Eleison Kommentare

Prometheus – I

Prometheus – I on Juni 15, 2019

Vatikan II war für die katholische Kirche ein Desaster. Und was die Zukunft derselben Kirche betrifft, ist es für Katholiken, die ihre Seele retten wollen, von entscheidender Bedeutung, die Ursachen dieses Desasters zu erkennen. Pater Alvaro Calderón, Professor für thomistische Philosophie und Theologie am Seminar der Priesterbruderschaft St. Pius X. in La Reja, Argentinien, hat vor zehn Jahren ein Buch geschrieben, in dem er nachweist, dass Vatikan II vom Inneren der Kirche aus die Religion Gottes durch die Religion des Menschen ersetzt hat. Der erste der vier Teile dieses Werks, in dem dargelegt wird, was Vatikan II war, beginnt mit einer dreiteiligen Definition: Es war die Offizialisierung eines Humanismus, der sich als Katholizismus tarnte.

Zunächst war es ein Humanismus, in anderen Worten, eine Verherrlichung des Menschen auf Kosten Gottes. Auf das Mittelalter folgte eine Reihe von Humanismen, z. B. die Renaissance, die Reformation, die Französische Revolution, doch laut Calderón ging jeder dieser Humanismen zugrunde, weil er mit der katholischen Kirche gebrochen hatte. Das Endergebnis? Zwei Weltkriege. Aber dieses Mal sollten es die Prälaten selbst sein, die den neuen Humanismus schaffen würden, damit er (scheinbar) zur katholischen Kirche passte. Deshalb vollzog Vatikan II den beispiellosen Schritt der Offizialisierung dessen, was zuvor stets als schwerer, von der Kirche angeprangerter Irrtum gegolten hatte, doch diesmal verstanden es die Prälaten, ihm ein katholisches Tarnmäntelchen umzuhängen. Sie biederten sich also durch ihren neuen Humanismus bei der auf den Menschen zentrierten modernen Welt an, legten jedoch gleichzeitig Wert darauf, innerhalb der Kirche zu verbleiben, angeblich um einerseits den modernen Menschen vor seiner Gottlosigkeit und andererseits die moderne Kirche vor ihrer sterilen Isolierung zu retten. Im günstigsten Fall hegten die für Vatikan II verantwortlichen Prälaten gute Absichten, im schlimmsten Fall wussten sie, dass ihre neue Versöhnung gegensätzlicher Kräfte nichts Positives bringen, sondern im Gegenteil die Zerstörung der Kirche zur Folge haben würde, aber genau das war es, was die verworfensten von ihnen wollten.

Warum konnte die neue Versöhnung keine positiven Ergebnisse zeitigen? Weil Paul VI. einen neuen Humanismus wollte, der weder wie im Mittelalter einzig und allein auf Gott orientiert war (was als „Benachteilung des Menschen“ interpretiert wurde), noch wie in der Neuzeit einseitig auf den Menschen ausgerichtet war, sondern zwischen diesen beiden Extremen ein neues Gleichgewicht anstrebte, welches beweisen würde, dass der grössere Ruhm Gottes und der Ruhm des Menschen einander bedingen. Wenn beispielsweise der Mensch das höchste Werk seines Schöpfers ist, bedeutet seine Verherrlichung zugleich die Verherrlichung Gottes. Und da der Mensch infolge seiner Freiheit Gottes Ebenbild ist, verherrlicht er Gott umso mehr, je freier er ist. Aus diesem Grunde bedeutet die Förderung der menschlichen Würde und Freiheit nicht nur die Verherrlichung des Menschen, sondern auch jene Gottes. Aber wenn man von der Herrlichkeit des Menschen ausgeht, wer kann dann nicht die Gefahr voraussehen, dass man letztendlich den Menschen vor Gott verherrlichen wird? Ausserdem ist Gott das einzige durch und durch vollkommene Wesen und kann deswegen nichts ausserhalb Seiner eigenen Ihm innewohnenden Herrlichkeit benötigen oder wollen. Nur in zweiter Linie kann Er zur Mehrung der Herrlichkeit, die ihm durch die Verehrung seitens seiner Geschöpfe, also von aussen her, erwächst, die Güte irgendeines anderen Geschöpfes ausserhalb seiner selbst wollen oder wünschen. Die Wahrheit ist und bleibt, dass sowohl Gott als auch der Mensch in erster Linie auf Gott orientiert sind, und dass Gott nur in zweiter Linie auf den Menschen orientiert sein kann.

