Eleison Comments

„Geistige Krankheit“

image_pdfPDFimage_printPrint

Ein langjähriger Brieffreund schrieb mir kürzlich ein dutzend Argumente dafür auf, warum die Priesterbruderschaft zu einer Vereinbarung mit Rom gelangen müsse – selbst wenn die Lehrgespräche von 2009 bis 2011 eine grundsätzliche Uneinigkeit in Glaubensfragen zwischen Rom und der Bruderschaft aufzeigten. Auf ein Argument dieses Freundes möchte ich im folgenden näher eingehen, weil es glaube ich vor Augen führt, womit die Priesterbruderschaft es wirklich zu tun hat.

Er schrieb, daß die Bruderschaft ihr Verständnis für die Kirchenzugehörigkeit zu verlieren droht, wenn sie ihr Verhältnis zu Rom nicht bald „normalisiere.“ Denn es gibt Laien und auch Bruderschaftspriester, welche in ihrer gegenwärtigen anormalen Situation sich wohlfühlen und sich an sie gewöhnt haben, weil die Bruderschaft ja „alles hat, was sie benötigt – insbesondere Bischöfe.“ So eine Anpassung, schreibt der Freund, geht in die Richtung einer schismatischen Haltung und führt praktisch – wenn nicht theoretisch – zum Sedisvakantismus. Darauf antwortete ich, daß mir die Annahme einer schismatischen Haltung wesentlich ungefährlicher vorkomme als die Ansteckung mit der „geistlichen und geistigen Krankheit der heutigen Römer, wenn man ihnen zu nahekommt.“ War das eine skandalöse Antwort? Gerne erkläre ich sie näher.

Ein anderer Freund verwendete den Begriff „geistige Krankheit“ für jene hohe römische Würdenträger, mit welchen er kürzlich intensiv zu tun hatte. Er sagte, daß diese zwar intelligente, aufrichtige Männer und völlig imstande waren, die ihnen vorgelegten Argumente der katholischen Tradition zu erfassen, daß sie aber gleichzeitig „geistig krank sind. Sie besitzen doch die Autorität.“ Als mein Freund diese Römer als „geistig krank“ bezeichnete, beabsichtigte er gewiß keine Beleidigung ihrer Person. Im Gegenteil sprach er etwas wesentlich schwerwiegenderes aus als eine persönliche Beleidigung: er kommentierte den durch ihre Gespräche herausgestellten, objektiven Geisteszustand der Römer. Denn der Verstand dieser Römer fußt nicht mehr länger auf der Wahrheit.

Und ein dritter Freund, welcher mit römischen Würdenträgern im Gespräch war, sagte dasselbe in anderen Worten. Damals fragte ich ihn: „Hätten Sie nicht direkt zum Kern der Sache vorstoßen und mit ihnen zusammen die grundlegende Frage nach dem Verhältnis von Verstand und Wahrheit aufwerfen können?“ Er erwiderte: „Nein. Denn sie hätten nur geantwortet, daß sie die Kirchenautorität und die katholische Kirche seien, und daß, wenn wir katholisch sein wollen, es an ihnen läge uns zu sagen, auf welche Art.“ So ein Verstand fußt also nicht auf der Wahrheit, sondern nur auf der Autorität. Nun mag beispielsweise Milch eine wunderbare Sache sein, aber stellen wir uns einen Autofahrer vor, der in aller Ruhe darauf bestehen würde, seinen Benzintank mit Milch zu füllen! Das große Problem ist nun, daß fast die gesamte moderne Welt jeden Sinn und jede Liebe für die Wahrheit verloren hat. Für lange Zeit widersetzte die Kirche sich diesem Wahrheitsverlust, aber durch das Zweite Vatikanische Konzil brach auch dieser letzter Widerstand zusammen.

In der Tat gibt die moderne Welt sich glamourös und gewichtig – ganz wie das moderne Rom. Ein italienischer Freund beschreibt den Glanz der vatikanischen Büros wie folgt: „Die römischen Paläste zu betreten ist ein gewagtes Unternehmen, denn bereits die Luft, welche man darin atmet, ist unwiderstehlich. Die Faszination dieser heiligen Hallen rührt weniger von den liebenswerten Offiziellen her (denn bei weitem nicht alle sind liebenswert!), also vielmehr von der Bedeutung, den diese Hallen durch die 2000jährige Kirchengeschichte ausstrahlen. Stammt diese Faszination vom Himmel? Oder von der Hölle? Jedenfalls verführt die bloße Atmosphäre des Vatikans seine Besucher und macht ihren Willen gefügsam.“

Hierbei ist diese Faszination des Vatikans allerdings nur ein kleiner Teil des starken Drucks der modernen Welt, welcher auf unseren Verstand einwirkt, um ihn zu lähmen und um uns zu drängen, mit dem Strom zu schwimmen. Lieber Freund, lieber wäre ich ein schismatischer Sedisvakantist als ein römischer Apostat. Doch mit der Gnade Gottes keines von beiden!

Kyrie eleison.