedoch jeder übernatürlicher Bedeutung und Realität entleert sind.

6. Ganz ähnlich sind jede übernatürliche Hoffnung und jedes Streben nach Gottes Himmel ihres früheren Gehalts entleert und werden – besser – durch die Moderne erfüllt. Denn nie zuvor in all den 20 Jahrhunderten des Christentums haben die Christen die christliche Hoffnung so gut verstanden wie wir Menschen von heute, die wir alle gemeinsam der Zukunft entgegenmarschieren, der Schönen Neuen Weltordnung (!).

Madirans abschliessender Kommentar besteht im Hinweis darauf, wie all die sechs Thesen, die er Bischof Schmitts Schriften entnommen hat, miteinander zusammenhängen. Somit ist T 1 das Sprungbrett für die nächsten fünf. Doch woher rührt dieser manische Drang nach Veränderung, der auch bei allen modernen Politikern dermassen markant zutage tritt? Vor der Moderne beruhte schliesslich alles auf Gott und drehte sich um Gott. Doch heute verwirft der Mensch Gott. Deswegen muss alles verändert werden (T 2), mit dem Ergebnis, dass an Gottes Stelle jetzt der Mensch im Mittelpunkt steht (T3) und die Welt des Menschen den vollständigen Horizont bildet. Diese Zentrierung auf den Menschen (T 4) lässt sich nicht rückgängig machen, aber (T 4) sie ist genau so gut wie eine Religion, und (T 5) niemals zuvor sind die Menschen fähiger als heute gewesen, den Menschen ins Zentrum zu rücken oder (T 6) sich auf die humane Zukunft der Menschheit zu freuen. Die Übereinstimmung dieses Systems mit dem Kommunismus liegt klar auf der Hand, mit der Eliminierung Gottes und der Vergöttlichung des Menschen als logische Konsequenz. Sie wird noch klarer zutage treten, wenn (T 7) die Natur und das Naturrecht eliminiert sind. War das eigentliche Ziel der diesen Sommer in den USA organisierten Unruhen nicht die endgültige Eliminierung des lieben Gottes? Herr, erbarme dich unser!

 Kyrie eleison.

Madiran; Über Die Häresie

Madiran; Über Die Häresie on November 14, 2020

In seinem Buch”Die Häresie des 20. Jahrhunderts”hat Jean Madiran (1920–2013) dargelegt, wie schwerwiegend die heutige Häresie ist (Vorwort); er hat die ihr zugrunde liegende Philosophie blossgestellt (Teil I) und klar festgehalten, dass die Verantwortung dafür bei den Bischöfen liegt (Teil II). In den Teilen III, IV und V nimmt er die Häresie selbst eingehend unter die Lupe und analysiert sie auf der Grundlage ihrer sieben Thesen. In Teil III befasst er sich – aufgrund ihrer Bedeutung – ausführlich mit den beiden ersten davon, in Teil IV untersucht er die ersten sechs insgesamt, ohne dabei allzu sehr ins Detail zu gehen, und Teil V widmet er vollständig der siebten These, weil diese seiner Überzeugung nach eine absolut kardinale Rolle spielt. Teil III, das Thema der dieswöchigen”Kommentare», ist in sechs Kapitel untergliedert.

In Kapitel eins schreibt Madiran, am Vorabend von Vatikan II (1962–1965) sei die religiöse Atmosphäre bereits allgemein verpestet gewesen, doch der damalige Bischof der französischen Stadt Metz, Paul-Joseph Schmitt, habe die unterschwellig wütende Pest jäh ins Bewusstsein der Menschen gerückt, und zwar mit den ersten zwei von sieben Thesen, mit denen er, gestützt auf seine bischöfliche Autorität, de facto eine neue Religion präsentiert habe. Die erste These lautete, die sich wandelnde Welt von heute erfordere eine Veränderung des von Jesus Christus verkündeten Konzepts der Rettung. Und in seiner zweiten These erklärte er, bis anhin sei die Vorstellung der Kirche von Gottes Plan nicht evangelisch genug gewesen. Kurzum, der Bischof von Metz forderte: (T1) Die Kirche muss die”Sozialisierung”predigen, weil (T2) die alte Kirche nicht kollektiv genug war, sondern das Evangelium auf den Einzelmenschen bezogen auslegte. Doch was der Bischof da propagiere, wendet Madiran ein, sei in Wirklichkeit der Kommunismus.

