Modernismus

Bischof Fellay – II

Bischof Fellay – II on August 13, 2016

Ein Fehler ist solange nicht vollständig widerlegt, bis er entwurzelt ist. Anders ausgedrückt: Um einen Fehler tatsächlich zu überwinden, müssen wir nicht nur beweisen, daß es ein Fehler ist, sondern warum es einer ist. Der „Kommentar“ von letzter Woche behandelte die Stellungnahme des Generaloberen der Priesterbruderschaft vom 28. Juni 2016. Nehmen wir erstens an, daß diese Stellungnahme, indem sie die Glaubenskrise der Kirche durch die frommen Bruderschaftspriester lösen möchte, den Irrtum begeht, den Karren des Priestertums vor das Pferd des Glaubens zu spannen. Zeigen wir dann zweitens, daß dieser Irrtum seine Wurzeln in der heutzutage fast durchgängigen Unterschätzung des Verstandes mit gleichzeitiger Überschätzung des Willens hat, was unbewußt sogar in einer Verhöhnung der Doktrin endet (außer natürlich der Doktrin der Beatles: „Du brauchst nur Liebe, Liebe, Liebe“ – „All you need is luv“).

Bereits zu Beginn der Stellungnahme kommt ein Hinweis auf diesen Irrtum, wenn die Stellungnahme davon spricht, daß im Lehrschreiben Pascendi, dem mächtigen Hammer von Pius X. gegen den Modernismus, der zentrale Grundsatz die „Unabhängigkeit“ sei. Nein. Der Grundsatz, welchen Pius X. durchgehend als die Wurzel des Modernismus verurteilt, ist vielmehr der Agnostizismus, also die Irrlehre, wonach der Verstand nichts davon wissen könne, was jenseits des durch die Sinne Erfaßbaren liegt. Diesem Unwissen folgt die Unabhängigkeit des Verstandes von seinem eigentlichen Objekt, worauf wiederum die Erklärung des Willens folgt, von allem anderen unabhängig zu sein, wovon er nicht abhängig sein wolle. Es liegt an der Natur der Dinge, daß zuerst der Verstand Selbstmord begehen muß, bevor der Wille seine Unabhängigkeit erklären kann. Wenn also die Stellungnahme als Herzstück von Pascendi die Unabhängigkeit vor dem Agnostizismus erklärt, so weist dies darauf hin, daß jene Stellungnahme mehr ein Teil des Problems der Kirche denn seiner Lösung ist.

Woher rührt nun diese Herabstufung des Verstandes und damit auch der Doktrin? In erster Linie von Luther, welcher die menschliche Vernunft eine „Prostituierte“ nannte, und welcher mehr als alle anderen das Christentum auf diesen sentimentalen Pfad brachte, welcher heute schließlich zur Selbstzerstörung des Christentums führt. Und das hat ganze 500 Jahre gedauert? Ja, denn es gab einen natürlichen und katholischen Widerstand während dieses Vorgangs. Doch hatte Luther Recht, als er dem Papst voraussagte, daß er (Luther) ihn am Ende zerstören würde: „Pestis eram vivus, functus tua mors ero, Papa“ – Eine Plage war ich für dich, solange ich atmete, doch wenn ich gestorben bin, so werde ich, o Papst, dein Tod sein.

Von diesem radikalen Riesenirrtum der Herabstufung des Verstandes und der Doktrin dürfen wir im Falle der Stellungnahme vom 28. Juni zwei sekundäre Irrtümer von Bischof Fellay herleiten: Erstens sein Mißverstehen Erzbischof Lefebvres, und zweitens sein zu großes Verständnis für Frau Cornaz (Pseudonym Rossinière).

