Katholische Lehre, Dogma, Glaubensgut

Widerstands Ausrichtung – I

Widerstands Ausrichtung – I on März 15, 2014

Im heutigen Katastrophenzustand von Kirche und Welt spielen unter anderem zwei zentrale Prinzipien eine Rolle: das eine ist dauerhaft und primär, das andere vorübergehend und sekundär. Dennoch sind beides zentrale Prinzipien, und ihr Zusammenspiel soll für unser Handeln den Ausschlag geben.

Das dauerhafte Prinzip lautet: „Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen“ (Hebräerbrief 11,6). Denn Gott stattete alle Menschen mit einem freien Willen aus, welchen sie so benützen sollen, daß sie am Sterbetag zu Gott gelangen und für alle Ewigkeit seiner seligmachenden Schau sich erfreuen können. Diese obligatorischen Bedingungen unserer irdischen Existenz stellen ein enorm großzügiges Angebot vonseiten Gottes dar, wenn wir berücksichtigen, wie relativ wenig von unsrer Seite aus erforderlich ist (Isaias 64,4). Doch das mindeste, was wir tun können, sozusagen als ein bloßer Anfang, ist Gottes Existenz anzuerkennen. Angesichts der Güte seiner Schöpfung um uns herum ist es „unentschuldbar,“ über diese ihn nicht anzuerkennen (Römerbrief 1,20). Ohne einen wenigstens elementaren Glauben an Gott ist es folglich unmöglich, ihm zu gefallen.

Das vorübergehende Prinzip sagt, daß der Hirte geschlagen und die Herde zerstreut ist (Sacharja 13,7), wie unser Herr im Garten Gethsemane zitierte (Matthäus 26,31). Nach 4.000 Jahren wiederkehrender menschlicher Dekadenz nahm Gott eine menschliche Natur an, um eine Kirche zu gründen, welche den Menschen in den letzten 2.000 Jahren ihres Erdendaseins die Seelenrettung erlaubt. Während der ersten tausend Jahre dieser 2.000-jährigen Zeit wurde diese Dekadenz auch ernsthaft unterbrochen. Doch dann, einige Jahrhunderte später, fing die Dekadenz wieder an und stieg bis zu dem Punkt an, wo auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ausgerechnet die Führer von Gottes eigener Kirche –, die Päpste, auf welchen zu fußen die Kirche angelegt worden war, – sehr ernsthaft von dieser Dekadenz angesteckt wurden. Seither ist es für die Menschen sehr viel schwerer geworden, Gottes Ratschluß, wie sie ihre Seelen retten sollen, zu erkennen.

Somit haben einerseits und objektiv betrachtet seit dem Fall der Konzilspäpste die dauerhaften Heilswahrheiten keinen Deut sich geändert. Und diese Heilswahrheiten gilt es unbedingt aufrechtzuerhalten, wenn noch irgendwelche Seelen zu retten sind. Der Rum Erzbischof Lefebvres bestand nun genau darin, diese Wahrheiten gegen die gefallenen Kirchenmänner und die Welt aufrechtzuerhalten. Die Schande seiner Nachfolger wiederum liegt darin, diese Wahrheiten zu gefährden, um den gefallenen Kirchenmännern und ihrer Welt sich wieder anschließen zu können.

Andererseits und subjektiv betrachtet wird die erwähnte Schande abgemildert durch die, als Folge des Falles der Päpste, vorübergehende Verdunkelung dieser großen Heilswahrheiten. Selbst für Bischöfe ist ein klarer Blick nicht gerade einfach, wenn der Bischof von Rom nur noch verbogen sieht. Daraus folgt, daß wer durch die Gnade Gottes – und nichts anderes – klar sehen darf, ein entsprechendes Rundum-Mitgefühl mit den Seelen haben sollte, welche ohne völlige Eigenverschuldung in großer Verwirrung stecken. Deswegen denke ich, daß folgendes gilt: Wenn ein Herr Müller davon überzeugt ist, nur durch Bleiben in der Konzilskirche seine Seele retten zu können, so brauche ich ihm nicht einzubleuen, sie zu verlassen. Wenn Frau Mayer zu der Annahme sich überreden ließ, daß innerhalb der Priesterbruderschaft St. Pius X. keine gravierenden Probleme vorhanden seien, so brauche ich ihr nicht einzutrichtern, daß sie sehr wohl vorherrschen. Und wenn Herr Schmidt den Glauben nur dadurch zu bewahren können meint, daß er den Stuhl Petri in Rom für vakant hält, so brauche ich ihn nicht weiter zu ermahnen als nur festzustellen, daß seine Annahme nicht obligatorisch ist.

