Unfehlbarkeit

Argument Gegen Lefebvre – II

Argument Gegen Lefebvre – II on April 14, 2018

Gibt es einen Grund dafür, dass N. M. (siehe die letztwöchige Ausgabe dieser „Kommentare“) bei seinem Versuch, das Problem der Konzilspäpste in den Griff zu bekommen, die dramatische Lösung wählt, dass sie gar keine Päpste waren oder sind? Allem Anschein nach ja. Die katholische Kirche ist sowohl menschlich (als Gesellschaft von Menschen) als auch göttlich (da sie vom Heiligen Geist besonders belebt ist), und es ist wichtig, diese beiden Dinge nicht miteinander zu verwechseln. Alle Menschen sind als solche fehlbar. Gott allein ist unfehlbar. Der Irrtum, den Katholiken begehen, wenn sie zur derselben dramatischen Lösung greifen wie N. M., besteht darin, dass sie den menschlichen Päpsten allzu viel von jener Unfehlbarkeit zusprechen, die nur von Gott allein kommen kann. Zur Veranschaulichung wählen wir ein Beispiel aus irgendeinem modernen Haushalt.

Wenn ich einen Stecker in eine Steckdose an der Wand stecke, kommt der elektrische Strom nicht von dem Stecker, sondern von einem Kraftwerk, das ihn durch den Wand und die Steckdose in den Stecker und jedes beliebige Gerät leitet, welches den Strom benötigt. Dieses Kraftwerk ist Gott. Die Wand und die Steckdose sind die Kirche. Der Strom ist die Unfehlbarkeit, die von Gott kommt. Der Stecker sind die vier Bedingungen, die der Papst allein in die Steckdose einleiten kann. Diese Bedingungen lauten bekanntlich wie folgt: 1) Er muss in seiner Eigenschaft als Papst sprechen 2) um ein und für alle Male 3) eine Frage des Glaubens oder der Moral festzulegen 4) in der Absicht, sämtliche Katholiken zur Akzeptanz seiner Entscheidung zu verpflichten. Wenn der Papst alle vier Bedingungen erfüllt, hat er, und nur er allein, als Mensch garantierten Zugang zu der göttlichen Unfehlbarkeit der Kirche. Für die Erfüllung der vier Bedingungen muss der Papst sorgen. Für die Unfehlbarkeit sorgt Gott.

Selbstverständlich ist diese besondere Steckdose, als Aussergewöhnliches Lehramt der Kirche bekannt, nicht der einzige Zugang, den Menschen zur Unfehlbarkeit der Kirche erlangen können. Dies gelingt ihnen bedeutend häufiger durch das Gewöhnliche Lehramt der Kirche, bei dem es sich um die katholische Tradition handelt, d. h. um all das, was die Lehrer der Kirche, insbesondere Päpste und Bischöfe, überall auf der Welt gelehrt haben, seit Jesus Christus als Gott dieses Lehramt des Glaubens Seiner Kirche anvertraute, die Unfehlbarkeit der Apostel an Pfingsten bekräftigte und ihnen diese Unfehlbarkeit weiter verlieh, bis der letzte von ihnen gestorben war. Von da an war diese Doktrin in den Händen fehlbarer Menschen, denen Gott ihren freien Willen liess und damit auch die Möglichkeit, den Irrtum zu lehren, sofern sie sich hierfür entschieden. Doch für den Fall, dass menschlicher Irrtum zweifelhaft erscheinen lassen sollte, was zu der unfehlbaren Doktrin gehörte und was nicht, gab Gott Seiner Kirche auch das Aussergewöhnliche Lehramt, und zwar darum, um ein für alle Male festzulegen, was zum Gewöhnlichen Lehramt gehört und was nicht. Somit verhält sich der Gewöhnliche Lehramt zum Aussergewöhnlichen wie der Hund zum Schwanz und nicht wie der Schwanz zum Hund!

