Eleison Kommentare

Fünfzigerismus im Visier

Fünfzigerismus im Visier on März 8, 2014

Der Grund für die – wenigstens bisher – schwache Reaktion innerhalb der Priesterbruderschaft St. Pius X. auf den vollständigen Kurswechsel unter Bischof Fellay liegt im Wunsch begründet, zum Katholizismus der 1950ger Jahre zurückzukehren. Dies beobachtet eine katholische Gläubige, welche in der englischsprachigen Welt die hl. Messe bei der Bruderschaft besucht. Sie schrieb kürzlich an mich:—

»Warum verfügt unser Teil der Welt über keinen „Widerstand“? Die Antwort meine ich herausgefunden zu haben. Sie erwähnten viele Male, daß die meisten der ursprünglichen Bruderschaftsoberen den Erzbischof Lefebvre nie richtig verstanden haben. Hier bei uns vor Ort gilt diese Einschätzung auch für viele der ursprünglichen Kapellengründer, welche heute so an der Bruderschaft und ihren jetzigen Oberen hängen. Wie kommt das? Warum unternehmen sie nichts, wo doch jetzt von innen zu zerstört werden droht, wofür sie so lang und hart gekämpft haben?«

»Die Antwort faßte am Sonntag eine ältere Dame für mich zusammen. Wie ihr Ehemann und sie die Dinge sehen, kämpften sie beherzt sich durch die 1970ger und 1980ger Jahre, und sehen heute in der Kapelle die Frucht ihrer Anstrengungen. Die Messe mit all ihren äußeren Insignien, dem Grundstück, dem Gebäude, den Sitzbänken, den Statuen, den liturgischen Gewändern – alles dies wird durch die bloße Existenz des „Widerstands“ bedroht. Die Gläubigen kämpften all die Jahre dafür, den Katholizismus ihrer Jugend wiederherzustellen. Für sie geht es überhaupt nicht um die Frage nach der Glaubenslehre. Die ältere Dame ist zwar Mitglied eines Drittordens, denkt aber, daß doktrinäre Angelegenheiten nichts für Laien, sondern nur für Priester und Bischöfe seien. Für sie bedeutet das Studieren von päpstlichen Lehrschreiben eine Einmischung in Angelegenheiten, welche Gott nur für die Kirchenhierarchie vorgesehen habe.«

»Also fragte ich diese Dame, ob sie überhaupt einen Bedarf dafür sieht, ihren Glauben zu verstehen, und ob einzelne Seelen vor Gott sich verantworten müßten für die Frage, ob sie ihren Glauben auch kennen. Ihre Antwort war zwar aufrichtig, aber höchst erstaunlich. Denn sie sagte: „Nein. Vielmehr liegt die Verantwortlichkeit eines Katholiken darin, seinen Oberen zu gehorchen.“ Und wenn diese Oberen im Irrtum sind? „Trotzdem gehorchen. Denn alles anderes hieße Rebellion.“ Und weiter sagte sie, daß bei einem Katholiken bereits dann „Zeichen der Rebellion“ vorhanden seien, wenn er seine Oberen „in Angelegenheiten, welche den Katholiken nichts angehen,“ wie die Doktrin, in Zweifel ziehe. Wenn der Obere falsch liege, werde Gott ihn schon richten – „Einer handelt also niemals falsch, wenn einer dem Priester gehorcht.“ Da haben wir es: die „Widerständler“ seien Rebellen, ungehorsam, despektierlich. Nach dem Motto: Wie können sie es wagen, die Oberen in Frage zu stellen? Und annehmen, Doktrin studieren oder Fragen über ihre Oberen aufwerfen zu dürfen? Und somit sind die „Widerständler“ böse – nicht weil sie doktrinär falsch liegen, sondern weil ihre Worte und Taten den Katholizismus der 1950ger Jahre gefährden.«