In all dieser Zerstreuung der Schafherde muß trotzdem irgendjemand die objektive Wahrheit aufrechterhalten und sie diesen Schäfchen zugänglich machen, damit die armen Steine dies nicht tun müssen (Lukas 19,40). Denn zur Seelenrettung müssen wir wenigstens nach dieser objektiven Wahrheit streben. Mögen die Katholiken sie mit der gebotenen Rücksicht auf die Blindheit ihrer Mitmenschen anstreben – wenigstens solange, wie der Hirte geschlagen bleibt.

Kyrie eleison.

Kirchliche Unfehlbarkeit – I

Kirchliche Unfehlbarkeit – I on Februar 8, 2014

Wahrscheinlich liegt für Sedisvakantisten das Hauptproblem in der kirchlichem Unfehlbarkeit (Motto: die Konzilspäpste sind auf schreckliche Weise fehlbar, wie könnten sie da noch Päpste sein?). Allerdings sollten wir die Unfehlbarkeit generell verstehen, und nicht nur, um den Sedisvakantismus zu entschärfen. Denn das Problem der Moderne, die Autorität über die Wahrheit zu stellen, ist riesengroß.

„Unfehlbarkeit“ heißt die Unfähigkeit zu irren oder einen Fehler zu begehen. Im Jahre 1870 definierte das Vatikanische Konzil, daß der Papst nicht irren kann, wenn alle folgenden vier Bedingungen erfüllt sind: Er muß 1) als Papst sprechen, 2) über Fragen des Glaubens oder der Moral, 3) auf endgültige Weise und 4) in der klaren Absicht, für die gesamte Kirche bindend zu sein. Eine solche Lehre gehört dann zum sogenannten „außerordentlichen“ Lehramt. Außerordentlich, weil der Papst einerseits nur selten alle vier Bedingungen gleichzeitig anwendet, und andererseits viele andere Wahrheiten lehrt, welche nicht irrig oder falsch sein können, weil sie schon immer von der Kirche gelehrt worden sind und daher zum „Ordentlichen kirchlichen Lehramt,“ wie das Vatikanum sagte, gehören und ebenfalls unfehlbar sind. Die eigentliche Frage ist nun die des Verhältnisses zwischen dem Außerordentlichen Lehramt des Papstes und dem Ordentlichen Lehramt der Kirche.

Die hl. Mutter Kirche lehrt, daß das Glaubensgut der Kirche, auch Offenbarung genannt, mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen war, also ungefähr im Jahre 105 des Herrn. Seither ist dem offenbarten Glaubensgut, dem kirchlichen Lehrbestand, weder etwas hinzugefügt worden, noch hätte etwas hinzugefügt werden können. Somit kann auch eine „außerordentliche“ Definition kein einziges Jota an Wahrheit zu diesem Glaubensgut hinzufügen, sondern um der Gläubigen willen lediglich Gewißheit über eine einzelne und bereits zum Glaubensgut gehörende Wahrheit dazugeben, weil dieses Dazugehören noch nicht klar genug gewesen war. In einer vierfacher Abfolge steht an erster Stelle eine bestimmte objektive Wirklichkeit, welche vom menschlichen Verstand unabhängig ist, wie z.B. die geschichtliche Tatsache, daß die hl. Muttergottes ohne Erbsünde empfangen worden war. An zweiter Stelle rückt dann die Wahrheit in den Verstand aller, welche mit dieser Wirklichkeit übereinstimmen. Erst an dritter Stelle kommt die unfehlbare Definition, wenn also ein Papst die eingangs skizzierten vier Bedingungen erfüllt. Und viertens entspricht dieser kirchlichen Definition dann die Gewißheit für die Gläubigen bezüglich dieser Wahrheit. Dies bedeutet: wo die Wirklichkeit die Wahrheit erzeugt, schafft eine kirchliche Definition lediglich Gewißheit bezüglich dieser Wahrheit.

