Subjektivismus

Fünf “Dubia”

Fünf “Dubia” on November 26, 2016

Zu diesem unerhörten Skandal gibt es selbst in der skandalträchtigen Amtszeit von Papst Franziskus, der anno 2013 zum Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt wurde, keine Parallele: Auf die Fragen von vier ehrenwerten Kardinälen, die in Erfahrung bringen wollten, ob er die Grundlagen der kirchlichen Morallehre tatsächlich als hinfällig erachtet, erteilte er eben in aller Öffentlichkeit Antworten, die praktisch darauf hinauslaufen, dass der Mensch dem moralischen Gesetz des allmächtigen Gottes nicht zu gehorchen braucht. Mit diesem päpstlichen Ja zur Konzilsreligion, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und deshalb der katholischen Religion, laut der alles Heil von Gott ausgeht, schroff widerspricht, rückt ein Schisma innerhalb der Katholischen Kirche in greifbare Nähe. In dem halben Jahrhundert, das seit Vatikan II verflossen ist, haben es die Konzilspäpste irgendwie fertiggebracht, gewissermassen Oberhäupter zweier entgegengesetzter Religionen zu bleiben, doch dieser Widerspruch konnte nicht endlos bestehen bleiben und muss schon bald zu einer Spaltung führen.

In den Jahren 2014 und 2015 führte Franziskus in Rom Synoden durch, um sich mit den Bischöfen der Welt zu Fragen der menschlichen Familie zu beraten. Am 19. März dieses Jahres veröffentlichte er sein nachsynodales Apostolisches Schreiben über die „Liebe in der Familie”; dieses umfasst neun Kapitel, von denen das achte von Anfang an hohe Wellen schlug. Am 15. September schrieben vier Kardinäle dem Papst einen privaten, durchaus respektvollen Brief, in dem sie ihn als Obersten Hirten baten, fünf

„dubia”, d. h. zweifelhafte Punkte der Doktrin zu erhellen, die im Apostolischen Schreiben ungeklärt geblieben waren. Hier der Kern dieser fünf Punkte:

Zu Punkt 305 des Schreibens: Kann eine verheiratete Person, die mit einer Person, welche nicht ihr gesetzlicher Ehepartner ist, wie Mann und Frau zusammenlebt, fortan die Sakramente der Absolution und der Kommunion erhalten, selbst wenn beide auch weiterhin im Zustand ihrer falschen Ehe leben?

Zu Punkt 304: Muss man auch weiterhin glauben, dass es absolute moralische Normen gibt, die ihrem Wesen nach böse Taten verbieten und ausnahmslos bindend sind?

Zu Punkt 301: Kann man auch weiterhin sagen, dass eine Person, die durch ihre Lebensweise – beispielsweise Ehebruch – eines von Gottes Geboten verletzt, sich im objektiven Zustand der schweren gewohnheitsmässigen Sünde befindet?

Zu Punkt 302: Kann man auch weiterhin sagen, dass die Umstände oder Absichten, die hinter einer ihrem Objekt nach bösen Tat stehen, niemals bewirken können, dass diese subjektiv gut oder als Wahl akzeptabel wird?

Zu Punkt 303: Müssen wir auch weiterhin jede kreative Rolle des Gewissens ausschliessen, so dass das Gewissen auch in Zukunft niemals Ausnahmen von absoluten moralischen Normen legitimieren darf, welche ihrem Objekt nach böse Taten verbieten?

Auf diese fünf Fragen, die absichtlich so formuliert sind, dass man sie nur mit Ja oder Nein beantworten kann, ist die Antwort der Katholischen Kirche seit dem Heiland selber stets klar gewesen und hat sich niemals geändert: Ehebrechern darf die Kommunion nicht erteilt werden; es gibt absolute moralische Normen; so etwas wie eine „schwere gewohnheitsmässige Sünde” existiert sehr wohl; gute Absichten können böse Taten nicht gut machen; das Gewissen kann böse Taten nicht rechtmässig machen. In anderen Worten: Die Antwort der Kirche auf diese klipp und klar formulierten, nur mit Ja oder Nein zu beantwortenden Fragen lautete stets: 1. Nein; 2. Ja; 3. Ja, 4. Ja; 5. Ja.

