Kirchliche Unfehlbarkeit – II
Kirchliche Unfehlbarkeit – II on Februar 15, 2014
Die kirchliche Unfehlbarkeit verdient eine ausführliche Erklärung, besonders um Illusionen zu korrigieren, welche (unbeabsichtigt) aus der Festlegung oder Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit im Jahre 1870 herrühren. Beispielsweise denken heutzutage die Sedisvakantisten und die Liberalen, daß ihre Positionen komplett entgegengesetzt seien. Doch haben sie schon einmal innegehalten und bemerkt, wie ähnlich sie in diesem Punkt denken? Obersatz: die Päpste sind unfehlbar. Untersatz: die Konzilspäpste sind liberal. Schlußfolgerung der Liberalen: wir müssen liberal werden. Schlußfolgerung der Sedisvakantisten: die Konzilspäpste können keine Päpste sein. Der Denkfehler liegt hier weder in der Logik, noch im Untersatz, sondern kann nur im Mißverständnis auf beiden Seiten von der Unfehlbarkeit im Obersatz liegen. Noch einmal sei daran erinnert, wie der moderne Mensch die Autorität über die Wahrheit stellt.
Der Ewige Gott ist die Wahrheit an sich und absolut unfehlbar. In der geschaffenen Zeit stattete er seine Kirche durch seinen fleischgewordenen Sohn mit der Glaubenslehre zur Rettung der menschlichen Seelen aus. Weil diese Glaubenslehre von Gott kommt, kann sie nur unfehlbar sein. Um sie allerdings von den Fehlern der menschlichen Kirchenmänner, welchen er diese Glaubenslehre anvertraute, freizuhalten, versprach der Gottessohn diesen Kirchenmännern, daß der „Geist der Wahrheit“ ihnen „immerfort“ beistehen werde (siehe Johannes 14,16). Hätte ohne eine solche Garantie der Dreifaltige Gott von den Menschen verlangen können, unter Androhung von ewiger Verdammnis, an seinen Sohn, seine Lehre und seine Kirche zu glauben (Matthäus 16,16)?
Doch Gott nimmt auch den Kirchenmännern nicht jenen freien Willen weg, welchen er ihnen gab und welcher zum Irrtum fähig ist. Gott läßt zu, daß diese Kirchenmänner ihre Freiheit so weit anwenden, wie sie möchten – nur nicht so weit, daß sie seine Wahrheit für die Menschen völlig unzugänglich machen. Somit geht diese Freiheit zum Irren wirklich sehr weit, und sie umfaßt eine gewisse Anzahl von höchst fehlerbehafteten Päpsten. Doch Gottes Arm reicht noch viel weiter, trotz der Verkommenheit der Menschen (Isaias 59,1–2). Beispielsweise ging beim Zweiten Vatikanischen Konzil der Irrtum der Kirchenmänner sehr weit, ohne daß Gott allerdings zugelassen hat, daß seine Kirche ganz vergangen wäre bei ihrem Sichtbarmachen der irrtumslosen Wahrheit, welche auf Gottes eigener Unfehlbarkeit ruht. Selbst die Konzilspäpste haben neben ihren konziliaren Irrtümern noch eine ganze Reihe katholischer Wahrheiten von sich gegeben.
Doch wie kann ich als einfache Seele nun den Unterschied zwischen den Wahrheiten und den Irrtümern der Kirchenmänner treffen? Erstens wird Gott, wie die Hl. Schrift an vielen Stellen sagt, mich zu ihm führen, wenn ich nur aufrichtigen Herzens nach ihm strebe. Zweitens kann Gottes Lehre, weil sie so unveränderlich wie Gott selber ist, nur jene Lehre sein, welche (fast) alle Kirchenmänner an (fast) allen Orten und zu (fast) allen Zeiten lehrten und überlieferten – auch als Tradition bekannt. Von Beginn der Kirche an war dieses Überliefern die sicherste Bewährungsprobe dafür, was unser Herr selber gelehrt hatte. Im Laufe der Jahrhunderte ist diese irrtumslose Tradition das Werk von Millionen von Kirchenmännern geworden. Dafür hat Gott seine Kirche als Ganzes – und nicht nur die Päpste – mit dem Beistand des unfehlbaren Heiligen Geistes ausgestattet.
Das ist sozusagen der Kuchen der kirchlichen Unfehlbarkeit, wovon die Päpste mit ihren feierlichen Definitionen lediglich das Sahnehäubchen darstellen. Gewiß sind ihre Definitionen wertvoll und notwendig, aber eben nicht der Berg der kirchlichen Unfehlbarkeit, sondern nur seine Spitze. Beachten wir z.B., daß erstens die Definitionen des päpstlichen Außerordentlichen Lehramtes nicht erst seit 1870 existierten, sondern seit dem Beginn der Kirche. Und daß zweitens diese Definitionen nicht aus dem Grund existieren, um die Tradition wahr zu machen, sondern lediglich um Gewißheit zu schaffen, was zur Tradition gehört und was nicht – wenn irrende Menschen dieses Dazugehören zweifelhaft machen. Mit seinem Gespür für die Wahrheit hielt Erzbischof Lefebvre zurecht sich lieber an die irrtumslose Tradition als an schwer irrende Päpste. Doch nun beginnen seine Nachfolger – welche ihn nie verstanden haben, weil sie, wie alle modernen Liberalen, die Wahrheit nicht genug spüren – , irrende Päpste der irrtumslosen Tradition vorzuziehen. Und wenn die Sedisvakantisten die Wahrheit unterschätzen und die Päpste überschätzen, und somit irrende Päpste ganz verwerfen, so können sie versucht sein, die Kirche ganz zu verlassen. Herr, erbarme Dich!
Kyrie eleison.