Das Problem zahlloser Katholiken seit der feierlichen Definition der Unfehlbarkeit der Kirche im Jahre 1870 besteht darin, dass, weil der Zugang des Aussergewöhnlichen Lehramts zur Unfehlbarkeit der Kirche auf eine Weise garantiert ist, die für das Gewöhnliche Lehramt nicht gilt, ersteres den Vorrang vor letzterem zu haben scheint, weshalb die Katholiken dazu neigen, die Bedeutung des Ausserordentlichen Lehramts zu überschätzen und dem Papst persönlich jene Unfehlbarkeit zuzuschreiben, die in Wahrheit einzig und allein die Kirche automatisch besitzt. Dies bedeutet folgendes: Wenn der Papst schwerwiegende Irrtümer begeht wie jene, denen die Konzilspäpste verfallen sind, ist die einzig mögliche Erklärung dafür, dass sie gar keine Päpste sind. Oder aber: Wenn sie doch Päpste sind, dann muss man ihren Irrtümern folgen. Die Logik dieses Gedankenganges ist einwandfrei, doch beruht er auf einer falschen Prämisse. Päpste sind durchaus nicht so unfehlbar, wie manche meinen. Sie können ernsthafte Irrtümer begehen, wie Vatikan II und seine Konzilspäpste gezeigt haben – Irrtümer, wie sie noch nie zuvor in der gesamten Kirchengeschichte vorgekommen sind! Aber die Kirche bleibt unfehlbar, und darum weiss ich, dass die katholische Tradition bis zum Ende der Welt bestehen wird, so sehr sich irgendwelche bedauernswerte Päpste ab und zu bemühen mögen, möglichst schlimme Dinge anzurichten.

Doch wie weiss ich, dass dem Papst als Papst nur der Stecker (die vier Bedingungen) und nicht der elektrische Strom (die Unfehlbarkeit) zukommt, und dass der Strom selbst nur der Wand (der Kirche) gehört? Weil die Definition der Unfehlbarkeit im Jahre 1870 dies ausdrücklich festhält! Ich brauche nur zu lesen, was dort geschrieben steht: Wenn der Papst die vier (oben erwähnten) Bedingungen erfüllt, ist er „im Besitze jener Unfehlbarkeit, von der der Göttliche Erlöser wollte, dass seine Kirche bei der Festlegung der Doktrin bezüglich Fragen des Glaubens oder der Moral ausgestattet sein sollte.“

Somit steht es katholischen Päpsten frei, furchtbare Irrtümer zu begehen, ohne dass die Kirche deswegen weniger unfehlbar wäre.

Kyrie eleison.

„Argument Gegen Lefebvre“ – I

„Argument Gegen Lefebvre“ – I on April 7, 2018

Ein französischer Laie, N. M., hat soeben einen Artikel geschrieben, in dem er die französischen Dominikanerpriester von Avrillé wegen ihres „Lefebvrismus“ kritisiert, d. h. wegen ihrer Weigerung, die These zu akzeptieren, wonach die Konzilspäpste seit Paul VI. gar keine Päpste waren und sind. Der Autor wirft den Dominikanern vor, drei katholische Dogmen zu verwerfen: Dass der Papst das Jurisdiktionsprimat über die Universale Kirche besitzt; dass das Universale Gewöhnliche Lehramt der Kirche unfehlbar ist; dass das Lebendige Lehramt der Kirche festlegt, was Katholiken glauben müssen. Normalerweise könnte man solche Fragen der Doktrin den Experten auf diesem Gebiet überlassen, doch wir leben eben nicht in normalen Zeiten. Die heutigen Katholiken können sich auf ihren katholischen Menschenverstand verlassen müssen, um solche Fragen für sich selber zu beantworten.

Betrachten wir alle drei Fragen auf einfache und praktische Weise. Wenn ich bereit bin zu akzeptieren, dass die Päpste seit Paul VI. wahre Päpste waren, warum sollte ich dann bestreiten müssen, dass erstens der Papst das Oberhaupt der Kirche ist, dass zweitens das Gewöhnliche Lehramt der Kirche unfehlbar ist, und drittens dass der lebendige Papst mir vorschreibt, was ich heute glauben soll? Nehmen wir die Argumente von N. M. der Reihe nach unter die Lupe:

Zum ersten Punkt: N. M. zitiert das durch und durch antiliberale Konzil von Vatikan I (1870–1871), um zu belegen, dass der Papst das direkte und unmittelbare Oberhaupt jeder Diözese, jedes Priesters und jedes Katholiken ist. Wenn ich mich dann, wie alle Lefebvristen, weigere, ihm zu gehorchen, bestreite ich implizit, dass er mein Oberhaupt als Katholik ist; damit bestreite ich, dass der Papst das ist, als was ihn Vatikan I definiert hat. Antwort: Ich stelle keinesfalls in Abrede, dass die Konzilspäpste die Autorität besitzen, mir, der ich Katholik bin, Befehle zu erteilen; ich sage lediglich, dass ihre katholische Autorität nicht das Recht einschliesst, mich zu zwingen, Protestant zu werden; genau dies täte ich jedoch, würde ich ihre Befehle in Übereinstimmung mit Vatikan II befolgen.