Als der Erzbischof selber noch den Vorsitz in Econe innehielt, war auch Bernard Fellay, so wie viele von uns dortigen Seminaristen, regelrecht entzückt und bezaubert von dem hervorragenden Beispiel direkt vor unseren Augen, was denn ein katholischer Priester sein kann und soll. Allerdings war das Rückgrat der erzbischöflichen Priesterschaft und seines heldenhaften Kampfes für den Glauben nicht die Frömmigkeit – auch viele Modernisten sind „fromm“ –, sondern seine Doktrin, also die Lehre des ewigen Priestertums, welche zutiefst allergisch gegen den Liberalismus und Modernismus ist. Auch hat der Erzbischof niemals gesagt, daß seine Bruderschaft die Kirche retten werde, sondern vielmehr, daß die Bruderschaftspriester die unschätzbaren Kirchenschätze sichern werden, bis bessere Zeiten kommen.

Wie P. Ortiz uns erinnerte, war die Person, welche behauptete, daß die Bruderschaftspriester die Kirche retten würden, Frau Cornaz. Sie war eine Mutter aus dem schweizerischen Lausanne, lebte während des Großteils des 20. Jahrhunderts und soll zwischen 1928 und 1969 angeblich Botschaften vom Himmel empfangen haben darüber, wie verheiratete Paare das Priestertum (!) heiligen sollten. Diese Botschaften begannen erneut im Jahre 1995 (!), als sie einen Bruderschaftspriester traf, welchen sie davon überzeugte, und über ihn auch Bischof Fellay, daß die Priester der Bruderschaft durch die Vorsehung dazu bestimmt seien, die Kirche zu retten durch ihre „Heime Christi, des Hohepriesters.“ Der Generalobere unterstützte ihr Vorhaben mit all seiner Autorität, doch ließ der starke Gegenwind der Bruderschaftspriester ihn schnell öffentlich sich davon distanzieren. Doch blieb die mystische Vision von Frau Cornaz über die erhabene Zukunft der Bruderschaft bei ihm innerlich bestehen? Das scheint gut möglich zu sein. Wie Martin Luther King hat auch der Generalobere „einen Traum.“

Kyrie eleison.

P.S. Weil unser deutscher Übersetzer wachsende Verpflichtungen hat, suchen wir jemanden, der ihn gerne ablösen möchte. Es ist eine spannende, oft aber auch anstrengende Arbeit.

Diagnostizierte Akademia

Diagnostizierte Akademia on Juli 23, 2016

Als seine Exzellenz mich als Geschichtsstudent fragte, ob ich ihm zustimme, daß der im Lehrschreiben Pascendi verurteilte agnostische Phänomenalismus die bestmögliche Einzel-Einführung in den Schauplatz der Moderne sei, pflichtete ich ihm kurz bei. Dann ging ich der Frage nach, wie der Mensch, besonders der gelehrte Mensch, jemals einen solchen Unsinn ernstnehmen kann wie die Behauptung, daß der Verstand nie ablesen könne, was hinter den Phänomenen, d.h. hinter den Erscheinungen steckt. Dabei erinnerte ich mich daran, wie ich in den vergangenen dreieinhalb Jahren an der Universität studierte und dabei den Professoren gelauscht hatte. Unter ihnen einige hervorragende, welche ein Gespür für die Wirklichkeit hatten, und viele andere ohne ein solches Gespür. Deshalb begann ich darüber mich zu wundern, warum einige Professoren dieses gute Gespür für die Vernunft hatten, während andere mit den gleichen Doktorgraden nur wilde und unvernünftige Vorstellungen annahmen. Hier folgt die Antwort dieses Langzeitbeobachters des akademischen Schauplatzes:

Durch ein bißchen Nachdenken dämmerte mir, daß die logischsten Professoren gleichzeitig Katholiken waren, weil sie bestenfalls Konservative sein mögen, jedoch eine wirklichkeitsnahe Weltanschauung besitzen. Die Vorstellungen und Konzepte, welche sie lehren, sind größtenteils vernünftig. Auf der anderen Seite sind die Lehren der Mehrheit der Professoren konfus, verworren und unverständig. Sie erklären seltsame und absonderliche Vorstellungen und unterlegen diese mit Halbwahrheiten. Sie nehmen fast jede moderne Ansicht an, wie z.B. die Globale Erwärmung bzw. den Klimawandel (die neue „Evolution“) und stellen dies als Wahrheit dar. Ihre Beweisführung für diese Ansichten ist purer Unsinn und hält keiner genaueren Untersuchung stand. Ich begann mich zu fragen, warum solch gelehrte Männer so ignorant sein können? Durch viel Nachdenken kam ich auf eine Antwort, von welcher ich sicher annehme, daß sie die richtige ist.