»Nun ist allerdings blinder Gehorsam albern. Denn was sollen wir Schäfchen machen, wenn der Hirte geschlagen und die Herde zerstreut ist? Vorgeben, daß alles in Ordnung sei und uns im Namen des Gehorsam von Wölfen verschlingen lassen? Was kann ich solchen Gläubigen denn noch sagen? Sie sind willentlich ignorant und denken noch dazu, daß willentliche Ignoranz eine Tugend sei. Woher kommt ein solche Geisteshaltung? Welcher Irrtum kroch hier in die Kirche und veranlaßte die Katholiken, ihren Verstand auszuschalten? Da bleibt mir nur noch zu sagen übrig: wenn die Bruderschaft solche Herden von lobotomisierten Schafen hat, so wird das konziliare Rom die letzte katholische Bastion im Handstreich hinwegfegen. Die Bruderschaftskapellen brauchen nur noch durch eine formelle Vereinbarung an die Jurisdiktion der konziliaren Ortsbischöfe übergeben zu werden, oder durch eine praktische Zusammenarbeit mit den Priestern des Novus Ordo – was wir bereits vor Ort sahen.«

Beachten wir, wie diese Gläubige die Möglichkeit anschneidet, daß das konziliare Rom die Priesterbruderschaft nicht, wie bisher angenommen, durch eine klare Vereinbarung aufsaugen könnte, sondern vielmehr durch eine schrittweise Verschmelzung. Das ist eine echte Gefahr. Vielleicht bekommt das Generalhaus der Bruderschaft genau diese Vorgehensweise von seinen „neuen Freunden“ in Rom empfohlen?

Kyrie eleison.

Wahrheit zuerst

Wahrheit zuerst on März 1, 2014

Es gibt wohl viele Einwände gegen die Argumente der letzten „Kommentar“-Ausgaben, wonach die göttliche Wahrheit vor den menschlichen Glaubenslehrern kommt, so daß selbst die Fehlbarkeit der Päpste uns nicht allzusehr zu beunruhigen braucht, weil doch der wahre Glaube jeweils hinter ihnen, über ihnen und jenseits von ihnen steht. Der klassische Einwand lautet aber wie folgt: Auch wenn die Wahrheit selber über diesen Päpsten stehe, so gelange sie zu uns menschlichen Wesen doch nur durch diese Päpste, wie die Hl. Schrift sagt: „So kommt also der Glaube aus der Botschaft“ (Römerbrief 10,17). Deshalb habe unser Herr dem Petrus (also den Päpsten) die Aufgabe anvertraut, seine Brüder im Glauben zu stärken (vergleiche Lukas 22,31–32). Somit stünden dann für uns Katholiken die Glaubenslehrer über der Wahrheit, weil wir letztgenannte ohne die Lehrer gar nicht empfangen könnten. Weil außerdem der Hl. Geist den Glaubenslehrern beistehe (Johannes 16,13), wie sollte ich, armer Mensch, dann entscheiden können, ob oder wann er ihnen nicht beisteht?

Wiederum liegt die Antwort in der Hl. Schrift. Der Hl. Paulus schreibt einer Gemeinde, welche er im Glauben unterrichtet hat: „Doch wenn selbst wir oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkündeten, als wir euch verkündet haben, so sei er verflucht!“ Dieser Punkt ist dem Hl. Paulus so wichtig, daß er ihn sogleich wiederholt: „Wie wir schon sagten, so sage ich nun noch einmal: Wenn jemand euch ein anderes Evangelium verkündet, als ihr empfangen habt, so sei er verflucht!“ (Galaterbrief 1,8–9)

Nun hätte ein Galater einwenden können: Warum sollten wir deinem Evangelium vom ersten Besuch in Galatien glauben, aber nicht einem eventuell anderen Evangelium von einem zweiten Besuch? Der Hl. Paulus liefert sofort eine erste Begründung: „Das Evangelium, das von mir verkündet wurde, ist nicht nach menschlicher Art. Denn ich empfing es weder von einem Menschen, noch erlernte ich es durch Unterweisung, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi“ (Galaterbrief 1,11–12). Dann bekräftigt der Hl. Paulus diese Tatsache, indem er berichtet, wie wenig Kontakt er vor seinem Predigtbeginn mit jenen gehabt hat, welche ihn hätten unterrichten können – den anderen Aposteln (1,15–19). Die Galater konnten diese Tatsache offensichtlich nachprüfen, und außerdem schwört der Hl. Paulus, daß er nicht lügt (1,20). Eine zweite Begründung liefert der Völkerapostel etwas später, als er auf die Wunder und Erfahrungen vom Hl. Geist hinweist (3,2–5), dessen die Galater selber Zeugen geworden waren als direkte Folge der Predigten des Hl. Paulus bei seinem ersten Besuch.

