Gewissen

Ewige Verdammnis? – I.

Ewige Verdammnis? – I. on Mai 18, 2013

Ein Leser brachte erneut eine klassische Fragestellung zur Sprache, die schon einige Male ein direktes oder indirektes Thema in den „Eleison Kommentaren“ war. Weil die Fragestellung so ernst ist, verdient sie eine eigene Abhandlung. Der Leser schreibt: „Wegen der Lehre von der ewigen Verdammnis fällt es mir schwer, Katholik auf jene Weise zu sein, wie ich es wünschte. Es ist als ob ich die Vorstellung nicht zu akzeptieren vermag, daß eine Seele bis in alle Ewigkeit unablässig gequält werden kann. Das ist einfach zu schrecklich. Es muß doch eine katholische Lehre geben, die nicht so schablonenhaft ist.“ Kurz gesagt lautet also die Frage, ob auch nur eine einzige Seele gerechterweise dazu verurteilt werden kann, in alle Ewigkeit furchtbare Qualen zu erleiden.

Als Hinweis mag nützlich sein, daß wir noch heute jene Höhle im spanischen Segovia besuchen können, wo ein großer Heiliger, der Hl. Dominik, eine ganze Nacht lang im Gebet qualvoll über diese Fragestellung nachgedacht und gebetet hat. Doch gleichzeitig muß klar sein, daß der Allmächtige Gott nicht auf die Anklagebank gebracht werden kann, so als ob Er verdiene, entweder verurteilt oder freigesprochen zu werden. Nun lehrt Seine Kirche, daß eine Seele bereits wegen einer einzigen Todsünde in das ewige Höllenfeuer gelangen kann. Angenommen, ich bin mit dieser Lehre nicht einverstanden, so liegt allerdings der Irrtum nicht aufseiten Seiner Kirche, sondern bei mir. Und wieso irre ich mich?

Die Antwort lautet: aus einem oder beiden von zwei miteinander verbundenen Gründen. Denn entweder begreife ich nicht die Größe und Güte Gottes; was relativ leicht passieren kann, weil mein kleiner Verstand endlich ist, während Gott unendlich ist. Oder aber ich begreife nicht die Schwere der Versündigung; was auch relativ leicht passieren kann, denn eine Sünde beleidigt an erster Stelle Gott, an zweiter Stelle mich und erst danach meinen Nächsten. Wenn ich also die Größe Gottes, der durch Sünden beleidigt wird, nicht begreife, so begreife ich natürlich auch nicht die Schwere von Sünden.

Folglich wird die entscheidende Frage sein, ob der gütige Herrgott jedem menschlichen Wesen, das jemals lebte, während seiner kurzer Erdenzeit auch genügend Mittel an die Hand gegeben hat, damit dieser Mensch auch weiß, daß Gott existiert, daß Er beleidigt werden kann, womit Er beleidigt wird und wie schwerwiegend es ist, Ihn zu beleidigen. Die Antwort auf alle vier Teilfragen kann nur bejahend ausfallen:

*) Um die Existenz Gottes zu erkennen, benötige ich keinen übernatürlichen Glauben. Bereits durch aufrichtige menschliche Vernunft erkennen wir, daß hinter allen guten Dingen im Leben eines Menschen stets ein höchstes, gutes Wesen steht. Zwar mag ein Verstand, welcher durch den Stolz verbogen und aus dem Lot geraten, oder durch die Sünde verdunkelt worden ist, nicht mehr von diesem höchsten Wesen künden. Doch jede Verbiegung oder Verdunkelung ist nicht Gottes, sondern meine Schuld, und sie verdient eine Bestrafung entsprechend dem Umfang all der guten Dinge, welche ich in diesem Leben erfahren und welche ich auf „unentschuldbare Weise“ (vgl. Römerbrief 1,20) nicht Gott zugeschrieben habe.

*) Die Wirklichkeit des freien Willens ist für uns eine alltägliche Erfahrung. Jeder Mensch besitzt das natürliche Licht des Gewissens, welches uns einerseits sagt, daß wir dem Höchsten Wesen Anbetung schulden, und andererseits, daß die Verweigerung dieser Anbetung dieses Höchste Wesen beleidigt. Das ist das Erste Gebot, welches uns auch ohne Glauben bekannt ist.

*) Das natürliche Gewissen lehrt mich auch die anderen neun der Zehn Gebote, welche lediglich das Naturrecht in Worte kleiden. Und das Gewissen sagt mir auch, daß das Gebotebrechen nicht nur meinen Nächsten beleidigt, sondern auch bzw. in erster Linie jenes Höchste Wesen.

*) Je reiner mein Gewissen ist, desto deutlicher sagt es mir, wie schwerwiegend eine Beleidigung Gottes ist. Nun ist das Problem zwar, daß wir alle Sünder sind und daß jede Sünde dazu beiträgt, unser Gewissen zu verdunkeln. Doch ist die Versündigung nicht Gottes, sondern unsere Schuld; also ist es vollkommen gerecht, wenn wir bestraft werden entsprechend der Art und Weise, wie wir unseren Verstand verdunkeln.

