Joseph Ratzinger

Benedikts Gefühle

Benedikts Gefühle on Mai 7, 2016

Als in Italien vor zwei Monaten ein Gespräch veröffentlicht wurde, welches Benedikt XVI. im Oktober vorigen Jahres mit einem Jesuitenpriester gehalten hatte, nahmen ein paar fehlgeleitete „fromme“ Katholiken dies für Ihre Behauptung zum Anlaß, daß der ehemalige Papst zur traditionellen Lehre zurückkehre hinsichtlich der absoluten Notwendigkeit, für das Seelenheil zur katholischen Kirche zu gehören. Leider zeigt das Gespräch in Wirklichkeit einen reuelosen Modernisten, welcher nicht etwa den modernen Menschen an der katholischen Wahrheit mißt, sondern im Gegenteil diese Wahrheit an dem, was der moderne Mensch verstehen und annehmen kann oder nicht kann. Gerechterweise sei hinzugefügt, daß der Fragesteller vier ernstzunehmende Fragen stellte und Benedikt diesen nicht ausgewichen ist. Es folgt eine zwar fürchterlich gekürzte, aber im wesentlichen doch gerechte Zusammenfassung des Gespräches, mit kursiven Kommentaren:

Frage: Dringt der Glaube aus einer Gemeinschaft hervor, welche wiederum ein Geschenk Gottes ist?

Antwort: Der Glaube ist ein persönlicher, lebendiger Kontakt mit Gott, vermittelt durch eine lebendige Gemeinschaft, da ich, um zu glauben, Gotteszeugen brauche, d.h. die Kirche, welche nicht nur eine Zusammenstellung von Gedankengut ist (richtig, aber dieses Gedankengut ist der eigentliche Glaubensgegenstand, an welchen wir glauben. Benedikt teilt den modernen Subjektivismus). Durch die Sakramente der Kirche gelange ich in den lebendigen Kontakt mit Christus (in Übereinstimmung mit den objektiven Rahmenbedingungen des Glaubens).

F: Kann der moderne Mensch die Paulinische Rechtfertigung durch den Glauben verstehen? (Man beachte die Priorität des modernen Menschen.)

A: Der moderne Mensch denkt, daß Gott nicht die meisten Menschen die ewige Verdammnis kann erleiden lassen (gleicher Kommentar). Das Streben nach persönlicher Erlösung ist größtenteils verschwunden (Na und? Muß deswegen die Doktrin sich ändern?). Dennoch nimmt der moderne Mensch immer noch sein eigenes Bedürfnis nach Barmherzigkeit wahr und weiß also von seiner eigenen Unwürdigkeit. Tatsächlich erwartet er eine rettende Liebe, welche Gottes Barmherzigkeit ist, und das rechtfertigt den Menschen (der Mensch sündigt also, erwartet dann Gottes Barmherzigkeit, und dies rechtfertigt ihn? Das ist beinahe Protestantismus!). Im Gegensatz dazu ist die herkömmliche Idee von Gottvater, welcher seinen eigenen Sohn tötet, um seiner eigenen Gerechtigkeit genüge zu tun, heute unfaßbar. Vielmehr hatten der Vater und der Sohn den gleichen Willen (aber Jesus als Gott und als Mann hatte zwei Willen!), und der Großteil des Bösen in der Welt wurde, so wie es notwendig war, überwältigt durch Gottes Teilhabe am Leiden der Welt, wobei der Vater und der Sohn gleichermaßen dieses Leiden sich teilten (aber der Vater als Gott konnte nicht leiden, und Christus konnte nur als Mensch leiden! Diese neue Lehre entleert die Fleischwerdung, das Kreuz, die Sünde der Menschheit, Gottes Gerechtigkeit und unsere Erlösung! Was bleibt hier noch vom Katholizismus übrig?).

F: Hat die Lehre der Kirche über die Hölle in den modernen Zeiten sich entwickelt?