Allerdings gehören die Wirklichkeit und ihre Wahrheit bereits zum Ordentlichen Lehramt, denn zweifellos kann kein Papst eine Wahrheit außerhalb des Glaubensgutes unfehlbar definieren. Das Verhältnis vom Ordentlichem Lehramt zum Außerordentlichen Lehramt entspricht also dem Verhältnis des Hundes zum Schwanz, nicht des Schwanzes zum Hunde. Das Problem ist nun, daß die Definition aus dem Jahre 1870 dem Außerordentlichen Lehramt eine solche Geltung verschaffte, daß im Vergleich dazu das Ordentliche Lehramt zu verblassen begann – bis hin zu dem Punkt, daß Katholiken, und selbst Theologen, dem Ordentlichen Lehramt eine Unfehlbarkeit gleich dem Außerordentlichen Lehramt andichten wollten. Doch ist dies unklug, denn das Außerordentliche Lehramt setzt das Ordentliche Lehramt voraus und existiert sogar nur, um einer Wahrheit (2), welche bereits vom Ordentlichen Lehramt gelehrt worden ist, Gewißheit (4) zu verleihen.

Veranschaulichen wir diesen Sachverhalt durch einen Berg mit einer Schneekappe obendrauf. Der Berg hängt in keiner Weise von diesem Schnee ab, sondern wird durch ihn nur noch deutlicher sichtbar. Im Gegensatz dazu hängt der Schnee auf dem Berg allerdings ganz vom Berg ab, damit er (der Schnee) überhaupt an seinem Platz liegen kann. Auf ähnliche Weise macht das Außerordentliche Lehramt das Ordentliche Lehramt nur noch deutlicher oder gewisser sichtbar. Und wenn der Winter hereinbricht, sinkt die Schneefallgrenze. Weil die Nächstenliebe in der heutigen Zeit erkaltet, so mögen zwar mehr Definitionen des Außerordentlichen Lehramtes notwendig sein, doch stellt das keine Perfektion des Ordentlichen Lehramtes dar. Im Gegenteil unterstreicht diese Vermehrung an Definitionen nur die Schwachheit der Gläubigen beim Begreifen ihres Glaubens. Je gesünder der Mensch ist, desto weniger Medizin braucht er. Nächste Woche wenden wir diese Ausführungen auf den Sedisvakantismus und auf die Krise der Priesterbruderschaft St. Pius X. an.

Kyrie eleison.

GREC – IV.

GREC – IV. on April 27, 2013

Eine Leserin des ersten „Eleison Kommentars“ über GREC (Ausgabe EC 294 vom 2. März) beklagte sich brieflich bei mir, daß ich GREC mißverstanden hätte. Zu Erinnerung: GREC ist jene Pariser Gruppe von Katholiken, welche in den späten 1990iger-Jahren gegründet worden war mit dem Ziel, Traditionalisten und Amtskirchen-Katholiken zusammenzubringen, damit diese zum Wohle der Mutter Kirche friedlich miteinander nachdenken und sprechen könnten. Gerne korrigiere ich sachliche Fehler, auf welche die Leserin mich hinwies. Auch gebe ich gerne meine von dieser Leserin herausgestellten persönlichen Mängel zu. Allerdings muß ich ihr in einem wesentlichen Punkt widersprechen.