Weil jene Professoren, welche verständiger sind, wenigstens danach streben, katholisch zu sein, liegt es nahe, daß sie etwas besitzen, was die Heiden nicht haben. Vor der Umwälzung durch Martin Luther waren die meisten Wissenschaftler und Gelehrten noch Katholiken, welche ihre Vernunft benutzten und über einen gesunden Menschenverstand verfügten, sodaß die meisten von ihnen die gleiche Wahrheit lehrten und glaubten. Als Luther mit der Kirchenverwüstung begann, verwüstete er auch viele gelehrte Kleriker und Universitätsprofessoren. Luthers Religion schaltete vor allem das Sakrament der Firmung aus, durch welches die Katholiken, wie wir wissen, die sieben Gaben des Heiligen Geistes erhalten, wovon vier für den Verstand sind: die Erkenntnis, Weisheit, Einsicht und der Rat. Alle vier Gaben fehlen den heutigen agnostischen Professoren. Letztere mögen wohlerzogene und gelehrte Menschen sein, doch können sie ihre Gelehrtheit weder auf vernünftige Art und Weise benutzen, noch sie auf die Wirklichkeit anwenden. Wie Pius X. sagte, entwickeln sie lieber Wahnvorstellungen und verkaufen diese als Wahrheiten, und überzeugen außerdem sich selber davon, daß sie genial seien, während sie in Wirklichkeit in der Dummheit sich suhlen. Sie stellen den „2+2=5“-Kult dar und sind noch dazu stolz darauf.

Dieser Theorie zufolge würde die heutige Zerstörung der Akademia auf Luthers Aufgabe des Firmsakramentes fußen und darauf, daß Europas Universitäten immer weniger katholisch sind. Schlußendlich wurden auf die Welt der Akademia tausende Professoren losgelassen, welche jenseits ihrer Fähigkeit, vernünftig zu denken, erzogen worden sind. Aus Mangel an Erkenntnis, Weisheit, Einsicht und Rat in ihrer höchsten Stufe als Gottesgeschenke entwickelten diese Professoren an den Universitäten die Palette der heutigen Irrtümer, auch „–Ismusse“ genannt. Die Behauptung beispielsweise, daß die Globale Erwärmung die Menschheit zerstöre, ist reiner Unsinn und wird trotzdem an den modernen Universitäten gelehrt und geglaubt, als ob es 2+2=4 wäre. Und die staunende Jugend verschlingt diese vergifteten Vorstellungen an den Universitäten wie Kekse beim Nachmittagstee, und insbesondere die Vorstellung, daß die Wahrheit bloß das sei, wofür jeder einzelne sie hält, und daß die Vernunft verworfen werden solle.

Daraus ergibt sich diese Folgerung: Seit das Zweite Vatikanische Konzil entschied, Luthers Fußstapfen zu folgen, indem es die Tradition aufgab und das Firmsakrament so „erneuerte,“ daß seine Gültigkeit bedroht ist, gefährdeten die Katholiken auch die Geschenke des Heiligen Geistes und verloren dementsprechend die Fähigkeit, vernünftig zu urteilen, denn die Firmung der Neukirche will aus den Firmlingen nur noch „bessere Christen“ machen.

Kyrie eleison.