A: „Bei diesem Punkt sehen wir eine tiefgreifende Entwicklung des Dogma“ (sic! Aber das Dogma kann sich nicht verändern. Als moderner Mensch hat Benedikt keine Vorstellung einer sich unverändernden und unveränderlichen Wahrheit). „Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde die Überzeugung, daß Ungetaufte für immer verlorengehen, schließlich aufgegeben“ (Als ob das Zweite Vatikanum die Lehre der Kirche habe verändern können!). Doch hierbei entsteht ein Problem: warum muß man dann noch Christ sein (gute Frage!)? Rahners Lösung, wonach alle Menschen anonyme Christen sind, kommt ohne das Drama der Bekehrung aus (nur „Drama“ – keine „unbedingte Notwendigkeit“?). Die Lösung der Pluralisten, welcher zufolge alle Religionen für die Erlösung ausreichen, ist ungenügend (das ist wahr). De Lubacs Lösung lautet, daß Christus und die Kirche irgendwie für die ganze Menschheit einspringen, ich erkläre hinzu, durch den Glauben an die Wahrheit, durch die Treue zu ihr und durch das Leiden für sie. Es braucht wenigstens ein paar Seelen, welche dies tun.

F: Wenn ein Übel wiedergutgemacht werden muß, leistet dann das Sakrament der Beichte diese Wiedergutmachung?

A: Christus alleine kann ein Übel wiedergutmachen, doch bringt die Beichte uns immer zurück auf Christi Seite.

Kann jemand angesichts eines solchen Gespräches noch daran zweifeln, daß die Bruderschaftsoberen ernsthaft verblendet sind, wenn sie glauben, die Bruderschaft könne sich getrost unter diese Römer stellen? Die vom Humanismus und Protestantismus herkommende falsche Erlösungsbegriff durchdrang die Knochen der modernen Menschen, und von diesen modernen Knochen aus durchdrang sie schließlich die katholischen Kirchenmänner. Das Zweite Vatikanum lehrt und predigt ein Christentum ohne Kreuz. Das ist zwar sehr beliebt, aber völlig falsch. Möge Gott Erbarmen mit diesen Kirchenmännern haben.

Kyrie eleison.

Benedikts Ökumenismus – V.

Benedikts Ökumenismus – V. on Mai 19, 2012

Die umfassende Erörterung eines Themas erfolgt besser in mehreren Abschnitten. So behandelten auch die „Eleison Kommentare“ (EC) über mehrere Wochen verteilt „Benedikts Ökumenismus.“ Falls manche Leser wegen der Unterbrechungen den Diskussionsfaden verloren haben sollten, möchten wir nun die bisherige Argumentationslinie zusammenfassen:

EC 241 legte einige Grundlagen dar: Die katholische Kirche ist ein organisches Ganzes, und wer aus ihrem Glauben herauszupicken oder auszuwählen beginnt, ist ein „Auswähler,“ d.h. (aus dem Griechischen) Häretiker. Trägt dieser nun einen Teil des katholischen Glaubens aus der Kirche hinaus, so ist dieser Teil nicht mehr der bisherige. Das ist vergleichbar mit der Elektrolyse, wo der vom Wasser herausgelöste Sauerstoff aufhört, Teil der Flüssigkeit zu sein und zu Gas wird. Der Konzilsökumenismus behauptet zwar, daß manche Glaubenswahrheiten von Katholiken wie Nicht-Katholiken gemeinsam geglaubt würden, aber tatsächlich kann schon die einfache Aussage „Ich glaube an Gott“ etwas völlig anderes bedeuten, wenn sie in ein protestantisches oder katholisches Glaubenssystem, d.h. Glaubensbekenntnis, eingeflochten wird.

Der EC 247 benutzte einen anderen Vergleich, um aufzuzeigen, daß die aus dem katholischen Ganzen herausgenommenen Teile nicht mehr dieselben Teile bleiben. Während z.B. Goldmünzen aus einem Münzstapel herausgenommen werden können und außerhalb des Stapels immer noch Goldmünzen bleiben, so wird ein von einem lebenden Baum abgeschnittener Zweig etwas völlig anderes: er wird zu totem Holz. Die Kirche gleicht hierbei stärker dem lebenden Baum als den Münzen, denn unser Herr selber verglich seine Kirche mit einem Weinstock. Tatsächlich sagte der Heiland sogar, daß jeder von diesem Weinstock abgeschnittene Zweig ins Feuer geworfen und verbrennen wird (siehe Johannes 15,6. Interessanterweise ist kein lebender Zweig so fruchtbringend wie eine Weinrebe, während umgekehrt nichts so nutzlos ist wie abgestorbenes Rebenholz). Deswegen bleiben entgegen der Behauptung des Ökumenismus die von der katholischen Kirche abgetrennten Teile nicht länger katholisch.