Am 16. November vor erst zehn Tagen machten die vier Kardinäle ihren Brief der Öffentlichkeit zugänglich (vgl. Mt. XVIII, 15–17). Am 18. November erteilte Papst Franziskus der italienischen Zeitung Avvenire Antworten, die in jedem einzelnen Fall das Gegenteil des Gebotenen besagten: 1. Ja; 2. Nein; 3. Nein; 4. Nein; 5. Nein. (Er behauptete jedesmal:”Solche Dinge lassen sich nicht in ein Schwarz-Weiss-Schema pressen; wir sind dazu aufgerufen, zu differenzieren”, doch versuchte er hierdurch lediglich, die unveränderlichen Prinzips fragen mit den veränderlichen Fragen der Anwendung der Prinzipien zu vermischen, die doch den Prinzipsfragen erst folgen müssen.)

Aufrichtiger Dank gebührt den vier Kardinälen dafür, dass sie vielen irregeleiteten Schafen, die gerne in den Himmel kommen möchten, Licht und Klarheit zugänglich gemacht haben. Ihre Namen lauten Brandmüller, Burke, Caffarra und Meisner. Sie mögen zwar in den Novus Ordo verstrickt sein, haben jedoch offensichtlich nicht jeden Mut und jedes Pflichtgefühl verloren. Es steht ausser Frage, dass sie nur aus den allerbesten Beweggründen heraus gehandelt haben, indem sie den Papst drängten, seine Einstellung zu klären. Und wohin führt diese Klärung die Kirche? Sie muss sich am Rand des Schismas befinden.

Kyrie eleison.

Erzbischof Kommentiert – I.

Erzbischof Kommentiert – I. on Januar 3, 2015

Für die heutigen kirchlichen Autoritäten „ gibt es keine feste Wahrheit und kein Dogma. Alles befindet sich in der Entwicklung. “ So sprach Erzbischof Lefebvre (1905–1991) im Jahre 1991 (siehe „Eleison Kommentare“ von letzter Woche). Denn am Ende seines Lebens sah der Erzbischof klarer als je zuvor, womit er es bei seiner heldenhaften Verteidigung des Glaubens zu tun gehabt hatte. Seither haben die Liberalisten (die sich nicht als solche erkennen?), welche direkt nach seinem Tod seine Priesterbruderschaft St. Pius X. übernahmen, immer noch nicht das schwerwiegende und vom Erzbischof erkannte Problem begriffen. Deswegen möchten diese „Kommentare“ das neue Jahr damit beginnen, die tödliche Wunde der heutigen Kirche und Welt noch einmal offenzulegen.

Als Immanuel Kant (1724–1804) den Aufstand des Menschen gegen Gottes Wirklichkeit zu einem philosophischen System errichtete – auf der völlig falschen Behauptung basierend, daß der Menschenverstand das Objekt, wie es an sich ist, nicht erkennen könne –, begannen alsbald die philosophischen Fakultäten der Universitäten in aller Welt, die Menschen mit Verrücktheit zu überhäufen; denn die Menschheit wollten die Freiheit zu ihrem Gott erheben, und Kant bot ihnen die höchstmögliche Freiheit – jene des Verstandes von seinem Objekt.