Zuerst zu den sachlichen Fehlern: Herr Gilbert Pérol war nicht, wie ich schrieb, französischer Botschafter im Vatikan, sondern in Italien. Außerdem war er kein „Laienmitarbeiter“ von Hw. Michel Lelong vom Orden der Weißen Väter, sondern sein Freund. Und zu guter Letzt wurde GREC nicht in „den Salonen von Paris“ gegründet, sondern in der Wohnung der Botschafterwitwe Frau Huguette Pérol. Wie mir mitgeteilt wurde, übernimmt Frau Pérol die volle Verantwortung für die Gründung von GREC, die nur erfolgt sei, um der Kirche zu helfen, und die mithilfe von Personen stattgefunden habe, welche „fähig sind und denen daran liegt, treu zum Evangelium und der Tradition zu stehen.“

Bezüglich meiner Mängel schrieb sie mir, daß ich „völlig eingebildet“ und „ignorant“ sei, daß mir Bescheidenheit und Diplomatie abgehe, daß ich ungenügenden Respekt vor Toten zeigen würde und daß ich meinen Kommentar in einem sarkastischen Ton abgefaßt hätte, welcher weder einer gebildeten Person noch eines Priesters würdig wäre. Gnädige Frau, wie froh wäre ich doch, wenn dies meine schlimmsten Fehler wären, für welche ich vor Gottes Richterstuhl mich werde verantworten müssen. Bitte beten Sie für mein persönliches Gericht.

Meinen Sarkasmus betreffend möchte ich jedoch geltend machen, daß ich nicht Herrn Pérol im Blick hatte, als ich über die Nostalgie der heutigen Katholiken bezüglich des Katholizismus der 1950iger-Jahre spottete. Vielmehr hatte ich die Menge an heutigen Katholiken vor Augen, welche nicht erkennen, warum Gott in erster Linie zuließ, daß das Zweite Vatikanum die Amtskirche von der katholischen Tradition trennte, und trotzdem will diese Menge zum vorkonziliaren Rührseligkeitsglauben zurückkehren, welcher ja erst schnurstracks zum Vatikanum II geführt hat! Gnädige Frau, dieser entscheidende Punkt hat nichts mit subjektiven Personen, aber alles mit objektiver Doktrin zu tun.

Aus diesem Grund muß ich Ihnen widersprechen hinsichtlich der angeblichen Fähigkeit und Glaubenstreue jener Personen, welche der Frau Pérol beim Gründen von GREC halfen. Daß ein Berufsdiplomat auf die Mittel der Diplomatie zurückgreift, um Grundsatzprobleme doktrineller Art zu lösen, ist verfehlt, aber immerhin verständlich. Daß ein Konzilspriester wie Hw. Lelong ein solcherart diplomatisches Unterfangen förderte, ist auf noch ernstere Weise verfehlt, aber immer noch verständlich vor dem Hintergrund, daß das Zweite Vatikanum die gesamte Doktrin untergrub, indem es den Subjektivismus in der Kirche amtlich machte. Kaum annehmbar ist hingegen, von einer „Fähigkeit und einem Anliegen für das Evangelium und die Tradition“ bei jenen Priestern zu sprechen, die unter Erzbischof Lefebvre ausgebildet worden waren, um die doktrinelle Katastrophe des Zweiten Vatikanums überhaupt erst zu verstehen. So wohlmeinend deren Absichten auch gewesen sein mögen, so hätten diese Priester doch niemals eine grundsätzlich diplomatische Bestrebung fördern, geschweige denn einen aktiven Anteil daran haben dürfen, um eine grundsätzlich doktrinelle Katastrophe zu lösen.

Dennoch trifft auch im Falle dieser Priester teilweise das französische Sprichwort zu: „Alles zu verstehen, heißt alles zu verzeihen.“ Der Erzbischof entstammte einer früheren und gesünderen Generation. Die genannten Priester aber entspringen einer Welt, welche von zwei Weltkriegen erschüttert ist. Es ehrt diese Priester, daß sie für ihre Ausbildung auf die Person des Erzbischofs zurückgriffen. Und während er noch lebte, erhob er uns alle. Doch nahmen diese Priester leider nie seine Doktrin in sich auf. Als er dann starb, fingen sie innerhalb weniger Jahre an zurückzufallen. Und doch lag der Erzbischof richtig, während diese Priester und GREC – verzeihen Sie mir, gnädige Frau – falsch liegen. Gebe Gott, daß sie auf die rechte Spur zurückkommen.