EC 249 zeigte, wie die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils diese falschen Ideen des Ökumenismus förderten. Bereits EC 248 hatte vor der berüchtigten Doppeldeutigkeit der Konzilsdokumente gewarnt und als Beispiel angeführt, wie das Dokument Dei Verbum (Abschnitt 8) dem falschen Begriff der Modernisten namens „lebendige Tradition“ Tür und Tor öffnete. EC 249 präsentierte sodann drei für den Ökumenismus der Modernisten entscheidende Konzilstexte. So suggeriert Lumen Gentium (Abschnitt 8), daß die „wahre“ Kirche Jesu Christi weiter gefaßt sei als die „enge“ katholische Kirche. Und Unitatis Redintegratio (Abschnitt 3) unterstellt, daß die Kirche erstens aus „Elementen“ oder Teilen bestehe, die sowohl außerhalb als auch innerhalb der Kirche vorhanden seien (wie Münzen in und außerhalb eines Stapels), und zweitens daß diese Elemente deswegen innerhalb oder außerhalb der Kirche der Rettung der Seelen dienen würden.

Schließlich ging EC 251 speziell auf den Ökumenismus Benedikts XVI. ein. Die in Wolfgang Schülers Buch Benedikt der XVI. und das Selbstverständnis der katholischen Kirche vorgestellten Zitate des Hw. Ratzinger belegten, daß der junge Theologe Ratzinger in den 1960er-Jahren völlig die These von der Kirche als „goldene Münzen in und außerhalb des Münzstapels“ vertrat. Weitere Zitate zeigten, daß der ältere Ratzinger als Kardinal und Papst dann beständig versuchte, die Waage zu halten zwischen der Kirche als Stapel von Münzen einerseits und als ein organisches Ganzes andererseits. Doch wie Dr. Schüler richtig argumentiert, zeigt genau diese Gratwanderung des Joseph Ratzinger, daß die Hälfte von ihm immer noch an die Kirche als Münzstapel glaubt.

Insofern keine Leser direkte Zitate von Joseph Ratzinger wünschen, die belegen, daß sie hier weder verdreht noch aus dem Zusammenhang gerissen wurden, wird der letzte EC dieser Reihe mit einer Anwendung der Lektionen auf die Situation von Erzbischof Lefebvres Priesterbruderschaft St. Pius X. ausklingen: Einerseits ist die Priesterbruderschaft Teil des wahren katholischen Ganzen, welches „eins, heilig, katholisch und apostolisch“ ist. Andererseits sollte die Bruderschaft tunlichst vermeiden, selber zu einem Teil des kranken konziliaren Ganzen zu werden. Denn der gesunde Zweig, der auf das kranke konziliare Gewächs aufgepfropft wird, würde sich unbedingt die konziliare Erkrankung holen. Nie im Leben könnte ein bloßer Zweig die konziliare Seuche heilen.

Kyrie eleison.

Benedikts Ökumenismus – IV.

Benedikts Ökumenismus – IV. on Mai 5, 2012

Die katholische Kirche lehrte immer, daß sie die alleinige und einzig wahre Kirche Jesu Christi ist. Selbst wenn also der Großteil der Gläubigen sie verließe – was am Ende der Welt geschehen wird (siehe Lukas 18,8) –, so besäße doch die Kirche immer noch ihre Einheit. Aus diesem Grund konnte der Hl. Cyprian sagen, daß die Einheit der Kirche von Gott gestiftet ist, daß sie aus himmlischen Sakramenten gewoben wird und daß sie durch „keine gegenteilige Willenskraft auseinandergerissen werden kann.“ Auch wenn Seelen von der Kirche abfallen oder sich von ihr losreißen mögen, bleibt die Kirche, die sie hinter sich lassen, dennoch immer eins. In dieser Hinsicht bedeutet der Begriff „Einheit der Kirche“ stets die Rückkehr einzelner Seelen – eine nach der anderen – zur einen und wahren Kirche.

