Neukirche

Madirans Vorwort

Madirans Vorwort on Oktober 3, 2020

Jean Madiran leitet das Vorwort zu seinem Buch über die Häresie des 20. Jahrhunderts mit der kühnen Aussage ein, dass die Verantwortung für diese Häresie eindeutig bei den katholischen Bischöfen liege (S. 17 in der Neuauflage des Buchs, via.romana@yahoo.fr). Da er sich bewusst war, dass man ihm als Laien die Befugnis absprechen würde, sich zu diesem Thema zu äussern, hielt er trotzig fest, als getaufter Katholik brauche er nicht um ein Mandat zur Verteidigung des Glaubens zu bitten und kein solches zu erhalten, wenn die Hirten – oder Bischöfe – zu Wölfen geworden waren oder zu Häretikern, die den Glauben zerstörten (S. 28).

Madiran nimmt (auf S. 26) eine entscheidend wichtige Unterscheidung vor, welche die These seines gesamten Buchs in sich birgt. Im engen Sinn des Wortes bedeutet”Häresie” die bewusste Leugnung dessen, von dem man weiss, dass es ein klar festgelegter Grundsatz des Glaubens ist. Doch im weiteren Sinn bedeutet sie die Annahme einer allgemeinen Denkweise, die dem Glauben radikal fremd ist. Jene Art von Häresie, die er in seinem Werk anprangern wird, gehört der zweiten Kategorie an und geht weit über den Widerspruch gegenüber dem einen oder anderen Glaubensgrundsatz hinaus.”Die Häresie des 20. Jahrhunderts», meint er, finde sich vielmehr”in der Nacht, in der Leere, im Nichts». 

Und wie haben die französischen Bischöfe diese Leere geschaffen? Madiran schreibt (S. 20), sie hätten schon seit mehr als hundert Jahren, bis zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts, die Lehre Roms – welches damals das wahrhaft katholische Rom Pius’ IX. und des Syllabus war – nicht mehr in reiner Form vertreten, weil ihre ganze Mentalität sich Schritt für Schritt von Rom entfernt habe (S. 21). Sie wachten zwar über die katholische Disziplin, aber ohne Überzeugung; sie pflegten katholischen Gehorsam, ohne den Grund dieses Gehorsams zu begreifen. 

Madiran stellt hier die Essenz der präkonziliaren Kirche mit einigen wenigen Worten bloss: Sie untersteht dem Einfluss der modernen Welt und verliert den katholischen Glauben nach und nach, mit dem Ergebnis, dass eine Kirche entsteht, wo der Schein immer noch gewahrt wird, die Substanz hinter dem Schein jedoch zusehends schwindet. Wie die wahre Kirche dieser neuen Revolution Widerstand zu leisten hatte, legten antiliberale Päpste – insbesondere Pius IX., Leo XIII. und Pius X. – in ihrer Soziallehre dar, doch von ihren sozialen Rundbriefen, meint Madiran, hätten die Bischöfe in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts so gut wie nichts mehr gewusst (S. 23).

Noch schwerwiegender war für Madiran ein Punkt, der Teil VI seines Buchs prägen wird: Die Häresie des 20. Jahrhunderts, derer sich diese Bischöfe schuldig machten, bestand in ihrer allumfassenden glaubenslosen Mentalität, die in Abrede stellte, dass es so etwas wie das Naturrecht überhaupt gibt (S. 24). Von der modernen Welt magnetisch angezogen, vom Liberalismus infiziert, waren sie dem guten Rom schon seit langem geistig entfremdet und verwarfen seine Soziallehre, aber in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts wiederholten sie immer noch mechanisch gewisse Formeln des alten Katechismus. Nichtsdestoweniger war in ihren Herzen jeder Sinn für das Naturrecht verloren gegangen, und dies bedeutete, dass sie in den Jahren unmittelbar nach dem Konzil bereit waren, den Katechismus und die Dogmen anzutasten, die sie bis dahin äusserlich intakt gelassen hatten. Somit lief ihre Meinungsverschiedenheit mit Rom bezüglich der Soziallehre auf eine völlige Umgestaltung der christlichen Religion hinaus, unter der die ganze Kirche nach dem Konzil zu leiden hatte (S. 25).

Wenn es nämlich kein Naturrecht oder keine rationale Ordnung gibt, die von Gott in die ganze Schöpfung um uns herum eingebettet ist, muss jede Form von Vernunft und Glauben Schiffbruch erleiden, und auch wenn die Formeln des Evangeliums und die dogmatischen Definitionen noch eine Zeitlang korrekt rezitiert und wiederholt werden mögen, ist ihre Substanz bereits verloren gegangen, und die ganze Religion ist völlig untergraben worden. Bischöfe, die nichts vom Naturrecht wissen oder wissen wollen, haben keinen Zugang zum Evangelium oder dogmatischen Definitionen mehr. Sie können nichts mehr bewahren oder weitergeben (S. 26). Sie sind reif für einen massiven Linksrutsch, für die Ersatzreligion der Moderne, bei der es sich um den Kommunismus handelt (S. 26).