Man vergleiche hiermit jedoch einige Zitate aus dem Vatikan-II-Dokument Gaudium et Spes: „Der Mensch ist das Zentrum und der Gipfel aller Dinge auf Erden . . . . Herrscher und Lenker aller Schöpfung“ (#12) – ist das nicht vielmehr Gott? „Die Liebe zu Gott und dem Nachbarn ist das Erste Gebot“ (#24) – erscheint der Nachbar etwa im Ersten Gebot? „Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das Gott um seiner selbst willen liebt.“ Um des Menschen selbst willen? Die Abweichung von der katholischen Lehre ist schwerwiegend, aber subtil und in den vom Konzil selbst verfassten Texten eher implizit als explizit, tritt jedoch in der Kirchenlehre nach dem Konzil klarer hervor, beispielsweise im neuen Katechismus (z. B. 293, 294, 299). In Tat und Wahrheit, sagt Pater Calderón, setzt das Konzil den Menschen auf Gottes Thron und stellt Gott in den Dienst des Menschen.

Parallel dazu stellt Vatikan II die Autorität auf den Kopf. Der Humanismus ist stets gegen die Autorität, aber der neue Humanismus muss katholisch aussehen und deshalb nach einem neuen Modus für die Herrschaft Christi in der modernen Kirche und Welt suchen. Allerdings hat Christus gesagt, er sei gekommen, um zu dienen (Matthäus XXV, 25–28). Deshalb gab sich die Neuhierarchie von der Spitze bis zur Basis demokratisch, um dem modernen Menschen auf eine Weise zu dienen, die er verstand. Doch wo in der Neuhierarchie wird die Autorität Gottes sein, den Menschen in den Himmel zu erheben? Sie wird aufgelöst werden, und mit der Auflösung der Autorität in der Kirche wird die Autorität überall aufgelöst werden, wie wir es anno 2019 überall um uns herum beobachten.

In seinem Teil II behandelt Pater Calderón den neuen Menschen von Vatikan II, in Teil III die neue Kirche und in Teil IV die neue Religion.

Kyrie eleison.

„Prometheus“ – Einführung

„Prometheus“ – Einführung on Juni 8, 2019

Als Erzbischof Lefebvre an die Zukunft der Priesterbruderschaft St. Pius X. dachte, hoffte er stets, dass diese einen Beitrag zum Studium der 16 Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils leisten würde, weil letztere mehr als alles andere den Weg öffneten für die beispiellose Flut von Problemen, an denen die Kirche seither krankt. Zweifellos hat die Bruderschaft ihr Scherflein zu solchen Studien beigetragen, doch würde sie heute selbst an solchen Problemen kranken – und manche halten ihr Siechtum für unheilbar –, wenn ihre Priester die Krankheit von Vatikan II besser verstanden hätten, die äusserlich betörend, aber hochgradig ansteckend und für den wahren Glauben tödlich ist? Dies darf man sich in der Tat fragen.

Immerhin erschien anno 2010 in spanischer Sprache eine umfangreiche Studie des Problems. Ihr Verfasser ist ein argentinischer Piuspriester, Pater Alvaro Calderón, ein hochqualifizierter Thomist, der am Seminar der Bruderschaft in Argentinien Philosophie und Theologie lehrt. Der Titel seines Buchs lautet „Prometheus, die Religion des Menschen,“ sein Untertitel „Ein Versuch, Vatikan II zu interpretieren.“ Das 320-seitige Werk endet mit der dramatischen Anklage, Vatikan II sei letztendlich Götzendienst, und zwar bereits in seinen Dokumenten und nicht erst in seinen Nachwehen. Das Buch soll ins Französische übersetzt worden sein, doch falls eine solche Übersetzung tatsächlich existiert, ist sie mit Sicherheit niemals erschienen, aller Wahrscheinlichkeit nach, um die Neukirche des Konzils sowie deren Bastard, die Neubruderschaft, zu schützen. Tatsächlich verdient es dieses Buch, in zahlreiche Sprachen übersetzt zu werden und zu erscheinen.

