Lehrgespräche

Zuerst der Glaube

Zuerst der Glaube on November 23, 2013

Erzbischof Lefebvre (1905–1991) erteilte allen Katholiken, welche Ohren zu hören haben, die folgende wichtige Lektion: der Glaube steht über dem Gehorsam. Doch die traurige Lektion, welche wir seither lernen müssen, ist, daß immer noch der Gehorsam höher als der Glaube eingestuft wird. Die „Eleison Kommentare,“ beseelt von dem Wunsch, angesichts der heutigen Verwirrung in Kirche, Welt und Priesterbruderschaft St. Pius X. zurück zu den Grundlagen zu kommen, haben oft zu erklären versucht, warum der Glaube an erster Stelle stehen muß.

Nehmen wir zum Beispiel die Argumente jenes ehrenhaften Bruderschaftspriesters, welcher kürzlich eine E-Post mir sandte. Darin beschuldigte er mich, den gegenwärtigen Zustand der Bruderschaft falsch zu beurteilen. Mein Widerstand gegen die Neubruderschaft, wie ich sie nenne, würde seiner Meinung nach: 1) zu persönlich motiviert sein, 2) das Wohl der Kirche vergessen, 3) unvereinbar mit meinen noch vor vier Jahren vertretenen Positionen sein, 4) katholische Wirklichkeitstreue missen lassen, 5) gegen die Unfehlbarkeit der Kirche gehen, 6) dafür eintreten, daß jedermann sein eigener Papst sei, 7) eine modernistische Vision der Kirche vertreten, 8) protestantisch sein, 9) gegen eine Einheit mit Rom plädieren, und schließlich 10) die Seelen von der Kirche entfremden.

Nun bin ich gewiß kein Erzbischof Lefebvre und ich behaupte auch gar nicht, einer zu sein, möchte aber trotzdem meinen Priesterbruder fragen, ob ihm klar ist, daß er alle seine Vorwürfe (bis auf den dritten) vor 30 Jahren auch dem Widerstehen des Erzbischof gegen die offiziellen Kirchenautoritäten in Rom hätte vorhalten können? Dennoch war das erzbischöfliche Widerstehen 1) nur durch die dringende Notwendigkeit getragen, den Glauben zu verteidigen, 2) zum Wohle der Weltkirche, 4) ganz und gar wirklichkeitsgetreu (wie die katholischen Früchte seiner Bruderschaft bewiesen), 5) kein Gegenbeweis, sondern wegen seines Widerstandes ein Beweis für die Unfehlbarkeit der Kirche, 6) das Eintreten dafür, daß die Kirche aller Zeiten die Richtschnur für die Päpste ist, 7) gegen jedweden Wahnsinn des Neo-Modernismus, 8) gegen die neo-modernistische Erneuerung des Protestantismus, 9) für eine Einheit mit dem ewigen Rom, und schließlich 10) allen wahren Katholiken eine Hilfe beim Bewahren des Glaubens, anstatt ihn zu verlieren.

Was nun rechtfertigte den damaligen Widerstand des Erzbischofs? Und was bewies, daß er entgegen dem Anschein eben kein Rebell wie Luther war, sondern ein wahrer Katholik und ein treuer Diener der Kirche? Die Antwort lautet: seine Doktrin, seine Doktrin, seine Doktrin! Während Luther eine Vielzahl an katholischen Lehren leugnete, bestätigte der Erzbischof jede einzelne dieser Lehren. Der Erzbischof stand im Namen der Glaubenslehre gegen die konziliaren Päpste und Kirchenautoritäten auf, welche diese Doktrin radikal untergruben, indem sie die schrecklichen Irrtümer des Modernismus erneuerten und annahmen.