Zum Abschluss seines Vorworts verweist Madiran auf einen Landsmann, der diese Dekadenz des Klerus schon vor dem Ersten Weltkrieg voraussah. Charles Péguy (1873–1914) schrieb anno 1909, der Klerus zerstöre das Christentum nachhaltig, indem er von ihm verlange, mit dem Zeitgeist Schritt zu halten (S. 30). Weil sie ihren Glauben selbst verloren hatten, nahmen diese Kleriker sein Verschwinden als etwas Natürliches hin (S. 32).

Kyrie eleison.                                                                                                                                        

Die Umbettung Des Erzbischofs

Die Umbettung Des Erzbischofs on September 26, 2020

Am 24. September, also vor zwei Tagen, wurden die sterblichen Überreste von Erzbischof Lefebvre aus dem Grabgewölbe beim Seminar von Écône, wo sie seit seinem Tod im Jahre 1991 bestattet gewesen waren, in einen grossartigen Sarkophag in der Krypta unter der Seminarkapelle überführt, die eigens als ihre letzte Ruhestätte vorbereitet worden war. Dem Erzbischof, diesem grössten Gottesmann und grössten katholischen Glaubenshelden der Neuzeit, ein so majestätisches Grab zu errichten, war nur recht und billig. Schliesslich hat er fast allein die katholische Doktrin, die katholischen Sakramente und die katholische Priesterschaft von ihrer Korruption und Zerstörung durch moderne Menschen gerettet, die an sie nicht mehr so glaubten, wenigstens so, wie sie von der treuen katholischen Kirche fast zweitausend Jahre lang bewahrt und weitergegeben worden waren.

Und man darf sagen, dass nach Erzbischof Lefebvres Tod seine Nachfolger sein Werk mehr oder weniger getreulich weitere 20 Jahre lang weitergeführt haben, doch dass die Priesterbruderschaft St. Pius X. anno 2012 einen Kurswechsel vollzog, der viele Seelen dazu bewog, von einer Neubruderschaft zu reden, ungefähr so wie die Veränderungen in der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) zahlreiche Katholiken dazu bewogen haben, von einer Neukirche zu sprechen, so radikal waren diese Veränderungen. Leider spiegelte die Zeremonie der Umbettung der sterblichen Überreste des Erzbischofs diese Übergabe seines Werks von der Bruderschaft ab die Neubruderschaft wider, weil sie nicht vom gegenwärtigen Generaloberen Pater David Pagliarini vollzogen wurde, sondern von seinem Vorgänger, jenem Mann also, der die Hauptverantwortung für den Übergang von der Bruderschaft zur Neubruderschaft trägt. Dass Pater Pagliarinis Vorgänger die Aufgabe anvertraut wurde, eine dermassen herausragende Zeremonie zu Ehren des Gründers der Bruderschaft zu leiten, ist weder ein gutes Omen noch ein Zufall. Es erinnert uns an folgenden Ausspruch unseres Herrn (Matthäus 23; 29–30)):

Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr den Propheten Grabmäler baut und schmückt die Gräber der Gerechten und sprecht: Hätten wir zu Zeiten unserer Väter gelebt, so wären wir nicht mit ihnen schuldig geworden am Blut der Propheten!

Es mag sehr wohl so sein, dass die weltweite Heuchelei einer Welt, die Unseren Herrn von sich weist, heute dermassen tief verwurzelt ist, dass viele Seelen, die vor zwei Tagen an der Zeremonie teilnahmen, durchaus keine bewussten Heuchler waren – Gott allein weiss es – und nicht so hart zu verurteilen sind wie Unser Herr jene verurteilte, von denen Er wusste, dass sie drauf und dran waren, Ihn zu kreuzigen. Denn des Erzbischofs Nachfolger, welche seine Bruderschaft auf Abwege führten, waren wahrhaft sehr geschickt bei der Täuschung vieler Katholiken, die dem Erzbischof in seinem”Ungehorsam”gegenüber den herrschenden Führern der Kirche getreulich gefolgt waren. Nichtsdestoweniger ist die Parallele, objektiv gesprochen, eindeutig. 