Benedikts Gefühle

Benedikts Gefühle on Mai 7, 2016

Als in Italien vor zwei Monaten ein Gespräch veröffentlicht wurde, welches Benedikt XVI. im Oktober vorigen Jahres mit einem Jesuitenpriester gehalten hatte, nahmen ein paar fehlgeleitete „fromme“ Katholiken dies für Ihre Behauptung zum Anlaß, daß der ehemalige Papst zur traditionellen Lehre zurückkehre hinsichtlich der absoluten Notwendigkeit, für das Seelenheil zur katholischen Kirche zu gehören. Leider zeigt das Gespräch in Wirklichkeit einen reuelosen Modernisten, welcher nicht etwa den modernen Menschen an der katholischen Wahrheit mißt, sondern im Gegenteil diese Wahrheit an dem, was der moderne Mensch verstehen und annehmen kann oder nicht kann. Gerechterweise sei hinzugefügt, daß der Fragesteller vier ernstzunehmende Fragen stellte und Benedikt diesen nicht ausgewichen ist. Es folgt eine zwar fürchterlich gekürzte, aber im wesentlichen doch gerechte Zusammenfassung des Gespräches, mit kursiven Kommentaren:

Frage: Dringt der Glaube aus einer Gemeinschaft hervor, welche wiederum ein Geschenk Gottes ist?

Antwort: Der Glaube ist ein persönlicher, lebendiger Kontakt mit Gott, vermittelt durch eine lebendige Gemeinschaft, da ich, um zu glauben, Gotteszeugen brauche, d.h. die Kirche, welche nicht nur eine Zusammenstellung von Gedankengut ist (richtig, aber dieses Gedankengut ist der eigentliche Glaubensgegenstand, an welchen wir glauben. Benedikt teilt den modernen Subjektivismus). Durch die Sakramente der Kirche gelange ich in den lebendigen Kontakt mit Christus (in Übereinstimmung mit den objektiven Rahmenbedingungen des Glaubens).

F: Kann der moderne Mensch die Paulinische Rechtfertigung durch den Glauben verstehen? (Man beachte die Priorität des modernen Menschen.)

A: Der moderne Mensch denkt, daß Gott nicht die meisten Menschen die ewige Verdammnis kann erleiden lassen (gleicher Kommentar). Das Streben nach persönlicher Erlösung ist größtenteils verschwunden (Na und? Muß deswegen die Doktrin sich ändern?). Dennoch nimmt der moderne Mensch immer noch sein eigenes Bedürfnis nach Barmherzigkeit wahr und weiß also von seiner eigenen Unwürdigkeit. Tatsächlich erwartet er eine rettende Liebe, welche Gottes Barmherzigkeit ist, und das rechtfertigt den Menschen (der Mensch sündigt also, erwartet dann Gottes Barmherzigkeit, und dies rechtfertigt ihn? Das ist beinahe Protestantismus!). Im Gegensatz dazu ist die herkömmliche Idee von Gottvater, welcher seinen eigenen Sohn tötet, um seiner eigenen Gerechtigkeit genüge zu tun, heute unfaßbar. Vielmehr hatten der Vater und der Sohn den gleichen Willen (aber Jesus als Gott und als Mann hatte zwei Willen!), und der Großteil des Bösen in der Welt wurde, so wie es notwendig war, überwältigt durch Gottes Teilhabe am Leiden der Welt, wobei der Vater und der Sohn gleichermaßen dieses Leiden sich teilten (aber der Vater als Gott konnte nicht leiden, und Christus konnte nur als Mensch leiden! Diese neue Lehre entleert die Fleischwerdung, das Kreuz, die Sünde der Menschheit, Gottes Gerechtigkeit und unsere Erlösung! Was bleibt hier noch vom Katholizismus übrig?).

F: Hat die Lehre der Kirche über die Hölle in den modernen Zeiten sich entwickelt?