Die von der Kantianischen Phantasie noch nicht verseuchten Katholiken wissen hingegen, daß Gott und sein Himmel durchaus außerhalb und unabhängig von ihrem kleinen Verstand existieren. Und wenn sie in aller Ewigkeit glückselig sein möchten, so sollte ihr Verstand lieber in der objektiven Wirklichkeit als in der subjektiven Phantasiewelt leben. Deshalb standen während anderthalb Jahrhunderten eine gottgegebene Reihe von anti-liberalistischen Päpsten gegen die liberalistische Welt auf, welche ringsherum immer verrückter wurde, und schützten die Kirche vor dem angesehenen und beliebten Subjektivismus. Doch spätestens in den 1950er-Jahren beteten die Kardinäle und Bischöfe nicht mehr genügend, um diesen Schutz ihres Verstandes und ihres Herzens aufrechtzuerhalten gegen diesen Wahnsinn, in der Kirche als „Modernismus“ bekannt. So wählten sie dann auf dem Konklave des Jahres 1958 einen der ihren: den angeblich „guten“ Johannes XXIII., ein Liberalist (der sich nicht als solcher erkannte? Gott allein weiß es), welcher im Jahre 1962 wie geplant das verheerende Zweite Vatikanische Konzil ins Leben rief.

Warum verheerend? Weil der Wahnsinn des Subjektivismus (also die Ablehnung der objektiven Wirklichkeit), anstatt weiterhin durch die höchsten Kirchenautoritäten gänzlich verurteilt zu werden, jetzt von ihnen angenommen und zur offiziellen Grundlage von kirchlichem Lehren und Handeln erhoben wurde (bewußt oder unbewußt? Das weiß Gott allein). Das Problem könnte nicht schwerwiegender sein. Die Amtsträger in Gottes wahrer Kirche, berufen, um Gottes objektive Wahrheit der Erlösung zu verkündigen und verteidigen, filterten diese Wahrheit von nun an durch ihre subjektiven Köpfe. Stellen wir uns vor, nur über die dreckigsten Flaschen zu verfügen, um den allerbesten Wein zu lagern – er könnte nur ruiniert werden. Auf ähnliche Weise können die heutigen Autoritäten der Konzilskirche Gottes Wahrheit nur ruinieren.

Dies sagte Erzbischof Lefebvre im Jahre 1991: „ Wir haben es mit Personen (an der Spitze der Kirche) zu tun, welche eine andere Philosophie und eine andere Sichtweise haben als wir; Personen, welche beeinflußt sind von sämtlichen modernen und subjektivistischen Philosophen. Für sie gibt es keine feste Wahrheit und kein Dogma. Alles befindet sich in der Entwicklung. Das ist wirklich die freimaurerische Zerstörung des Glaubens. Zum Glück haben wir (Traditionalisten) die Tradition, worauf wir uns stützen dürfen.

Doch was widerfuhr der Tradition, als sie des Schutzes durch den Erzbischof verlustig wurde? Leider haben die Autoritäten an der Spitze der Priesterbruderschaft, welche für rund 40 Jahre federführend die Verteidigung des objektiven Glaubens anführte, nicht ernsthaft genug gebetet, um ihren Verstand und ihr Herz gegen dieselbe Ansteckung mit dem Subjektivismus zu schützen. Auch sie haben den Primat der objektiven Wahrheit verloren und so werden sie nun von den Römern ausgespielt wie der Fisch vom Fischer. Erzbischof Marcel Lefebvre, bitte für uns!

Kyrie eleison.

GREC – IV.

GREC – IV. on April 27, 2013

Eine Leserin des ersten „Eleison Kommentars“ über GREC (Ausgabe EC 294 vom 2. März) beklagte sich brieflich bei mir, daß ich GREC mißverstanden hätte. Zu Erinnerung: GREC ist jene Pariser Gruppe von Katholiken, welche in den späten 1990iger-Jahren gegründet worden war mit dem Ziel, Traditionalisten und Amtskirchen-Katholiken zusammenzubringen, damit diese zum Wohle der Mutter Kirche friedlich miteinander nachdenken und sprechen könnten. Gerne korrigiere ich sachliche Fehler, auf welche die Leserin mich hinwies. Auch gebe ich gerne meine von dieser Leserin herausgestellten persönlichen Mängel zu. Allerdings muß ich ihr in einem wesentlichen Punkt widersprechen.