Das zweite Argument von N. M. lautet: Vatikan I hat auch festgelegt, dass die vom Papst und den Bischöfen gelehrte Alltagsdoktrin unfehlbar sei. Doch wenn Papst und Bischöfe jemals ernstlich gemeinsam gelehrt haben, dann bei Vatikan II. Verwerfe ich diese Lehre, bestreite ich implizit, dass das Universale Gewöhnliche Lehramt der Kirche unfehlbar ist. Antwort: Nein, das tue ich nicht. Ich anerkenne voll und ganz, dass, wenn eine Doktrin in der Kirche fast überall, zu jeder Zeit und von sämtlichen Päpsten und Bischöfen gelehrt wurde, sie in der Tat unfehlbar ist, aber wenn sie lediglich in modernen Zeiten, ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, von den Päpsten und Bischöfen von Vatikan II gelehrt wurde, widerspricht sie dem, was von Päpsten und Bischöfen zu allen anderen Zeiten der Kirche gelehrt worden ist, und ich fühle mich nicht verpflichtet, es zu akzeptieren. Da ich das entscheidend wichtige Universale Gewöhnliche Lehramt aller Zeiten akzeptiere, verwerfe ich das Gewöhnliche Lehramt von heute, das ersterem widerspricht und darum nicht bindend ist.

Drittens: N. M. argumentiert, der wahre Papst besitze die lebendige Autorität, mir als Katholiken zu sagen, was ich heute glauben muss. Wenn ich mich dann weigere, zu glauben, was die Konzilspäpste mir zu glauben befohlen haben, verwerfe ich deren lebendige Autorität als Schiedsrichter des Glaubens. Antwort: Nein, dies tue ich nicht. Ich gebrauche meine Augen zum Lesen und den mir von Gott geschenkten Verstand, um zum Urteil zu gelangen, dass das, was mir die Konzilspäpste sagen, dem widerspricht, was alle früheren Päpste bis hin zu Petrus mir gesagt haben, und ich ziehe es vor, mich der gewichtigen Autorität von 261 Päpsten unterzuordnen und mir von ihnen sagen zu lassen, was ich glauben soll, und nicht der ungleich weniger gewichtigen Autorität von sechs Konzilspäpsten. „Aber dann verwerfen Sie die lebendige Autorität des lebenden Papstes als Schiedsrichter des Glaubens!“ Einzig und allein deshalb, weil ich 261 Päpsten folge, gehorche und mich ihnen unterwerfe, die wahre Schiedsrichter jenes Glaubens waren, von dem mir meine Augen und mein Verstand sagen, dass die Konzilspäpste ihm nicht folgen. „Aber dann vertrauen Sie Ihren Augen und Ihrem Verstand mehr als dem katholischen Papst!“ Antwort: Gott gab mir Augen und Verstand; sowohl die einen wie der andere funktionieren, und wenn ich vor Ihn treten muss, um gerichtet zu werden, werde ich die Verantwortung für den Gebrauch übernehmen, den ich von ihnen gemacht habe.

Es ist klar, dass die von N. M. selbst erteilte Antwort auf das Problem von Päpsten, die dem Protestantismus und dem Modernismus zuneigen und die Irrtümer des Zweiten Vatikanischen Konzils verbreiten, darin besteht, zu bestreiten, dass sie überhaupt je Päpste waren. Es sollte gleichermassen klar sein, dass ich nicht verpflichtet bin, zur Behebung dieses sehr realen Problems zu der drastischen Lösung von N. M. zu greifen. Und wenn ich mich weigere, dies zu tun, heisst das mitnichten, dass ich verpflichtet bin, drei Dogmen der Kirche in Frage zu stellen. Friede sei mit N. M.

Kyrie eleison.