A: „Bei diesem Punkt sehen wir eine tiefgreifende Entwicklung des Dogma“ (sic! Aber das Dogma kann sich nicht verändern. Als moderner Mensch hat Benedikt keine Vorstellung einer sich unverändernden und unveränderlichen Wahrheit). „Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde die Überzeugung, daß Ungetaufte für immer verlorengehen, schließlich aufgegeben“ (Als ob das Zweite Vatikanum die Lehre der Kirche habe verändern können!). Doch hierbei entsteht ein Problem: warum muß man dann noch Christ sein (gute Frage!)? Rahners Lösung, wonach alle Menschen anonyme Christen sind, kommt ohne das Drama der Bekehrung aus (nur „Drama“ – keine „unbedingte Notwendigkeit“?). Die Lösung der Pluralisten, welcher zufolge alle Religionen für die Erlösung ausreichen, ist ungenügend (das ist wahr). De Lubacs Lösung lautet, daß Christus und die Kirche irgendwie für die ganze Menschheit einspringen, ich erkläre hinzu, durch den Glauben an die Wahrheit, durch die Treue zu ihr und durch das Leiden für sie. Es braucht wenigstens ein paar Seelen, welche dies tun.

F: Wenn ein Übel wiedergutgemacht werden muß, leistet dann das Sakrament der Beichte diese Wiedergutmachung?

A: Christus alleine kann ein Übel wiedergutmachen, doch bringt die Beichte uns immer zurück auf Christi Seite.

Kann jemand angesichts eines solchen Gespräches noch daran zweifeln, daß die Bruderschaftsoberen ernsthaft verblendet sind, wenn sie glauben, die Bruderschaft könne sich getrost unter diese Römer stellen? Die vom Humanismus und Protestantismus herkommende falsche Erlösungsbegriff durchdrang die Knochen der modernen Menschen, und von diesen modernen Knochen aus durchdrang sie schließlich die katholischen Kirchenmänner. Das Zweite Vatikanum lehrt und predigt ein Christentum ohne Kreuz. Das ist zwar sehr beliebt, aber völlig falsch. Möge Gott Erbarmen mit diesen Kirchenmännern haben.

Kyrie eleison.

Zurückgekommenes Chaos

Zurückgekommenes Chaos on März 14, 2015

Der von Erzbischof Lefebvre sehr geschätzte italienische Laie Romano Amerio hatte das Buch Iota Unum geschrieben, woraus diese „Kommentare“ bereits einen faszinierenden Absatz zitierten. Auf meisterhafte Weise zerlegt Amerio in seinem Buch all die doktrinären Irrtümer des Zweiten Vatikanischen Konzils. Im Abschnitt Nr. #319 schreibt er: Wenn (1) die gegenwärtige Krise dazu tendiert, die Natur der Kirche zu stürzen, und wenn (2) diese Tendenz im Innern der Kirche stattfindet im Gegensatz zu früheren externen Angriffen, dann (3) steuern wir auf eine formlose Dunkelheit zu, welche künftig eine Analyse und Prognose unmöglich machen wird, und (4) angesichts derer wir nur noch werden schweigen können.

Genau betrachtet sind das starke Worte. Amerio sagt, daß wir am Rande zum Chaos stehen, denn natürlich (1) neigt die gegenwärtige Krise dazu, die Natur der Kirche zu stürzen und (2) findet sie im Innern der Kirche statt, wenn sogar der Papst Aussagen macht wie „Es gibt keinen katholischen Gott“ oder „Homosexuelle müssen neu bewertet werden“ – alles Aussagen, deren bewußte Mehrdeutigkeit die Tür weit öffnet für den Umsturz des gesamten katholischen Dogmas und der Moral. Doch warum sollte (3) die katholische Analyse und Prognose unmöglich werden, und warum (4) kann dann als Mittel bloß noch das Schweigen übrigbleiben? Wieso zieht Amerio eine solche düstere Schlußfolgerung?

Weil unser Herr sagt, „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht im Finsteren gehen, sondern das Licht des Lebens haben“ (Johannes 8,12), und das stark darauf hindeutet, daß die Masse der Weltbevölkerung, welche ihm nicht folgt, bereits in der Dunkelheit steht. Zudem sagt unser Herr zu seinen Nachfolgern: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Matthäus 5,14), was wiederum stark darauf hinweist, daß das tägliche Schrumpfen der Zahl von überzeugten Katholiken zu einer Zunahme der Dunkelheit in Kirche und Welt führt. Manche werden sagen, daß das Wort Dunkelheit nur ein Gleichnis sei. Warum also sollte die katholische Analyse und Prognose unmöglich werden?