Damit unsere Leser besser verstehen mögen, weshalb in diesen”Kommentaren” dermassen oft harte Kritik an Vatikan II geäussert wird, werden diese in mehreren Folgen eine Übersicht über Pater Calderóns Buch vermitteln. Es ist fürwahr kein einfaches Unterfangen, ein Opus von 320 Seiten, das eine geballte Fülle von Argumenten enthält, in einigen Artikeln von jeweils ca. 750 Wörtern zu resümieren, doch muss der Versuch hierzu unbedingt unternommen werden, damit sich die Katholiken zumindest eine ungefähre Vorstellung von der abgrundtiefen Bosheit von Vatikan II machen können. Somit richten sich diese Artikel weniger an Berufstheologen, die überzeugt zu werden eine tiefere und präzisere Analyse erheischen würden, als an Laien, die nach einer Erklärung dafür suchen, dass die Kirche und die Welt um sie herum dermassen aus den Fugen geraten sind. Um solche Verwüstungen anzurichten, musste Vatikan II tiefe Wurzeln schlagen und eine kohärente Weltsicht präsentieren. Mögen die betreffenden Ausgaben dieser „Kommentare“ wenigstens einen Eindruck von der thomistischen Tiefe und Kohärenz von Pater Calderóns Buch vermitteln!

Der Vorwurf, Vatikan II sei Götzendienst, könnte schwerwiegender kaum sein, wird aber in dem hier besprochenen Buch durch eine Reihe von Hinweisen auf die 16 Dokumente von Vatikan II untermauert, insbesondere Gaudium et Spes und Lumen Gentium. Wie der Verfasser im Verlauf seiner Ausführungen darlegt, besteht das Problem darin, dass die Urheber von Vatikan II aus historischen Gründen sorgfältig bemüht waren, ihre götzendienerische Doktrin so zu bemänteln, dass man gar nicht auf den Gedanken käme, sie stehe im Widerspruch zur katholischen Tradition. Erzbischof Lefebvre selbst unterzeichnete seinerzeit 14 der 16 Dokumente, was er ein paar Jahre später, als die Früchte des Täuschungsmanövers offen zutage getreten waren, niemals getan hätte. Deswegen sind die Dokumente raffiniert zweideutig formuliert, mit dem Ergebnis, dass sich ihr Buchstabe und ihr Geist widersprechen. Aus diesem Grund können sowohl viele Katholiken, die der Kirche aufrichtig ergeben sind, als auch Modernisten, welche die Kirche umwandeln wollen, guten Gewissens behaupten, der Buchstabe der Dokumente sei katholisch. Doch der grosse Vorteil eines Analytikers wie Pater Calderón besteht darin, anhand der Dokumente selbst nachweisen zu können, dass ihr Geist der Erschaffung einer ganz neuen, auf den Menschen ausgerichteten Religion dient. Somit ist der Neomodernismus von Vatikan II in Wirklichkeit ganz besonders schlüpfrig und heimtückisch.

Ist das spanische Original dieses Buchs immer noch erhältlich? Wir wollen es hoffen. Jedenfalls figuriert als Drucker Luis Maria Campos 1592, Buenos Aires, Argentinien, Tel. 4696–2094. Auf verschiedenen der Internet-Websites kann man” Prometeo la Religión del Hombre” finden – mit einem abgekürzten aber reichlichen Text von 132 Seiten von Pater Calderóns Buch finden.

Dieses besteht aus vier Teilen: Teil I untersucht, was Vatikan der Definition zufolge war, während sich die Teile II bis IV mit der Frage befassen, was Vatikan II tat . Er schuf: Einen neuen MENSCHEN (Teil II); eine neue KIRCHE (Teil III); eine neue RELIGION (Teil IV). In den „Eleison-Kommentaren“ werden sich vier Artikel (mit oder ohne Unterbrechungen) mit diesen vier Teilen auseinandersetzen.

Kyrie eleison.