Der Kirche Unfehlbarkeit

Der <u>Kirche</u> Unfehlbarkeit on September 17, 2016

Von der Erde steigen Probleme zum Himmel empor. Vom Himmel kommen Lösungen auf die Erde herab. Gar manches katholische Problem muss lediglich auf einer höheren Stufe behandelt werden, und schon erscheint es uns durchaus nicht mehr so verzwickt wie zuvor. Ein klassisches Beispiel könnte das Problem der Konzilspäpste sein, mit dem wir seit 2013 mit zuvor unbekannter Schärfe konfrontiert sind. Hier haben wir es auf jeden Fall mit einem Mysterium zu tun, aber wenn uns wir nicht hoch genug emporschwingen, können wir nur allzu leicht zum Opfer eines der beiden klassischen Trugschlüsse werden: Entweder ist er der Papst, und dann muss ich ihm gehorchen, oder ich kann ihm nicht gehorchen, also kann er nicht der Papst sein. Doch wenn ich über das Menschsein des Papstes hinaus zur Göttlichkeit der Kirche emporsteige, erkenne ich, dass die sogenannte päpstliche Unfehlbarkeit in Wahrheit die Unfehlbarkeit der Kirche ist, die sehr viel mehr Spielraum dafür lässt, dass dieser oder jener Papst, oder gar eine ganze Reihe von Päpsten, durchaus nicht den Erwartungen entsprechen, die man kraft ihres Amtes in sie setzen müsste. Wenden wir uns also ohne Umschweife der – selbst unfehlbaren – Definition der Unfehlbarkeit aus dem Jahre 1870 zu. Hier ist der Text, wobei wir zwei Wörter hervorgehoben und Zahlen eingeschoben haben:

Wir lehren und erklären endgültig als von Gott geoffenbarten Glaubenssatz: Wenn der Papst in höchster Lehrgewalt (ex cathedra) spricht, das heisst: wenn er seines Amtes als Hirt und Lehrer aller Christen waltend 1 in höchster apostolischer Amtsgewalt 2 endgültig entscheidet, 3 eine Lehre über Glauben oder Sitten 4 sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheissen ist, jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren ausgestattet haben wollte. Diese endgültigen Entscheidungen des römischen Papstes sind daher aus sich und nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich. – Vatikanisches Konzil, Sitzung IV, Const. De Ecclesiâ Christi, Kapitel IV.

In diesem Text erkennen wir eindeutig die vier berühmten Bedingungen dafür, dass die Erklärungen eines Papstes unfehlbar sind, sehen aber gleich danach die – hier hervorgehobenen – Worte, die anscheinend allzu oft übersehen werden, jedoch völlig klar machen, welcher Quelle die Unfehlbarkeit des Papstes entspringt: Sie entspringt nicht ihm selbst, sondern der Kirche. Führen wir einen wohlbekannten Vergleich aus dem modernen Leben an: Eine Hausfrau schliesst ihr Bügeleisen an einen Steckschalter in der Wand an. Dies muss sie tun, damit das Eisen heiss wird, aber die Elektrizität, die dieses bewirkt, stammt natürlich nicht von ihr selbst, sondern vom örtlichen Kraftwerk.

Damit die Entscheidung eines Papstes unfehlbar ist, muss der Papst gewissermassen die vier Bedingungen „an die Kirche anschliessen,“ und er ist der eine und einzige Mensch auf Erden, der hierzu befugt ist; aus diesem Grund spricht man von der „päpstlichen Unfehlbarkeit,“ doch der unfehlbare Schutz vor dem Irrtum, der ihm dann zuteil wird, kommt nicht von ihm selbst, sondern – auf dem Weg über die Kirche – vom Heiligen Geist, genau wie die Elektrizität nicht von der Hausfrau, sondern auf dem Weg über den Steckschalter vom Kraftwerk kommt. Und wie die betreffende Hausfrau persönlich allerlei gute oder schlechte Eigenschaften aufweisen mag, diese jedoch keinen Einfluss darauf haben, ob ihr Bügeleisen, wenn sie es an den Steckschalter anschliesst, heiss wird, mag auch der Papst ein Heiliger oder ein krimineller Schwachkopf sein, doch wenn er ein rechtmässig ernannter oder gewählter Papst ist, wird seine Entscheidung – immer vorausgesetzt, er erfüllt die vier Bedingungen – zwangsläufig irrtumsfrei sein.