Die Pharisäer errichteten Denkmäler zu Ehren der Propheten, die sie, wären sie deren Zeitgenossen gewesen, getötet hätten. Die Neubruderschaft errichtete einen Sarkophag zu Ehren ihres Begründers, während sie selbst Freundschaft mit den Pachamama-Verehrern schloss, die er selber schon damals verabscheute. 

Den Pharisäern versprach Unser Herr, Boten zu entsenden, um ihre Untreue anzuprangern, doch diese töteten die Boten gleichfalls. Der Neukirche und der Neubruderschaft sendet er einen Erzbischof Viganò, um sie an ihre Untreue zu erinnern. Die Neukirche würde ihn am liebsten töten. Die Neubruderschaft ignoriert ihn nach Kräften. 

Die Pharisäer wurden von Unserem Herrn vor den schwerwiegenden Folgen ihrer Untreue gewarnt. In der Tat wurde Jerusalem im Jahre 70 in Grund und Boden zerstört. Was die Neubruderschaft betrifft, so hat diese des Erzbischofs Werk so nachhaltig untergraben, dass es seine Wirkung nicht mehr entfalten kann: Schliesslich kann das von ihm geflochtene weltweite Netzwerk des Glaubens kaum ohne neue Bischöfe überleben, um diesen Glauben aufrechtzuerhalten, aber mit ihrer Weigerung, neue Bischöfe ohne die Genehmigung der Pachamamisten zu weihen, blockiert die Neubruderschaft die Weihung von Bischöfen, die den Glauben Erzbischof Lefevbres am Leben halten und weitergeben würden, denn solche Bischöfe werden bei den Pachamamisten nie und nimmer Gnade finden.

Kurzum, die Mitglieder der Neubruderschaft haben es zugelassen, dass Pater Pagliarinis Vorgänger die Verherrlichung des Begründers der Bruderschaft leitete, obwohl sich dieser Vorgänger schlauer denn jeder andere bemüht hat, das Werk des Erzbischofs zu begraben. Sind sich diese Prieter bewusst, dass sie riskieren, der Wandlung eines Werks für Helden in ein Laufgitter für Neupharisäer beizutragen?

Madiran Vorgestellt

Madiran Vorgestellt on September 19, 2020

Als älteste Tochter der Kirche hat Frankreich stets Denker und Schriftsteller hervorgebracht, die bei deren Verteidigung an vorderster Front kämpften. Dies gilt auch für die Gegenwart. Als Reaktion auf die heillose Verwirrung, die sich unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils anno 1965 unter den Katholiken breitmachte, meldete sich ein hervorragender Pionier dessen, was später als”traditionalistisches Denken”bekannt wurde, zu Wort, der Franzose Jean Madiran (1920–2013), der 1956 die rechtsgerichtete und nationalistische Monatszeitschrift”Itinéraires”gründete und bis 1996 herausgab. Nachdem er sich schon vor dem Konzil als glühender Verteidiger des Glaubens hervorgetan hatte, machte er seine Zeitschrift nach dem Konzil zu einem Vorposten desselben, mit dem Ergebnis, dass sie für viele Katholiken, die bemüht waren, weder ihren Kopf noch ihren Glauben zu verlieren, zur unverzichtbaren Lektüre wurde.

In den sechziger Jahren hat Madiran ohne jeden Zweifel massgeblich dazu beigetragen, dass in Frankreich eine gut informierte Leserschaft erhalten blieb, aus der dann in den siebziger Jahren die Unterstützer Erzbischof Lefebvres hervorgingen, welche seiner”traditionalistischen”Bewegung in Frankreich dabei halfen, der Zersetzung der Kirche durch den Konzilsklerus beherzten Widerstand entgegenzusetzen. Dass der Erzbischof Ende der sechziger Jahre den monumentalen Entscheid fällte, in der französischen Schweiz die Priesterbruderschaft St. Pius X. zu begründen, die in den folgenden vierzig Jahren einen entscheidenden Beitrag zur Rettung der katholischen Tradition leisten sollte, ging in erheblichem Mass auf seine energische Unterstützung durch Madiran und dessen Zeitschrift zurück. Der Verfasser dieser”Kommentare”hat den Erzbischof nur ein einziges Mal rennen sehen – als Madiran dem Seminar in Écône einen Besuch abstattete und der Erzbischof ihn vor seiner Rückkehr nach Paris unbedingt noch sehen wollte.