Wodurch ist heute ein gewisser Widerstand gegen die Bruderschaftsführung gerechtfertigt? Wodurch können die Widersteher behaupten, die wahren Diener der Bruderschaft zu sein? Durch die Doktrin! Die offizielle Deklaration von Mitte April 2012 war der Beweis eines erschreckenden doktrinellen Mangels aufseiten der Bruderschaftsführung. Während sie die Deklaration später strich, zog sie dennoch nicht ihren Inhalt zurück, sondern verteidigte ihn sogar, beispielsweise durch die Behauptung, der Inhalt sei „zu feinsinnig“ gewesen. Auch haben die offiziellen Dokumente der Bruderschaft vom 14. Juli 2012 und 27. Juni 2013 den Schaden keinesfalls angemessen rückgängig gemacht. Der Beweis dafür ist, daß der Regierungskurs des Generalhauses sich nicht geändert hat. Lieber Priesterbruder, Ihre eigene Bruderschaft ist auf dem Grundsatz gegründet worden, daß der Glaube über dem scheinbaren Gehorsam steht. Und nun wollen Sie genau diese Bruderschaft verteidigen dadurch, daß Sie den scheinbaren Gehorsam gegenüber der Priesterbruderschaft über den Glauben stellen? Studieren Sie lieber die Dokumente und beobachten Sie die Taten der Führung.

Kyrie eleison.

Verhängnisvoller Augenblick

Verhängnisvoller Augenblick on Oktober 5, 2013

Die meisten Leser dieser „Kommentare“ haben inzwischen wahrscheinlich das gravierende Problem verstanden, welches die Glaubensverteidigung der Führer der Priesterbruderschaft St. Pius X. lähmt, und würden daher vielleicht lieber über andere Themen lesen. Doch weil der globale Abfall vom Glauben in den Köpfen von Millionen heutiger Menschen eine so große Verwüstung angerichtet hat, denke ich, daß wir die Natur des Glaubens, seine Notwendigkeit, und die Methoden seiner Unterwanderung, gar nicht oft genug untersuchen können. Ohne auf den jüngsten Unglücken oder Vergehen der Priesterbruderschaft herumreiten zu wollen, möchte ich doch ein weiteres Beispiel ihrer Geschichte aus dem letzten Jahr herausgreifen.

Viele Teilnehmer des Generalkapitels der Priesterbruderschaft im Juli 2012 feierten es unmittelbar danach als einen Triumph der Einheit über die Not und die Spannungen der vorangegangenen Monate. Doch zwischenzeitlich wurde diese Euphorie durch eine nüchterne Sicht auf das Generalkapitel abgelöst, und einige seiner Teilnehmer stufen es nun sogar als Katastrophe ein. Einer der Kapitelteilnehmer – oder Kapitulanten, wie sie auch genannt werden – hat jenen Augenblick des Generalkapitels als verhängnisvoll bezeichnet, wo die 39 führenden Bruderschaftspriester (mich ausgeschlossen) ihre eigene Bruderschaft und ihre Oberen über die Glaubenslehre gestellt haben – genau so, wie die Masse der katholischen Bischöfe auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil es gemacht hatte.

Die Beratungen auf dem Generalkapitel wurden angemessen eröffnet durch einen schwerwiegenden lehrmäßigen Angriff des Rektors des Bruderschaftseminars von Ecône auf die Doktrinelle Deklaration von Mitte April 2012, durch welche die Bruderschaft offiziell sich bereit erklärte, mit den römischen Neo-Modernisten einen Kompromiß einzugehen bezüglich des Konzils, der Neuen Messe, des neuen Kirchenrechts (CIC) und der „Hermeneutik der Kontinuität“ von Papst Benedikt. Der Ton des lehrmäßigen Angriffs war gewiß gemäßigt und respektvoll, doch seine Substanz von äußerst gravierender Natur. Denn praktisch sagte der Angriff aus, daß jene Personen, welche die April-Deklaration abgefaßt oder sie zur Vorlage in Rom vorangetrieben hatten, in Fragen der katholischen Doktrin inkompetent waren. Wenn diese Personen bewußt inkompetent waren, so wären sie Glaubensverräter; wenn sie hingegen unbewußt inkompetent waren, so wären sie unfähig, eine katholische Kongregation anzuführen, welche eigens zur Verteidigung des Glaubens gegründet worden war. Stille befiel das Kapitel, als die Kapitulanten zu begreifen anfingen, wie schwerwiegend die impliziten Anschuldigungen gegen ihre Oberen waren.