So sieht das Zweite Vatikanum allerdings die Kirche nicht. Denn durch die Behauptung in Lumen Gentium (Abschnitt 8), daß die Kirche Christi in der katholischen Kirche „subsistiert“ (verwirklicht ist), ermöglichte dieses Konzil einerseits, die beiden Begriffe Kirche Christi und katholische Kirche mit Leichtigkeit voneinander zu trennen. Und andererseits täuschte das Konzil vor, daß die „wahre“ Kirche Christi viel weiter gefaßt sei als nur die „enge“ katholische Kirche. Aus Konzilssicht gibt es mehrere, außerhalb der katholischen Kirche verstreute Teile der wahren Kirche Christi. „Einheit der Kirche“ bedeute dann, diese Stücke wieder zusammenzufügen, ohne daß die einzelnen Menschen einer nach dem anderen konvertieren müßten. Das entspricht sicherlich der Sichtweise des jungen und hochintelligenten Konzilstheologen Hw. Joseph Ratzinger, wie erstaunliche Worte von ihm kurz nach dem Konzil zeigen, welche Dr. Schüler mit Quellennachweis in seinem Buch Benedikt der XVI. und das Selbstverständnis der katholischen Kirche auf Seite 17–19 zitiert. Eine kurze Zusammenfassung möge die Tendenz dieser Worte Hw. Ratzingers unterstreichen:

Laut dem jungen Hw. Ratzinger ist die „Kirche“ überall dort, wo es einen Bischof, einen Tisch und das Wort Gottes gibt. Im Lauf der Jahrhunderte habe allerdings der römische Zentralismus diese echte weil breite Auffassung von christlicher Gemeinschaft ernstlich verengt, was u.a. die Protestanten zum Wegbrechen von Rom getrieben habe. Man hätte lieber mit den glaubensmäßigen Unterschieden auskommen sollen, so Hw. Ratzinger, und Rückkehrökumene müßte durch eine „Koexistenz-ökumene“ ersetzt werden. Anstatt von einer Kirche zu sprechen, müsse von Kirchen in der Mehrzahl geredet werden. Außerdem müßten die Katholiken sich öffnen, und Konversionen blieben jenen Einzelnen vorbehalten, welche dies auch wirklich wünschten. Die protestantischen Irrtümer werden in der Sicht Hw. Ratzingers schließlich zu den Rechten der Protestanten.

Wo bleiben aber bei all diesem Gerede von Kirchen und Kirche der Glaube und die dogmatische Glaubenslehre? Sie bleiben offensichtlich auf der Strecke. Und was können Gläubige mit so einem gegensätzlichen Glauben wie die (altmodischen) Katholiken und die Protestanten für eine Form von Einheit besitzen? Nur eine von der vorkonziliaren Kircheneinheit sehr verschiedene Einheit. Und das kann nur eine im Vergleich zur vorkonziliaren Kirche sehr verschiedene Kirche mit sich bringen. Tatsächlich zielte der junge Hw. Ratzinger auf die Neukirche ab.

Doch die Einheit der Neukirche wurde gleichzeitig zu einem Problem. Denn erstens ist die Einheit der Kirche ein katholischer Lehrsatz. Zweitens sah Joseph Ratzinger sich als Kardinal und Papst plötzlich bemüßigt, die Einheit der Neukirche gegen noch wildere Revolutionäre als er selber zu verteidigen – beispielsweise gegen Hw. Leonard Boff aus Südamerika, für den die Neukirche überall „subsistiert“ und deshalb auf viele verschiedene Stücke verteilt ist.