Leider ging ihre Zusammenarbeit zu Ende, als in 1978 Johannes Paul II. zum Papst gewählt wurde, denn Madiran glaubte, er werde die Kirche retten. Doch zum damaligen Zeitpunkt hatte Madiran den Erzbischof bereits nachhaltig beeinflusst, und die”Tradition”war mittlerweile bereits fest verankert. Wir müssen uns heute in Erinnerung rufen, wie undenkbar es in den fünfziger und sechziger Jahren für Katholiken war, ihren Klerus in Zweifel zu ziehen. Hier liegt das enorme Verdienst Madirans: Ein tiefer Glaube, der sich auch dadurch nicht erschüttern liess, dass fast die ganze katholische Hierarchie vom rechten Wege abkam, gemeinsam mit dem Mut, aufzustehen und sich öffentlich gegen jene Masse von Menschen zu wenden, die jener Hierarchie entweder aus”Gehorsam”in”Treue”folgte, oder ihr treulos zujubelte, während sie die Kirche durch die Freimaurerei unterwanderte. Dass sich Madiran dann selbst durch Johannes Paul II. irreführen liess, beweist lediglich, wie stark der Magnetismus Roms ist, den er selber während einer entscheidenden Zeitspanne im Dienste an der katholischen Wahrheit überwunden hatte.

Dass er seinen Überzeugungen im Kern treu geblieben ist, geht daraus hervor, dass von all den Büchern, die er im Verlauf eines langen und fruchtbaren Lebens geschrieben hat, dasjenige, das seine Botschaft seinen eigenen Worten zufolge am besten ausdrückt, jenes ist, dem wir uns in diesen”Eleison Kommentaren”zuwenden werden: L’hérésie du vingtième siècle («Die Häresie des 20. Jahrhunderts»). Dieses Werk erschien erstmals 1968, also zu dem Zeitpunkt, wo die Kontroverse über Vatikan II. hohe Wellen schlug. Es besteht aus einem Vorwort und sechs Teilen, was seinen Niederschlag vielleicht in sieben Ausgaben dieser”Kommentare”finden wird, denn das Buch ist ein Klassiker, auch wenn es unseres Wissens nie übersetzt worden ist.

Es ist ein Klassiker, weil es eines thomistischen Philosophen bedurfte, um den Modernismus dermassen schonungslos blosszustellen – wie kann man einen Nebel analysieren? –, und Madiran war ein thomistischer Philosoph. Freilich wäre längst nicht jeder solche hierzu berufen gewesen, denn die übergrosse Mehrheit der Vatikan II-Bischöfe waren in ihrem Seminar oder ihrer Kongregation in den Prinzipien der Philosophie des Heiligen Thomas von Aquin geschult worden, hatten jedoch nicht gelernt oder begriffen, wie diese Prinzipien auf die Realität anzuwenden sind. Der Grund liegt darin, dass man diese Philosophie verhältnismässig leicht lehren kann, wie ein zusammenhängendes Telefonbuch. Katholische Schüler sind fügsam und absorbieren sie bereitwillig, ohne notwendigerweise zu begreifen, dass sie die einzige, ja die einzig mögliche Sicht auf die eine und einzige Realität darstellt, die uns umgibt. Doch wer kann die Realität Schülern beibringen, die in zentral geheizten Räumen geboren und von früher Kindheit an vor dem Fernseher gesessen sind? Madiran gehörte einer früheren Generation an, was ihm seine Aufgabe erleichterte, aber um den Modernismus so klar zu durchschauen, bedurfte er einer besonderen Gnade des Realismus, wie Pius X, de Corte, Calderón und einige wenige andere Auserwählte.

Machen Sie sich auf eine anspruchsvolle Lektüre gefasst! Madiran ist es wert. In den nächsten Wochen präsentieren wir sein eigenesVorwort.

Kyrie eleison.

Des Erzbischofs Autorität – I

Des Erzbischofs Autorität – I on Februar 15, 2020

Veranschaulichen wir das Verhältnis zwischen der katholischen Wahrheit und der katholischen Autorität anhand des Athanasius der Neuzeit, den Gott uns schenkte, um uns den Weg durch unsere vorapokalyptische Krise zu weisen: Erzbischof Lefebvre (1905–1991). Während sich die grosse Mehrheit der Kirchenführer bei Vatikan II dazu verleite liess, die Natur des Glaubens zu ändern und einige Jahre später im Namen des Gehorsams gegenüber der Autorität den wahren Ritus der Messe aufzugeben, blieb der Erzbischof kraft seines Glaubens der unveränderlichen Wahrheit der Kirche treu und zeigte, dass diese das Herz und die Seele ihrer göttlichen Autorität darstellt. „Der Gehorsam ist nicht der Diener des Gehorsams,“ lautet ein spanisches Sprichwort.