Wiederum Huonderland

Wiederum Huonderland on Juni 1, 2019

Am 20. Mai, dem Tag, an dem Bischof Huonders Amtszeit als Oberhaupt der wichtigen Schweizer Diözese Chur, der er seit 2007 vorgestanden hatte, zu Ende ging, wurde die strittige Frage, wo er als Pensionär seinen Lebensabend verbringen wird, ein für alle Male durch eine Erklärung geregelt, die von ihm selbst sowie dem Generaloberen der Priesterbruderschaft Pius XII., Pater David Pagliarini, unterzeichnet worden war: Der Bischof wird seinen Wohnsitz in der von der Bruderschaft geleiteten Knabenschule in Wangs, Ostschweiz, nehmen. Da die Vorstellung, ein Konzilsbischof werde sich in einem traditionalistischen Hause niederlassen, reichlich unwahrscheinlich anmutete, waren Zweifel daran lautgeworden, dass er diesen Schritt tatsächlich vollziehen werde, aber auf beiden Seiten des weltanschaulichen Abgrunds zwischen dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der katholischen Tradition obsiegte der konziliäre Traum, diesen Abgrund zu überbrücken. Der ehrenwerte Bischof selbst begründete seinen Entschluss kürzlich wie folgt: „Im Sinne von Papst Franziskus werde ich mich bemühen, dort (in Wangs) zur Einheit der Kirche beizutragen.“ Diese Absicht ist durchaus ehrenwert, verschliesst jedoch die Augen vor dem Übel von Vatikan II.

In Anbetracht der modernen Welt und damit der modernen Kirche, und mit der Neukirche der Neubruderschaft, ist Bischof Huonder ein anständiger und wohlmeinender Prälat, voll guter Absichten, die jeden”anständigen” Menschen davon überzeugen können, dass er sich in guter Gesellschaft befindet, dass man gefahrlos mit einem solchen Mann verkehren und dass man diesen ohne weiteres in einer „anständigen“ Schule unterbringen kann. Sicherlich darf man hoffen, dass eine wahrhaft katholische Umgebung in Wangs ihm gut tun wird.

Doch vom Standpunkt Gottes und der wahren katholischen Kirche aus glaubt er an das Zweite Vatikanische Konzil und folglich auch an die Zusammenarbeit mit dem gegenwärtigen Konzilspapst Franziskus, sowie mit all jenen Anhängern der Tradition, welche die objektive Zwiespältigkeit und das Böse des Konzils mitsamt seinen sechs Konzilspäpsten nicht mehr zu erkennen vermögen. Denn jenes Konzil ist fürwahr zutiefst gottlos und verseucht alles, was es berührt (siehe hierzu mehrere Ausgaben dieser „Kommentare,“ die in naher Zukunft erscheinen werden), und es macht alle, die daran glauben, der wahren Religion abspenstig. Vom Standpunkt der Rettung von Seelen – der Gottes eigener Standpunkt ist – ist Bischof Huonder objektiv gesehen infiziert und vertritt eine grob verzerrte Form des Glaubens; deshalb ist er durchaus keine würdige Gesellschaft für alle Katholiken oder eine katholische Schule, und dass er subjektiv anständig, wohlmeinend, liebenswert usw. ist, macht ihn nur um so gefährlicher.

Er verdient immerhin nicht mehr oder weniger Tadel dafür, dass er sich von einer Reihe von Konzilspäpsten irreführen liess, als Tausende anderer „anständiger“ Bischöfe seit Vatikan II, und es besteht keine Notwendigkeit, ihn als Schurken zu beschimpfen oder als Paria in Acht und Bann zu tun. Aber Katholiken sollten unter allen Umständen jeden gesellschaftlichen oder sonstigen Kontakt mit ihm meiden, damit sie nicht in Versuchung geraten, ihm zu folgen, denn solange er an Vatikan II glaubt, gefährdet den Glauben, wer sich mit ihm gemein macht. Und wenn es, um jede solche Versuchung im Keim zu ersticken, erforderlich wäre, ihm konsequent aus dem Weg zu gehen, dann müsste man diesen Schritt tatsächlich vollziehen. Gott und der Glaube müssen das Alpha und Omega sein, sonst riskieren wir unsere Seelen zu verlieren.

