Irrtum

Kirchliche Unfehlbarkeit – II

Kirchliche Unfehlbarkeit – II on Februar 15, 2014

Die kirchliche Unfehlbarkeit verdient eine ausführliche Erklärung, besonders um Illusionen zu korrigieren, welche (unbeabsichtigt) aus der Festlegung oder Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit im Jahre 1870 herrühren. Beispielsweise denken heutzutage die Sedisvakantisten und die Liberalen, daß ihre Positionen komplett entgegengesetzt seien. Doch haben sie schon einmal innegehalten und bemerkt, wie ähnlich sie in diesem Punkt denken? Obersatz: die Päpste sind unfehlbar. Untersatz: die Konzilspäpste sind liberal. Schlußfolgerung der Liberalen: wir müssen liberal werden. Schlußfolgerung der Sedisvakantisten: die Konzilspäpste können keine Päpste sein. Der Denkfehler liegt hier weder in der Logik, noch im Untersatz, sondern kann nur im Mißverständnis auf beiden Seiten von der Unfehlbarkeit im Obersatz liegen. Noch einmal sei daran erinnert, wie der moderne Mensch die Autorität über die Wahrheit stellt.

Der Ewige Gott ist die Wahrheit an sich und absolut unfehlbar. In der geschaffenen Zeit stattete er seine Kirche durch seinen fleischgewordenen Sohn mit der Glaubenslehre zur Rettung der menschlichen Seelen aus. Weil diese Glaubenslehre von Gott kommt, kann sie nur unfehlbar sein. Um sie allerdings von den Fehlern der menschlichen Kirchenmänner, welchen er diese Glaubenslehre anvertraute, freizuhalten, versprach der Gottessohn diesen Kirchenmännern, daß der „Geist der Wahrheit“ ihnen „immerfort“ beistehen werde (siehe Johannes 14,16). Hätte ohne eine solche Garantie der Dreifaltige Gott von den Menschen verlangen können, unter Androhung von ewiger Verdammnis, an seinen Sohn, seine Lehre und seine Kirche zu glauben (Matthäus 16,16)?

Doch Gott nimmt auch den Kirchenmännern nicht jenen freien Willen weg, welchen er ihnen gab und welcher zum Irrtum fähig ist. Gott läßt zu, daß diese Kirchenmänner ihre Freiheit so weit anwenden, wie sie möchten – nur nicht so weit, daß sie seine Wahrheit für die Menschen völlig unzugänglich machen. Somit geht diese Freiheit zum Irren wirklich sehr weit, und sie umfaßt eine gewisse Anzahl von höchst fehlerbehafteten Päpsten. Doch Gottes Arm reicht noch viel weiter, trotz der Verkommenheit der Menschen (Isaias 59,1–2). Beispielsweise ging beim Zweiten Vatikanischen Konzil der Irrtum der Kirchenmänner sehr weit, ohne daß Gott allerdings zugelassen hat, daß seine Kirche ganz vergangen wäre bei ihrem Sichtbarmachen der irrtumslosen Wahrheit, welche auf Gottes eigener Unfehlbarkeit ruht. Selbst die Konzilspäpste haben neben ihren konziliaren Irrtümern noch eine ganze Reihe katholischer Wahrheiten von sich gegeben.

Doch wie kann ich als einfache Seele nun den Unterschied zwischen den Wahrheiten und den Irrtümern der Kirchenmänner treffen? Erstens wird Gott, wie die Hl. Schrift an vielen Stellen sagt, mich zu ihm führen, wenn ich nur aufrichtigen Herzens nach ihm strebe. Zweitens kann Gottes Lehre, weil sie so unveränderlich wie Gott selber ist, nur jene Lehre sein, welche (fast) alle Kirchenmänner an (fast) allen Orten und zu (fast) allen Zeiten lehrten und überlieferten – auch als Tradition bekannt. Von Beginn der Kirche an war dieses Überliefern die sicherste Bewährungsprobe dafür, was unser Herr selber gelehrt hatte. Im Laufe der Jahrhunderte ist diese irrtumslose Tradition das Werk von Millionen von Kirchenmännern geworden. Dafür hat Gott seine Kirche als Ganzes – und nicht nur die Päpste – mit dem Beistand des unfehlbaren Heiligen Geistes ausgestattet.