Kyrie eleison.

Doktrinelle Erklärung – I.

Doktrinelle Erklärung – I. on April 13, 2013

Am 15. April des letzten Jahres erstellte der Generalobere der Priesterbruderschaft St. Pius X. eine sogenannte Doktrinelle Erklärung als Grundlage für die Wiedereingliederung der Bruderschaft in die Amtskirche. Fast ein Jahr später ist diese Erklärung nun in der Öffentlichkeit aufgetaucht. Der Generalobere legte sein Dokument so an, daß es sowohl den Konzilsrömern als auch den Traditionalisten gefallen sollte (öffentlich sagte er über seine Erklärung: „Sie kann mit dunkel getönter oder mit rosaroter Brille gelesen werden.“) Sie gefiel den Römern, welche feststellten, daß die Erklärung einen „Fortschritt“ in ihre Richtung darstellte. Hingegen gefiel sie den Traditionalisten nicht, weil diese in ihr (soweit sie sie kannten) genug Doppeldeutigkeiten fanden, um die Erklärung als einen Verrat am Kampf Erzbischof Lefebvres für den wahren Glauben zu sehen – und zwar ein Verrat dergestalt, daß die Römer diese Erklärung nur hätten akzeptieren müssen, um seine Bruderschaft zu zerstören.

Als der Generalobere am 11. Juni 2012 die Römer traf, um ihre Entscheidung entgegenzunehmen, ging er herzigerweise davon aus, daß sie seine Erklärung akzeptieren würden. Daß die Römer die Erklärung dann doch nicht akzeptierten, erklärten zahlreiche Beobachter mit der dazwischengekommenen Veröffentlichung des Briefes der drei Bruderschaftsbischöfe an den Generaloberen vom 7. April 2012. Laut den Beobachtern habe dieser Brief die Römern gewarnt, daß der Generalobere nicht in der Lage sei, die vollständige Bruderschaft in den Schoß der Konzilskirche zu führen, so wie er zuvor es ihnen zu verstehen gegeben haben dürfte, und so wie sie es von ihm gewünscht hatten. Die Konzilsrömer wollten und wollen keine weitere Abspaltung, wodurch die Tradition nur wieder von vorne begänne.

Wie dem auch sei, müssen wir uns in diesen wenigen Zeilen hier auf ein Hauptargument konzentrieren, welches beweist, daß Rom die Bruderschaft zerstört hätte, wenn sie nur die vom Generaloberen vorgeschlagene Doktrinelle Erklärung angenommen hätte. Erzbischof Lefebvre bewies, daß das Zweite Vatikanum ein Bruch bzw. eine Entzweiung mit der früheren kirchlichen Lehre war. Aus dieser Annahme entstand und auf ihr fußt die traditionskatholische Bewegung. Benedikt XVI. – mit dem andauernden Widerstand dieser Bewegung gegen sein geliebtes Zweites Vatikanum konfrontiert – verkündete zu Beginn seines Pontifikates im Jahre 2005 die sogenannte „Hermeneutik der Kontinuität.“ Nach dieser müsse dort, wo das Konzil der Tradition (objektiv) widerspricht, dieses (subjektiv) so gedeutet werden, daß der Widerspruch wegfalle. Auf diese Weise verschwände der Bruch bzw. die Entzweiung zwischen Konzil und katholischer Tradition.

Betrachten wir nun den siebten Absatz (III,5) der Doktrinellen Erklärung. Er besagt, daß jene Konzilsaussagen, welche nur schwer mit den früheren kirchlichen Lehraussagen zu vereinbaren sind, (1) „so im Lichte der vollständigen und ununterbrochenen Tradition verstanden werden müssen, daß sie im Einklang mit den vom früheren Lehramt verkündeten Wahrheiten stehen, (2) doch ohne eine Deutung dieser Aussagen zu akzeptieren, welche dazu führen könnte, daß die katholische Lehre in eine Gegenposition oder in einen Bruch zur Tradition und jenem Lehramt gerate.“