Zum Abschluss können wir Bischof Huonder in seinem Ruhestand nur Gottes ungeteilte Gnade wünschen, damit er die Perfidie von Vatikan II begreifen möge. Möge Gottes Gnade auch durch die in der Schule der Bruderschaft in Wangs lebenden Traditionalisten wirken, die ihm durch ihr Beispiel die Augen über die Gefahren öffnen mögen, welche von den „Wünschen“ von Papst Franziskus gegenüber der Bruderschaft ausgehen. Hiervon zeugt ein anderes, eben als Licht gekommenes Beispiel.

In den letzten Tagen wurde aus Rom berichtet, dass der argentinische Priester, der von Bischof Fellay zum Generalschatzmeister der Bruderschaft ernannt worden war, auf Bitte von Papst Franziskus und mit dem Einverständnis des neuen Generaloberen der Bruderschaft, Pater Pagliarini, in den Schoss der offiziellen Kirche zurückgekehrt ist und, wiederum auf Wunsch von Papst Franziskus, gegenwärtig in der Casa Santa Marta wohnt, wo auch der Papst selbst seinen Wohnsitz hat; dieser Priester wird sich formell in die Diözese von Rom aufnehmen lassen und unter Umständen später von Papst Franziskus zum Bischof ernannt werden. Sollte dieser Bericht auch nur zur Hälfte wahr sein, wäre dies nicht schon ein hinreichender Beweis dafür, dass hochrangige Mitglieder der Bruderschaft unfähig oder nicht willens sind, zu verstehen, dass Erzbischof Lefebvre das Zweite Vatikanische Konzil um des Glaubens willen bekämpfte?

Kyrie eleison.

Schlechtes Zeichen

Schlechtes Zeichen on Mai 25, 2019

Machen Sie sich, liebe Leser, auf abermalige schlechte Nachrichten gefasst. Es ist nicht das Ende der Welt, doch es ist schon ein Hinweis mehr darauf, dass der Wind in die falsche Richtung weht, obwohl wir auf günstigen Wind gehofft hatten. War die Wahl eines neuen Generaloberen anlässlich des Generalkapitels vom letzten Juli etwa kein Zeichen dafür, dass der Würgegriff, in dem die Liberalen die Priesterbruderschaft St. Pius X. gefangen hielten, sich endlich lockerte? Dass die Hoffnung bestand, der neue Generalobere könne die Organisation in eine verheissungsvollere Richtung führen, als die beiden unmittelbaren Nachfolger des Erzbischofs dies getan hatten?

Diese Hoffnung erhielt einen argen Dämpfer, als wir unmittelbar vor dem Ende des Kapitels erfuhren, dass dieses neben dem traditionellen Triumvirat, bestehend aus dem Generaloberen und seinen beiden Assistenten, zwei neue Posten geschaffen hatte – für Berater, die dem Triumvirat zur Seite stehen sollen. Und wer wurde wohl in diese beiden Positionen berufen? Richtig, niemand anderes als die beiden vorherigen Generaloberen! Um die Befürchtung zu zerstreuen, dies könne bedeuten, dass der immer drückendere Albtraum, der sich in den letzten 20 Jahren über die Bruderschaft gesenkt hat, unverändert andauern werde, versprach man uns hoch und heilig, die beiden neuen Berater würden lediglich bei der Aufnahme oder dem Ausschluss von Mitgliedern oder bei der Eröffnung oder Schliessung von Häusern der Bruderschaft ein Mitspracherecht besitzen. Und wer dieser Beteuerung Glauben schenken wollte, schenkte ihr Glauben.