Das ist sozusagen der Kuchen der kirchlichen Unfehlbarkeit, wovon die Päpste mit ihren feierlichen Definitionen lediglich das Sahnehäubchen darstellen. Gewiß sind ihre Definitionen wertvoll und notwendig, aber eben nicht der Berg der kirchlichen Unfehlbarkeit, sondern nur seine Spitze. Beachten wir z.B., daß erstens die Definitionen des päpstlichen Außerordentlichen Lehramtes nicht erst seit 1870 existierten, sondern seit dem Beginn der Kirche. Und daß zweitens diese Definitionen nicht aus dem Grund existieren, um die Tradition wahr zu machen, sondern lediglich um Gewißheit zu schaffen, was zur Tradition gehört und was nicht – wenn irrende Menschen dieses Dazugehören zweifelhaft machen. Mit seinem Gespür für die Wahrheit hielt Erzbischof Lefebvre zurecht sich lieber an die irrtumslose Tradition als an schwer irrende Päpste. Doch nun beginnen seine Nachfolger – welche ihn nie verstanden haben, weil sie, wie alle modernen Liberalen, die Wahrheit nicht genug spüren – , irrende Päpste der irrtumslosen Tradition vorzuziehen. Und wenn die Sedisvakantisten die Wahrheit unterschätzen und die Päpste überschätzen, und somit irrende Päpste ganz verwerfen, so können sie versucht sein, die Kirche ganz zu verlassen. Herr, erbarme Dich!

Kyrie eleison.

Vorwärts, Konziliarisierung

Vorwärts, Konziliarisierung on September 14, 2013

In der Augustausgabe von Englands neuer katholischer Monatszeitschrift The Recusant, welche sich als „Inoffizieller FSSPX-Rundbrief im Guerilla-Kampf für die Seele der Tradition“ bezeichnet, erschien ein guter Artikel. Er argumentiert, daß die Deklaration der drei Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) vom 27. Juni 2013 nicht so glaubenstreu ist, wie sie zunächst aussieht. Ein kurzer Überblick wird den sieben dichten Seiten des Recusant -Artikels zwar kaum gerecht, doch verdient seine Leitlinie eine Verbreitung. Diese Linie lautet so:—

Auf den ersten Blick scheint die Deklaration vom 27. Juni traditionell zu sein, aber wie schon in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils A gibt es gewöhnlich eine Lücke, oder besser gesagt eine verhängnisvolle Schwachstelle, durch welche der ganze Rest des Dokumentes untergraben werden kann. Werfen wir also Absatz für Absatz einen genaueren Blick auf die Deklaration:

§1) „Dankbarkeit“ wird dem Erzbischof Lefebvre ausgedrückt, aber in der Deklaration folgen nur harmlose und weiche Zitate von ihm. Weder wird seine Predigt von den Bischofsweihen des Jahres 1988 erwähnt, noch folgen Zitate seiner schlagkräftigen Gründe für die Notwendigkeit dieser Bischofsweihen, um den „Antichristen in Rom“ (wie der Erzbischof sagte) Widerstand zu leisten.

§3) Zwar wird zugegeben, daß die „ Ursache “ für die Irrtümer, welche die Kirche verwüsten, in den Konzilsdokumenten enthalten sind. Doch ist das nicht gleichbedeutend mit dem Eingeständnis, daß diese Irrtümer in den Dokumenten sind, denn Ursache und Wirkung können nicht identisch sein. In Wahrheit sind allerdings schwere Irrtümer direkt in den Konzilsdokumenten enthalten, wie z.B. die Religionsfreiheit.

§4) Es wird anerkannt, daß das Zweite Vatikanum die Art und Weise, wie die Kirche lehrt oder wie sie Autorität ausübt, veränderte und sogar beeinträchtigte. Jedoch stellt nicht die Autorität das Hauptproblem dar, sondern die Glaubenslehre, siehe §8.

§5) Die Deklaration erinnert nur mit relativ weichen Worten an die „ Nicht-Beschäftigung “ der Konzilskirche mit der „Herrschaft Christi.“ In Wahrheit jedoch leugnet und widerspricht die Konzilskirche der universellen Christkönigsherrschaft, welche doch die Kriegsflagge des Erzbischofs und heutzutage aller echt antiliberalen Katholiken ist.