Zuerst zu den sachlichen Fehlern: Herr Gilbert Pérol war nicht, wie ich schrieb, französischer Botschafter im Vatikan, sondern in Italien. Außerdem war er kein „Laienmitarbeiter“ von Hw. Michel Lelong vom Orden der Weißen Väter, sondern sein Freund. Und zu guter Letzt wurde GREC nicht in „den Salonen von Paris“ gegründet, sondern in der Wohnung der Botschafterwitwe Frau Huguette Pérol. Wie mir mitgeteilt wurde, übernimmt Frau Pérol die volle Verantwortung für die Gründung von GREC, die nur erfolgt sei, um der Kirche zu helfen, und die mithilfe von Personen stattgefunden habe, welche „fähig sind und denen daran liegt, treu zum Evangelium und der Tradition zu stehen.“

Bezüglich meiner Mängel schrieb sie mir, daß ich „völlig eingebildet“ und „ignorant“ sei, daß mir Bescheidenheit und Diplomatie abgehe, daß ich ungenügenden Respekt vor Toten zeigen würde und daß ich meinen Kommentar in einem sarkastischen Ton abgefaßt hätte, welcher weder einer gebildeten Person noch eines Priesters würdig wäre. Gnädige Frau, wie froh wäre ich doch, wenn dies meine schlimmsten Fehler wären, für welche ich vor Gottes Richterstuhl mich werde verantworten müssen. Bitte beten Sie für mein persönliches Gericht.

Meinen Sarkasmus betreffend möchte ich jedoch geltend machen, daß ich nicht Herrn Pérol im Blick hatte, als ich über die Nostalgie der heutigen Katholiken bezüglich des Katholizismus der 1950iger-Jahre spottete. Vielmehr hatte ich die Menge an heutigen Katholiken vor Augen, welche nicht erkennen, warum Gott in erster Linie zuließ, daß das Zweite Vatikanum die Amtskirche von der katholischen Tradition trennte, und trotzdem will diese Menge zum vorkonziliaren Rührseligkeitsglauben zurückkehren, welcher ja erst schnurstracks zum Vatikanum II geführt hat! Gnädige Frau, dieser entscheidende Punkt hat nichts mit subjektiven Personen, aber alles mit objektiver Doktrin zu tun.

Aus diesem Grund muß ich Ihnen widersprechen hinsichtlich der angeblichen Fähigkeit und Glaubenstreue jener Personen, welche der Frau Pérol beim Gründen von GREC halfen. Daß ein Berufsdiplomat auf die Mittel der Diplomatie zurückgreift, um Grundsatzprobleme doktrineller Art zu lösen, ist verfehlt, aber immerhin verständlich. Daß ein Konzilspriester wie Hw. Lelong ein solcherart diplomatisches Unterfangen förderte, ist auf noch ernstere Weise verfehlt, aber immer noch verständlich vor dem Hintergrund, daß das Zweite Vatikanum die gesamte Doktrin untergrub, indem es den Subjektivismus in der Kirche amtlich machte. Kaum annehmbar ist hingegen, von einer „Fähigkeit und einem Anliegen für das Evangelium und die Tradition“ bei jenen Priestern zu sprechen, die unter Erzbischof Lefebvre ausgebildet worden waren, um die doktrinelle Katastrophe des Zweiten Vatikanums überhaupt erst zu verstehen. So wohlmeinend deren Absichten auch gewesen sein mögen, so hätten diese Priester doch niemals eine grundsätzlich diplomatische Bestrebung fördern, geschweige denn einen aktiven Anteil daran haben dürfen, um eine grundsätzlich doktrinelle Katastrophe zu lösen.