Der erste Teil (1) ist durchaus richtig, insofern er bedeutet, daß jede „nur schwer zu vereinbarende“ konziliare Neuerung im Falle eines objektiven Widerspruchs zur früheren kirchlichen Lehre geradeheraus abgelehnt wird. Allerdings widerspricht der zweite Teil (2) direkt dem auf diese Weise verstandenen ersten Teil, insofern Teil zwei behauptet, daß keine konziliare Neuerung auf eine Weise „gedeutet“ werden darf, die im Bruch zur Tradition steht. Das ist vergleichbar mit der folgenden Behauptung: Alle Fußballmannschaften müssen blaue Hemden tragen, und all die andersfarbigen Fußballhemden müssen eben derart gedeutet werden, daß sie einfach blau darstellen. Was für ein Unsinn! Doch genau das besagt die „Hermeneutik der Kontinuität.“

Verstehen die in der letzten, weltweit organisierten Glaubensfestung aushaltenden Soldaten noch das Denken ihres Feldherrn? Erkennen sie, daß seine feierliche Erklärung der Bruderschaftslehre beweist, daß er wie ein Anführer des Feindes denkt? Möchten sie wirklich dazu geführt werden, so wie die Glaubensfeinde zu denken? Alle Vorstellungen müssen katholisch sein, während alle nichtkatholische Vorstellungen eben als katholisch „gedeutet“ werden müssen? Wacht auf, Kameraden! Im Hauptquartier herrscht die Denkweise des Feindes.

Kyrie eleison.

GREC – III.

GREC – III. on April 6, 2013

In dem Wunsch, an die Stelle Gottes sich zu setzen, strebt der moderne Mensch danach, Gottes Ordnung durch seine eigene zu ersetzen. Doch Gottes Ordnung ist wirklich und existiert außerhalb und unabhängig vom menschlichen Geist. Also entkoppelt der moderne Mensch seinen Geist von dieser Wirklichkeit, und wählt aus ihr nur jene Teile aus, welche er in seine eigene Phantasiewelt einbauen will. Nun kommt die höchste Ordnung von Gottes Schöpfung am besten in der Doktrin, also in der Glaubenslehre seiner Kirche zum Ausdruck. Daher leiden all jene heutigen Kirchenmänner und Laien, welche unter dem Einfluß des angeblich „Normalen“ um sie herum stehen, an einer tiefgehenden Weigerung oder Ignoranz gegenüber der Natur und Notwendigkeit von Doktrin.

Damit sind wir auch beim wesentlichen Problem der GREC-Gruppe angelangt ( G roupe de R éflexion E ntre C atholiques ), welche in den zwei früheren Ausgaben der „Eleison Kommentare“ Nr. 294 und 295 vorgestellt wurden. Die im Jahre 1997 in Paris gegründete GREC-Gruppe verfolgte das Ziel, freundschaftliche Treffen und den Austausch zwischen den Katholiken der Tradition und denen der Amtskirche zu fördern, um ein Klima des gegenseitigen Vertrauens und Respektes zu schaffen, was dann die Versöhnung der beiden Lager erleichtern und schließlich ihre unnötige Entfremdung beenden sollte. Solch ein Ansinnen übersieht allerdings auf sehr ernsthafte Weise die Bedeutung von Doktrin. Das muß nicht unbedingt vorsätzlich geschehen sein, und Gott wird darüber richten. Doch wie der törichte Mensch auch denken mag, fest steht, daß ebensowenig wie die Wirklichkeit die Doktrin sich beiseite schieben lassen wird.

Hw. Lelong beschreibt in seinem GREC-Buch namens Für die notwendige Versöhnung, wie der Generalobere und zwei Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X. „einen entscheidenden Beitrag zur Gründung und Fortführung von GREC leisteten.“ Schon vor der Gründung empfing der Bruderschaftspriester Pater du Chalard in seinem Bruderschafts-Priorat den Hw. Lelong freundlich, und „versäumte auch in den folgenden Jahren nie, GREC diskret und aufmerksam zu unterstützen.“ Pater Lorans war damals Rektor des Bruderschafts-Institutes in Paris und hat bis heute entscheidenden Einfluß auf die Bruderschafts-Publikationen. Er begrüßte bei der Gründung der GREC-Gruppe die Idee eines „Dialogs zwischen Katholiken“ ausdrücklich und erhielt wenig später vom Bruderschafts-Generaloberen in der Schweiz die förmliche Erlaubnis zur Teilnahme an GREC. Seither spielt Pater Lorans bei allen Aktivitäten der GREC-Gruppe eine führende Rolle.

