Eleison Comments

Fünf “Dubia”

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Zu diesem unerhörten Skandal gibt es selbst in der skandalträchtigen Amtszeit von Papst Franziskus, der anno 2013 zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt wurde, keine Parallele: Auf die Fragen von vier ehrenwerten Kardinälen, die in Erfahrung bringen wollten, ob er die Grundlagen der kirchlichen Morallehre tatsächlich als hinfällig erachtet, erteilte er eben in aller Öffentlichkeit Antworten, die praktisch darauf hinauslaufen, dass der Mensch dem moralischen Gesetz des allmächtigen Gottes nicht zu gehorchen braucht. Mit diesem päpstlichen Ja zur Konzilsreligion, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und deshalb der katholischen Religion, laut der alles Heil von Gott ausgeht, schroff widerspricht, rückt ein Schisma innerhalb der Katholischen Kirche in greifbare Nähe. In dem halben Jahrhundert, das seit Vatikan II verflossen ist, haben es die Konzilspäpste irgendwie fertiggebracht, gewissermassen Oberhäupter zweier entgegengesetzter Religionen zu bleiben, doch dieser Widerspruch konnte nicht endlos bestehen bleiben und muss schon bald zu einer Spaltung führen.

In den Jahren 2014 und 2015 führte Franziskus in Rom Synoden durch, um sich mit den Bischöfen der Welt zu Fragen der menschlichen Familie zu beraten. Am 19. März dieses Jahres veröffentlichte er sein nachsynodales Apostolisches Schreiben über die „Liebe in der Familie”; dieses umfasst neun Kapitel, von denen das achte von Anfang an hohe Wellen schlug. Am 15. September schrieben vier Kardinäle dem Papst einen privaten, durchaus respektvollen Brief, in dem sie ihn als Obersten Hirten baten, fünf

„dubia”, d. h. zweifelhafte Punkte der Doktrin zu erhellen, die im Apostolischen Schreiben ungeklärt geblieben waren. Hier der Kern dieser fünf Punkte:

Zu Punkt 305 des Schreibens: Kann eine verheiratete Person, die mit einer Person, welche nicht ihr gesetzlicher Ehepartner ist, wie Mann und Frau zusammenlebt, fortan die Sakramente der Absolution und der Kommunion erhalten, selbst wenn beide auch weiterhin im Zustand ihrer falschen Ehe leben?

Zu Punkt 304: Muss man auch weiterhin glauben, dass es absolute moralische Normen gibt, die ihrem Wesen nach böse Taten verbieten und ausnahmslos bindend sind?

Zu Punkt 301: Kann man auch weiterhin sagen, dass eine Person, die durch ihre Lebensweise – beispielsweise Ehebruch – eines von Gottes Geboten verletzt, sich im objektiven Zustand der schweren gewohnheitsmässigen Sünde befindet?

Zu Punkt 302: Kann man auch weiterhin sagen, dass die Umstände oder Absichten, die hinter einer ihrem Objekt nach bösen Tat stehen, niemals bewirken können, dass diese subjektiv gut oder als Wahl akzeptabel wird?

Zu Punkt 303: Müssen wir auch weiterhin jede kreative Rolle des Gewissens ausschliessen, so dass das Gewissen auch in Zukunft niemals Ausnahmen von absoluten moralischen Normen legitimieren darf, welche ihrem Objekt nach böse Taten verbieten?

Auf diese fünf Fragen, die absichtlich so formuliert sind, dass man sie nur mit Ja oder Nein beantworten kann, ist die Antwort der Katholischen Kirche seit dem Heiland selber stets klar gewesen und hat sich niemals geändert: Ehebrechern darf die Kommunion nicht erteilt werden; es gibt absolute moralische Normen; so etwas wie eine „schwere gewohnheitsmässige Sünde” existiert sehr wohl; gute Absichten können böse Taten nicht gut machen; das Gewissen kann böse Taten nicht rechtmässig machen. In anderen Worten: Die Antwort der Kirche auf diese klipp und klar formulierten, nur mit Ja oder Nein zu beantwortenden Fragen lautete stets: 1. Nein; 2. Ja; 3. Ja, 4. Ja; 5. Ja.

Am 16. November vor erst zehn Tagen machten die vier Kardinäle ihren Brief der Öffentlichkeit zugänglich (vgl. Mt. XVIII, 15–17). Am 18. November erteilte Papst Franziskus der italienischen Zeitung Avvenire Antworten, die in jedem einzelnen Fall das Gegenteil des Gebotenen besagten: 1. Ja; 2. Nein; 3. Nein; 4. Nein; 5. Nein. (Er behauptete jedesmal:”Solche Dinge lassen sich nicht in ein Schwarz-Weiss-Schema pressen; wir sind dazu aufgerufen, zu differenzieren”, doch versuchte er hierdurch lediglich, die unveränderlichen Prinzips fragen mit den veränderlichen Fragen der Anwendung der Prinzipien zu vermischen, die doch den Prinzipsfragen erst folgen müssen.)

Aufrichtiger Dank gebührt den vier Kardinälen dafür, dass sie vielen irregeleiteten Schafen, die gerne in den Himmel kommen möchten, Licht und Klarheit zugänglich gemacht haben. Ihre Namen lauten Brandmüller, Burke, Caffarra und Meisner. Sie mögen zwar in den Novus Ordo verstrickt sein, haben jedoch offensichtlich nicht jeden Mut und jedes Pflichtgefühl verloren. Es steht ausser Frage, dass sie nur aus den allerbesten Beweggründen heraus gehandelt haben, indem sie den Papst drängten, seine Einstellung zu klären. Und wohin führt diese Klärung die Kirche? Sie muss sich am Rand des Schismas befinden.

Kyrie eleison.