Sicherlich glaubte der Erzbischof an die Autorität der Kirche, ihren Mitgliedern aller Stufen Weisungen zur Rettung ihrer Seelen zu erteilen. Deshalb war er während der ersten Jahre der Existenz der Priesterbruderschaft St. Pius X. (1970–1974) sorgfältig darauf bedacht, dem kanonischen Recht und dem Papst, Paul VI., zu gehorchen, soweit er hierzu in der Lage war. Doch als Kirchenvertreter, die von Rom entsandt worden waren, um sein Seminar in Écône zu inspizieren, sich in ihren Aussagen gegenüber Seminaristen weit von der katholischen Wahrheit entfernten, schrieb er seine berühmte Erklärung vom November 1974, in der er sich gegen Roms Abkehr vom katholischen Glauben zugunsten der neuen Konzilsreligion verwahrte. Diese Erklärung diente der traditionalistischen Bewegung, deren Geburtsstunde man auf die Messe von Lille vom Sommer 1976 datieren kann, gewissermassen als Charta.

Zwar hat der Erzbischof selbst stets resolut dementiert, der Führer der Tradition zu sein, weil die katholische Tradition bis zum heutigen Tage eine inoffizielle Bewegung ist und keinerlei offizielle Struktur besitzt. Zudem war er unter den Traditionalisten durchaus nicht die einzige Führungspersönlichkeit, und nicht alle von ihnen pflichteten ihm bei oder huldigten ihm. Nichtsdestoweniger sahen sehr viele Katholiken in ihm ihren Führer, vertrauten und folgten ihm. Warum? Weil sie in ihm die Fortsetzung des katholischen Glaubens sahen, durch den allein sie ihre Seelen retten konnten. In anderen Worten: Auch wenn der Erzbischof keine offizielle Autorität über sie hatte, weil die Jurisdiktion das Vorrecht regulär gewählter oder ernannter offizieller Kirchenvertreter ist, erwarb er dank seiner Treue gegenüber dem wahren Glauben bis zu seinem Tod eine enorme moralische Autorität. Anders gesagt: Seine Wahrheit legte den Grundstein für seine Autorität, die zwar inoffiziell, aber real war, während der Mangel an Wahrheit, an dem die offiziellen Kirchenvertreter krankten und kranken, ihre Autorität seither unablässig untergräbt. Dass die Autorität, zumindest die katholische Autorität, von der Wahrheit abhängt, lag klar zutage.

Hinsichtlich der anno 1970 vom Erzbischof gegründeten Priesterbruderschaft St. Pius X. standen die Dinge jedoch etwas anders, weil ihm die offizielle Kirche eine gewisse Jurisdiktion auf dem Gebiet der – Bischof Charrière unterstehenden – Diözese Genf/Lausanne/Freiburg gewährte. Diese Jurisdiktion bedeutete ihm sehr viel, bewies sie doch, dass er mit seinem Wirken keine imaginären Probleme beschwor, sondern das Werk der Kirche verrichtete. So tat er sein Bestes, um die Bruderschaft zu leiten, als sei er das normale Oberhaupt einer normalen katholischen Kongregation unter Rom, wozu ihm seine Verteidigung des wahren Glaubens alles Recht gab. Allerdings machten die öffentlichen und offiziellen Römer weidlich von ihrer Jurisdiktion Gebrauch, um ihn als Scharlatan anzuprangern und so die katholischen Massen, die ihm sonst gefolgt wären, gegen ihn aufzubringen.

Doch nicht genug damit – die Neukirche, welche die Konzilsrömer um ihn herum aufbauten, bedeutete, dass seine Autorität selbst innerhalb der Bruderschaft ernstlich geschwächt wurde. Wenn beispielsweise vor dem Konzil ein mit dem Bischof seiner Diözese unzufriedener Priester seine Versetzung in eine andere Diözese beantragte, erkundigte sich der Bischof letzterer selbstverständlich beim Bischof ersterer nach dem betreffenden Geistlichen, und wenn der erste Bischof dem zweite riet, sich nicht mit diesem inzulassen, war der Antrag chancenlos. Stellte hingegen ein Priester, der zwar der Bruderschaft angehörte, aber mit dieser unzufrieden war, den Antrag, in eine Diözese der Neukirche versetzt zu werden, durfte er damit rechnen, dass ihn diese als Flüchtling vor dem „Lefebvre-Schisma“ mit offenen Armen in der offiziellen Gemeinde willkommen liess. Der Erzbischof erhielt von den anderen Bischöfen also keine Unterstützung und konnte seine Priester innerhalb der Bruderschaft folglich nicht gebührend disziplinieren. Seine Autorität war in höchstem Masse verwundbar, weil ihm keinerlei Sanktionen zur Verfügung standen, mit denen er wankelmütige Priester im Zaun halten konnte. Der Mangel an Wahrheit in der Neukirche hat die Wahrheit in die Bruderschaft verbannt, doch ohne jene katholische Autorität, die zu ihrem Schutze erforderlich ist.