Somit beweist der Hl. Paulus, daß Gott ihm dieses Evangelium seines ersten Besuches lehrte und es den Galatern gegenüber bestätigte, auf solche Weise, daß die Galater jeglichen Widerspruch zwischen dem Evangelium und irgendeinem anderen Evangelium nicht nur selber erkennen konnten, sondern sogar mussten, so sie ihre Seele retten wollen. Selbst wenn ein Engel oder Paulus selber – oder ein Papst! – als Lehrer eines anderen Evangeliums aufträte (1,8), so hätten die Galater dennoch die oberste Pflicht, dem ersten Evangelium des Hl. Paulus treu zu bleiben. Die Wahrheit, welche vor ihnen hingezeichnet worden war (3,1), wurde von den Galatern erkannt und angenommen (3,3) – so wie auch wir erkennen können, daß 2 und 2 gleich 4 ist –, und diese Wahrheit hat Vorrang vor jedem anderen Lehrer, welcher ihr widerspricht, ungeachtet seiner Autorität (1,9).

Also konnte Erzbischof Lefebvre durchaus sagen, daß die Kirche zwischen dem Hl. Paulus und dem Zweiten Vatikanischen Konzil 19 Jahrhunderte lang exakt dasselbe Evangelium verkündet hat, welches von Gott stammt und immer wieder von ihm bestätigt wurde. Dieses Evangelium ist die Offenbarung, da von Gott geoffenbart; und die Tradition, da von Kirchenmann zu Kirchenmann weitergereicht; und das Ordentliche und Außerordentliche Lehramt, da durch die Autorität der Kirche gelehrt. Weil nun der Widerspruch zwischen diesem Evangelium und dem Zweiten Vatikanischen Konzil offensichtlich ist, müssen wir für unser Seelenheil die Tradition annehmen und glauben – ungeachtet dessen, was die scheinbaren Autoritäten der Kirche an Gegenteiligem sagen. So gnade uns Gott. Wie um alles in der Welt kann dann die eigene Bruderschaft St. Pius X. des Erzbischof Lefebvre heute offiziell sich den Behörden des Zweiten Vatikanischen Konzil unterordnen wollen?

Kyrie eleison.

Fatale Humanisierung

Fatale Humanisierung on Februar 22, 2014

Einige Katholiken, welche den Apostolischen Stuhl als vakant (nicht besetzt) ansehen, lehnen die letzten Ausgaben dieser „Eleison-Kommentare“ vehement ab, weil diese anscheinend die allumfassende Häresie des Liberalismus auf die gleiche Stufe mit der speziellen Meinung namens Sedisvakantismus setzten. Allerdings greifen die „Kommentare“ die Seuche des Liberalismus ständig heftig an, während in letzter Zeit sie lediglich argumentierten, daß niemand verpflichtet ist, Sedisvakantist zu sein. Ist das nicht eine sehr moderate Haltung im Hinblick darauf, wie oft der Sedisvakantismus einer ziemlich steril machenden Falle gleichkommt?

Die „Kommentare“ vertreten die Position, daß der Sedisvakantismus, obgleich er einen bewundernswerten Versuch zur Bekämpfung des Liberalismus darstellt, für diese Aufgabe bestensfalls ein unzureichendes Mittel ist, weil er mit den Liberalen einen Grundirrtum teilt: die Übertreibung der päpstlichen Unfehlbarkeit. In seiner vollen Tiefe führt dieser Irrtum uns zum Kern der beispiellosen Kirchenkrise von heute, weswegen die „Kommentare“ auf diesem Thema beharren werden und jene Leser um Nachsicht bitten, welche dadurch übermäßig gelangweilt oder gekränkt werden. Die ganze Kirche steht auf dem Spiel, nicht nur die Gefühle dieser oder jener Kirchenglieder.