Dr. Schüler zitiert also Aussagen Kardinal Ratzingers, wonach die Kirche Christi ihre vollständige Verwirklichung zwar in der katholischen Kirche erfahre, aber nicht solchermaßen, daß dadurch unvollständige Verwirklichungen der Kirche an anderen Stellen ausgeschlossen seien (doch wie kann die Kirche dann noch eins sein?). Auf ähnliche Weise sagt der Kardinal über die Identität zwischen der Kirche Christi und der katholischen Kirche, daß diese Identität zwar erheblich, aber eben nicht ausschließlich sei (doch wie kann eine Identität anders sein als ausschließlich?). Also wieder die Behauptung, daß die Kirche Christi ihr vollständiges Dasein zwar in der katholischen Kirche besitze, sie aber auch noch ein unvollständiges Dasein an anderen Orten habe (doch wie sollte ein Dasein vollständig sein, wenn Teile von ihm noch an anderen Stellen sind?). Und so weiter.

Kurz gesagt enthält die Neukirche von Benedikt XVI. sowohl katholische als auch nicht-katholische Bestandteile. Doch teilweise Nicht-Katholisches ist eben kein Katholisches als Ganzes. Deswegen ist die ökumenische Neukirche von Benedikt XVI. als solche nicht die katholische Kirche.

Kyrie eleison.

Benedikts Ökumenismus – III.

Benedikts Ökumenismus – III. on April 21, 2012

Vor zwei Wochen versprachen die „Eleison Kommentare“ einen Blick auf drei Zitate des Zweiten Vatikanum zu werfen, die eine entscheidende Rolle bei der Auflösung der Kirche Jesus Christi, welche die katholische Kirche ist, gespielt haben. Vor einer Woche warnten dann die „Eleison Kommentare“ vor der Doppeldeutigkeit der Konzilsdokumente, wodurch diese jeweils auf eine Weise gedeutet werden können, als ob nichts Verkehrtes ihnen anhafte. Doch nur eine der jeweils beiden Deutungen ist harmlos, während die andere Deutung für die katholische Kirche tödlich ist – wie die letzten vierzig Jahre bewiesen haben.

Das erste Zitat ist aus dem Konzilsdokument Lumen Gentium, Abschnitt 8: „Diese Kirche Christi . . . in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, subsistiert (ist verwirklicht) in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird.“ Was bedeutet nun dieses Wort „subsistiert“ bzw. im lateinischen Original „subsistit in“? Die Doppeldeutigkeit besteht darin, daß der Begriff einerseits meinen kann, daß die Kirche Christi hauptsächlich und ausschließlich in der römisch-katholischen Kirche existiert, was die Kirche bis zum Zweiten Vatikanum immer lehrte. Andererseits kann der Begriff aber auch meinen, daß die Kirche hauptsächlich, jedoch nicht alleine in der römisch-katholischen Kirche existiert, womit die Kirche Christi teilweise auch außerhalb der römisch-katholischen Kirche existiere n würde. Diese Deutung ist der Türöffner für den konziliaren Ökumenismus, und sie zerstört den immerwährenden dogmatischen Anspruch der katholischen Kirche, daß sie die ausschließliche Arche des Heils ist: „Extra ecclesiam nulla salus,“ zu deutsch: „Außerhalb der Kirche kein Heil.“

Nun besagt allerdings ein weiteres Dogma, daß die Kirche eins ist. In jeder Hl. Sonntagsmesse hören oder singen wir, daß wir an „die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“ glauben. Wie also könnte die Kirche Christi in verschiedene, mehr oder weniger kirchenähnliche Gemeinschaften aufgeteilt sein? Wenn die Kirche eins ist, kann sie nicht aus mehreren Teilen bestehen. Und besteht sie aus mehreren Teilen, so kann sie nicht eins sein. In seinem Buch Benedikt der XVI. und das Selbstverständnis der katholischen Kirche bringt Dr. Wolfgang Schüler mehrere Zitate von Joseph Ratzinger, die belegen, wie Ratzinger als junger Theologe begeistert das Zerstören des Ausschließlichkeits-Anspruches der katholischen Kirche gefördert hatte, während er als Kardinal und Papst sich gleichzeitig bemühte, das Einssein der Kirche hochzuhalten.