Dies bedeutet Folgendes: Wann immer der Papst diese vier Bedingungen nicht erfüllt, kann er streng genommen wie jeder von uns Unsinn von sich geben, ohne dass die Kirche deswegen aufhört, unfehlbar zu sein. In der Tat ist ihre Gewöhnliche Unfehlbarkeit weitaus wichtiger als die Aussergewöhnliche Unfehlbarkeit päpstlicher Erklärungen; dies haben wir in früheren Ausgaben dieser „Kommentare“ mit einem anderen wohlbekannten Vergleich zu veranschaulichen versucht, demjenigen zwischen einem Berg und seinem schneebedeckten Gipfel (siehe Eleison-Kommentare 343 und 344, 8. und 15. Februar 2014). Der schneebedeckte Gipfel mag den Berg sichtbarer machen, doch dass er gesehen werden kann, setzt die ganze Masse des Berges unter ihm voraus. Sobald wir das Problem also auf einer höheren Stufe behandeln, ist es für die Kirche nicht von entscheidender Bedeutung, ob die Konzilspäpste von Sinnen sind. Wir hier auf Erden mögen unter fehlbaren Päpsten leiden, die ihren Verstand verloren haben, aber Mutter Kirche bleibt in ihrer Unfehlbarkeit heiter und gelassen.

Kyrie eleison.

Fehlbare Päpste

Fehlbare Päpste on September 13, 2014

Weder Liberalisten noch Sedisvakantisten hören gerne, daß sie wie Kopf und Zahl von ein- und derselben Münze sind; und dennoch trifft es zu. Beispielsweise stellen sich beide keine dritte Alternative vor. Nehmen wir zum Beispiel den Brief an die drei Bischöfe von Bischof Fellay vom 14. April 2012, wo er zu seinem Liberalismus keine Alternative außer den Sedisvakantismus sah. Umgekehrt denken viele Sedisvakantisten, wer die Konzilspäpste für echte Päpste hält, könne nur ein Liberalist sein, und wer den Sedisvakantismus kritisiert, fördere den Liberalismus. Doch in Wirklichkeit ist dies überhaupt nicht so.

Warum? Weil beide die Unfehlbarkeit des Papstes übertreiben und damit denselben Irrtum begehen. Warum tun sie das? Vielleicht weil auf beiden Seiten moderne Menschen stehen, welche mehr an Personen als an Institutionen glauben? Doch warum sollte das ein Merkmal des modernen Menschen sein? Weil ab ungefähr dem Protestantismus immer weniger Institutionen wahrhaftig das Gemeinwohl suchen, sondern immer mehr Privatinteressen, wie z.B. das Geld („meine monetäre Forderung an Dich“), was natürlich unseren Respekt vor diesen Institutionen schmälert. Beispielsweise bewahrten einige gute Männer die verkommene Institution namens Modernes Bankwesen davor, all seine üblen Wirkungen sofort zu entfalten, aber die verkommenen „Bankster“ von heute zeigen doch, was die Institutionen der Mindestreserve-Banken und Zentralbanken in sich von Anfang an waren. Wegen der Feinde von Gott und Mensch steckt der Teufel in den modernen Strukturen.

Somit ist es verständlich, daß die modernen Katholiken dazu neigten und neigen, zu viel Vertrauen in den Papst und zu wenig Vertrauen in die Kirche zu setzen. Damit sind wir auch schon bei der Antwort an jenen Leser, welcher mich fragte, warum ich nicht in derselben Weise über die Unfehlbarkeit schreibe wie die klassischen katholischen Handbücher der Theologie. Gewiß sind diese Handbücher auf ihre Weise wunderbar, doch wurden sie alle vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil geschrieben und neigen dazu, dem Papst eine Unfehlbarkeit zuzugestehen, welche der Kirche gehört. In diesen Handbüchern wird beispielsweise die Krone der Unfehlbarkeit einzig als eine feierliche Definition durch den Papst oder durch den Papst auf einem Konzil, aber auf jeden Fall durch den Papst, präsentiert. Das heutige liberalistisch-sedisvakantistische Dilemma war die Folge, und als solche auch eine Bestrafung für die Neigung, die Person überzubewerten und die Institution unterzubewerten, denn schließlich ist die Kirche keine rein menschliche Institution.