Dennoch trifft auch im Falle dieser Priester teilweise das französische Sprichwort zu: „Alles zu verstehen, heißt alles zu verzeihen.“ Der Erzbischof entstammte einer früheren und gesünderen Generation. Die genannten Priester aber entspringen einer Welt, welche von zwei Weltkriegen erschüttert ist. Es ehrt diese Priester, daß sie für ihre Ausbildung auf die Person des Erzbischofs zurückgriffen. Und während er noch lebte, erhob er uns alle. Doch nahmen diese Priester leider nie seine Doktrin in sich auf. Als er dann starb, fingen sie innerhalb weniger Jahre an zurückzufallen. Und doch lag der Erzbischof richtig, während diese Priester und GREC – verzeihen Sie mir, gnädige Frau – falsch liegen. Gebe Gott, daß sie auf die rechte Spur zurückkommen.

Kyrie eleison.

Rückkehr des Fünziger-ismus

Rückkehr des Fünziger-ismus on Januar 12, 2013

Warum nur suchen die Oberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. nun die Gunst der Neukirche, um sich ihr anzuschließen, wo doch Erzbischof Lefebvre diese Bruderschaft eigens dafür gegründet hatte, der Neukirche zu widerstehen? Eine Antwort auf diese brennende Frage lautet, daß diese Oberen den Erzbischof nie richtig verstanden haben. Nach der Katastrophe des Zweiten Vatikanums in den 1960er-Jahren sahen sie im Erzbischof nur die möglichst nahtlose Fortsetzung der vor-katastrophalen Kirche aus den 1950er-Jahren. Im wirklichen Leben war der Erzbischof viel mehr als das, doch nachdem er gestorben war, trachteten die Oberen nur noch danach, in den gemütlichen Katholizismus der 1950er Jahre zurückzufallen. Mit ihrem Unterfangen, Jesus Christus ohne sein Kreuz haben zu wollen, standen sie auch nicht alleine da, denn schließlich ist das ein sehr beliebtes Rezept.

Der Katholizismus der 1950er-Jahre ist vergleichbar mit einem Menschen am Rande eines gefährlichen Abgrundes. Einerseits stand der Katholizismus damals noch in großer Höhe, denn sonst wäre das Zweite Vatikanum kein solcher Fall gewesen. Doch andererseits befand der Katholizismus sich bereits gefährlich nahe am Abgrund, denn sonst hätte er in den 1960er-Jahren nicht so jäh fallen können. In der Kirche der 1950er-Jahre war sicher nicht alles schlecht, aber doch viel zu nahe an der Katastrophe gewesen. Wie kann das sein?

Die Antwort lautet, daß die Katholiken der 1950er-Jahre im allgemeinen zwar äußerlich noch Erscheinungsbilder der wahren Religion aufrechterhielten, doch zu viele dieser Katholiken liebäugelten innerlich bereits mit den gottlosen Irrtümern der modernen Welt. Als da wären: Liberalismus (Freiheit sei das Wichtigste im Leben); Subjektivismus (daß also der Verstand und Wille des Menschen loszulösen von jeder objektiven Wahrheit und jedem objektiven Gesetz seien); Indifferentismus (es spiele deshalb keine Rolle, welche Religion der Mensch hat), und so weiter. Die Katholiken, welche den Glauben hatten und ihn nicht verlieren wollten, paßten sich allmählich diesen Irrtümern an. Sie wollten zwar noch die Hl. Sonntagsmesse besuchen und wahrscheinlich zur Beichte gehen, aber dennoch fütterten sie ihr Denken mit den abscheulichen Medien und rieben ihre Herzen an bestimmten Kirchengesetzen wie z.B. an der Ehe der Laien und am Zölibat des Klerus. Somit mochten diese Katholiken vielleicht noch den Glauben hochhalten, aber mit Sicherheit wollten sie immer weniger gegen den mächtigen Strom schwimmen dieser glitzernden und areligiösen Welt, welche sie ringsumher umgab. Kurz gesagt rückten die Katholiken immer näher an den Rand des Abgrundes heran.