Das zweite Zitat stammt aus Unitatis Redintegratio, Abschnitt 3: „Hinzu kommt, daß einige, ja sogar viele und bedeutende Elemente oder Güter, aus denen insgesamt die Kirche erbaut wird und ihr Leben gewinnt, auch außerhalb der sichtbaren Grenzen der katholischen Kirche existieren können . . .” Die offensichtliche Bedeutung dieser Worte lautet: So wie Goldmünzen einerseits einen Münzstapel ausmachen und andererseits auch außerhalb des Stapels als Goldmünzen bestehen können, so können auch kirchliche Elemente und Güter – das Konzil nannte unter anderem „Glaube, Hoffnung, Liebe und andere Gaben des Heiligen Geistes“ – außerhalb der katholischen Kirche als bestehend erkannt werden. Unser Herr Jesus Christus sagte hingegen, daß die von seinem Weinstock abgeschnittenen Reben verwelken und absterben (Johannes 15,6). Was sollte sein Weinstock anderes sein als seine Kirche?

Das dritte Zitat kurz danach in Unitatis Redintegratio, Abschnitt 3, zieht die logische Schlußfolgerung: „Ebenso sind diese getrennten Kirchen und Gemeinschaften trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles. Denn der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen . . .” Hingegen sagte Erzbischof Lefebvre: „Keine von der katholischen Kirche getrennte Gemeinschaft kann die Unterstützung des Heiligen Geistes genießen, weil ihre Trennung einen Widerstand gegen den Heiligen Geist bedeutet. Er kann in direkter Weise nur auf jene Seelen einwirken, und er kann nur jene Mittel direkt verwenden, die kein Zeichen der Trennung tragen.“

Das Zweite Vatikanum mißverstand die Kirche im wesentlichen. Demnächst betrachten wir mit Hilfe Dr. Schülers, wie Benedikt XVI. auf dieses Mißverständnis sowohl bremsend als auch beschleunigend einwirkte.

Kyrie eleison.

Große Gefahr

Große Gefahr on März 31, 2012

Einige Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X. wünschen eine praktische Vereinbarung mit den kirchlichen Autoritäten ohne Einigung in der Glaubenslehre. Dieser Wunsch scheint eine wiederkehrende Versuchung darzustellen. Seit Jahren lehnt der Generalobere Bischof Fellay diese Idee ab. Doch am 2. Februar 2012 sagte er in Winona, daß Rom bereit sei, die Bruderschaft so zu akzeptieren wie sie ist, und „all ihre Anforderungen . . . auf der praktischen Ebene“ anzunehmen. Also scheint Rom die gleiche Versuchung noch einmal vorzulegen.

Die jüngsten Nachrichten aus Rom werden viele Leser bereits kennen: Wenn nur der Vatikan keine Spielchen mit der Bruderschaft treibt, so verlautbarte er am letzten Freitag, dem 16. März 2012, daß Bischof Fellays Antwort vom Januar dieses Jahres auf die doktrinäre Präambel des Vatikan vom letzten September „nicht genügt, um die Glaubensprobleme zu überwinden, welche dem Zerwürfnis zwischen dem Heiligen Stuhl und der Priesterbruderschaft zugrundeliegen.“ Der Vatikan gibt der Bruderschaft einen Monat lang Zeit, ihre „Position zu erläutern“ und „einen Bruch mit schmerzlichen und unabsehbaren Folgen“ zu vermeiden.

Doch was würde passieren, wenn Rom plötzlich aufhören sollte, auf der Akzeptanz des Konzils und der Neuen Messe zu beharren? Was wäre also, wenn Rom plötzlich sagen würde: „Wir haben darüber nachgedacht und sind einverstanden: Kommen Sie auf jene Weise zurück in die Kirche, wie Sie darum baten. Wir werden Ihnen die Freiheit geben, einerseits das Konzil so stark zu kritisieren, wie Sie wollen, und andererseits ausschließlich die Tridentinische Messe zu feiern. Doch kommen Sie endlich in die Kirche zurück!“ Das könnte ein sehr schlauer Schachzug von Seiten Roms sein. Denn wie könnte die Bruderschaft sich dann noch weigern, ein solches Angebot anzunehmen, ohne daß sie widersprüchlich und geradezu undankbar zu sein schiene? Trotzdem müßte um des Überlebens Willen die Bruderschaft auf dieses Angebot verzichten. Um des Überlebens Willen? Starke Worte. Doch betrachten wir einen Kommentar des Erzbischofs in dieser Angelegenheit.