Um die Ängste jener zu beschwichtigen, die fürchteten, an der Spitze der Bruderschaft werde die Situation trotz des ganzen hektischen Wirbels erst recht stagnieren und sie werde sich dem Griff ihrer inneren Feinde nicht entringen können, machte man uns zudem weis, der ehemalige Generalobere werde nicht mehr im Hauptquartier der Bruderschaft in Menzingen bei Zürich wohnen, sondern in deren Hauptseminar in Écône übersiedeln, das durch eine Kette hoher Berge von Menzingen getrennt ist. Die Aussicht, dass der ehemalige Generalobere innerhalb der Ausbildungsstätte der künftigen französischsprachigen Piuspriester wohnen würde, löste bei einigen von uns Erschrecken aus, aber immerhin würde sein Schatten dann nicht ständig über seinem Nachfolger in Menzingen liegen. Wenigstens in dieser Hinsicht durften wir hoffen, dass er seinem Nachfolger freie Hand geben werde, um die künftige Politik der Bruderschaft nach einigem Ermessen zu gestalten. Die lautstarke Ankündigung seines Umzugs von Menzingen nach Écône verfolgte jedenfalls das Ziel, uns diesbezüglich in Sicherheit zu wiegen. Leider macht es jetzt den Anschein, als habe man uns ein weiteres Mal zum Narren gehalten.

Die letzte Nachricht, die aus mehr als einer Quelle stammt und zweifellos leicht zu überprüfen ist, besagt nämlich, dass der frühere Generalobere in Écône dort bereits wieder seine Koffer gepackt hat und nach Menzingen zurückgekehrt ist. Anscheinend hat er entweder kalkuliert, sein Verbleiben im Hauptquartier werde wohl keine nennenswerten Reaktionen heraufbeschwören, oder die Aufregung darüber sei bereits verflogen, so dass die Spinne gefahrlos ins Zentrum ihres Netzes zurückkehren könne, weil die Fliegen dies ohnehin nicht bemerken würden.

Ihr Priester von Erzbischof Lefebvres Bruderschaft St. Pius X., in seinem Namen appellieren wir an euch: Glaubt, wenn ihr müsst, dass die Politik der erneuten Unterwerfung unter das konziliäre Rom für die Bruderschaft und den Zweck, zu dem er sie gründete, nicht selbstmörderisch sei, aber nehmt Hamlets Warnung „Legt nicht die Schmeichelsalb auf eure Seele“ ernst und gebt euch nicht der Illusion hin, das Generalkapitel vom letzten Juli habe jene Politik nennenswert beeinflusst. Es macht ganz den Eindruck, als halte dieselbe liberale Mafia immer noch die Zügel in der Hand und sei – natürlich in bester Absicht . . . – weiterhin entschlossen, das Werk des Erzbischofs zunichte zu machen.

Das Problem wurzelt sehr tief und reicht weit über die kleine Bruderschaft hinaus – beobachtet diese weiter mit Argusaugen!

Kyrie eleison.

Daniel’s Brexit!

Daniel’s Brexit! on Mai 18, 2019

Wenn das bedauernswerte Grossbritannien die Gründe, aus denen Europa einen Irrweg beschritten hat, möglichst rasch in ihrer ganzen Tiefe begreifen muss, um der Unterjochung durch die Neue Weltordnung zu entrinnen, wie viel dringender müssen dann die Katholiken, wenn sie den Abfall der ganzen Welt von dem einen wahren Gott beenden und sie auf den rechten Pfad zurückführen wollen, in aller Klarheit erkennen, wie und warum ihre Kirche mit Vatikan II den falschen Weg eingeschlagen hat! Im Alten Testament hat Gott Selbst Seinen Propheten Daniel, der fern seiner Heimat in der Babylonischen Gefangenschaft (ca. 590–520 v. Chr.) schmachtete, zu einem dringenden Reuegebet für die Sünden der Israeliten inspiriert, damit Gott Seinem Volke vergeben und es diesem erlauben möge, den Ruhm Seines Namens wiederherzustellen, indem Er ihm die Freiheit gewährte, Seine heilige Religion wie einst in der heiligen Stadt Jerusalem zu praktizieren. Daniels grosses Gebet lässt sich ohne weiteres auf die Gefangenschaft der katholischen Kirche im 21. Jahrhundert übertragen (Daniel IX):

4 Ich betete aber zu dem Herrn, meinem Gott, und ich bekannte und sprach: Ach, Herr, du großer und furchtgebietender Gott, der den Bund und die Gnade denen bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote bewahren! 5 Wir Katholiken haben gesündigt und haben unrecht getan und gesetzlos gehandelt und uns aufgelehnt; wir sind mit Vatikan II von deinen Geboten und deinen Rechtsordnungen abgewichen! 6 Wir haben auch nicht auf deine Knechte, die glaubenstreuen Päpste, gehört, die in deinem Namen zu unseren Königen, unseren Fürsten und unseren Vätern und zu all den Völkern der Christenheit geredet haben.