Tatsächlich, argumentiert Madiran in Kapitel zwei, beruhe des Bischofs”Sozialisierung”auf einem marxistischen Geschichtsbild, das materialistischen und deterministischen Charakter trage; dies zeige, dass der Bischof von Metz den christlichen Glauben verloren habe, denn wie liessen sich die spirituellen Ziele des Christentums mit den materialistischen Zielen des Kommunismus vereinbaren? Der Kommunismus sei ein soziales System, das aus religiösen Gründen abzulehnen sei, weil es den Anspruch erhebe, als soziales System das soziale System der Kirche und somit das Christentum zu ersetzen.

In Kapitel drei verwirft Madiran Bischof Schmitts Behauptung, am besten verstünden die heutigen Menschen die evangelische Brüderlichkeit (siehe obige T II). Hiermit, urteilt Madiran, mache der Bischof die ganzen sozialen Werke und Errungenschaften der vorkonziliären Kirche verächtlich, was lächerlich und für Katholiken ein ungebührlicher Narzissmus sei.

Spätestens im Jahre 1967, fährt Madiran in Kapitel vier fort, sei es für alle Welt klar geworden, dass Bischof Schmitt nichts weniger als eine neue Religion – oder besser gesagt eine Häresie – verkünde, welche die viele Jahrhundert lange katholische Tradition mit Schmutz überhäufe. Die französischen Bischöfe seien Vandalen ohne Intelligenz oder Charakter. Deshalb sei es heute die Aufgabe der Laien, den Katechismus der Katholischen Kirche zu verteidigen, also die unverfälschte Grundlage des Glaubens!

In Kapitel 5 wendet sich Madiran gegen die Forderung, die Kirche müsse sich der sich wandelnden Welt anpassen (T1). Hierbei beruft er sich auf das Erste Gebot, weil dem unveränderlichen Gott und nicht der veränderlichen Welt der erste Rang in unseren Herzen und Geistern gebühre. Die Zeiten würden nie im Übereinklang mit der Kirche stehen, da die Kirche mit Jesus Christus sei. Die Welt bewundert lediglich weltliche Katholiken. Und den Vorwurf, die Kirche predige das Evangelium nicht genug (T2), kontert Madiran mit der Feststellung, dass die Heiligen niemals irgendetwas erfunden haben, um”genügend evangelisch”zu sein, sondern sich im Gegenteil stets bemühten, der Tradition so treu wie möglich zu sein, um das Evangelium in die Tat umzusetzen.

In Kapitel 6 beantwortet Madiran schliesslich die Frage ob die Thesen I und II irgendwelche brauchbaren Wahrheiten enthielten, klar mit Nein und erklärt, Bischof Schmitts neue Religion wolle, dass die Kirche die ganze Welt dadurch gewinne, dass sie ihre eigene Seele verliere. Die neue Religion besitze weder wahre Autorität noch wahren Gehorsam. Madiran hat eine prophetische Vision, in der die katholische Tradition Vatikan II überlebt, weil sie den Menschen die Freiheit schenkt, vor ihrem Gott im festen Bewusstsein zu knien, dass sie einer wahren Autorität dadurch wahren Gehorsam zollen. Solche Katholiken werden der falschen Religion bedauernswerter Bischöfe wie dem von Metz niemals folgen; dieser möge nur warten, um es selber zu bestätigen!

Kyrie eleison.

Madiran Die Philosophie

Madiran Die Philosophie on Oktober 17, 2020

Wie Papst Pius X. in seinem 1907 erschienenen grossen antimodernistischen Rundbrief Pascendi, beginnt auch Madiran in seinem Buch Die Häresie des 20. Jahrhundert mit der Philosophie, weil beide erkannt haben, dass das Problem, welches modernen Geistern das Verständnis des Katholizismus dermassen erschwert, eher philosophischer als theologischer Natur ist. Aus diesem Grund trägt der erste der sechs Teile, aus denen Madirans Buch besteht, den Titel”Philosophische Präambel».