§6) Wie bereits in §3) angeschnitten, gibt die Deklaration zwar zu, daß das Konzilsdokument über die Religionsfreiheit zur Auflösung Christi führt. Doch das wirkliche Problem ist, daß der Konzilstext diese Auflösung ist, weil er den Menschen an die Stelle Gottes stellt. Das Zweite Vatikanum ist nicht nur die Frucht menschlicher Schwäche oder Geistesabwesenheit, sondern das Ergebnis einer satanischen Verschwörung.

§7) Auf ähnliche Weise lassen Ökumenismus und interreligiöser Dialog nicht lediglich „die Wahrheit über die eine wahre Kirche verstummen,“ wie in der Deklaration behauptet, sondern sie leugnen und widersprechen dieser Wahrheit. Auch „löschen“ Ökumenismus und interreligiöser Dialog nicht einfach nur „den missionarischen Geist“ aus, sondern sie löschen die Mission als solche aus, und mit ihr Millionen von Seelen überall auf der Welt.

§8) Als Grund für den Ruin der kirchlichen Institutionen wird die Zerstörung der Autorität innerhalb der Kirche durch die konziliare Kollegialität und den demokratischen Geist des Konzils gesehen. Doch das Hauptproblem (wie der einleitende Satz des Absatzes nur schwach andeutet) ist der Verlust des Glaubens, während die Autorität nur zweitrangig ist.

§9) Obgleich die Erklärung auf echte Fehler und schwere Auslassungen im Novus-Ordo-Meßritus hinweist, erwähnt sie doch mit keinem Wort das weltweite Gemetzel an Seelen, welches dieser Ritus anrichtet durch sein Verfälschen ihrer Anbetung von Gott. Die Novus-Ordo-Messe ist die Hauptantriebsfeder der Kirchenzerstörung von 1969 bis heute.

§10) Schließlich wird eine ängstliche und unterwürfige Sprache verwendet, um „mit Nachdruck zu bitten,“ daß Rom doch zur Tradition zurückkehren möge. Selbstverständlich möchte die Neupriesterbruderschaft gemäß ihrer Markenänderung keine Kämpfer und auch keine kämpferischen Reden mehr.

§11) Die drei Bruderschaftsbischöfe „wollen . . . der Vorsehung folgen“ – ob Rom nun zur Tradition zurückkehrt oder nicht. Was kann dies anderes bedeuten als ein späteres Annehmen eines Abkommens, welches an der Glaubenslehre vorbeigeht?

§12) Die Erklärung schließt mit frommen Worten und einem weiteren Taubenzitat des Erzbischofs.

Damit kommt The Recusant zu dem traurigen, aber allzu wahrscheinlichen Schluß, daß diese Deklaration nur ein scheinbarer Schritt zurück ist im Vergleich zu den beiden Deklarationen vom 15. April und 14. Juli letzten Jahres, die allerdings zwei klare Schritte zur Konziliarisierung der Priesterbruderschaft waren. Himmel, hilf!

Kyrie eleison.

Würdelose Menschenwürde

Würdelose Menschenwürde on März 16, 2013

Eine Leserin brach eine Lanze für die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kultfreiheit, auch Religionsfreiheit genannt. Selbst wenn die „Eleison Kommentare“ dieses Thema schon öfter behandelten, ist es lohnenswert, ihre Argumente durchzugehen, denn die heutigen Katholiken sollten dringend die Falschheit dieser Lehre begreifen. Das Konzil lehrte in seiner Erklärung über die Religionsfreiheit ( Dignitatis Humanae ) im Abschnitt 2, daß alle Menschen, wenn sie privat oder öffentlich ihrem Glauben entsprechend handeln, frei sein müssen von irgendeinem Zwang durch andere Menschen oder Menschengruppen. Darüberhinaus müsse jeder Menschenstaat dieses Naturrecht in seiner Verfassung oder seinem Bürgerrecht verankern.