Die erwähnte volle Tiefe finden wir in der langsamen aber stetigen Abkehr der Menschheit von Gott, von seinem Sohn und von seiner Kirche während der letzten 700 Jahre. Im Hochmittelalter besaßen die Katholiken noch einen klaren und festen Glauben, und sie erfaßten das Einssein und den Absolutheitsanspruch des objektiven Gottes und seiner widerspruchsfreien Wahrheit. Dante setzte Päpste ohne weiteres in sein Inferno. Als über die Jahrhunderte der Mensch jedoch immer stärker sich in den Mittelpunkt aller Dinge rückte, verlor scheinbar Gott seine absolute Transzendenz über alle seine Geschöpfe, die Wahrheit schien immer relativer zu werden und nicht mehr länger an Gottes, sondern stattdessen an des Menschen Autorität zu hängen.

Nehmen wir als Beispiel innerhalb der Kirche die 13. der 17 „Regeln über die kirchliche Gesinnung“ aus dem berühmten Buch Geistliche Übungen des Hl. Ignatius von Loyola. Unzählige Päpste lobten dieses Buch, und zweifellos half es dabei, Millionen von Seelen zu retten. Der Hl. Ignatius schreibt in dieser 13. Regel: „Wir müssen, um in allem sicherzugehen, stets festhalten: was meinen Augen weiß erscheint, halte ich für schwarz, wenn die hierarchische Kirche so entscheidet.“ Eine solche Haltung mochte die Autorität der Kirchenmänner für kurze Zeit stärken, aber drohte sie auf lange Sicht nicht eher, die Autorität von der Wahrheit abzukoppeln?

Tatsächlich war im späten 19. Jahrhundert der Liberalismus bereits so stark geworden, daß die Kirche ihre eigene Autorität unterstützen mußte, indem sie im Jahre 1870 eine Definition über das unter voller Kraft agierende Lehramt herausgab: namentlich, wenn 1) ein Papst 2) definiert, 3) den Glauben oder die Moral betreffend, und 4) für die gesamte Kirche bindend. Doch weil seither viele Katholiken zu menschlich denken, tendierten sie zu folgendem Irrtum: anstatt das päpstliche Außerordentliche Lehramt in Bezug zu Gott und zur unabänderlichen Wahrheit des Ordentlichen Lehramts der Kirche zu stellen, verleihen sie der menschlichen Person des Papstes eine Unfehlbarkeit, welche allein von Gott stammt und allein ihm gebührt. Dieser Vermenschlichungsprozeß erzeugte eine schleichende Unfehlbarkeit, welche fast zwangsläufig in dem absurden Anspruch Pauls VI. gipfelte, im Namen eines „Feierlichen Ordentlichen Lehramtes“ die Tradition der Kirche umformen zu können. Die große Mehrheit der Katholiken ließ den Papst damit ungestraft davonkommen. Bis heute werden viele von ihnen Tag für Tag mehr Liberale, weil sie den Konzilspäpsten folgen, während eine kleine Minderheit von Katholiken sich angetrieben fühlt, jenen das Papst-Sein abzusprechen, welche für diesen konziliaren Unsinn verantwortlich sind.

Kurz gesagt habe ich durchaus Respekt für viele Sedisvakantisten, insofern sie an die Kirche glauben und verzweifelt keine andere Lösung für ein unendlich großes Kirchenproblem finden. Doch sollten sie meiner Meinung nach höher und tiefer zugleich schauen: auf die unendliche Höhe und Tiefe Gottes.

Kyrie eleison.