7 Du, Herr, bist im Recht, uns aber treibt es heute die Schamröte ins Gesicht, wie es jetzt zutage liegt, den Katholiken, den Bewohnern Roms und der ganzen Kirche, seien sie nah oder fern in allen Ländern, wohin du sie vertrieben hast wegen ihrer Untreue, die sie gegen dich verübt haben. 8 Uns, Herr, treibt es die Schamröte ins Gesicht, unseren Königen, unseren Regierungen und unseren Vätern, weil wir gegen dich gesündigt haben! 9 Aber bei dem Herrn, unserem Gott, ist Barmherzigkeit und Vergebung; denn gegen ihn haben wir uns aufgelehnt, 10 und wir haben nicht gehört auf die Stimme des Herrn, unseres Gottes, um in seinem Gesetz zu wandeln, das er uns durch seine Knechte, die glaubenstreuen Päpste und Bischöfe, vorgelegt hat.

11 Die ganze Christenheit hat dein Gesetz übertreten und ist abgewichen, so daß es auf deine Stimme gar nicht hören wollte. Darum hat sich, was als Fluch und Schwur im Gesetz Moses, des Knechtes Gottes, geschrieben steht, über die Konzilskatholiken ergossen, weil wir gegen Ihn gesündigt haben (3. Mose XXVI, 5. Mose XXVIII). 12 Und so hat er seine Worte ausgeführt, die er gegen uns und unsere Herrscher, die über uns regierten, ausgesprochen hat, daß Er großes Unheil über uns bringen wolle, wie es unter dem ganzen Himmel noch nirgends vorgekommen und wie es nun wirklich durch Vatikan II geschehen ist. 13 Genauso, wie es im Gesetz Moses geschrieben steht, ist all dies Unheil über uns gekommen; wir aber suchten das Angesicht des Herrn nicht dadurch zu besänftigen, daß wir uns von unseren Sünden abgewandt und auf deine Wahrheit geachtet hätten. 14 Darum hat auch der Herr darüber gewacht, das Unheil über uns zu bringen; denn der Herr, unser Gott, ist gerecht in allen seinen Werken, die Er getan hat, da wir nicht auf Seine Stimme gehört haben.

15 Nun aber, Herr, unser Gott, der du deine Katholiken stets mit starker Hand aus einer gottlosen Welt herausgeführt hast und dir einen Namen gemacht hast bis zum heutigen Tag: wir haben gesündigt, wir haben gottlos gehandelt. 16 O Herr, laß doch um all deiner Gerechtigkeit willen deinen Zorn und Grimm sich abwenden von deiner Kirche, deinem heiligen Hügel. Denn wegen unserer Sünden und der Missetaten der Konzilsväter ist die katholische Kirche all ihren Nachbarn zum Gespött geworden.

17 So höre nun, unser Gott, auf das Gebet deines Knechtes und auf sein Flehen und laß dein Angesicht leuchten über deine eine wahre Kirche, um des Herrn willen! 18 Neige dein Ohr, mein Gott, und höre; tue deine Augen auf und sieh unsere Verwüstung und die Kirche, die nach deinem Namen genannt ist! Denn nicht um unserer eigenen Gerechtigkeit willen bringen wir unsere Bitten vor dich, sondern um deiner großen Barmherzigkeit willen! 19 Herr, höre! Herr, vergib! Herr, achte darauf und handle und zögere nicht, um deiner selbst willen, mein Gott! Denn nach dem Namen Deines Eingeborenen Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, ist deine Kirche und dein Volk genannt!

Kyrie eleison.

Brexit – II

Brexit – II on Mai 11, 2019

Ein mit Recht berühmtes englisches Gedicht aus dem 19. Jahrhundert wirft viel Licht auf das unbeschreibliche Chaos, das durch den Versuch des britischen Volkes, die Fesseln der Europäischen Union abzuschütteln, entstanden ist. Dieses Gedicht, „Dover Beach,“ stammt von Matthew Arnold (1822–1888), der es wahrscheinlich im Jahre 1851 verfasst hat. In vier ungleich langen Strophen verleiht der Dichter seiner tiefen Melancholie Ausdruck, während er an der Küste des Ärmelkanals steht und dem unablässigen Rauschen der Brandung vor dem Hause lauscht, wo er die Nacht mit seiner geliebten Frau – vermutlich seiner Ehegattin – verbringt.