Im Gegensatz dazu lehrte die katholische Kirche beständig bis zum Zweiten Vatikanum, daß jeder Staat – als Verkörperung von Gottes bürgerlicher Autorität über Gottes menschliche Geschöpfe – als Staat verpflichtet ist, diese Autorität zum Schutze und zur Förderung von Gottes einer und wahrer Kirche auszuüben, welche die katholische Kirche des menschgewordenen Gottes, unseres Herrn Jesus Christus, ist. Nicht-katholische Staaten werden daher offensichtlich mehr für ihren Mangel an Glauben verurteilt werden, denn dafür, daß sie diesem Glauben keinen bürgerlichen Schutz einräumten. Zudem dürfen katholische Staaten von ihrem Recht, das öffentliche Ausüben von falschen Religionen zu verbieten, absehen, wenn ein solches Verbot für die Seelenrettung eher abträglich denn nützlich sein sollte. Doch das Prinzip bleibt bestehen, wonach Gottes Staaten Gottes wahre Religion begünstigen und schützen müssen.

Die konziliare Lehre bedeutet in Wirklichkeit, entweder daß die Staaten nicht von Gott sind, oder daß es keine eine und wahre Religion Gottes gibt. In jedem Fall befreit diese Konzilslehre den Staat vorbehaltlos von Gott und stellt somit die Freiheit des Menschen über die Rechte Gottes, oder einfacher gesagt den Menschen über Gott. Aus diesem Grunde nannte Erzbischof Lefebvre die Konzilslehre gotteslästerlich. Und daran ändert auch der Hinweis nichts, daß es andere Abschnitte in Dignitatis Humanae gibt, welche der katholischen Lehre entsprechen. Bereits der eine vom Eisberg verursachte Riß brachte die Titanic zum Sinken. Auf ähnliche Weise genügt schon Abschnitt 2 von Dignitatis Humanae, um die katholische Lehre zu versenken. Betrachten wir kurz die Argumente der Leserin, welche die Konzilslehre verteidigt:

1) „Dignitatis Humanae (kurz DH) ist Teil des ordentlichen Lehramtes (Magisterium), welches ernstgenommen werden muß.“

Zwar stammt DH von den Kirchen-Magistern, d.h. -Lehrern, aber nicht vom unfehlbaren Lehramt, weil DH der überlieferten Lehre der Kirche widerspricht, wie oben gezeigt.

2) „DH verdeutlicht lediglich die Menschenrechte, welche durch das Naturrecht gewährt werden.“

Das Naturrecht ordnet die Rechte des Menschen unter die Rechte Gottes ein, nicht über sie.

3) „DH verneint keinesfalls das katholische Muster für die Beziehung zwischen Kirche und Staat.“

Durchaus verneint DH dieses Muster. Abschnitt 2 befreit den Staat von seiner innewohnende Verpflichtung gegenüber der einen und wahren Kirche.

4) „DH wurde im Zusammenhang der modernen Welt geschrieben, wo jeder an die Menschenrechte glaubt.“

Seit wann muß die Kirche der Welt angepaßt werden, anstatt die Welt an die Kirche?

5) „DH lehrt jedoch nicht, daß der Mensch ein Recht auf Irrtum habe.“

Indem DH vom Staate Gottes verlangt, ein Bürgerrecht auf die öffentliche Ausübung von falschen Religionen zu gewähren, verlangt DH tatsächlich von Gott ein Recht auf Irrtum.

6) „DH ist ein Gesuch an die modernen Regierungen, wenigstens einen halben Laib zu gewähren, anstatt gar kein Brot.“

Die wahre katholische Glaubenslehre ist so logisch und folgerichtig aufgebaut, daß bereits die Aufgabe eines Teiles von ihr gleichbedeutend ist mit der Aufgabe der gesamten Lehre. Und welches Schaf kann sich retten, indem es sich selber dem Wolf anbietet?

7) „Katholiken dürfen sich nicht aus der modernen Welt zurückziehen in ein lehrmäßiges Ghetto.“

Um die Rechte Gottes aufrechtzuerhalten und seine Ehre zu schützen, müssen Katholiken stets das tun, was sie zu tun haben, und dorthin gehen, wo sie hingehen müssen. Wenn dies zum Martyrium führt, so geschehe es.

Kyrie eleison.