Weil (3) heutzutage immer mehr Menschen zum Denken unfähig sind. Seit unser Herr durch seine Fleischwerdung die übernatürliche Gnade in die Welt brachte zur Rettung der verwundeten und strauchelnden Natur, kann diese nicht mehr ohne seine Gnade selbstständig aufrecht stehen. Wenn also immer mehr Menschen unserem Herrn Jesus Christus und damit Gott den Rücken kehren, untergraben sie ihre eigene Natur und weisen jenen gesunden Menschenverstand zurück, mit welchem sie von Natur aus begabt werden, um in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit inhaltlich, und in Übereinstimmung mit der Logik verfahrensmäßig, zu denken. Die Menschen wollen Freiheit von der Wirklichkeit und von der Logik, um Gott zu trotzen und entsprechend ihrem Größenwahn die Welt neu zu gestalten.

Daraus folgt, wenn Jesus Christus der Menschheit und der menschlichen Natur zuhilfe kam durch Gründung seiner katholischen Kirche, und wenn auf dem Zweiten Vatikanum auch die Nicht-Juden schließlich diese Kirche ablehnten, dann hat das Sich-Selber-Zerreißen des Menschen, seiner Natur und seines Denkens auf dem Zweiten Vatikanum einen solch großen Schritt vorwärts gemacht, daß dieser Prozeß praktisch unumkehrbar ist. Deswegen kann Amerio implizit im Zweiten Vatikanum eine „formlose Dunkelheit“ voraussehen, wovon das kampfeslustige Chaos an stolzen Meinungen, welche heute im Internetz herumtänzeln, als Beispiel und Vorgeschmack dienen mag.

Doch (4) warum nicht in diese Dunkelheit hineinrufen? Warum sollten wir angesichts von ihr nur noch schweigen können? Weil in dem chaotischen Getöse die Wahrheit schlicht nicht mehr gehört wird, außer von ein paar von Gott zum Hören auserkorene Seelen (cf. Apostelgeschichte XIII, 48). Diese Seelen sind Auserwählte Gottes und können aus den überraschendsten Hintergründen kommen. Sie mögen eine wichtige Hilfe der Kirche und eine Hoffnung der Welt darstellen.

Kyrie eleison.

Kardinal Pie – II

Kardinal Pie – II on Juli 5, 2014

Das Zitat Kardinal Pies von letzter Woche (siehe EC 363) geht direkt so weiter:

„In einer solchen äußersten Not und bei einem so verzweifelten Stand der Dinge, wo das Böse eine Welt übernommen hat, welche bald in Flammen verzehrt wird, was sollen da alle echten Christen tun, alle guten Menschen, alle Heiligen, alle Menschen mit einem Funken an Glauben und Mut? Angesichts einer Situation, welche unmöglicher ist als je zuvor, werden sie mit einer aus dem leidenschaftlichen Gebet gezogenen doppelten Kraft, sowie durch Taten und durch furchtloses Kämpfen sagen: Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name, wie im Himmel also auch auf Erden, zu uns komme dein Reich, wie im Himmel also auch auf Erden! Wie im Himmel also auch auf Erden.Diese Worte werden sie noch murmeln, wenn der Boden unter ihren Füßen nachgibt.“

„Wie einst nach einer fürchterlichen militärischen Niederlage der gesamte römische Senat und die Staatsdiener aller Ränge vor die Tore eilten, um den geschlagenen Konsul zu treffen und ihm zu gratulieren, daß er an der römischen Republik nicht verzweifelt war, so ähnlich werden auch der Senat des Himmels, alle Engelchöre und alle Ränge der Seligen kommen, um die edelmütigen Athleten des Glaubens in Empfang zu nehmen, welche in einer hoffnungslos wirkenden Lage immer noch gehofft und bis zum bitteren Ende gekämpft haben werden.“