Doch dann brach der Rektor des Bruderschaftsseminars von Argentinien das Schweigen und sagte, daß das Kapitel unmöglich einen Schlag gegen den Generaloberen führen könne, indem es von ihm verlange, daß er seine Doktrinelle Deklaration zurückziehen solle. Außerdem werde dieses Zurückziehen ja in der Schlußerklärung des Kapitels implizit enthalten sein. Ein weiterer Kapitulant brachte dann einen anderen Punkt auf den Tisch, und schon fuhr das Kapitel mit anderen Themen fort. Doch das doktrinelle Problem der verräterischen April-Deklaration wurde weder durch die Schlußerklärung des Kapitels bzw. seine sechs Bedingungen für ein zukünftiges Übereinkommen mit Rom auf klare Weise gelöst, noch durch irgendeine spätere klare Zurücknahme vonseiten des Generaloberen – ganz im Gegenteil. Und die Bruderschaft wird auch weiterhin geleitet durch praktische Übereinstimmung mit der Politik von Sanftheit gegenüber den Glaubensfeinden in Rom, welche den Glauben und mit ihm die Kirche in Stücke reißen.

Wie konnte den Kapitulanten entgehen, daß der „Respekt vor den Oberen“ über den Glauben gestellt wurde? Warum beharrten sie nicht darauf, daß das doktrinelle Problem – das mit Abstand größte Problem des gesamten Kapitels – hätte geklärt werden müssen, bis alle vollständig erfaßt haben würden, welche Schritte auf der Stelle zu unternehmen gewesen wären, anstatt geschickt ans Ende des Generalkapitels verschoben zu werden? Es kann nur eine Antwort geben: diese Kapitulanten waren, genau wie die Bischöfe des Zweiten Vatikanum, insgesamt eben Kinder der modernen Welt. Ihnen ist die Glaubenslehre keine Lebensnotwendigkeit, sondern vielmehr etwas, was man eben im Seminar lernt, um Priester zu werden, und dann zwar verehrt, aber mehr oder weniger ins Abseits befördert. Liebe Leser: lest!

Kyrie eleison.

Andauernder Schaden – I.

Andauernder Schaden – I. on Juli 27, 2013

Mitte April des letzten Jahres übergab die Priesterbruderschaft St. Pius X. offiziell eine Doktrinelle Deklaration an die römischen Autoritäten, welche als Grundlage für eine praktische Vereinbarung zwischen Rom und der Bruderschaft dienen sollte. Doch diese Deklaration ist sehr schlecht, und deshalb argumentieren viele von ihren Verteidigern, daß Rom diese Deklaration schließlich abgelehnt hat, sie daher nicht weiter von Belang sei und sozusagen vergessen werden könne. Ein Gegenargument zu dieser Behauptung erschien in der aktuellen Ausgabe der englischen Monatszeitschrift „The Recusant“ (historischer Begriff für die Gegner der anglikanischen Glaubensgemeinschaft), dem neu entstandenen Magazin der Widerstandsbewegung in England. Dieses Gegenargument verdient sorgfältige Aufmerksamkeit und sei daher im folgenden wiedergegeben, teilweise in Form von direkten Zitaten, teilweise als Zusammenfassung:—

„Die Doktrinelle Deklaration ist, wie ihr Name und Inhalt deutlich machen, eine Erklärung, welche besagt, daß eine Reihe von lehrmäßigen Positionen mit allergrößter Bedeutung für die gegenwärtige Kirchenkrise vonseiten der Bruderschaft annehmbar sind. Das Problem ist nun, daß mehrere dieser in der Deklaration ausgedrückten Positionen jedoch nicht akzeptabel sind.“ Beispielsweise sagte ein führender Bruderschaftstheologe dem Generalkapitel der Bruderschaft im Juli des letzten Jahres: „Diese Deklaration ist ( . . . ) zutiefst mehrdeutig und sündigt somit durch Unterlassung gegen die Pflicht, deutlich eine Verurteilung jener grundsätzlichen Irrtümer auszusprechen, welche nach wie vor in der Kirche wüten und den Glauben der Katholiken zerstören. Nach Lage der Dinge gibt diese Deklaration den Eindruck, daß wir die »Hermeneutik der Kontinuität« annähmen.“