Kyrie eleison.

Professor Drexel – III

Professor Drexel – III on Januar 18, 2020

Im dritten und letzten Auszug aus dem in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Österreich erschienenen, bewundernswerten Buch Professor Drexlers „Der Glaube ist mehr als Gehorsam‟, den wir in diesen Kommentaren wiedergeben, dürfen wir mit Fug und Recht annehmen, dass Unser Herr spricht, weil die Botschaft für sich selbst in jeder Hinsicht dem wahren Glauben entspricht und im Zusammenhang mit der Verwirrung, die sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) in der Kirche breitmachte, ein klares Zeichen dafür darstellt, dass die offizielle Kirche einen Irrweg eingeschlagen hat und auch heute, wo wir schon tief im 21. Jahrhundert stecken, weiterhin einschlägt. Für den katholischen Klerus ist die Botschaft eine klare Warnung: Wenn ihr darauf beharrt, den neuen, von Menschen vorgezeichneten Weg zu beschreiten und hierdurch Gottes wahre Religion aufzugeben, droht euch nach dem Tod eine furchterregende Verdammnis in der Hölle. Für die katholischen Laien ist das Buch eine nicht minder klare Ermutigung: Wenn ihr der wahren Kirche mit Glauben und Mut die Treue haltet, erwartet euch im Himmel reicher Lohn. Für Klerus und Laien zugleich ist die Botschaft im Jahre 2020 von höchster Aktualität.

MAI 1974.

Laßt euch nicht niederdrücken von den Wirren und den Irrlehren untreuer und abfallender Priester, denen der Leib und die Sinnenlust höher stehen als der Glaube und die Liebe zu Meiner Kirche und zu den unsterblichen Seelen. Alle wahrhaft Gläubigen mögen wissen, daß die inneren und äußeren Feinde der Kirche ihrem Untergang geweiht sind – unentrinnbar, wenn sie nicht in ihrem Inneren reuig zur Einheit der Lehre zurückkehren!

Ich sage: es werden Priester aufstehen, die sich jetzt im Stillen, im Verborgenen, für die Zukunft heranbilden und zur Zeit, ja schon bald, im apostolischen Geist und auf den Spuren der Heiligen für die von Mir gewollte Ordnung und Einheit Meiner, der Katholischen Kirche, eintreten in heiliger Ehrfurcht vor dem Geheimnis und Wunder der heiligen Eucharistie. (Dies ist sicherlich eine Prophezeiung der jungen Priester der Tradition, die 1976 in kleiner, aber nicht unbedeutender Zahl auftreten sollten.)

JULI 1975.

Meine Kirche lebt inmitten eines Abfalls und der Zerstörung. Sie lebt in ungezählten Gläubigen und Getreuen. In der Geschichte dieser Meiner Kirche hat es immer wieder zufolge schlechter Priester und lauer Hirten Zeiten des Niederganges, des Abfalls und der Verwüstung gegeben. Doch der Geist Gottes ist stärker und er hat über den Trümmern und Gräbern der Untreue und des Verrates die kleingewordene Kirche sich erheben und neu erblühen lassen. Das Werk von Ecône Meines Dieners Marcel geht nicht unter! (Der hier erwähnte „Marcel‟ ist selbstverständlich Erzbischof Lefebvre, der im Jahre 1970 das traditionalistische Seminar von Ecône gegründet hatte.)

MÄRZ 1976.

Mein getreuer Sohn Marcel, der für den Glauben viel zu leiden hat, schlägt den richtigen Weg ein. Er ist wie ein Licht und ein Pfeiler der Wahrheit, die viele Meiner geweihten Priester verraten. Der Glaube ist mehr als Gehorsam. Deshalb ist es Mein Wille, dass das Werk der theologischen Ausbildung der Priester im Geist und Willen Meines Sohnes Marcel weitergeführt werde, zur Rettung und grossen Hilfe meiner einzigen und wahren Kirche. (Wer Ohren hat zu hören, erkennt hier die klarste Unterstützung der Bewegung der katholischen Tradition.)

DEZEMBER 1976.

Jene aber, die sich auf das Priestertum vorbereiten an den bischöflichen Seminarien, treten ohne den ganzen und tiefen und warmen Glauben an die heilige Wandlung in das Priestertum ein, und nicht wenige der Priestertumskandidaten liebäugeln mit dem Gedanken, einmal eine Ehe schließen zu können. Darum ist die Zeit nicht mehr ferne, in der an vielen Orten das Volk ohne Priester sein wird.

Jene Priester aber, die im sakramentalen Opfer noch wahrhaft das Heiligste sehen und in heiliger Gesinnung das Geheimnis Meines Fleisches und Blutes vollziehen, wie Mein würdiger Diener Marcel, werden verfolgt, verachtet und geächtet.