Überraschenderweise schreibt Madiran selbst, seine Leser könnten diese Präambel auslassen, wenn sie wollten, aber dies kann nur den Zweck verfolgen, manche zeitgenössische Leser zu schonen, die mit Recht allergisch gegen den von den heutigen sogenannten”Universitäten”produzierten kriminellen Unfug sind. Madirans Argumentation basiert nämlich ebenso stark auf wahrer Philosophie, wie sie frei von der gegenwärtigen”Philosophistrie», oder Pseudo-Philosophie, ist.

Doch wie kann der übernatürliche Glaube dermassen stark auf die Philosophie angewiesen sein, bei der es sich doch um die rationale Erforschung aller natürlichen Realität handelt, um den (wahren) gesunden Menschenverstand gewissermassen von einem Amateur-Niveau auf ein professionelles Niveau zu erheben? Steht das Übernatürliche denn nicht unendlich höher als das bloss Natürliche? Die Antwort lautet: Ein tüchtiger Weinproduzent ist nicht auf gute und unbeschädigte Glasflaschen angewiesen, um guten Wein herzustellen, aber er kann sein Weingeschäft ohne solche Flaschen nicht erfolgreich führen, denn wenn alle Flaschen innen schmutzig sind, wird kein Mensch seinen Wein kaufen, so trefflich er auch munden mag. Der Weinproduzent geht davon aus, dass er automatisch saubere Flaschen erhalten wird. Im Vergleich zum Wein ist die Glasflasche in leerem Zustand fast nichts wert, doch muss sie unter allen Umständen frei von Sprüngen und Schmutz sein, damit ihr Inhalt nicht ausläuft oder verunreinigt wird.

 

Mit dem menschlichen Verstand verhält es sich nun wie mit der Flasche. Er ist lediglich eine natürliche Fähigkeit, doch zum Zeitpunkt des Todes muss er, damit sein Besitzer der Gefahr der ewigen Verdammnis entgeht, den übernatürlichen Wein des Glaubens enthalten (Markus XVI, 16). Der Glaube ist eine köstliche Gabe Gottes, durch welche der Verstand eines Menschen auf übernatürliche Weise so erhoben wird, dass er glaubt; wird diese Fähigkeit jedoch durch menschliche Irrtümer und Unglauben beeinträchtigt, besteht Gefahr, dass sie Gottes Wein des Glaubens wie eine schmutzige Flasche verunreinigt, so göttlich jener Glaube an sich auch ist. Nun verdirbt bereits ein wenig Schmutz in der Flasche den Wein, den sie enthält, aber der Modernismus des Geistes ist ein dermassen radikaler Irrtum, dass er jede Wahrheit, und erst den Glauben, welcher in diesen Geist eingegossen wird, verdirbt oder unterminiert. Und so wie in eine schmutzige Flasche gegossener Wein zwangsläufig verunreinigt wird, wird auch ein katholischer Glaube, der in einen modernen Geist einfliesst, fast zwangsläufig untergraben. Dies lehren Pius X., de Corte, Calderón und Madiran ebenso wie alle anderen, welche die volle objektive Bosheit eines subjektivistischen Geistes begriffen haben.

Wie beweist nun insbesondere Madiran, dass die französischen Bischöfe in den sechziger Jahren des 20. Jahrhundert s ihren katholischen Verstand verloren hatten? Er beginnt mit einer offiziellen Erklärung, die sie im Dezember 1966 abgaben (S. 40) und in der sie behaupteten,”für einen philosophischen Geist”hätten die für die Christologie (katholische Theologie Christi) entscheidend wichtigen Wörter”Person”und”Natur”ihren Sinn seit der Zeit von Boethius (der die Definition von”Person”festlegte) und Thomas von Aquin (der den wahren Sinn von”Natur”festgestellt hat) geändert. In anderen Worten, für die französischen Bischöfe hat die moderne Philosophie die klassische Philosophie der Kirche, die eng in die unveränderliche Doktrin der Kirche eingewoben ist, hinter sich gelassen, so dass der Thomismus ihrer Ansicht nach”für einen philosophischen Geist”überholt ist und über Bord geworfen werden muss.