„Der von der Doktrinellen Deklaration verursachte Schaden entspricht somit dem einer öffentlichen, lehrmäßig zweifelhaften Erklärung. Auch wurde die Deklaration als solche weder „zurückgezogen“ noch wurde ihr „abgeschworen.“ Vielmehr weigert Bischof Fellay sich konsequent, zuzugeben, daß diese Deklaration lehrmäßig zweifelhaft ist. Allerhöchstens gesteht er ein, daß er versucht habe, „zu feinsinnig“ zu sein. Doch er gibt nicht zu, daß eine solche Feinsinnigkeit in Angelegenheiten der Glaubensverteidigung höchst fragwürdig ist. Vielmehr denkt der Bischof, das ganze Problem bestehe nur darin, daß „er nicht richtig verstanden worden“ sei, selbst von theologisch sehr kompetenten Bruderschaftspriestern nicht. Unter anderem erlaubt er Hw. Themann, diese Deklaration auf öffentlichen Konferenzen in den USA zu verteidigen, welche aufgenommen und dann unter den Gläubigen verteilt werden.“

Zwar mag es stimmen, daß eine Annahme der Deklaration durch Rom die Sache noch verschlimmert hätte. Doch verringert dies keineswegs den andauernden Schaden, welcher durch die Deklaration entsteht, wenn sie darlegt, was der Bruderschaft lehrmäßig annehmbar ist. Sollte Bischof Fellay nun sagen, daß er die Deklaration „zurückzieht“ oder „ihr abschwört,“ so meint er damit höchstwahrscheinlich nur, daß ihre Veröffentlichung zum gegenwärtigen Zeitpunkt ungelegen war, weil sie Spaltungen in der Bruderschaft verursacht hätte. „Bischof Fellay hat die ganze Zeit über nicht einmal angedeutet, daß die Doktrinelle Deklaration lehrmäßig zweifelhaft und somit unannehmbar ist. Doch hier steckt von Anfang an das Kernproblem, und wir sind weit von einer Lösung entfernt: Der Generalobere scheint sich zu weigern, ein unzweideutiges Bekenntnis von der Einstellung der Bruderschaft abzugeben.“

Schlußendlich ist der von dieser Deklaration verursachte Skandal nach wie vor nicht saniert worden. „Der Versuch, die Ernsthaftigkeit des Themas herunterzuspielen, damit Friede und Ruhe unter den Gläubigen bewahrt oder zurückgewonnen werde, riskiert jene Denkart zu fördern, wonach die Glaubenslehre keine allzu große Rolle spielt, solange nur alles rund läuft und wir die wahre Messe bewahren können, usw.“ In Wahrheit macht dieses Herunterspielen den Skandal nur noch schlimmer. (Ende des „Recusant“-Artikels.)

Dieser Artikel bringt auf sehr gemäßigte Weise das Problem auf den Punkt, daß Bischof Fellay die Doktrinelle Deklaration weder öffentlich widerrufen noch zurückgezogen hat. Wie kann eine katholische Kongregation die Wahrheit aufrechterhalten und ihr dienen, wenn sie von einem Oberen geführt wird, welcher mit der Wahrheit herumspielt? Wenn die Bruderschaft ein Rettungsboot ist, dann muß sie entweder ihren verblendeten Kapitän loswerden, welcher ständig danach strebt, Löcher in den Rumpf des Rettungsbootes zu bohren, oder aber die Bruderschaft verwandelt sich in ein „Ertrinkungsboot.“ Möge Gott in seiner Barmherzigkeit die Priesterbruderschaft aufwecken.

Kyrie eleison.