„Dann wird jenes unmögliche Ideal, welches die Auserwählten aller Altersgruppen hartnäckig anstrebten, endlich Wirklichkeit werden. Bei seinem zweiten und letzten Kommen wird der Menschensohn sein Königtum über diese Welt seinem Vater übergeben und die Macht des Bösen wird für immer in die Tiefen des Abgrundes geworfen werden; und wer sich geweigert hatte, an Gott angepaßt und mit ihm verbunden zu werden durch Jesus Christus im Glauben, in der Liebe und durch Wahrung des Gesetzes, der wird in die Kanalisation des ewigen Unrates geschleudert werden. Und Gott wird leben und herrschen für immer und ewig, nicht nur im Einssein von seiner Natur und in der Gemeinschaft von den drei göttlichen Personen, sondern auch in der Fülle des Mystischen Leibes seines fleischgewordenen Sohnes und in der Erfüllung der Einheit mit den Heiligen.“

Liebe Leser, wir sehen deutlich, daß Kardinal Pie trotz all der Dunkelheit in seinen Zukunftsvisionen kein Schwarzseher war. Obwohl er die menschliche Hoffnungslosigkeit der Situation, in welche die Menschheit sich selber begab, klar erkannte, unterschied er dennoch mit derselben Klarheit die menschliche von der göttlichen Betrachtung: während die Masse der Menschen im 19. Jahrhundert dem Allmächtigen Gott trotzte und sich selber zu Schachfiguren des Teufels und zu Futter für seine schreckliche Hölle machte, wurde nichtsdestotrotz zur selben Zeit Gottes erhabene Absicht erfüllt, die auserwählten Seelen, welche ihn zu lieben und ihm zu dienen wählten, in den Himmel zu bringen. Wahrlich gilt, daß „denen, die Gott lieben, alles mitwirkt zum Guten“ (Römerbrief 8,28).

Im Jahre 2014 könnten wir leicht Gottes Absicht aus den Augen verlieren, wenn wir auf zu menschliche Weise auf all das Böse starren, welches um uns herum voranschreitet. Doch Gottes Absicht besteht nicht darin, die Zivilisation zu retten, wenn der Mensch darauf besteht, sie zu zerstören. Gottes Absicht ist, durch seinen Sohn Jesus Christus die Seelen in den Himmel zu bringen, und diesem Zweck kann durchaus der Zusammenbruch der Zivilisation und aller irdischen Bestrebungen und Hoffnungen dienen, wenn dadurch der Mensch gezwungen ist, sein Herz und seinen Verstand wieder über irdische Betrachtungen emporzuheben. Gott erschuf uns weder nur für dieses kurze Erdenleben noch für diese korrupte Welt. „Denn wir haben hier keine bleibende Stätte, sondern nach der künftigen suchen wir.“ (Hebräer 13,14).

Kyrie eleison.

Konzilskirche?

Konzilskirche? on Juni 7, 2014

Der Begriff „Konzilskirche“ drückt offensichtlich eine echte Wirklichkeit aus und meint die große Menge an Menschen und Institutionen, welche zwar selber als katholisch sich bekennen, tatsächlich jedoch immer mehr in die neue humanistische Religion des Zweiten Vatikanischen Konzils abrutschen. Das „Rutschen“ ist hier wichtig, denn der Konziliarismus, gleich Neo-Modernismus, wurde so entworfen, daß Katholiken den Anschein vom Glauben aufrechterhalten können, während sie tatsächlich seine Substanz entleeren. Im konkreten Einzelfall kann der jeweilige Katholik diesen Vorgang zwar so langsam oder schnell gestalten, wie er möchte, und er muß ihn nicht notwendigerweise zum Abschluß bringen. Doch der Konziliarismus in seiner abstrakten Form ist dem Katholizismus genau entgegengesetzt und, zum Abschluß gebracht, zerstört er den Glauben und die Kirche, wie geplant.