Denn erstens ist auf dem Berg des Ordentlichen Lehramtes die Schneekappe des Ausserordentlichen Magisteriums nur in sehr beschränkter Weise der Gipfel – denn er ist völlig unterstützt vom Felsgipfel unterhalb des Schnees ab. Zweitens wissen wir vom maßgebenden Text über die Unfehlbarkeit, von der Definition des wahrlich katholischen ersten Vatikanischen Konzils (1870), daß die päpstliche Unfehlbarkeit von der Kirche kommt, und nicht umgekehrt. Nur wenn der Papst alle für eine ex cathedra Lehre notwendigen vier Bedingungen anwendet, dann, sagt die Definition, besitzt er „jene Unfehlbarkeit, mit welcher der göttliche Erlöser seine Kirche in der endgültigen Entscheidung über eine Glaubens- oder Sittenlehre ausstatten wollte”. Natürlich ist das so, denn von wem könnte die Unfehlbarkeit sonst stammen, außer von Gott? Die besten unter den Menschen, und einige Päpste waren wirklich gute Menschen, mögen sogut wie keine Fehler begangen haben, aber solange sie mit der Erbsünde behaftet sind, können sie nicht unfehlbar wie nur Gott allein sein. Wenn diese Menschen unfehlbar sind, dann kommt diese Unfehlbarkeit von außerhalb ihrer Menschheit ihnen zu, durch ihre Menschheit, aber von Gott her, welcher durch seine Kirche sie zu schenken gewählt hat. Diese Unfehlbarkeit darf dann nur ein momentanes Geschenk für die Dauer einer Definition sein.

Das bedeutet, daß außerhalb der ex cathedra Momente nichts einen Papst davon abhält, Unsinn zu reden, wie die neue Religion des Zweiten Vatikanischen Konzils. Daher benötigen weder Liberalisten noch Sedisvakantisten diesen Unsinn ernstzunehmen, und sollten ihn auch nicht beachten, weil, wie schon Erzbischof Lefebvre sagte, wir 2000 Jahre an unfehlbarer Kirchenlehre durch das Ordentliche Magisterium besitzen, durch welches wir beurteilen können, daß Unsinn vorliegt.

Kyrie eleison.

Kirchliche Unfehlbarkeit – IV

Kirchliche Unfehlbarkeit – IV on Mai 24, 2014

Kardinal Newman wird ein weiser Kommentar über die Definition der Unfehlbarkeit des Papstes aus dem Jahre 1870 zugeschrieben: „Und sie verließ ihn so, wie sie ihn gefunden hatte.“ Denn in der Tat kann diese Definition nichts an der Macht des Papstes, unfehlbar zu lehren, geändert haben, weil zur Natur der wahren Kirche Gottes es gehört, daß er sie vor Irrtümern schützt – jedenfalls dann, wenn ihre oberste Lehrautorität eingeschaltet ist. Dieses Einschalten wird seither als das „Außerordentliche Magisterium“ der Kirche bezeichnet. Allerdings konnte im Jahre 1870 nur der Name neu sein, wie auch der Name „Universelles Ordentliches Magisterium.“ Weil das Erste Vatikanische Konzil dieses letztgenannte Magisterium ebenfalls für unfehlbar erklärte, so muß dies in der Kirche ebenfalls von Anfang an so gewesen sein. Um die Wirklichkeit hinter diesen zwei Namen zu erkennen, gehen wir zurück zu jenem Anfang.

Als unser Herr in den Himmel auffuhr, hatte er mit seiner göttlichen Unfehlbarkeit seinen Aposteln einen Lehrbestand anvertraut und ihnen aufgetragen, diesen intakt an seine Kirche bis zum Ende der Welt weiterzugeben (Markus 28,19–20) – eine Glaubenslehre, welche unter Androhung ewiger Verdammnis von jeder Kreatur anzunehmen ist (Markus 16,15–16). Und Gott mußte dieses Glaubensgut der Kirche, auch Offenbarung genannt, jeder Seele guten Willens erkennbar und zugänglich machen, insofern der wahre Gott offenkundig niemals eine Seele, welche sich weigert, eine Unwahrheit zu glauben, für alle Ewigkeit verdammen kann. Beim Tod des letzten Apostels war dieses Glaubensgut nicht nur unfehlbar sondern auch vollständig abgeschlossen.