Kirchliche Unfehlbarkeit – II

Kirchliche Unfehlbarkeit – II on Februar 15, 2014

Die kirchliche Unfehlbarkeit verdient eine ausführliche Erklärung, besonders um Illusionen zu korrigieren, welche (unbeabsichtigt) aus der Festlegung oder Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit im Jahre 1870 herrühren. Beispielsweise denken heutzutage die Sedisvakantisten und die Liberalen, daß ihre Positionen komplett entgegengesetzt seien. Doch haben sie schon einmal innegehalten und bemerkt, wie ähnlich sie in diesem Punkt denken? Obersatz: die Päpste sind unfehlbar. Untersatz: die Konzilspäpste sind liberal. Schlußfolgerung der Liberalen: wir müssen liberal werden. Schlußfolgerung der Sedisvakantisten: die Konzilspäpste können keine Päpste sein. Der Denkfehler liegt hier weder in der Logik, noch im Untersatz, sondern kann nur im Mißverständnis auf beiden Seiten von der Unfehlbarkeit im Obersatz liegen. Noch einmal sei daran erinnert, wie der moderne Mensch die Autorität über die Wahrheit stellt.

Der Ewige Gott ist die Wahrheit an sich und absolut unfehlbar. In der geschaffenen Zeit stattete er seine Kirche durch seinen fleischgewordenen Sohn mit der Glaubenslehre zur Rettung der menschlichen Seelen aus. Weil diese Glaubenslehre von Gott kommt, kann sie nur unfehlbar sein. Um sie allerdings von den Fehlern der menschlichen Kirchenmänner, welchen er diese Glaubenslehre anvertraute, freizuhalten, versprach der Gottessohn diesen Kirchenmännern, daß der „Geist der Wahrheit“ ihnen „immerfort“ beistehen werde (siehe Johannes 14,16). Hätte ohne eine solche Garantie der Dreifaltige Gott von den Menschen verlangen können, unter Androhung von ewiger Verdammnis, an seinen Sohn, seine Lehre und seine Kirche zu glauben (Matthäus 16,16)?

Doch Gott nimmt auch den Kirchenmännern nicht jenen freien Willen weg, welchen er ihnen gab und welcher zum Irrtum fähig ist. Gott läßt zu, daß diese Kirchenmänner ihre Freiheit so weit anwenden, wie sie möchten – nur nicht so weit, daß sie seine Wahrheit für die Menschen völlig unzugänglich machen. Somit geht diese Freiheit zum Irren wirklich sehr weit, und sie umfaßt eine gewisse Anzahl von höchst fehlerbehafteten Päpsten. Doch Gottes Arm reicht noch viel weiter, trotz der Verkommenheit der Menschen (Isaias 59,1–2). Beispielsweise ging beim Zweiten Vatikanischen Konzil der Irrtum der Kirchenmänner sehr weit, ohne daß Gott allerdings zugelassen hat, daß seine Kirche ganz vergangen wäre bei ihrem Sichtbarmachen der irrtumslosen Wahrheit, welche auf Gottes eigener Unfehlbarkeit ruht. Selbst die Konzilspäpste haben neben ihren konziliaren Irrtümern noch eine ganze Reihe katholischer Wahrheiten von sich gegeben.

Doch wie kann ich als einfache Seele nun den Unterschied zwischen den Wahrheiten und den Irrtümern der Kirchenmänner treffen? Erstens wird Gott, wie die Hl. Schrift an vielen Stellen sagt, mich zu ihm führen, wenn ich nur aufrichtigen Herzens nach ihm strebe. Zweitens kann Gottes Lehre, weil sie so unveränderlich wie Gott selber ist, nur jene Lehre sein, welche (fast) alle Kirchenmänner an (fast) allen Orten und zu (fast) allen Zeiten lehrten und überlieferten – auch als Tradition bekannt. Von Beginn der Kirche an war dieses Überliefern die sicherste Bewährungsprobe dafür, was unser Herr selber gelehrt hatte. Im Laufe der Jahrhunderte ist diese irrtumslose Tradition das Werk von Millionen von Kirchenmännern geworden. Dafür hat Gott seine Kirche als Ganzes – und nicht nur die Päpste – mit dem Beistand des unfehlbaren Heiligen Geistes ausgestattet.