Am 5. Mai 1988 unterzeichnete Erzbischof Lefebvre mit dem damaligen Kardinal Ratzinger zusammen das Protokoll – genauer: den vorläufigen Entwurf – einer praktischen Vereinbarung zwischen Rom und der Priesterbruderschaft. Doch schon am 6. Mai zog der Erzbischof seine – vorläufige – Unterschrift wieder zurück. Am 13. Juni 1988 sagte er: „Mit dem Protokoll vom 5. Mai wären wir bald zugrundegegangen. Wir hätten kein Jahr überleben können. Denn jetzt ist die Bruderschaft geeint. Mit diesem Protokoll allerdings hätten wir notwendigerweise Treffen mit den Römern arrangieren müssen, es hätte eine Spaltung innerhalb der Bruderschaft gegeben und überhaupt alles wäre ein Grund für Abspaltungen geworden “ (Hervorhebung hinzugefügt). „Durch unsere Vereinigung mit Rom wären uns vielleicht schon neue Berufungen zugeflossen. Doch hätten diese neuen Berufungen keine Uneinigkeit mit Rom geduldet und also hätte es Spaltungen gegeben. Mit der jetzigen Haltung jedoch werden Berufungen zuerst einmal gesiebt, bevor sie uns erreichen“ (das gilt nach wie vor für die Priesterbruderschafts-Seminare).

Doch warum hätte es Spaltungen geben sollen (wobei die sich bekriegenden Berufungen nur ein Beispiel von zahllosen anderen sein würden)? Weil logischerweise die praktische Übereinkunft vom 5. Mai 1988 auf einer grundsätzlichen Uneinigkeit in der Glaubenslehre zwischen der Religion Gottes und der Menschenreligion gefußt hätte. Der Erzbischof fuhr fort: „Die Römer zerren uns zum Konzil hinüber . . . während unsere Seite doch die Bruderschaft und die Tradition dadurch bewahrt, daß sie auf vorsichtige Weise zu den Römern Distanz hält “ (Hervorhebung hinzugefügt). Doch warum suchte der Erzbischof dann anfangs überhaupt ein Abkommen? Er fuhr fort: „Wir haben uns redlich bemüht, die Tradition innerhalb der Amtskirche aufrechtzuerhalten. Es stellte sich heraus, daß das unmöglich war. Die Römer haben sich nicht verändert, außer zum Schlechteren.“

Haben die Römer sich seit 1988 geändert? Viele werden sagen: sie sind sogar noch schlechter geworden.

Kyrie eleison.

Wendepunkt

Wendepunkt on März 10, 2012

Im Laufe seiner Predigt vom 2. Februar 2012 in den USA erwähnte der Generalobere der Priesterbruderschaft St. Pius X. über die Beziehungen zwischen Rom und der Bruderschaft, daß ein praktisches Abkommen zwischen den beiden Parteien möglich wäre, wenn Rom die Bruderschaft so akzeptieren würde, wie sie ist. Dabei zitierte der Bischof den Erzbischof Lefebvre, wie dieser oft davon gesprochen habe, daß so ein Abkommen möglich sei. Allerdings, so fügte Bischof Fellay an, habe der Erzbischof im Jahre 1987 zum letzten Male von so einem Abkommen gesprochen. Dieser kleine Zusatz ist von großer Bedeutung und verdient eine eingehende Betrachtung, vor allem für die jüngere Generation, welche nicht mehr mit dem historischen Drama der Bischofsweihen von 1988 vertraut ist.