Lebhafte Debatte

Lebhafte Debatte on Juli 6, 2013

Das Problem der „Gelähmten Autorität“ (siehe „Kommentare“ vom 1. und 29. Juni 2013) führt zu einigen lebhaften Reaktionen unter den Lesern. Auf der einen Seite sagen tapfere Katholiken zu mir, daß, weil ich ein Bischof bin, ich auch wie ein Bischof handeln und somit das Kommando über die „Widerstandsbewegung“ ergreifen müsse. Auf der anderen Seite warnt ein tapferer Priester, welcher über langjährige Erfahrung mit dem „Sedisvakantismus“ verfügt, vor dem Errichten einer Parallelkirche durch die Weihe weiterer Bischöfe – ausgenommen im Falle von Weltkrieg, physischer Verfolgung oder lähmendem Alter (manche behaupten, daß dieser letztgenannte Fall bereits eingetreten sei . . . ).

Erwähntes Problem geht natürlich auf das Zweite Vatikanische Konzil zurück, wo als Folge eines 700jährigen Abgleitens die konziliaren Kirchenmänner die Lehre der Kirche aufgaben und dadurch die katholische Wahrheit von der katholischen Autorität trennten. Dadurch diskreditierten sie so sehr die amtliche Kirchenautorität, daß Gläubige, wie die eingangs erwähnten, heute keine Notwendigkeit mehr für diese Art von Autorität sehen. Jedoch ist wegen der naturgemäßen Verschiedenheit und der Erbsünde aller Menschen eine zentrale kirchliche Autorität absolut notwendig, um die kirchliche Einheit (und dadurch das Überleben der Kirche) gewähren zu können: nicht nur hinsichtlich der Wahrheit, sondern auch hinsichtlich der Sakramente und der Kirchenregierung.

Aus diesem Grund benötigt ein Bischof oder Priester nicht nur die sakramentale Kraft seiner Weihe, welche er in alle Ewigkeit unverlierbar besitzt. Sondern er benötigt auch die Amtsgewalt der Jurisdiktion, d.h. Zuständigkeit zu sagen (dictio) was recht ist (ius, iuris). Diese Amtsgewalt wird nicht mit der Weihe verliehen, und der Würdenträger kann sie nicht selber sich erteilen, sondern muß sie von oben erhalten, d.h. von einem Kirchenoberen und letztendlich vom Papst, welcher sie wiederum von Gott erhält. Wenn also tapfere Seelen zu mir sagen, daß ich (durch meine Weihe) ein Bischof bin und daher meine Pflicht vernachlässigen würde, wenn ich nicht wie ein Bischof handele und der „Widerstandsbewegung“ sage (dictio), was zu tun ist (ius), so verwechseln diese Seelen höchstwahrscheinlich die zwei verschiedenen Kräfte eines Bischofs.

Wahrscheinlich stießen diese Seelen instinktiv doch auf eine Lehre sowohl der Kirche als auch des gesunden Menschenverstandes; namentlich die ergänzende Jurisdiktion. Diese besagt, daß im Notfall, wenn aus irgendwelchen Gründen die Kirchenoberen die zur Seelenrettung benötigte Jurisdiktion nicht erteilen, die Kirche diese Jurisdiktion ergänzend erteilt. Nehmen wir als Beispiel einen Priester, welcher die normalerweise benötigte Jurisdiktion, die Beichte zu hören, nicht besitze. Sollte allerdings ein Beichtling diesen Priester um die Beichte ersuchen, so darf er im Bedarfsfall die Beichte hören, und das Sakrament wird gültig sein. Nun ist der große, vom Zweiten Vatikanum geschaffene Kirchennotstand gewiß noch verstärkt worden durch die berüchtigte doktrinelle Erklärung des Bruderschaftsgeneralhauses vom Mitte April des letzten Jahres. Diese Erklärung ist der schriftliche Beweis für den Zerfall der letzten noch vorhandenen Festung des wahren Glaubens.

Die ergänzende Jurisdiktion besitzt allerdings eine Schwäche. Denn weil sie nicht amtlich ist, unterliegt sie stärker dem Streit. Beispielsweise leugnet das Konzilrom den vom Zweiten Vatikanum geschaffenen Kirchennotstand und übt entsprechend großen – und allzu erfolgreichen – Druck auf die Priesterbruderschaft St. Pius X. aus, der konziliaren Autorität sich unterzuordnen. So sehr strebt die Autorität nach Amtlichkeit. Selbst Erzbischof Lefebvre verlor ungefähr ein Viertel der von ihm geweihten Priester, weil er keine Amtsgewalt besaß, sie am Weggehen zu hindern. Das sind Auswirkungen dieser unglaublichen Kirchenkrise. Wenn also ein Priester oder Laie mich ersucht, ihm Befehle zu erteilen, so könnte er sie bereits wenige Monate später wieder verwerfen, oder jedenfalls dann, wenn er gewisse Befehle nicht als befolgenswert erachtet.