Heißt das allerdings, daß Gott nach den Aposteln bis zum heutigen Tag jeden einzelnen Kirchenmann davor bewahren würde, einen Irrtum zu lehren? Keineswegs. Vielmehr warnte unser Herr sogar vor „falschen Propheten“ (Matthäus 7,15), und auf ähnliche Weise sprach auch der Heilige Paulus von „reißenden Wölfen“ (Apostelgeschichte 20,29–30). Doch wie kann Gott zulassen, daß seine Herde der Gefahr von irrenden Hirten ausgesetzt ist? Weil er weder Roboter-Hirten, noch Roboter-Schafe in seinem Himmel haben will, sondern vielmehr Hirten und Schafe, welche beide ihren gottgegebenen freien Willen nutzen, um die Wahrheit zu lehren bzw. ihr zu folgen. Und selbst wenn der Großteil der Hirten den Glauben verrät, kann Gott zum Beispiel einen Heiligen Athanasius oder einen Erzbischof Lefebvre aufstehen lassen, um sicherzustellen, daß seine unfehlbare Wahrheit den Seelen auch weiterhin zugänglich bleibt.

Dennoch bleibt das Glaubensgut unaufhörlich den reißenden Wölfen ausgesetzt, welche ihm Irrtümer hinzufügen oder von ihm Wahrheiten weglassen wollen. Wie kann Gott dennoch das Glaubensgut schützen? Indem er sicherstellt, daß der Papst, sobald er alle vier Bedingungen seiner vollen Lehrautorität einschaltet und dann definiert, was zum erwähnten Glaubensgut gehört bzw. nicht gehört, bei diesem Akt durch den göttlichen Beistand vor Irrtümern geschützt ist. Diesen Vorgang nennen wir heute das „Außerordentliche Magisterium“ (beachten wir, wie dieses Außerordentliche Lehramt das unfehlbare Ordentliche Lehramt voraussetzt und ihm keine Wahrheit und keine Unfehlbarkeit hinzufügen, sondern nur eine höhere Gewißheit für uns Menschen bringen kann). Schaltet allerdings ein Papst nicht alle vier Bedingungen ein, so ist sein Lehren erst dann unfehlbar, wenn es dem von unserem Herrn übergebenen Glaubensgut entspricht (heute das „Universelle Ordentliche Lehramt“ genannt), während sein Lehren fehlbar ist, wenn es nicht in diesem Glaubensgut enthalten ist, d.h. nicht in der Tradition. Außerhalb der Tradition kann das Lehren eines Papstes also richtig oder falsch sein.

Aus diesem Grunde gibt es auch keinen Teufelskreis (siehe EC 357 von letzter Woche), weil unser Herr die Tradition autorisierte und die Tradition wiederum das Magisterium autorisiert. Tatsächlich ist es Aufgabe des Papstes, mit Autorität zu deklarieren, was zur Tradition gehört, und wenn er dabei seine volle Autorität einschaltet, so wird er durch den göttlichen Beistand vor Irrtümern geschützt. Allerdings kann er auch Deklarationen außerhalb der Tradition vornehmen, genießt dann jedoch keinen göttlichen Beistand. Weil nun die Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils, wie z.B. die Kultfreiheit oder der Ökumenismus, weit außerhalb der kirchlichen Tradition liegen, fallen sie weder unter das Ordentliche noch unter das Außerordentliche Magisterium des Papstes. Der ganze Unsinn der Konzilspäpste verpflichtet somit keinen einzigen Katholiken, Liberalist oder Sedisvakantist zu werden.

Kyrie eleison.

Kirchliche Unfehlbarkeit – III

Kirchliche Unfehlbarkeit – III on Mai 17, 2014

Die verrückten Worte und Taten des Papst Franziskus treiben derzeit viele gläubige Katholiken in die Hände des Sedisvakantismus, welcher jedoch gefährlich ist. Die Vorstellung, daß die konziliaren Päpste keine Päpste waren und sind, mag als bloße Meinung beginnen; doch allzu oft müssen wir bestätigen, wie diese Meinung erst zu einem Dogma und dann zu einem mentalen Fangeisen wird. Meines Erachtens macht der Verstand vieler Sedisvakantisten die Schotten dicht, weil die beispiellose Kirchenkrise durch das Zweite Vatikanische Konzil ihrem katholischen Verstand und Herzen solche Qualen verursacht hat, daß sie im Sedisvakantismus eine einfache Lösung gefunden zu haben glauben. Danach sind sie nicht mehr willens, die Qualen erneut auf sich zu nehmen, indem sie die grundlegenden Fragen erneut stellen. Sodann unternehmen sie einen regelrechten Kreuzzug, um für ihre einfache Lösung auch andere Katholiken zu gewinnen. Doch bei diesem Unternehmen zeigen viele – nicht alle – Sedisvakantisten am Ende einen Hochmut und eine Bitterkeit, welche keine Zeichen bzw. Früchte eines wahren Katholiken mehr sind.