Diese Aktivitäten begannen im kleinen Maßstab und privaten Bereich. Ihr erstes öffentliches Treffen, wozu Pater Lorans beitrug, hielt die GREC-Gruppe im Mai des Jahres 2000 mit 150 Teilnehmern ab. Die Treffen häuften sich, und weitere Bruderschaftspriester nahmen an ihnen teil. Kirchenautoritäten bis zu den höchsten Rängen wurden regelmäßig darüber konsultiert und informiert. Pater Lorans ermöglichte seinerseits „einen Kontakt mit vertiefendem Vertrauen“ und freundschaftlichen Austausch mit dem Generaloberen der Bruderschaft. Ab dem Jahre 2004 öffneten die GREC-Treffen sich einem noch weiteren Publikum. Im September desselben Jahres entstand dann eine „theologische Arbeitsgruppe,“ bestehend aus Pater Lorans, einem weiteren Bruderschaftspriester, sowie einem römischen Theologen. Die beiden letztgenannten waren dann auch Teilnehmer bei den Lehrgesprächen zwischen Rom und der Priesterbruderschaft in den Jahren 2009 bis 2011. Die GREC-Gruppe dürfte in diesen Lehrgesprächen durchaus das Wahrwerden ihrer kühnsten Hoffnungen gesehen haben – endlich trafen die Theologen sich in einem Klima, zu welchem die GREC-Gruppe „für die notwendige Versöhnung“ so viel beigetragen hatte.

Gott sei Dank gaben diese Lehrgespräche der Doktrin wieder ihre zustehende Vorrangstellung zurück, denn sie belegten die unüberbrückbare Kluft zwischen der katholischen und der konziliaren Lehre. Doch blockierte diese Erkenntnis dann die GREC-Denkweise innerhalb der Priesterbruderschaft? Weit gefehlt. Das Generalhaus der Bruderschaft wechselte über Nacht das vorige Motto „Ohne lehrmäßige Einigung keine praktische Einigung“ gegen das neue Motto aus: „Keine lehrmäßige Einigung, also verfolgen wir eine praktische Einigung“! Leider wurde das Protestaufkommen in der Bruderschaft im Frühling letzten Jahres durch das Generalkapitel-Treffen im Juli vernebelt und erstickt, während das Streben nach einem praktischen Abkommen vonseiten des Generalhauses fast unverändert weitergeht.

„Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn,“ insbesondere in der Weihe Rußlands. Sonst nirgendwo.

Kyrie eleison.

Würdelose Menschenwürde

Würdelose Menschenwürde on März 16, 2013

Eine Leserin brach eine Lanze für die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kultfreiheit, auch Religionsfreiheit genannt. Selbst wenn die „Eleison Kommentare“ dieses Thema schon öfter behandelten, ist es lohnenswert, ihre Argumente durchzugehen, denn die heutigen Katholiken sollten dringend die Falschheit dieser Lehre begreifen. Das Konzil lehrte in seiner Erklärung über die Religionsfreiheit ( Dignitatis Humanae ) im Abschnitt 2, daß alle Menschen, wenn sie privat oder öffentlich ihrem Glauben entsprechend handeln, frei sein müssen von irgendeinem Zwang durch andere Menschen oder Menschengruppen. Darüberhinaus müsse jeder Menschenstaat dieses Naturrecht in seiner Verfassung oder seinem Bürgerrecht verankern.