Doch in einer Kirche, deren Doktrin stets dem entsprach, was sich in einer ausserhalb des Geistes stehenden Realität niemals verändert, ist diese Perspektive der französischen Bischöfe absolut revolutionär. Sie kann, wie Madiran (S. 43) unterstreicht, lediglich bedeuten, dass sie die kopernikanische Revolution akzeptieren, die Immanuel Kant (1724–1804) in der Philosophie vollzog, indem er postulierte, die”Realität”liege nicht ausserhalb, sondern innerhalb des Geistes. Allerdings besteht ausserhalb der Kant’schen Philosophie keine Verpflichtung, diese Internalisierung der Realität zu akzeptieren (S. 45, 46). Nur wer von den Kant’schen Prämissen ausgeht, gelangt zu solch realitätsfremden Schlussfolgerungen. Indem sie Kant moralisch über Thomas von Aquin stellten, bewiesen die französischen Bischöfe de facto ihre implizite Apostasie (S. 50) und ihre antinatürliche Religion. Sie erklärten damit ihre Unabhängigkeit von Gottes Wahrheit, ihre Verwerfung von Gottes Realität und der Ordnung, die Er der Natur eingepflanzt hat (S. 60–63).

Madiran schliesst seinen Teil I mit folgender Feststellung ab: Während der Thomismus der menschlichen Erfahrung aller Zeiten und Orte entspricht (S. 66), hat der Kantianismus den Geist der französischen Bischöfe in die Irre geführt, wie das moderne Zeitalter, um dessen Wohlgefallen die Bischöfe sich so sehr bemühen (S. 67).

Kyrie eleison.

Die Bosheit des Modernismus – IV

Die Bosheit des Modernismus – IV on Juni 6, 2020

Diese „Kommentare“ vom letzten 21en März behaupteten, sie hätten „die unglaubliche Perversität, Hochmut und Perfidie“ Kants hervorgehoben. Dies scheint eine sehr heftige Formulierung zu sein, wenn man bedenkt, dass sie von einem Katholiken stammt und sich auf einen berühmten und (angeblich) rein weltlichen Philosophen bezieht, aber so rein weltlich ist Kant in Wirklichkeit nicht. Wer, der die Revolution in der Kirche durch Vatikan II (1962–1965) kennt, sähe nicht ein, dass Perversität, Hochmut und Perfidie deren Kennzeichen sind? Abermals eine heftige Formulierung? Betrachten wir zunächst, wie jedes dieser drei Kennzeichen sich zu dem Grundsatz verhält, dass der Geist unfähig ist, sein eigenes Objekt, die Realität um den Menschen herum, zu erkennen, für den er von Gott geschaffen wurde (indem der Kantianismus, wie der grosse Theologe Pater Garrigou-Lagrange, 1877–1964, sagte, von Kant als Festung konzipiert wurde, und zwar eben mit dem Ziel, Gott auszuschliessen)? Und gehen wir als zweites der Frage nach, wie jedes dieser drei Kennzeichen für den Konziliarismus der 1960-er Jahre gilt.

Die PERVERSITÄT des Kantianismus. Wenn der Heilige Thomas von Aquin in seiner Summa Theologiae (2a2ae, 154, Absatz12) zu beweisen sucht, dass Homosexualität unter allen Sünden der Unreinheit die verworfenste ist, tut er dies, indem er sie mit der Leugnung der Prinzipien des Denkens vergleicht, die der Natur des Geistes inhärent sind. Doch Kant leugnet nicht nur ein oder zwei natürliche Prinzipien des Geistes, er leugnet die Anwendbarkeit jedes einzelnen dem Geist inhärenten Prinzips auf die äussere Realität. Der Kantianismus ist in höchstem Masse pervers – und wird diese Schlussfolgerung nicht dadurch bestätigt, wie verbreitet die Sünde gegen die Natur an unseren Kantianischen „Universitäten“ ist?

 . . . und des Konziliarismus. Eines der Konzilsdokumente, Dei Verbum, Abschnitt 8, Paragraph 2, liefert eine zweideutige Definition der lebendigen Tradition, unter Berufung auf welche Johannes Paul II. die unveränderliche katholische Tradition verurteilte, in deren Namen Erzbischof Lefebvre kurz zuvor, im Juni 1988, vier Bischöfe geweiht hatte. In anderen Worten, für die Konziliaristen ändert sich die katholische Wahrheit im Verlauf der Epochen so sehr, dass die Version des Erzbischofs von einer objektiven und unveränderlichen Tradition nicht mehr akzeptabel ist. So eine radikale Auflösung der katholischen Wahrheit ist vollkommen pervers.