Dennoch bleibt die Krise bestehen und wird sogar stets schlimmer, bis zu dem Punkt, wo Gott eingreifen wird, um den Papst zu – seiner katholischen – Vernunft zu bringen. Und Gott wird das gewiß tun, wenn nur genügend Katholiken ihn bitten, doch die Augen des Papstes zu öffnen. Bis dahin wird der sich verschlimmernde Notstand dazu beitragen, die nichtamtliche Autorität noch zu bestärken. Möge doch der Allmächtige Gott uns helfen, jede unnötige Anarchie zu vermeiden.

Kyrie eleison.

Gelähmte Autorität – II.

Gelähmte Autorität – II. on Juni 29, 2013

Wieder drängt ein wackerer Teilnehmer der heutigen katholischen „Widerstandsbewegung“ mich, doch ihre Führung zu übernehmen. Seine angegebene Begründung lautet nach wie vor, daß ich der einzige Bischof mit einem Part in dieser Bewegung sei, welche dem inneren Zerfall der Priesterbruderschaft St. Pius X. sich entgegenstellt. Doch Gott gab den letzten Atemzug der echten Kirchenautorität an Erzbischof Lefebvre, dessen Nachfolger diesen Atemzug allerdings grausam mißbrauchten. Warum sollte ihn Gott noch einmal geben? Zwischen den 1970er- und 2010er-Jahren ist die Kirchenkrise nur noch viel schlimmer geworden. Auf die Gefahr hin, viele von Ihnen zu verärgern, bringe ich im folgenden die Hauptargumente des wackeren Teilnehmers und dann meine Antworten, die ich niemandem aufzwingen, jedoch allen vorschlagen möchte:—

1) „Die große Meinungsvielfalt unter den Priestern der Widerstandsbewegung verwirrt die Laien.“

* Um allerdings Meinungen leiten zu können, bedarf es der Autorität (siehe oben). Vielleicht verdienen die Katholiken aber auch, mit Verwirrung geschlagen zu sein, nachdem so viele von ihnen blindlings dem Zweiten Vatikanischen Konzil gefolgt sind und heute der Bruderschaft blind folgen. Vielleicht hat Gott genug vom blinden Gehorsam der Katholiken. Vielleicht will er, daß die Katholiken ihre eigenen Köpfe benutzen und selber denken, anstatt ihr blindes „Gehorchen“ als faulenzerischen Weg in den Himmel zu verwenden.

2) „Vor allem herrscht Verwirrung über die Frage, ob das sinkende Schiff nun zu verlassen ist, d.h. ob man aufhören soll, Bruderschaftsmessen zu besuchen.“

* Soll eine Ansicht wirklich allen Fällen genügen? Die Frage des Verlassens hängt von vielen verschiedenen Umständen ab. Zugegebenermaßen geraten jene, welche beim gegenwärtigen falschen Kurs der Bruderschaft bleiben, tatsächlich in die Gefahr eines langsamen Abgleitens. Dennoch benötigen Seelen die Hl. Sakramente, und keinesfalls sind alle Bruderschaftspriester bereits Verräter. Beispielsweise war in Frankreich die erste Auflage eines kürzlich erschienenes Buches, welches auf 350 Seiten rund 90% Zitate von Erzbischof Lefebvre bringt, schon nach zwei Wochen vergriffen. Herausgegeben vom Bruderschaftspriester Hw. François Pivert. Das ist ein Zeichen der Hoffnung; möge Gott ihn dafür segnen.