Herumdrehbare Erklärung

Herumdrehbare Erklärung on September 22, 2012

Nicht alles vom Generalkapitel der Priesterbruderschaft St. Pius X., welches im Juli in der Schweiz abgehalten wurde, mag katastrophal gewesen sein. Doch von seinen beiden offiziellen Ergebnissen zeigt das erste namens „Die sechs Bedingungen“ eine „besorgniserregende Schwäche“ (siehe Eleison-Kommentar 268 vom 1. September), und auch das zweite Ergebnis in Gestalt einer abschließenden „Erklärung“ läßt viel zu wünschen übrig. Eine möglichst kurze Zusammenfassung der Erklärung in zehn Paragraphen lautet wie folgt:

1) Wir danken Gott für die 42 Jahre Existenz der Priesterbruderschaft. 2) Wir haben nach der jüngsten Krise nun wieder unsere Einheit gefunden (echt?), 3) um unseren Glauben zu bekennen 4) an die Kirche, an den Papst und an den Christkönig. 5) Wir halten uns an das beständige Lehramt der Kirche, 6) und an ihre beständige Tradition, 7) in Verbundenheit mit allen unter Verfolgung leidenden Katholiken. 8) Wir rufen die Allerseligste Jungfrau Maria, 9) den Heiligen Erzengel Michael und 10) den Heiligen Papst Pius X. um Hilfe an.

Dieser Erklärung mangelt es gewiß nicht an Frömmigkeit, von welcher der Hl. Paulus sagt, daß sie zu allem nützlich ist (Erster Timotheusbrief 4,8). Gegenüber seinen beiden Jüngern Timotheus und Titus unterstreicht der Hl. Paulus allerdings ständig die Notwendigkeit der Doktrin, d.h. der Glaubenslehre, weil diese das Fundament wahrer Frömmigkeit ist. In der Erklärung des Generalkapitels fällt allerdings ausgerechnet die Doktrin leider recht dürftig aus. Anstatt die lehrmäßigen Irrtümer des Zweiten Vatikanischen Konzils, welche ja die Kirche seit 50 Jahren verwüsten, zu verdammen, enthält die Erklärung in ihren doktrinal stärksten Paragraphen 5 und 6 nur eine zaghafte Verurteilung dieser Irrtümer, begleitet von einem Tribut an das unveränderliche Lehramt (§5) und an die Tradition (§6) der Kirche. Dieser Tribut erfolgt zwar zurecht, schafft dabei aber ein Argument, welches von den Konziliaristen allzu leicht herumgedreht werden kann. Betrachten wir, wie einfach das geht:

Paragraph 5 legt dar, daß die Neuerungen des Zweiten Vatikanum „mit Fehlern befleckt“ sind, während das beständige Lehramt „ununterbrochen“ andauert: „Das Magisterium gibt durch seine Lehrakte das geoffenbarte Glaubensgut in vollständigem Übereinstimmung mit allem, was die universelle Kirche immer und an allen Orten geglaubt hat, weiter.“ Das deutet darauf hin, daß Rom das Zweite Vatikanum in die Reinigung geben sollte, um die Flecken zu entfernen. Doch die Römer können auf diesen Satz der Erklärung antworten: „Die Formulierung des Generalkapitels über die Kontinuität des Lehramtes ist absolut bewundernswert! Doch jenes Lehramt sind wir Römer, und wir stellen fest, daß das Zweite Vatikanum keine schmutzigen Flecken hat.“

Ähnlich beim Paragraph 6, welcher in der Erklärung lautet: „Die beständige Tradition der Kirche gibt jenen Lehrbestand, welcher zur Aufrechterhaltung des Glaubens und zur Rettung der Seelen notwendig ist, jetzt und bis ans Ende der Zeit weiter.“ Somit müssen also die kirchlichen Autoritäten zur Tradition zurückkehren. Doch die Römer können darauf antworten: „Die Formulierung des Generalkapitels über die Weitergabe des Glaubens durch die Tradition ist absolut bewundernswert! Doch die Hüter dieser Tradition sind wir Römer, und wir stellen durch die Hermeneutik der Kontinuität fest, daß das Zweite Vatikanum die Tradition nicht unterbricht, sondern fortführt. Das Generalkapitel irrt gewaltig mit der Annahme, daß wir zur Tradition zurückkehren müßten.“

Beachten wir den starken Kontrast zwischen dieser Erklärung und der Grundsatzerklärung des Erzbischof Lefebvre vom 21. November 1974, wo er einen wuchtigen und unherumdrehbaren Angriff auf die Irrtümer des Zweiten Vatikanum ausführt. In dieser Grundsatzsatzerklärung schrieb der Erzbischof, daß das Konzilsrom nicht das katholische Rom ist, weil die konziliare Reform folgendes ist: „naturalistisch, teilhardistisch, liberal und protestantisch . . . völlig vergiftet. Sie stammt aus der Häresie und führt zur Häresie,“ usw. Die Schlußfolgerung des Erzbischofs ist eine kategorische Weigerung, irgendetwas mit Neurom zu schaffen zu haben, weil es überhaupt nicht das wahre Rom ist.