Der erste Vers ist eine schöne Beschreibung des mondlichtüberfluteten Strandes und der Brandung; er schliesst mit der „ewigen Note der Traurigkeit,“ die der Verfasser im Schlagen der Wellen zu hören vermeint. Als ausgewiesener Kenner der antiken Literatur erinnert er sich an ein Zitat des griechischen Tragödiendichters Sophokles (496–406 v. Chr.), der in derselben hin- und herwogenden Brandung vor mehr als zwei Jahrtausenden „die stürmische Ebbe und Flut des menschlichen Elends“ hörte, und Arnolds Geist wendet sich den tiefen Erschütterungen seines eigenen, viktorianischen Zeitalters zu. Arnold war niemals Katholik, doch in der dritten Strophe erklärt er diese Erschütterungen damit, dass sein 19. Jahrhundert dabei war, den Glauben zu verlieren, dessen „melancholisches, lange verebbendes Rauschen“ er im Klang der zurückweichenden Brandung zu hören vermeint.

Für das Problem, dass das Leben aus dem weicht, was einst die Christenheit war, vermag er nur eine einzige Lösung zu erkennen, die er in der vierten und letzten Strophe erwähnt: Er wendet sich seiner geliebten Frau zu, die neben ihm steht, und bittet sie, ihm treu zu bleiben, denn die Liebe zueinander ist im Grunde das Einzige, was sie besitzen. Somit hat laut dem düsteren Schluss dieses Gedichts

alles
weder Freude, noch Liebe, noch Licht,
Noch Gewissheit, noch Frieden, noch Hilfe im Leiden,
Und wir befinden uns hier wie auf einem verdunkelten Schlachtfeld,
Worüber schallen verworrene Rufe von Kampf und Flucht
Da, wo unwissende Heere nachts aufeinanderprallen

Arnold besass also noch genügend Glauben, um zu erkennen, dass das Grundproblem seiner Zivilisation der Verlust der religiösen Überzeugungen war, doch war sein Glaube nicht stark genug, um auf die wirkliche und existierende Alternative zu der durch den Glaubensverlust verursachten Dunkelheit und Verwirrung zu vertrauen, auf die katholische Kirche nämlich. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Brexit-Anhängern: Diese besitzen noch genügend viel gesunden Instinkt, um zu spüren, dass die Europäische Union einen Irrweg beschritten hat, doch da die Überreste religiösen Glaubens bei ihnen noch schwächer sind als damals bei Arnold, vermögen sie noch weniger als er zu erkennen, wie sie dem „verdunkelten Schlachtfeld“ entrinnen können. Aus diesem Grund ist und bleibt der Streit um den Brexit ein „Aufeinanderprallen unwissender Heere in der dunklen Nacht,“ weil beide Seiten die Debatte auf rein wirtschaftlicher Ebene führen, während die wirkliche Debatte religiöser Natur ist und die wahre Schlacht zwischen den letzten Überresten der christlichen Nationen auf der einen und den Kohorten des Antichristen mit seiner Neuen Weltordnung auf der anderen Seite geschlagen wird. Diese religiöse Dimension verleiht der Debatte hüben und drüben ihre Kraft; der Mangel an Religion hüben und drüben ist der Grund dafür, dass die Debatte dermassen konfus verläuft.

Denn Gott ist in der modernen”Zivilisation” in der Tat der Grosse Abwesende, aber wie Kardinal Pie einst sagte: Wenn Er nicht durch seine Gegenwart herrscht, wird Er durch seine Abwesenheit herrschen. Ohne Ihn wird die Brexit-Debatte ganz überwiegend mit wirtschaftlichen Argumenten geführt, und hier sitzen die Brexit-Anhänger am kürzeren Hebel. Doch werden sie willens sein, sich Gott zuzuwenden? Das ist die Frage.

Kyrie eleison.