Im Gegensatz dazu lehrte die katholische Kirche beständig bis zum Zweiten Vatikanum, daß jeder Staat – als Verkörperung von Gottes bürgerlicher Autorität über Gottes menschliche Geschöpfe – als Staat verpflichtet ist, diese Autorität zum Schutze und zur Förderung von Gottes einer und wahrer Kirche auszuüben, welche die katholische Kirche des menschgewordenen Gottes, unseres Herrn Jesus Christus, ist. Nicht-katholische Staaten werden daher offensichtlich mehr für ihren Mangel an Glauben verurteilt werden, denn dafür, daß sie diesem Glauben keinen bürgerlichen Schutz einräumten. Zudem dürfen katholische Staaten von ihrem Recht, das öffentliche Ausüben von falschen Religionen zu verbieten, absehen, wenn ein solches Verbot für die Seelenrettung eher abträglich denn nützlich sein sollte. Doch das Prinzip bleibt bestehen, wonach Gottes Staaten Gottes wahre Religion begünstigen und schützen müssen.

Die konziliare Lehre bedeutet in Wirklichkeit, entweder daß die Staaten nicht von Gott sind, oder daß es keine eine und wahre Religion Gottes gibt. In jedem Fall befreit diese Konzilslehre den Staat vorbehaltlos von Gott und stellt somit die Freiheit des Menschen über die Rechte Gottes, oder einfacher gesagt den Menschen über Gott. Aus diesem Grunde nannte Erzbischof Lefebvre die Konzilslehre gotteslästerlich. Und daran ändert auch der Hinweis nichts, daß es andere Abschnitte in Dignitatis Humanae gibt, welche der katholischen Lehre entsprechen. Bereits der eine vom Eisberg verursachte Riß brachte die Titanic zum Sinken. Auf ähnliche Weise genügt schon Abschnitt 2 von Dignitatis Humanae, um die katholische Lehre zu versenken. Betrachten wir kurz die Argumente der Leserin, welche die Konzilslehre verteidigt:

1) „Dignitatis Humanae (kurz DH) ist Teil des ordentlichen Lehramtes (Magisterium), welches ernstgenommen werden muß.“

Zwar stammt DH von den Kirchen-Magistern, d.h. -Lehrern, aber nicht vom unfehlbaren Lehramt, weil DH der überlieferten Lehre der Kirche widerspricht, wie oben gezeigt.

2) „DH verdeutlicht lediglich die Menschenrechte, welche durch das Naturrecht gewährt werden.“

Das Naturrecht ordnet die Rechte des Menschen unter die Rechte Gottes ein, nicht über sie.

3) „DH verneint keinesfalls das katholische Muster für die Beziehung zwischen Kirche und Staat.“

Durchaus verneint DH dieses Muster. Abschnitt 2 befreit den Staat von seiner innewohnende Verpflichtung gegenüber der einen und wahren Kirche.

4) „DH wurde im Zusammenhang der modernen Welt geschrieben, wo jeder an die Menschenrechte glaubt.“

Seit wann muß die Kirche der Welt angepaßt werden, anstatt die Welt an die Kirche?

5) „DH lehrt jedoch nicht, daß der Mensch ein Recht auf Irrtum habe.“

Indem DH vom Staate Gottes verlangt, ein Bürgerrecht auf die öffentliche Ausübung von falschen Religionen zu gewähren, verlangt DH tatsächlich von Gott ein Recht auf Irrtum.

6) „DH ist ein Gesuch an die modernen Regierungen, wenigstens einen halben Laib zu gewähren, anstatt gar kein Brot.“

Die wahre katholische Glaubenslehre ist so logisch und folgerichtig aufgebaut, daß bereits die Aufgabe eines Teiles von ihr gleichbedeutend ist mit der Aufgabe der gesamten Lehre. Und welches Schaf kann sich retten, indem es sich selber dem Wolf anbietet?

7) „Katholiken dürfen sich nicht aus der modernen Welt zurückziehen in ein lehrmäßiges Ghetto.“

Um die Rechte Gottes aufrechtzuerhalten und seine Ehre zu schützen, müssen Katholiken stets das tun, was sie zu tun haben, und dorthin gehen, wo sie hingehen müssen. Wenn dies zum Martyrium führt, so geschehe es.

Kyrie eleison.