Vergleichen Sie im Internet die zwei Erklärungen miteinander und entscheiden dann, welche von beiden untrüglich den Trompetenschall zum notwendigen Kampfe erklingen läßt (Erster Korintherbrief 14,8). Man darf sich fragen, wieviele Teilnehmer des Generalkapitels vom Jahre 2012 haben wohl jemals studiert, was Erzbischof Lefebvre sagte, und warum er es sagte?

Kyrie eleison.

„Rebellisch und entzweiend“

„Rebellisch und entzweiend“ on September 15, 2012

Das Johannesevangelium erteilt uns heute im siebten Kapitel eine besondere Lektion: Wer sind die wahren und wer die scheinbaren Rebellen gegen die Obrigkeit? Wer spaltet das Volk Gottes nur scheinbar und wer entzweit es wirklich? Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen. Wir tun gut daran, folgende Weisung zu beherzigen: „Urteilt nicht nach dem Äußeren, sondern nach Gerechtigkeit fällt Euer Urteil“ (Johannes 7,24).

Dieses Kapitel des Johannes berichtet über die letzte Zeit des irdischen Lebens unseres Herrn. Die Juden trachten danach, ihn zu töten (Vers 1), aber nichtsdestotrotz zieht Unser Herr nach Jerusalem weiter und lehrt im Tempel (Vers 14). Die Volksmenge ist jetzt bereits gespalten (Vers 12), so daß als Folge seiner Lehren ein Teil der Menschenmenge (Vers 40) in ihm den Propheten erkennt (von Deuteronomium 18,15–19). Ein anderer Teil der Menge hingegen (Vers 41–42) verweigert ihm, weil er aus Galiläa stammt, diese Anerkennung. So herrscht in der Volksmenge dann Entzweiung und Streit. Eine solche Entzweiung an sich ist tadelnswert, und somit lautet die Frage: Wer ist daran schuld? Sicherlich nicht unser Herr, welcher lediglich die Doktrin seines himmlischen Vaters lehrt (Vers 16–17). Gewiß auch nicht jener Teil des Volkes, der die göttliche Lehre annahm. Eindeutig liegt die Schuld für die Entzweiung bei den Tempeloberen und bei jenem Teil der Volksmenge, welcher die Wahrheit ablehnte.

Auf ähnliche Weise entzweite Erzbischof Lefebvre in den 1970er und 1980er Jahren die Katholiken durch sein Lehren und Praktizieren der katholischen Tradition. Doch welcher Katholik, der sich heute traditionell zu sein rühmt, gibt dem Erzbischof die Schuld an dieser Entzweiung? Sicherlich war der Grund für die Kirchenspaltung weder beim Erzbischof zu suchen, noch bei jenen, die ihm nachfolgten. Sondern die Hauptschuld lag bei den Kirchenautoritäten, welche die wahre Religion verdrehten – genau wie die Tempeloberen zur Zeit unseres Herrn. Immer und immer wieder bat der Erzbischof die Kirchenoberen eindringlich, „in Gerechtigkeit ein Urteil zu fällen,“ indem er sie mit dem Hauptproblem konfrontierte, also mit ihrem konziliaren Ehebruch mit der modernen Welt. Bis heute verweigern sie sich dieser Konfrontation. Immer und immer wieder lautet ihre einzige Antwort: „Gehorsam!,“ „Einheit!.“ Weist denn nicht dieser völlige Mangel an Argumenten bezüglich dieser grundlegenden Wahrheitsfragen darauf hin, daß diese Kirchenoberen die eigentlichen wahren Rebellen und Spalter der Kirche sind?