Das ist sozusagen der Kuchen der kirchlichen Unfehlbarkeit, wovon die Päpste mit ihren feierlichen Definitionen lediglich das Sahnehäubchen darstellen. Gewiß sind ihre Definitionen wertvoll und notwendig, aber eben nicht der Berg der kirchlichen Unfehlbarkeit, sondern nur seine Spitze. Beachten wir z.B., daß erstens die Definitionen des päpstlichen Außerordentlichen Lehramtes nicht erst seit 1870 existierten, sondern seit dem Beginn der Kirche. Und daß zweitens diese Definitionen nicht aus dem Grund existieren, um die Tradition wahr zu machen, sondern lediglich um Gewißheit zu schaffen, was zur Tradition gehört und was nicht – wenn irrende Menschen dieses Dazugehören zweifelhaft machen. Mit seinem Gespür für die Wahrheit hielt Erzbischof Lefebvre zurecht sich lieber an die irrtumslose Tradition als an schwer irrende Päpste. Doch nun beginnen seine Nachfolger – welche ihn nie verstanden haben, weil sie, wie alle modernen Liberalen, die Wahrheit nicht genug spüren – , irrende Päpste der irrtumslosen Tradition vorzuziehen. Und wenn die Sedisvakantisten die Wahrheit unterschätzen und die Päpste überschätzen, und somit irrende Päpste ganz verwerfen, so können sie versucht sein, die Kirche ganz zu verlassen. Herr, erbarme Dich!

Kyrie eleison.

Kirchliche Unfehlbarkeit – I

Kirchliche Unfehlbarkeit – I on Februar 8, 2014

Wahrscheinlich liegt für Sedisvakantisten das Hauptproblem in der kirchlichem Unfehlbarkeit (Motto: die Konzilspäpste sind auf schreckliche Weise fehlbar, wie könnten sie da noch Päpste sein?). Allerdings sollten wir die Unfehlbarkeit generell verstehen, und nicht nur, um den Sedisvakantismus zu entschärfen. Denn das Problem der Moderne, die Autorität über die Wahrheit zu stellen, ist riesengroß.

„Unfehlbarkeit“ heißt die Unfähigkeit zu irren oder einen Fehler zu begehen. Im Jahre 1870 definierte das Vatikanische Konzil, daß der Papst nicht irren kann, wenn alle folgenden vier Bedingungen erfüllt sind: Er muß 1) als Papst sprechen, 2) über Fragen des Glaubens oder der Moral, 3) auf endgültige Weise und 4) in der klaren Absicht, für die gesamte Kirche bindend zu sein. Eine solche Lehre gehört dann zum sogenannten „außerordentlichen“ Lehramt. Außerordentlich, weil der Papst einerseits nur selten alle vier Bedingungen gleichzeitig anwendet, und andererseits viele andere Wahrheiten lehrt, welche nicht irrig oder falsch sein können, weil sie schon immer von der Kirche gelehrt worden sind und daher zum „Ordentlichen kirchlichen Lehramt,“ wie das Vatikanum sagte, gehören und ebenfalls unfehlbar sind. Die eigentliche Frage ist nun die des Verhältnisses zwischen dem Außerordentlichen Lehramt des Papstes und dem Ordentlichen Lehramt der Kirche.

Die hl. Mutter Kirche lehrt, daß das Glaubensgut der Kirche, auch Offenbarung genannt, mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen war, also ungefähr im Jahre 105 des Herrn. Seither ist dem offenbarten Glaubensgut, dem kirchlichen Lehrbestand, weder etwas hinzugefügt worden, noch hätte etwas hinzugefügt werden können. Somit kann auch eine „außerordentliche“ Definition kein einziges Jota an Wahrheit zu diesem Glaubensgut hinzufügen, sondern um der Gläubigen willen lediglich Gewißheit über eine einzelne und bereits zum Glaubensgut gehörende Wahrheit dazugeben, weil dieses Dazugehören noch nicht klar genug gewesen war. In einer vierfacher Abfolge steht an erster Stelle eine bestimmte objektive Wirklichkeit, welche vom menschlichen Verstand unabhängig ist, wie z.B. die geschichtliche Tatsache, daß die hl. Muttergottes ohne Erbsünde empfangen worden war. An zweiter Stelle rückt dann die Wahrheit in den Verstand aller, welche mit dieser Wirklichkeit übereinstimmen. Erst an dritter Stelle kommt die unfehlbare Definition, wenn also ein Papst die eingangs skizzierten vier Bedingungen erfüllt. Und viertens entspricht dieser kirchlichen Definition dann die Gewißheit für die Gläubigen bezüglich dieser Wahrheit. Dies bedeutet: wo die Wirklichkeit die Wahrheit erzeugt, schafft eine kirchliche Definition lediglich Gewißheit bezüglich dieser Wahrheit.