Kyrie eleison.

Pater Brühwiler

Pater Brühwiler on Oktober 26, 2019

Folgende Analyse der Situation, in der sich die Neupriesterbruderschaft St. Pius X. befindet, erschien im St. Gallener Gemeindebulletin Pater Alois Brühwilers (#3, diesjährige Herbstausgabe). Pater Brühwiler ist ein ehemaliger Priester der Bruderschaft, der dieser anno 2015 den Rücken kehrte, weil er sich nicht mit der falschen Richtung abfinden konnte, welche die Neubruderschaft eingeschlagen hat; diese strebt immer noch ihre Anerkennung durch die Leitung der Neukirche in Rom an, obwohl letztere permanent darauf beharrt, dass die Neubruderschaft als unabdingbare Voraussetzung für diese Anerkennung die zutiefst antikatholischen Dokumente von Vatikan II akzeptiert. Pater Brühwilers Artikel wird hier der A4-Länge jedes dieser Kommentare angepasst.

„Schenke nur jener Lehre Glauben, die übereinstimmt mit der Lehre Christi und seiner treuen Diener. In einer schweren Krisenzeit, da die Fundamente des Lebens angegriffen, ins Wanken geraten oder gar bereits umgestürzt sind, soll der Katholik sein geistiges und materielles Leben in aller Demut und im Vertrauen auf den allmächtigen Schutz Gottes auf das Wesentliche und ‚allein Notwendige’ beschränken. Er soll nicht mit Gott hadern, sondern die von der Ewigen Weisheit zugelassene Prüfung in Demut annehmen als gnadenreiches Züchtigungs-, Reinigungs-, Heiligungs- und Rettungsmittel für Leib und Seele.

Da seit dem letzten Konzil die erniedrigte, wie mit Ketten gefangene heilige Kirche nach wie vor besetzt bzw. beherrscht wird von finsteren und freimaurerischen Mächten in der ‚Konzilskirche,‘ hat die gütigste Vorsehung Gottes den Katholiken einen glaubenstreuen Apostelnachfolger und Prälaten geschenkt, um uns in äusserster Notlage eine unverdorbene Hilfsquelle der Lehre Christi sicherzustellen. Zahlreiche Werke des umfang- und segensreichen Wirkens von Erzbischof Marcel Lefebvre sind inzwischen auch in unsere Sprache übertragen worden. Die Bedeutung all dieses Quellenmaterials ist umso grösser, als der Vatikan nach wie vor unter dem Einfluss des Rauches Satans spricht und handelt, und die Katholiken um ihres Heiles willens noch immer gehalten sind, auf die mündlichen und schriftlichen Überlieferungen des Gründers der FSSPX zu hören.

Sein umfangreiches Erbe ist heute insofern noch bedeutsamer geworden, als im Jahre 2012 die lehrmässige Einheit und Eintracht der vier von Erzbischof Lefebvre geweihten Weihbischöfe auseinandergebrochen ist. Dieser Bruch hat sich schon Jahre zuvor angebahnt und wurde sodann sichtbar durch den Brief der drei Weihbischöfe Mgr. Tissier de Mallerais, Mgr. Williamson und Mgr. de Galarreta vom 7. April 2012 an den Generalrat der FSSPX. Vollendet wurde der Bruch sodann durch den Ausschluss von Mgr. Williamson im Oktober 2012 – eine sichtbar gewordene Frucht einer gewissen Spaltung der Geister innerhalb der FSSPX. Wer vor sieben Jahren mit dem Ausschluss des ältesten Weihbischofs einverstanden war und es noch immer sein will, muss sich nun anfreunden mit etwas neuartigen Familiengliedern, nämlich mit mehreren (nur) Novus-Ordo-geweihten Priestern sowie einem ‚konservativen’ und nun pensionierten konzilstreuen Diözesanbischof, der als Freund von Papst Benedikt XVI. und im Sinne von Papst Franziskus die FSSPX integrieren helfen will.

Das Denken von S. E. Mgr. Huonder über ‚Konzil’ und ‚Neue Messe’ ist ein vom Modernismus geprägtes. Es ist unvereinbar mit der Haltung von Erzbischof Marcel Lefebvre, unvereinbar mit hauptsächlichen Existenzgründen der Priesterbruderschaft St. Pius X. Leider hat die FSSPX-Führung schon kurze Zeit nach 1991 einen – wenn auch scheinbar nur geringfügig – neuen Weg eingeschlagen. Man strebt nach einer steten Annäherung an das moderne Rom, um so allmählich zu einer ‚kirchlichen und kanonischen Normalisierung‘ zu gelangen. Kurz: man träumte während Jahren und bis heute von einer ‚Einheit ohne Wahrheit‘. Die Begeisterung bei der FSSPX-Führung für ein solches Projekt war bereits im Frühjahr 2001 erstmals übergross und sodann wieder im Frühjahr 2012. Beim gegenwärtigen dritten Versuch unter Papst Franziskus sollte – so scheinen immer mehr verblendete Priester und Gläubige zu hoffen – das Projekt zum Abschluss gelangen können . . .