Entzweiung an sich ist keine gute Sache, und doch wußten unser Herr und auch Erzbischof Lefebvre genau, daß ihrem Lehren eine Entzweiung folgen würde. Warum fuhren sie dann überhaupt damit fort? Weil die Seelen mit einer Entzweiung (vergleiche Lukas 12,51–53), aber nicht ohne die Wahrheit gerettet werden können. Wenn religiöse Autoritäten das Volk in die Irre führen – und der Teufel bearbeitet sie besonders hart, weil er um ihre Macht weiß, viele Seelen irreführen zu können –, dann muß die Wahrheit verkündet werden, um die Menschen wieder auf den Weg zum Himmel zurückzuführen, selbst wenn diese Verkündung eine Entzweiung verursacht. Insofern steht also die Wahrheit über der Autorität und Einigkeit.

Wo ist nun im Jahre 2012 die Wahrheit? Ist denn die Aussage, daß das Zweite Vatikanum eine Katastrophe für die Kirche darstellt, wahr oder falsch? Die Kirchenautoritäten, welche Assisi III und die „Seligsprechung“ von Johannes Paul II. uns bescherten, hängen immer noch am Vatikanum II – ist diese Aussage wahr oder falsch? Wenn also die Priesterbruderschaft St. Pius X. eben diesen römischen Autoritäten sich unterstellt, so werden diese ihre gesamte Geltung und die von der Bruderschaft selber ihnen übergebene Macht über sie verwenden, den Widerstand der Priesterbruderschaft gegen das Zweite Vatikanum aufzulösen – wahr oder falsch? Somit läuft die Bruderschaft ernsthaft Gefahr, ihren noch vorhandenen Willen, dieser römischen Geltung und Macht zu widerstehen, langsam aber sicher zu verlieren – wahr oder falsch? Wie die Römer sagen: „Rom hat Zeit.“

Wenn wir also „nicht nach dem Äußeren urteilen, sondern nach Gerechtigkeit unser Urteil fällen,“ wer in der Priesterbruderschaft „entzweit“ wirklich? Und wer sind die wahren „Rebellen gegen die Autoritäten“? Sind das jene, welche das Risiko einer Vermischung von katholischer Wahrheit und konziliarem Irrtum tadeln, oder vielmehr jene, welche diese Vermischung fördern?

Kyrie eleison.

Nochmals Lehre

Nochmals Lehre on August 18, 2012

Die Verachtung der „Doktrin“ – also allgemein gesagt der „Lehre“ – ist heute ein schwerwiegendes Problem. Selbst die „besten“ Katholiken unseres 21. Jahrhunderts geben Lippenbekenntnisse über die Wichtigkeit der „Doktrin“ ab, während sie instinktiv meinen, daß sogar die katholische Lehre eine Art Gefängnis für ihren Verstand sei, und der Verstand eben nicht gefangen sein dürfe. In Washington DC steht im Inneren der Kuppel der Jefferson-Gedenkstätte – dem quasi-religiösen Tempel des berühmtesten Verfechters der Freiheit in den USA – folgende religiös wirkende Erklärung Jeffersons: Am Altar Gottes schwöre ich ewige Feindschaft gegen jede Form von Tyrannei über den Verstand des Menschen. Gewiß dachte er dabei unter anderem an die katholische Glaubenslehre. Die Quasi-Religion des modernen Menschen beinhaltet genau die Ablehnung jeder festen Doktrin.

Ein Satz aus einem kürzlichen „Eleison Kommentar“ (Nummer 263 vom 28. Juli 2012) liefert hingegen einen anderen Blickwinkel auf die Art und Bedeutung von „Doktrin“: Solange Rom an seiner Konzilslehre hängt, wird es eine solche (nicht-lehrmäßige) Vereinbarung notwendigerweise dazu verwenden, die Bruderschaft zum (Zweiten Vatikanischen) Konzil heranzuziehen. Anders formuliert: Die treibende Kraft hinter dem Bemühen Roms, angeblich die „Doktrin“ geringzuschätzen und die Priesterbruderschaft um jeden Preis konziliarisieren zu wollen, ist gerade Roms Glaube an seine eigene Konzilslehre. So wie die traditionelle katholische Glaubenslehre – hoffentlich – die treibende Kraft der Priesterbruderschaft St. Pius X. ist, so ist die Konzilslehre die Antriebsfeder von Rom. Beide Lehren prallen zwar aufeinander, aber dennoch sind beide jeweils eine treibende Kraft.