Allerdings gehören die Wirklichkeit und ihre Wahrheit bereits zum Ordentlichen Lehramt, denn zweifellos kann kein Papst eine Wahrheit außerhalb des Glaubensgutes unfehlbar definieren. Das Verhältnis vom Ordentlichem Lehramt zum Außerordentlichen Lehramt entspricht also dem Verhältnis des Hundes zum Schwanz, nicht des Schwanzes zum Hunde. Das Problem ist nun, daß die Definition aus dem Jahre 1870 dem Außerordentlichen Lehramt eine solche Geltung verschaffte, daß im Vergleich dazu das Ordentliche Lehramt zu verblassen begann – bis hin zu dem Punkt, daß Katholiken, und selbst Theologen, dem Ordentlichen Lehramt eine Unfehlbarkeit gleich dem Außerordentlichen Lehramt andichten wollten. Doch ist dies unklug, denn das Außerordentliche Lehramt setzt das Ordentliche Lehramt voraus und existiert sogar nur, um einer Wahrheit (2), welche bereits vom Ordentlichen Lehramt gelehrt worden ist, Gewißheit (4) zu verleihen.

Veranschaulichen wir diesen Sachverhalt durch einen Berg mit einer Schneekappe obendrauf. Der Berg hängt in keiner Weise von diesem Schnee ab, sondern wird durch ihn nur noch deutlicher sichtbar. Im Gegensatz dazu hängt der Schnee auf dem Berg allerdings ganz vom Berg ab, damit er (der Schnee) überhaupt an seinem Platz liegen kann. Auf ähnliche Weise macht das Außerordentliche Lehramt das Ordentliche Lehramt nur noch deutlicher oder gewisser sichtbar. Und wenn der Winter hereinbricht, sinkt die Schneefallgrenze. Weil die Nächstenliebe in der heutigen Zeit erkaltet, so mögen zwar mehr Definitionen des Außerordentlichen Lehramtes notwendig sein, doch stellt das keine Perfektion des Ordentlichen Lehramtes dar. Im Gegenteil unterstreicht diese Vermehrung an Definitionen nur die Schwachheit der Gläubigen beim Begreifen ihres Glaubens. Je gesünder der Mensch ist, desto weniger Medizin braucht er. Nächste Woche wenden wir diese Ausführungen auf den Sedisvakantismus und auf die Krise der Priesterbruderschaft St. Pius X. an.

Kyrie eleison.

Sedisvakantisten-Angst – II.

Sedisvakantisten-Angst – II. on Februar 1, 2014

1) Entweder müssen wir die Konzilspäpste ganz anerkennen (wie die Liberalen – Gott bewahre), oder aber sie ganz zurückweisen (wie die Sedisvakantisten). Sie allerdings teilweise anzuerkennen und teilweise abzulehnen, bedeutet nach eigener Erkenntnis auszuwählen, wie das schon Luther tat und alle Häretiker es tun (aus dem Griechischen: „Auswähler“).

Das träfe zu, wenn wir nach eigenem Ermessen auswählen würden. Es trifft jedoch nicht zu, wenn wir, wie Erzbischof Lefebvre, in Übereinstimmung mit der katholischen Überlieferung urteilen, welche in den Kirchendokumenten von 2000 Jahren enthalten ist. Auf diese Weise beurteilen wir in Übereinstimmung mit 260 Päpsten gegenüber bloß sechs Konzilspäpsten. Doch dieser Mangel an Übereinstimmung beweist noch nicht die Ungültigkeit dieser sechs.