3) „Die Reibereien zwischen Priestern der Widerstandsbewegung könnten zur Selbstzerstörung der ganzen Bewegung führen.“

* Persönliche Reibereien hat es unter Priestern immer gegeben und wird es auch immer geben. Doktrinelle, d.h. lehrmäßige, Reibereien sind hingegen deutlich schwerwiegender. Besonders die doktrinelle Treue hat die Bruderschaft zusammengehalten, während jetzt die lehrmäßige Untreue sie zerstört. Nur diese doktrinelle Treue stellt unseren einen und einzigen Glauben sicher, welcher die Grundlage dessen ist, was überhaupt vom Katholizismus in der Kirche, in der Bruderschaft oder in der „Widerstandsbewegung“ überleben wird.

4) „Ohne Haupt und Hierarchie kann die Kirche nicht auskommen. Gott will, daß wir geordnet sind.“

* Normalerweise kann die Kirche tatsächlich nicht ohne Haupt und Hierarchie sein, doch hat der moderne Mensch eine abnorme Situation geschaffen. Während der heidnische Hauptmann in den Evangelien (Matthäus 8,6–10) ein natürliches Gespür für das Befehligen und das Gehorchen hatte (beides gehört zusammen), so hat der „demokratische“ Mensch im Namen der Freiheit willentlich beides verlernt. Daher zerstören willkürliches Befehlen und unmäßiges Gehorchen jetzt die Bruderschaft, so wie sie auch die Amtskirche weitgehend zerstört haben. Der Grund ist, daß heute sowohl den Herrschern als auch den Beherrschten das Gespür und die Liebe zur objektiven Wahrheit fehlt, welche über diesen beiden Gruppen steht und welche bei Beachtung Autorität und Gehorsam der beiden Gruppen mühelos miteinander in Einklang bringt. Vielleicht will Gott, daß wir stärker die Doktrin verfolgen als die Organisation.

Abschließend können wir sagen, daß diese außergewöhnliche Kirchenprüfung so lange andauern wird, wie Gott sie für die Reinigung seiner Kirche als notwendig erachtet. Inzwischen sind wir im 21. Jahrhundert angelangt und mir dünkt, daß nicht mehr genug katholisches Stroh vorhanden ist, um einen katholischen Ziegel zu formen im Stile der Bruderschaft des späten 20. Jahrhunderts. Geduld; denn Gottes Wille wird erfüllt werden. Es ist seine Kirche und er wacht über sie. Üben wir uns in Geduld.

Kyrie eleison.

Grauenhafter Niedergang – II.

Grauenhafter Niedergang – II. on Juni 22, 2013

Das Wort „Grauen“ mag vielleicht zu stark anmuten, den Richtungswechsel in der Priesterbruderschaft St. Pius X. zu beschreiben, welcher spätestens vor einem Jahr deutlich geworden ist. Wenn allerdings die Hölle grauenhaft ist; wenn man ohne Glauben in sie hineinfällt; wenn der Glaube in große Gefahr geriet, weil die Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil schwer gelähmt worden ist, jedoch auf wunderbare Weise ein Bollwerk des wahren Glaubens innerhalb dieser Kirche errichtet wurde; und wenn schlußendlich dieses Bollwerk nun ebenfalls kampfunfähig gemacht wird, dann dürfte das Wort „Grauen“ doch gerechtfertigt und eben nicht zu stark sein.

Zwar ist die Bruderschaft noch nicht ganz gefallen, doch fiel sie bereits ein gutes Stück und könnte bald vollständig fallen. Denn ihre Führung, welche während den letzten 15 Jahren diesen Fall gekonnt gefördert hat, ist nach wie vor an der Macht. Zwar folgte sie Erzbischof Lefebvre zu seinen Lebzeiten, doch verstand sie entweder nicht, oder hörte willentlich zu verstehen auf, warum der Erzbischof die Bruderschaft in erster Linie gegründet hatte: um dem Fall der konziliaren Kirchenmänner zu widerstehen, welche die Kirche in Einklang mit der glanzvollen aber verderbten Welt zu bringen suchten. Als der Erzbischof dann nicht mehr unter uns weilte, wurden die Bruderschaftsoberen sehr bald erneut von diesem Glanz, durch GREC usf., erfaßt.