Anders gesagt ist also „Doktrin“ nicht lediglich ein Gedankengut in den Köpfen der Menschen beziehungsweise ein geistiges Gefängnis. Denn unabhängig davon, welche Gedanken ein Mensch zu fassen sich entschieden hat: seine wahre Doktrin besteht genau aus diesem Gedankengut, welches sein Leben antreibt. Obgleich der Mensch dieses Gedankengut ändern kann (z.B. wenn er sich bekehrt), so ist es doch ausgeschlossen, daß er kein Gedankengut hat. Der antike Denker Aristoteles formuliert es so: „Wenn Du philosophieren willst, so mußt Du philosophieren. Willst Du hingegen nicht philosophieren, so mußt Du dennoch philosophieren.“ Auf ähnliche Weise mögen Liberale zwar jedes feste Gedankengut als Tyrannei verachten, doch ist ihre Annahme, daß jedes Gedankengut eine Tyrannei sei, wiederum selber ein tragender Gedanke. Genau dieser tragende Gedanke treibt heute das Leben von Milliarden von Liberalen und viel zu vielen Katholiken an. Diese letzten sollten vernünftiger sein, aber leider liegt die Vergötzung der Freiheit im Wesen von uns modernen Menschen.

Richtig verstanden ist Doktrin also nicht nur ein eingrenzendes Gedankengut, sondern vielmehr die zentrale Vorstellung von Gott, vom Menschen und vom Leben, die das Leben jedes atmenden Menschen vorantreibt. Sogar wenn ein Mensch Selbstmord begeht, wird er dabei von der Vorstellung angetrieben, daß das Leben zu erbärmlich sei, um fortgesetzt zu werden. Beispielsweise treibt die Vorstellung vom Leben, wonach Geld das Wichtigste sei, einen Menschen zum Reichtum; die Vorstellung von der Lust als Mittelpunkt des Lebens macht den Menschen zum Lebemann; und die Vorstellung, daß alles von der Anerkennung abhänge, drängt den Menschen zum Berühmtwerden; usw. Die eigentliche Doktrin eines Menschen entspricht dem, wie er sich sein Leben zentral vorstellt.

Somit werden die konziliaren Römer vom Zweiten Vatikanum als ihrer zentralen Vorstellung angetrieben, die Priesterbruderschaft aufzulösen, weil diese das Zweite Vatikanum ablehnt. Solange die Römer dieses Ziel nicht erreicht haben oder ihre zentrale Vorstellung nicht ändern, solange werden sie sich angetrieben fühlen, die Bruderschaft von Erzbischof Lefebvre aufzulösen. Im Gegensatz dazu müßte die zentrale Vorstellung des Klerus und der Laien der Bruderschaft sie dazu antreiben, in den Himmel zu kommen – gemäß des Gedankengutes, daß es Himmel und Hölle gibt, und daß Jesus Christus und seine wahre Kirche den einen und einzigen Weg in den Himmel darstellen. Klerus wie Laien der Bruderschaft wissen, daß diese letzte antreibende Vorstellung, die völlig mit dem Gedankengut des Credos übereinstimmt, keine phantasievolle Eigenerfindung ist. Deswegen wollen sie auch nicht, daß diese Doktrin untergraben, unterlaufen oder verdorben werde von den armseligen Neo-Modernisten der Neukirche, welche von ihrer falschen Vorstellung von Gott, vom Menschen und vom Leben angetrieben werden. Der Zusammenprall beider Lehren findet auf ganzer Linie statt, wie die Lehrgespräche von 2009 bis 2011 bewiesen haben.

Dieser Zusammenprall ist außerdem unvermeidlich, selbst wenn die Liberalen es sich anders erträumen. Sollte diesmal die Unwahrheit auf Dauer gewinnen, so würden letztendlich die Steine die Wahrheit hinausschreien (vergleiche Lukas 19,40). Gewinnt hingegen die Wahrheit, so wird der Teufel trotzdem bis zum Ende der Welt einen Irrtum nach dem anderen hervorbringen. Doch unser Herr sagt: „Wer aber ausharrt bis zum Ende, der wird gerettet werden“ (Matthäus 24,13).

Kyrie eleison.