Der HOCHMUT des Kantianismus Wenn, wie der Kantianismus behauptet, das von Gott geschaffene „Ding an sich“ für mich unerkennbar ist, weil es sich jenseits der Erscheinungen befindet, wohin mein Geist nicht reichen darf, und wenn ich das Ding in Übereinstimmung mit den eingeborenen Gesetzen meines eigenen Geistes anhand der sinnlichen Eindrücke rekonstruiere, werde ich zum Schöpfer der Dinge; sie werden von mir fabriziert, und ich nehme die Stelle Gottes ein. Denn Gott macht Sich in der Tat nur sehr selten für die menschlichen Sinne erkennbar – selbst nachdem Er sich dem Heiligen Thomas gezeigt und dieser seine Wundmale berührt hatte, benötigte der Apostel noch einen Glaubensakt, um diesen Menschen als Gott anzuerkennen (Johannes XX, 28) – somit steht Gott wahrlich hinter den Sinneserscheinungen, und ist deshalb für Kant meinem Geist unzugänglich. Er hängt von meinem Willen, an Ihn zu glauben, ab; also gilt: Nicht was ich weiss, sondern was ich will, ist wirklich. Nun will ich Gott, somit ist Gott wirklich. Wenn dies die Grundlage von Gottes Existenz ist, könnte sie dann zerbrechlicher sein? Diesem Denken zufolge ist Gott, um zu existieren, also darauf angewiesen, dass ich Ihn will. Könnte des Menschen Hochmut noch wahnsinniger sein?

 . . . und des Konziliarismus. Wie Pater Calderón in seiner Studie über Vatikan II, Prometheus, hinreichend klar macht, ist der Schlüssel für den modernen Menschen, an den Gottes Religion gemäss der Absicht des Konzils angepasst werden soll, die Freiheit. Der moderne Mensch wird keine objektive Wahrheit akzeptieren, die seinem Geist Fesseln anlegt; kein objektives Gesetz, das seinem Willen befiehlt, keine Gnade, die seine Natur zu irgendeinem anderen Zweck heilt als der Freiheit der Natur selbst. Kurzum, der moderne Mensch will nichts und niemanden haben, der ihm überlegen ist. Er ist dank seiner Freiheit das höchste aller Geschöpfe. Zudem ist er freier als der Schöpfer, weil er frei ist, das Böse zu wählen, was Gott nicht ist. Abermals gilt: Könnte Hochmut noch wahnsinniger sein?

Die PERFIDIE des Kantianismus. Zu leugnen, wie es der Kantianismus tut, dass der Geist über die Sinneswahrnehmungen hinaus irgendetwas erkennen kann, bedeutet nicht zu leugnen, dass die Dinge sind, was sie sind; es bedeutet lediglich, die vollkommen absurde Behauptung aufzustellen, dass sie von meinem Geist abhängen, um das zu sein, was sie sind. Um leben, ja auch nur überleben zu können, muss mein hervorragender Geist also Mahlzeiten auf der Erscheinung meines Küchentisches fabrizieren, sonst werde ich ziemlich hungrig werden. Dementsprechend werde ich alle Dinge fabrizieren, die für meine tägliche Existenz nötig sind. Somit kann ich mich im Alltag anscheinend so benehmen wie ein normaler Nicht-Kantianer, und bei den Menschen den trügerischen Eindruck erwecken, ich sei durchaus nicht verrückt. Erst wenn ich ihnen sage, mein Geist habe das Frühstück fabriziert, werden sie begreifen, dass sie es mit einem Irren zu tun haben. Anders gesagt, ich kann meinen radikalen inneren Verrat an der äusseren Realität vor Aussenstehenden verbergen. Dies ist potentiell perfid.

 . . . und des Konziliarismus. Vatikan II ist nicht nur potentiell, sondern tatsächlich perfid, weil – wie Pater Calderón abermals hinreichend klarstellt – sein eigentlicher Wesenskern darin bestand, einen neuen, auf den Menschen zentrierten Humanismus zu schaffen, der in der Lage sein würde, sich als weiterhin auf Gott zentrierten Katholizismus auszugeben. Objektive Verstellung und Täuschung waren von Anfang an in der Charta des Konzils festgeschrieben.

Kyrie eleison.