Dieser Vorgang ist eigentlich nicht allzu schwer zu begreifen. Doch die Liberalen an der Spitze der Priesterbruderschaft St. Pius X., welche nach einer Übereinkunft mit den Konziliaristen in Rom trachten, haben alles unternommen, um den Unterschied zwischen Konzilskirche und katholischer Kirche durcheinanderzubringen. Beispielsweise führen sie ins Feld, daß die Kirche sichtbar ist, und weil die Konzilskirche sichtbar ist, so sagen sie, daß die Konzilskirche die Kirche sei. Dabei wurde dieses Argument schon vor Jahren von Erzbischof Lefebvre als „kindisch“ verworfen (weil viele nicht-katholische „Kirchen“ sichtbar sind). Ähnlich kindisch ist das Argument, daß, weil es nur eine Kirche gibt, daher die Konzilskirche und die katholische Kirche ein- und dieselbe sein müßten (tatsächlich gibt es tausende von falschen „Kirchen“).

Nun ist die Wahrheit glücklicherweise nicht allzu kompliziert: Die katholische Kirche ist ein lebendiger Organismus, welcher sowohl göttlich als auch menschlich ist – etwa wie ihr Gründer, unser Herr Jesus Christus. Der göttliche Teil der Kirche als seine makellose Braut kann nicht verderben und auch nicht verdorben werden. Doch der aus sündigen Menschen bestehende Teil der Kirche kann teilweise verfaulen, wie jeder andere lebende Organismus auch. Zum besseren Verständnis, wie die Beziehung der Konzilskirche zur katholischen Kirche aussieht, ist das Gleichnis von einem faulenden Apfel hilfreich.

Einerseits gehört die Fäulnis zum Apfel. Denn alles Verfaulte war einst Apfel. Doch ist die Fäulnis der verdorbene Teil des Apfels, ein Parasit an ihm, welche ohne Apfel nicht existieren kann und fest an ihm kleben bleibt, bis der verfaulte Teil abfällt. Auf ähnliche Weise gehört der Konziliarismus insofern zur katholischen Kirche, als alles Konziliare einst katholisch war; doch ist er eine Verderbtheit in und ein Parasit an der Kirche, welcher ohne sie nicht existieren kann und fest an einem bestimmten Teil der katholischen Kirche kleben bleibt, bis er auch diesen Teil plangemäß zerstört hat.

Doch andererseits gehört die Fäulnis nicht zum Apfel. Denn kein Apfel existierte ursprünglich für das Verfaulen. Die Fäulnis ist die Umwandlung eines Teils des Apfels, eine Verderbtheit des und ein Parasit am Apfel, welche den Apfel zum schlechteren wandelt und in etwas sehr Verschiedenem vom Apfel endet – etwas, worüber kein normaler Mensch sagen würde, es könne gegessen werden oder es sei dem Apfel gleich. Auf ähnliche Weise gehört der Konziliarismus nicht zur katholischen Kirche, weil er eine Verderbtheit des Katholischen und ein Parasit an allem Katholischen ist. Der Konziliarismus wandelt den menschlichen Teil der katholischen Kirche zum schlechteren um und endet in etwas wesentlich Nicht-Katholischem, welches kein normaler Katholik katholisch nennen oder sich damit verbinden würde, ohne Gefahr zu laufen, den Glauben zu verlieren.

Kurz gesagt ist der Konziliarismus die Fäulnis, und die „Konzilskirche“ ein verfaulender Teil der menschlichen Seite der einzigen göttlich-menschlichen Kirche. Während die katholische Kirche bis zum Ende der Zeit existieren wird (Matthäus 28,20), bleibt in der Geschichte die „Konzilskirche“ nur eine von vielen Parasiten-„Kirchen,“ welche von dem lebt, was sie verdirbt und das verdirbt, wovon sie lebt. Sollen die verworrenen und verwirrenden Liberalisten doch dahin gehen, wo der Pfeffer wächst!

Kyrie eleison.