Nun hat Erzbischof Lefebvre freilich seine Schwächen gehabt. Diese spiegeln, so darf man meinen, in den heutigen Schwierigkeiten der Bruderschaft sich wider. Begehen wir also nicht den Fehler, ihn zu vergötzen. Doch gewiß war er damals in den 1950er-Jahren ein Bischof, der sowohl ein katholisches Erscheinungsbild ausstrahlte, als auch tief im Innern die Substanz des Katholizismus besaß, wie die reichen Früchte seiner apostolischen Afrikamission bewiesen. Aus diesem Grund gelang ihm fast im Alleingang die Wiedererrichtung eines vorkonziliaren Seminars und einer Kongregation, während das Zweite Vatikanum die allermeisten seiner Bischofskollegen erfolgreich stark geistig beschädigte und lähmte. Viele gute junge Männer waren vom Anblick der katholischen Oase des Erzbischofs inmitten der konziliaren Wüste wie geblendet. Außerdem zog das Charisma des Erzbischof auch Berufungen an. Doch zehn bis zwanzig Jahre nach seinem Tode im Jahre 1991 scheint das Erbe des Erzbischof immer schwerer zu stemmen sein gegen den noch stärker gewordenen Strom der modernen Welt.

Der Last des Kreuzes – von Amtskirche und Welt verschmäht zu sein – überdrüssig, begannen die Bruderschaftsoberen davon zu träumen, noch einmal offiziell anerkannt zu werden. Inzwischen hat der Traum sich festgesetzt, denn Träume sind nun einmal viel netter als die Wirklichkeit. Beten wir für diese Bruderschaftsoberen. Die 1950er-Jahre sind vorbei und kommen nie wieder zurück.

Kyrie eleison.

Untergrabene Gegenwehr

Untergrabene Gegenwehr on Juli 21, 2012

Das Generalkapitel der Priesterbruderschaft St. Pius X. ging am vergangenen Samstag zu Ende. Die gute Nachricht ist, daß die bis an den Rand des Selbstmordes geführte Bruderschaft nun vom Kapitel eine Gnadenfrist erhielt. Wenn allerdings die folgenden Worte, die in einem Interview mit einer katholischen US-Nachrichtenagentur weltweit ausgestrahlt wurden, immer noch den Geisteszustand der Bruderschaftsoberen darstellen (welche noch weitere sechs Jahre im Amt sind), dann bedarf es weiterer Gebete, um die erwähnte Gnadenfrist andauern zu lassen. Hier die Worte aus dem Interview (welche möglicherweise noch im Internet verfügbar sind – siehe Catholic News Service ):

„Viele Menschen haben eine Auffassung vom (Zweiten Vatikanischen) Konzil, die falsch ist. Inzwischen gibt es sogar Leute in Rom, die das sagen. Wir könnten sagen, glaube ich, daß wir in den Gesprächen (zwischen Rom und der Bruderschaft in den Jahren 2009 bis 2011) sahen, daß wir (die Bruderschaft) viele Dinge als vom Konzil stammend verurteilt haben, welche in Wahrheit nicht vom Konzil, sondern von der allgemeinen Auffassung vom Konzil herrühren.“