Zurück zu Erzbischof Lefebvre: Die Mission des Prälaten des ausgehenden 20. Jahrhunderts war so bedeutungsvoll, dass auch auf sie die Worte des hl. Paulus angewandt werden können: ,Ich weise euch auf das Evangelium hin, das ich euch gepredigt habe, das ihr angenommen habt, indem ihr auch feststehet. In ihm werdet ihr auch selig, wenn ihr es so festhaltet, wie ich es euch gepredigt habe. Sonst hättet ihr den Glauben vergebens angenommen. Vor allem habe ich euch darüber belehrt, wie auch ich belehrt worden bin‘ (1.Kor. 15,1ff.). Ein Abweichen von der Lehre des hl. Paulus bedeutet also ein Abweichen von der Lehre Christi. Dasselbe kann man sagen über den glaubens- und kirchentreuen Diener Erzbischof Lefebvre: Ein Abweichen oder ein Korrigieren-Wollen seiner theologischen Kritik über das letzte Konzil und über die ‚Neue Messe bedeutet ein Abweichen von der Lehre Christi.

Seit dem letzten Konzil sieht sich der glaubenstreue Katholik der schmerzlichen Situation gegenüber, dass ihm durch kirchliche Autoritäten (Papst, Bischöfe, Priester) Inhalte vermittelt werden, welche mit der Lehre Christi nicht übereinstimmen. All jene, die mit dem Erzbischof Lefebvre treu im Glauben bleiben wollten, haben ab 1970 unter vielen Schmerzen und Opfern verstehen lernen müssen, was es für den katholischen Alltag im Familien- und Berufsleben bedeutet, wenn man der ordentlichen Autorität nicht mehr gehorchen kann, nicht mehr gehorchen darf. Denn auch der Gehorsam muss sich nach der Wahrheit ausrichten. Die Autorität steht im Dienste des Glaubens, im Dienste der Gerechtigkeit. Daher sagt der hl. Thomas von Aquin: ,Die Mutter des Gehorsams ist die Gerechtigkeit.‘

Zwischen der Lehre Christi und dem, was ein Diener Christi (Papst, Bischof, Priester) lehrt, darf es an sich keinen Widerspruch geben. Andernfalls spricht oder handelt der Gottgeweihte nicht als Diener Christi. Ein solches Beispiel war das ‚Motu proprio von Papst Benedikt XVI. vom 7.7.2007 wie auch die (auffälligerweise gleichzeitige) doppeldeutige und irreführende Stellungnahme des FSSPX-Generaloberen. Der päpstliche Erlass wie auch der Kommentar der FSSPX verletzen mehrfach die Wahrheit und die Gerechtigkeit.

Daher klagte – um ein Beispiel zu nennen – am 8.7.2007 ein Mann sehr zurecht bei einem Priester, welcher anstelle einer Predigt die Pressemitteilung des FSSPX-Generalhauses vom 7.7.2007 vorgetragen hatte: ,Was soll das?!?‘ Der wache Katholik hat also im Sommer 2007 erkennen können, dass die FSSPX mit Rom eine Abmachung, einen gewissen Kompromiss getroffen hat. Die FSSPX ist mittels des ‚Motu proprio 2007‘ auf die Schiene von Kardinal Ratzinger von 1988 eingeschwenkt, eine Schiene, die keine andere ist als jene der Priesterbruderschaft St. Petrus, deren praktische Grundhaltung noch immer jene von 1988 zu sein scheint: ,Hauptsache die alte Messe!‘ Leider konnte man erst neun Jahre nach dem ‚Motu proprio‘, nämlich in der Pfingstpredigt vom 15.5.2016 von Mgr. Tissier de Mallerais, die für ‚Traditionalisten’ unmissverständlichen Worte hören ,Die „Motu-proprio“ – Messe ist nicht die wahre Messe.‘ Also schenken wir dem ‚Motu proprio vom 7.7.2007 keinen Glauben, da jene Ausführungen nicht übereinstimmen mit der Lehre Christi, nicht übereinstimmen mit den Ausführungen seines Dieners Erzbischof Marcel Lefebvre.

Kyrie eleison.