Das „Drama aller Dramen“ war allerdings das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965), ohne welches die Priesterbruderschaft gar nicht ins Dasein gekommen wäre. Auf diesem Konzil unterzeichnete die große Mehrheit der weltweiten katholischen Bischöfe das „Auf den neuesten Stand bringen“ der Kirche, womit die Bischöfe ihre katholische Autorität von der Wahrheit der katholische Tradition abtrennen ließen. Von da an mußten Katholiken zwischen Autorität und Wahrheit wählen. Bis zum heutigen Tag müssen die Katholiken, wenn sie sich für die Autorität entscheiden, nach der Wahrheit lechzen, und wenn sie sich für die Wahrheit entscheiden, so müssen sie sich stets nach der Wiedervereinigung mit der Autorität sehnen. Erzbischof Lefebvre wählte die Wahrheit. Zur ihrer Verteidigung gründete er im Jahre 1970 die Priesterbruderschaft St. Pius X. Solange wie möglich tat er allerdings alles in seiner Macht stehende, um die Trennung von der Autorität zu überwinden, indem er nach Anerkennung seiner Bruderschaft durch Rom strebte. Aus diesem Grund kann Bischof Fellay heute sagen, daß der Erzbischof bis 1987 wiederholt eine praktische Übereinkunft mit Rom wünschte und auch daran arbeitete.

Der Erzbischof war im Jahre 1987 allerdings 82 Jahre alt und wußte, daß der Einsatz der Priesterbruderschaft für die Tradition ohne Bischöfe ein Ende haben mußte. Also war es dringend geworden, von Rom wenigstens einen Bischof zu bekommen. Doch Rom hielt den Erzbischof hin; weil es sicherlich gleichfalls wußte, daß die Bruderschaft ohne ihren eigenen Bischof eines langsamen Todes sterben würde. Das hartnäckige Hinhalten des damaligen Kardinal Ratzinger machte im Mai 1988 dem Erzbischof völlig klar, daß das neo-modernistische Rom keinerlei Absicht hatte, die katholische Tradition anzuerkennen, geschweige denn zu beschützen. Damit war die Zeit der Diplomatie zu Ende, und der Erzbischof führte die Bischofsweihen durch. Von diesem Zeitpunkt an, so der Erzbischof, galt nur noch der Grundsatz: entweder das katholische Dogma – oder gar nichts! Für den Erzbischof war von da an die absolut notwendige Voraussetzung für irgendwelche Kontakte zwischen Rom und der Bruderschaft das Bekenntnis Roms zum katholischen Glauben nach den großen antiliberalen Lehrschreiben der katholischen Tradition, wie z.B. Pascendi, Quanta Cura, uam.

Deswegen, so Bischof Fellay in seiner Predigt, sprach der Erzbischof bis zu seinem Tod im Jahre 1991 nicht mehr davon, daß eine praktische Vereinbarung zwischen Rom und der Bruderschaft möglich oder wünschenswert wäre. Der Erzbischof war so weit gegangen wie möglich, um von der Autorität die minimale Förderung der Wahrheit zu erhalten. Einmal fragte er sich sogar, ob er im Mai 1988 nicht zu weit gegangen sei. Doch von diesem Zeitpunkt an schwankte er nicht und ging auch keine Kompromisse ein, und drängte vielmehr jene, die auf ihn horchten, dieselbe Linie beizubehalten.

Hat die Situation sich seither verändert? Ist Rom zum Glauben aller Zeiten zurückgekehrt? Man könnte es denken, wenn Bischof Fellay in derselben Predigt vom 2. Februar uns sagt, daß Rom seine harsche Haltung vom 14. September 2011 geändert habe und sich nun bereit erkläre, die Priesterbruderschaft so zu akzeptieren, wie sie ist. Doch wenn wir uns nur an Assisi-III oder die Neuseligsprechung von Johannes Paul II. vom letzten Jahr erinnern, so ist eher zu vermuten, daß hinter dem plötzlichen Wohlwollen der römischen Kirchenmänner gegenüber der Priesterbruderschaft höchstwahrscheinlich etwas anderes liegt: Ein Vertrauen darauf, daß die Euphorie über die Wiederaufnahme und sogar Ausdehnung des gemeinsamen Kontaktes den hartnäckigen Widerstand der Bruderschaft gegen die Neukirche verdünnen, auswaschen und schließlich auflösen wird. Gott sei es geklagt.

„Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn.“

Kyrie eleison.