Um dies zu kommentieren, müssen wir zum Zweiten Vatikanum zurückkehren. Die 16 Konzilsdokumente sind, weil sie sowohl Wahrheiten als auch Irrtümer enthalten, grundsätzlich zweideutig und widersprüchlich. Die Bruderschaft hat in Nachfolge von Erzbischof Lefebvre nie behauptet, daß die Konzilsdokumente keinerlei Wahrheit enthielten. Allerdings hat die Bruderschaft sie angeklagt, sehr ernsthafte Irrtümer zu enthalten; z.B. die Konzilslehre, wonach der Staat kein Recht besitze, nicht-katholische Religionen zu unterdrücken. Das konziliare Rom hat die Dokumente dagegen stets verteidigt, unter anderem durch den Hinweis auf die entgegengesetzten Wahrheiten in den Dokumenten, wie z.B. daß jeder Mensch in religiösen Belangen die Wahrheit herausfinden und bekennen müsse. Doch waren die Wahrheiten in den Konzilsdokumenten noch nie das Problem, sondern die Irrtümer und die Widersprüchlichkeiten der Dokumente sind es. Wenn beispielsweise die Masse von Individuen – wie der Staat – angeblich religiös neutral sein dürfe, warum darf dann nicht auch das einzelne Individuum neutral sein? Diese Widersprüche in den Konzilsdokumenten öffnen der „Befreiung“ des Menschen von Gott – kurzum dem Liberalismus – Tür und Tor.

Die Lehrgespräche der Jahre 2009 bis 2011 untersuchten die Kluft in der Glaubenslehre zwischen dem konzilsrömischen Subjektivismus und dem von der Bruderschaft hochgehaltenen katholischen Objektivismus. Die Gespräche zeigten natürlich, daß diese Kluft grundsätzlich und unüberbrückbar ist. Sie besteht nicht etwa zwischen konziliarer Wahrheit und katholischer Wahrheit, sondern zwischen konziliarem Irrtum und katholischer Wahrheit – tatsächlich zwischen der Religion des Menschen und der Religion Gottes.

Nun verkündet der Redner im zitierten Interview, daß die „Leute in Rom “richtig“ und „wir,“ d.h. die Priesterbruderschaft, falsch lägen, weil „viele Dinge,“ welche die Bruderschaft beständig als vom Konzil stammend verurteilt hat, doch lediglich der „allgemeinen Auffassung“ vom Konzil entsprächen. Anders gesagt war es vom Erzbischof und seiner Bruderschaft von Anfang an falsch, das Konzil anzuklagen und entsprechend dem konziliaren Rom zu widerstehen. Daraus folgt ebenfalls, daß die Bischofsweihen von 1988 eine unnötige Entscheidung gewesen sein müssen, weil man die Pflege der katholische Tradition den Konzilsbischöfen hätte anvertrauen können. Doch Erzbischof Lefebvre nannte die Bischofsweihen die „Operation Überleben“ und er bezeichnete das Vertrauen auf das konziliare Rom als „Operation Selbstmord.“

Der Redner aus dem Interview befürwortet gemäß seinen eingangs zitierten Worten heute gewiß ein Abkommen zwischen der Bruderschaft und Rom. Laut einigen Berichten über dieses Abkommen würde sogar die Ernennung von Bruderschaftsbischöfen dem konziliaren Rom obliegen. Wenn aber seit Erzbischof Lefebvres Zeit Rom nicht aufgehört hat, konziliar zu sein – und alle Belege widersprechen einer solchen Illusion –, dann hätte der Erzbischof heute über den Redner aus dem Interview gesagt, daß dieser die „Operation Selbstmord“ fördere (sofern der Redner seine zitierten Worte inzwischen nicht verleugnet hat).

Kyrie eleison.

Der Erzbischof spricht

Der Erzbischof spricht on Juni 9, 2012

Bevor Erzbischof Lefebvre endgültig den Entschluß faßte, im Juni 1988 Bischöfe für die Priesterbruderschaft St. Pius X. zu weihen, war er wie alle Katholiken seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hin- und hergerissen zwischen der katholischen Wahrheit und der katholischen Kirchenautorität. Der modernen Welt folgend, hat dieses Konzil die kirchliche Autorität und die katholische Wahrheit voneinander getrennt. Doch sobald der Erzbischof seinen Entschluß gefaßt hatte – was sich eindeutig als Rettung der katholischen Tradition herausstellte – war es, als ob alles in seinem Denken wieder im Lot war. Von diesem Zeitpunkt an, bis zu seinem Tod zweieinhalb Jahre später, war der Erzbischof nie mehr hin- und hergerissen.