Nun erhalten also alle Menschen genügend Wissen über Gott, um nach dem irdischen Leben eine Bestrafung zu verdienen in Abhängigkeit davon, wie sehr sie Gott beleidigt haben. Doch mag man einwenden, wie denn ein bloßer Mensch Gott so sehr beleidigen kann, daß eine ewige und unvorstellbar schlimme Strafe noch gerecht ist? Der nächste „Eleison Kommentar“ will sich diesem Geheimnis annähern, welches einigermaßen so tiefgründig ist wie Gott selber.

Kyrie eleison.

Schuldlose Unkenntnis

Schuldlose Unkenntnis on August 13, 2011

Ein Leser stellt folgende wesentliche Frage: „Kann ein guter Protestant – der zwar ein gutes Leben führte, aber felsenfest glaubt, daß der katholische Glaube falsch ist, und der daher gar nicht erst erwägt, in die katholische Kirche einzutreten – gerettet werden?“ Diese Frage ist vital, d.h. lebensnotwendig (lateinisch „vita“ heißt „Leben“), weil es für unzählige Seelen um das ewige Leben oder den ewigen Tod geht.

Der wichtigste Punkt der Antwort lautet, daß Gott, sobald eine Seele bei ihrem Tod augenblicklich vor Seinem Richterstuhl erscheint, sie mit perfekter Gerechtigkeit und Barmherzigkeit richtet. Gott allein kennt die Tiefen des Herzens eines Menschen, über welche der Mensch sich selber – und anderen erst recht – etwas vormachen kann. Während der Mensch falsch urteilen kann, ist dies bei Gott unmöglich. Daher wird der „gute Protestant“ entweder durch sich selber verdammt oder durch Gott gerettet werden, so wie dieser Mensch entsprechend dem unfehlbaren Ratschluß Gottes es verdient.

Gott will, daß wir alle gerettet werden (Erster Brief des Timotheus 2,4) und verlangt von uns unter Androhung der ewigen Verdammnis (Markus 16,16), daß wir glauben. Somit leuchtet ein, daß Gott uns auch wissen läßt, was wir glauben und tun müssen, um unsere Seele zu retten. Was also muß dieser „gute Protestant“ glauben?

Jeder Mensch muß für seine Seelenrettung wenigstens glauben, daß Gott existiert, und daß Er die Guten belohnt und die Bösen bestraft (Hebräerbrief 11,6). Ein „guter Protestant,“ welcher dieses nicht glaubt, kann nicht gerettet werden, auch wenn er ein „gutes Leben“ führte. Allerdings gehen viele katholische Theologen weiter und erklären, daß der Mensch für seine Seelenrettung auch an die Heilige Dreifaltigkeit und an Jesus Christus als Erlöser glauben muß. Wenn diese Theologen richtig liegen, dann dürfte es noch viel mehr „gute Protestanten“ geben, die ihre Seelen nicht retten können.

Nun kann Gott von den Menschen allerdings auch verlangen, daß sie mehr als nur diese absoluten Grundlagen glauben müssen – und zwar in Abhängigkeit von den Gelegenheiten in ihrem Leben, von der von Ihm ausgehenden Wahrheit zu erfahren. Begegneten sie dem übrigen katholischen Glauben, welchen sie ignorieren, wirklich niemals? Vielleicht nicht. Aber vielleicht trafen sie doch auf ihn. Ich erinnere mich noch gut daran, wie meine protestantische Mutter einmal voller Begeisterung von einem katholischen Priester erzählte, der alle ernsthaften Fragen ihres „guten protestantischen“ Vaters beantwortet hatte. Doch hatte dies keine Folgen für sein Leben, soviel ich weiß. Wenn „gute Protestanten“ wirklich nur einmal in ihrem Leben der katholischen Wahrheit begegneten, warum gingen sie ihr dann nicht nach? Abgesehen von dem Fall, daß sie ihnen schlecht vorgestellt worden wäre, haben sie die Wahrheit praktisch zurückgewiesen. Können sie diese Zurückweisung schuldlos durchgeführt haben? Wiesen sie die Wahrheit also unschuldigerweise oder willentlich zurück? „Gute Protestanten“ betrachten sich gerne als unschuldig – so wie wir alle. Doch niemand kann Gott täuschen.

Ein „guter Protestant“ muß jedoch auch etwas tun, um gerettet zu werden. Er mag zwar nicht alles kennen, was die katholische Kirche unfehlbar in Moralfragen von uns verlangt, doch trägt er wenigstens das natürliche Licht seines angeborenen Gewissens in sich. Es ist sicherlich schwer, diesem natürlichen Licht des angeborenen Gewissens unter der Last der Erbsünde und ohne Hilfe der katholischen Sakramente zu folgen. Doch wer das Gewissen ernstlich verletzt oder von der Wahrheit löst, kann leicht im Stande der Todsünde leben und sterben, und somit nicht gerettet werden. Wiederum kann der „gute Protestant“ im Gegensatz zu den Katholiken sich darauf berufen, daß er die Fülle der Gesetze Gottes nicht kannte. Aber ist seine Unkenntnis wirklich „unüberwindlich“ und damit schuldlos? Wußte der Protestant beispielsweise tatsächlich nicht, daß die künstliche Empfängnisverhütung Gott ernsthaft beleidigt, oder wollte er es nur nicht wissen?

Gott allein weiß es. Gott allein richtet. Möge er Erbarmen mit allen „guten Protestanten“ und mit uns allen haben.

Kyrie eleison.