2) Aber die Konzilspäpste haben doch den Glauben vergiftet und das Seelenheil von Millionen und Abermillionen von Katholiken in Gefahr gebracht. Das steht im Widerspruch zum Dogma der Unvergänglichkeit der Kirche.

Während der Arianismus-Krise im 4. Jahrhundert gefährdete Papst Liberius den Glauben durch seine Verurteilung des Hl. Athanasius und durch seine Unterstützung der arianischen Bischöfe im Osten. Für ein paar Augenblicke im Leben der Kirche lag die kirchliche Unvergänglichkeit nicht mehr beim Papst, sondern bei seinem scheinbaren Gegner. Doch beraubte das weder Liberius seines Papstamtes, noch machte es Bischof Athanasius zum Papst. Auf ähnliche Weise ruht heute die Unvergänglichkeit der Kirche auf den gläubigen Nachfolgern jener Kirchenlinie, welche Erzbischof Lefebvre gefestigt hatte. Doch heißt das nicht, daß Paul VI. kein Papst gewesen wäre.

3) Wenn die Bischöfe der Weltkirche in Einheit mit dem Papst lehren, dann spricht das Ordentliche und Universelle Lehramt der Kirche, welches unfehlbar ist. Doch seit 50 Jahren lehren die Bischöfe der Welt in Einheit mit den Konzilspäpsten konziliaren Unsinn. Aus diesem Grunde können diese Päpste keine echten gewesen sein.

Stünde das ordentliche Lehramt der Kirche außerhalb der Überlieferung, so wäre es nicht mehr „ordentlich,“ sondern höchst außerordentlich, denn die Kirche kennt keine Neuerungen, und das Wort „universell“ umfaßt Raum und Zeit. Nun aber steht die konziliare Lehre weit außerhalb der Überlieferung (z.B. Kultfreiheit und Ökumenismus). Daher fällt die eigentliche Konzilslehre nicht unter das Ordentliche Allgemeine Lehramt, und sie kann also auch nicht als Beweis dafür herhalten, daß die Konzilspäpste keine Päpste wären.

4) Der Modernismus ist das „Sammelbecken aller Häresien“ (Hl. Pius X.) Die Konzilspäpste waren allesamt „öffentlich und augenscheinlich“ Modernisten, d.h. Häretiker in einer Form, worüber der Hl. Robert Bellarmin sagte, daß sie nicht Glieder der Kirche sein können, geschweige denn ihr Haupt.

Siehe „Eleison Kommentare“ von letzter Woche. Zu Zeiten des Hl. Bellarmin lagen die Dinge deutlich klarer, oder sagen wir „öffentlich und augenscheinlich,“ als in der heutigen Verwirrung der Gedanken und Herzen. Die objektive Häresie der Konzilspäpste (d.h. was sie sagen) ist zwar öffentlich und augenscheinlich, nicht jedoch ihre subjektive und formale Häresie (d.h. ihr bewußte und entschlossene Absicht zu leugnen, was sie als unveränderliches katholisches Dogma kennen). Den Nachweis ihrer formalen Häresie könnte nur eine Gegenüberstellung mit der kirchlichen Lehrautorität erbringen, z.B. die Heilige Inquisition oder das Heilige Offizium – nenne man es, wie man will („Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften,“ so Shakespeare). Jedoch ist der Papst als solcher die höchste Lehrautorität der Kirche und steht über und hinter der heutigen Glaubenskongregation. Wie könnte dann der Beweis erfolgen, daß er jene Form von Häretiker ist, welche unmöglich Oberhaupt der Kirche sein kann?

5) Dann befindet die Kirche sich in einem ausweglosen Durcheinander!

Erneut verweise ich auf die „Eleison Kommentare“ von letzter Woche. Das Denken der modernen Menschen ist so umfassend durcheinander, daß nur noch Gott allein diesen Saustall auszumisten vermag. Jedoch spricht dieser Einwand eher dafür, daß Gott eingreifen muß (und zwar bald!), als für die These, daß die durcheinandergebrachten Päpste keine Päpste seien. Haben wir Geduld. Gott unterzieht uns einer schweren Prüfung, und er hat alles Recht dazu.

Kyrie eleison.