Als Beispiel seines klaren Verstandes folgt nun ein Brief, den der Erzbischof am 18. August 1988 an Dom Thomas Aquinas sandte, den jungen Prior des brasilianischen Klosters, welches vom Benediktinerkloster im südfranzösischen Le Barroux unter Dom Gérard gegründet worden war. Leider brach Dom Gérard einige Tage nach der Bischofsweihe von Ecône mit der Bruderschaft, um sein Kloster in die Konzilskirche eingliedern zu können. Nun also Erzbischof Lefebvres Worte an Dom Thomas:

„Ich bedaure sehr, daß Sie uns vor den Ereignissen in Le Barroux (d.h. vor Dom Gérards Treuebruch) verlassen mußten. Dann wäre die Betrachtung der Situation, die sich durch Dom Gérards verheerende Entscheidung ergab, leichter gewesen.

In seiner Erklärung legt Dom Gérard dar, was ihm von der Amtskirche gewährt wurde, und er unterstellt sich im Gegenzug gehorsam unter das modernistische Rom, welches von Grund auf anti-traditionell bleibt. Deswegen bleibe ich auf Distanz. Gleichzeitig wünschte Dom Gérard die Freundschaft und Unterstützung der traditionellen Katholiken zu behalten, was einfach unfaßbar ist. Er beschuldigt uns, der Konzilskirche bloß um des Widerstandes willen zu widerstehen. Zwar warnte ich ihn vor diesem Schritt, doch hatte er seine Entscheidung bereits seit längerem gefällt und wollte unsere Ratschläge nicht beherzigen.

Die Auswirkungen sind nun unvermeidlich. Wir werden keine weiteren Beziehungen mehr zu Le Barroux unterhalten. Außerdem raten wir unseren Gläubigen, ihre Unterstützung für diese Unternehmung einzustellen, die fortan in den Händen unserer Feinde ist, der Feinde unseres Herrn Jesus Christus und seines universellen Königtums. Die Benediktinischen Schwestern (mit Le Barroux verbunden) sind in großer Bedrängnis und haben mich besucht. Ich gab ihnen den Rat, den ich nun auch Ihnen gebe: Bleiben Sie frei und kappen Sie jede Verbindung mit dem modernistischen Rom.

Dom Gérard setzt alle möglichen Argumente ein, um den Widerstand zu lähmen. (.) Hochwürden Tam wird Ihnen erzählen, was ich in diesem Brief nicht erwähnt habe. (.) Möge Gott Sie und Ihr Kloster segnen. Monseigneur Marcel Lefebvre.“

In der Folgezeit besuchte Dom Gérard das Kloster in Brasilien, um es dazu zu bringen, ihm in die Neukirche zu folgen. Doch der junge Dom Thomas hielt tapfer stand. Seither ist das brasilianische Kloster unter seiner Leitung traditionell katholisch geblieben. Was im obigen Brief nicht steht: Der Erzbischof ermunterte Dom Thomas, die treuen Mönche von Le Barroux zusammenzuscharen und Dom Gérard hinauszuwerfen!

So sah der klare Verstand und Wille von Erzbischof Lefebvre seit den Bischofsweihen aus. Sehr verwunderlich ist, warum einige seiner geistigen Söhne sich jetzt „ gehorsam unter das modernistische Rom, welches von Grund auf anti-traditionell bleibt,“ unterstellen wollen und unter einen subjektivistischen Papst, der unmöglich etwas von objektiver katholischer Tradition verstehen kann. So wirkt sie, diese ständig wachsende Verführungsmacht der uns umgebenden, subjektivistischen Welt. Der Wahnsinn des Subjektivismus ist heute so normal geworden und so weitverbreitet, daß nur wenige Menschen ihn überhaupt noch erkennen. „Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn.“

Kyrie eleison.