Diese Oberen ziehen momentan eine Reihe älterer Bruderschaftspriester mit sich hinunter, und verformen die jüngeren. Für die älteren Priester gilt nun eine ähnliche Situation wie damals nach dem Zweiten Vatikanum: die Priester, welche von Erzbischof Lefebvre geformt worden waren, können nun wegen dem Verbogenwerden durch die Neubruderschaft gewisse Qualen erleiden. Diese Qual hört auf, sobald diese älteren Priester sich entscheiden, mit dem Strom zu schwimmen – wozu sie allerdings erst ihr Gewissen einschläfern müssen. Auch für die jüngeren Bruderschaftspriester gilt eine ähnliche Situation wie damals nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil: weil sie normalerweise bereits in die neue Richtung deformiert werden, können nur sie selber die alte Ausrichtung finden. Denn ihnen wird im wesentlichen nicht mehr gelehrt, worum es Erzbischof Lefebvre wirklich ging. Praktisch werden die Bruderschaftsseminare langsam aber sicher in „Neuseminare“ umgewandelt. Wer diese Seminare noch an Berufene empfehlen möchte, muß also große Vorsicht walten lassen.

Und wie sieht es mit der Spitze der Bruderschaft aus? Dazu möchte ich das jüngste Denken eines Bruderschaftsmitgliedes nahe an der Spitze vorstellen, welcher ganz und gar mit der lehrmäßigen Position von Erzbischof Lefebvre vertraut ist. Er verteidigte diese Position auch lange Zeit. Doch nachdem die Glaubensgespräche in den Jahren 2009 bis 2011 bewiesen, daß Rom an seinen lehrmäßigen Irrtümern festhält, billigt im Jahre 2013 nun auch er den Prinzipienzusammenbruch der Bruderschaft auf ihrem Generalkapitel 2012, wo sie von der früheren Forderung nach einer lehrmäßigen Übereinkunft sich lossagte, und nurmehr Bedingungen für ein rein praktisches Abkommen aufstellte. Und trotzdem ist er froh, daß dieser Zusammenbruch in der Praxis folgenlos blieb. Die Folgenlosigkeit liegt aber gewiß nur daran, daß den Römern dieser Zusammenbruch nicht vollständig genug war. Dennoch begrüßt dieser Kleriker, wenn die Bruderschaftsoberen die Beziehungen mit dem neuen Papst wiederaufnehmen – als ob die Bruderschaft nicht schon halb zusammengebrochen wäre und somit nicht die Gefahr eines vollständigen Zusammenbruchs bestünde, wenn die Priesterbruderschaft nach Rom zurückkriecht, um eine kanonische Anerkennung zu erreichen.

Wie kann er so widerspruchsvoll geworden sein? So wie es vielen Priestern nach dem Zweiten Vatikanum unter dem tyrannischen Paul VI. erging, hat auch er seinen Verstand von der göttlichen Glaubenslehre gelöst und läßt ihn nun mit dem Strom der Menschen schwimmen. Gewiß nicht leichten Gewissens, legt sein Wille nun offenbar Wert darauf, das angeblich Gute der Bruderschaft dem tatsächlichen Guten des Glaubens vorzuziehen, welcher aber grundsätzlich keine Unterordnung unter seine mächtigen Feinde duldet. Wenn dieser Kleriker seinen Zusammenhalt mit den Bruderschaftsoberen bekundet, welche genau eine solche Unterordnung wollen, so mag er zwar vielleicht nicht selber den Glauben verlieren, doch durch seine neue Weichheit den römischen Apostaten gegenüber riskiert er wenigstens, daß einer ganzen Reihe von anderen Seelen der Verlust des wahren Glaubens vereinfacht wird.

Und die Bruderschaftsoberen? Sie stecken tief im Sumpf der Doppelzüngigkeit, weil sie sich und anderen weiterhin vorgaukeln müssen, daß sie selber der alten Religion von Gott und dem Erzbischof treu sein würden, während sie in Wirklichkeit zur Amtskirche gehören wollen, welche der neuen Menschenreligion verschrieben ist. Der Verlust von Seelen und die Doppelzüngigkeit sind ein zweifaches Grauen.

Kyrie eleison.