Nun haben diese „Eleison-Kommentare“ zwar immer davon abgesehen, mit letztendlicher Sicherheit zu verkünden, daß die konziliaren Päpste auch gewiß Päpste seien. Doch gleichzeitig wiesen die „Kommentare“ darauf hin, daß die üblichen Argumente der Sedisvakantisten weder schlüssig noch für Katholiken verbindlich sind, so wie manche Sedisvakantisten uns glauben machen wollen. Kommen wir daher auf eines ihrer Hauptargumente zurück, jenes von der päpstlichen Unfehlbarkeit, welches sie so erklären: die Päpste sind unfehlbar; die Liberalisten jedoch sind fehlbar, und konziliare Päpste sind Liberalisten; daher sind sie keine Päpste.

Dagegen können wir einwenden, daß ein Papst nur dann mit Sicherheit unfehlbar ist, wenn er alle vier Bedingungen des Außerordentlichen Magisteriums der Kirche dadurch in Anspruch nimmt, daß er auf die folgenden vier Weisen lehrt: 1) als Papst, 2) bezüglich des Glaubens oder der Moral, 3) auf endgültige Weise und 4) für alle Katholiken bindend. Darauf antworten die Sedisvakantisten wie die Liberalisten gleichermaßen: weil nach der Lehre der Kirche das Ordentliche Magisterium unfehlbar ist, so müsse – und nun kommt der Schwachpunkt in der Argumentation – der Papst, selbst wenn er außerhalb seines Außerordentlichen Magisteriums feierlich lehrt, ebenfalls unfehlbar sein. Nun stelle aber das Lehren der konziliaren Päpste sich feierlich dar; daher müßten wir also entweder Liberalisten oder Sedisvakantisten werden, je nachdem, welche der beiden Seiten dieses Argument anführt.

Doch das Kennzeichen des Lehrens, welches zum ordentlichen universellen Magisterium der Kirche gehört, ist nicht die Feierlichkeit, mit welcher ein Papst außerhalb des Außerordentlichen Magisterium gelehrt hat, sondern ob sein Lehren dem entspricht bzw. nicht entspricht, was Unser Herr, seine Apostel und praktisch alle ihre Nachfolger, d.h. die Bischöfe der Weltkirche, zu allen Zeiten und an allen Orten gelehrt haben. Kurz gesagt zählt, ob die Lehre eines Papstes der Tradition entspricht. Nun stellt allerdings die konziliare Lehre (z.B. über die Kultfreiheit und den Ökumenismus) einen Bruch mit der Tradition dar, weswegen die heutigen Katholiken nicht verpflichtet sind, Liberalisten oder Sedisvakantisten zu werden.

Beide Seiten, die Liberalisten wie die Sedisvakantisten, klammern sich an ihre Übertreibung von der päpstlichen Unfehlbarkeit; und zwar aus durchaus interessanten Gründen, welche allerdings wieder eine andere Geschichte sind. Jedenfalls geben beide Seiten nicht einfach auf und bringen daher einen weiteren Einwand, welcher eine Antwort verdient. Beide Seiten behaupten, daß die Argumentation, wonach die Tradition das Kennzeichen des Ordentlichen Magisteriums sei, in einen Teufelskreis führe. Denn wenn die Lehrautorität der Kirche, das Magisterium, existiert um festzustellen, was die kirchliche Doktrin ist (was sie ja tut), wie könne dann gleichzeitig die traditionelle Lehre feststellen, was das Magisterium ist? Entweder müsse der Lehrer autorisieren, was gelehrt wird, oder das Gelehrte autorisiere den Lehrer, aber sie könnten nicht beide zur selben Zeit sich gegenseitig autorisieren. Somit sei die Argumentation falsch, wonach die gelehrte Tradition das lehrende Ordentliche Magisterium autorisiere, und deswegen sei der Papst nicht nur in seinem Außerordentlichen Magisterium unfehlbar. Also würden wir entweder Liberalisten oder Sedisvakantisten werden müssen.

Nächste Woche erklären wir, warum hier kein Teufelskreis vorliegt. Außerdem ist die Frage interessant, warum beide Seiten, also Liberalisten und Sedisvakantisten, denselben Irrtum bezüglich der Unfehlbarkeit begehen.

Kyrie eleison.