Liberalismus

Madiran; die Bischöfe

Madiran; die Bischöfe on Oktober 31, 2020

Man wird sich daran erinnern, dass Jean Madiran im Prolog zu seinem Buch Die Häresie des 20. Jahrhunderts die Verantwortung für diese Häresie klipp und klar den katholischen Bischöfen zugeschrieben hat, die das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) in die Wege geleitet und dessen Kurs anschliessend in verschärfter Form weitergeführt haben. Dabei widmete er seine Aufmerksamkeit insbesondere den französischen Bischöfen, die er am besten kannte. In der Tradition der grossen Enzyklika Pascendi (1907) von St. Pius X. legte er dar, wie der Geist dieser Bischöfe zusehends unfähig geworden war, die Realität, und erst recht die katholische Doktrin, zu begreifen, weil sie vom Subjektivismus der Kant’schen Philosophie beeinflusst waren, die mittlerweile in den Philosophischen Abteilungen praktisch aller”Universitäten”unangefochten dominierte. In Kapitel II, das aus sechs lose miteinander verknüpften Kapiteln besteht, wendet sich Madiran den französischen Bischöfen selbst zu.

Erstens hält er fest, dass diese Bischöfe sich gezwungen sehen werden, unschätzbare katholische Schätze über Bord zu werfen, beispielsweise St. Pius X, den Gregorianischen Gesang, den Thomismus, das Kanonische Recht, Unsere Liebe Frau, den Patriotismus, unser griechisch-lateinisches Erbe, die Marienverehrung und nicht zuletzt die Frömmigkeit betender alter Frauen. Was uns betrifft, schreibt er, so lehnen wir es ab, irgendeines dieser wohlbekannten Wahrzeichen der katholischen Familie zu verwerfen. Hinter ihnen allen steht die Liebe Christi, während sich hinter all dem Gerede von  «Anpassung an die Erfordernisse der modernen Welt»,”Erneuerung”und”Reform”der Hass verbirgt. Denn hinter sämtlichen Errungenschaften der”abendländischen Zivilisation”steht Christus und nicht Indien oder Afrika oder China.

Zweitens hat die Neukirche der ganzen Welt ihre Apostasie gepredigt: Die Politik der Neubischöfe verfolgt nicht länger das Ziel, irgendjemanden zu bekehren. Doch bleibt das Grundgesetz von Leben und Tod unverändert das gleiche: Also möge die Kirche uns lehren, wie wir zu leben und zu sterben haben. Wir sind alle zu sehr erfüllt von der Welt. Lasst die Priester uns lehren, wie wir in den Himmel kommen!

Drittens sagen diese Bischöfe, dass”der Wandel der Zivilisation”ein”evangelischeres Konzept der Erlösung”erfordere, worunter sie, entgegen ihren Beteuerungen, nicht einfach”eine neue Form von Worten”verstehen, sondern einen neuen Inhalt der Worte, was auf eine neue Religion hinausläuft. Eure Exzellenzen, unsere Antwort ist NEIN! Ausserdem habe ich als getaufter Katholik das Recht, von Ihnen den wahren Glauben zu verlangen, denn Ihre”neue Form der Worte”auf der Suche nach einem”neuen Konzept der Erlösung”ist zwangsläufig häretisch – nicht nur grobschlächtig, sondern eine neue Religion, die im Widerspruch zum wahren Glauben steht.

Viertens waren diese Bischöfe bis 1966 noch nicht vom katholischen Glauben abgefallen, doch jetzt behaupten sie, ihr Christentum sei nun endlich das authentische, obwohl ihre”post-konziliäre Mentalität”in Wirklichkeit mit dem wahren Glauben bricht . Die Wahrheit ist, dass wir uns mitten in einem Krieg zwischen zwei verschiedenen Religionen befinden. Und alle Bischöfe unterstützen die neue Religion heute, aktiv oder passiv. Einige katholische Bischöfe müssen ihre Stimme erheben, weil Seelen verloren gehen! Erzbischof Lefebvre, hören Sie den Ruf?  Wir brauchen keine Bischöfe, die uns einreden, wir müssten modern sein. Wir sind allzu modern. Denn moderne Technologie und moderne Philosophie gehen katholische Bischöfe nichts an! Wir kennen die Bannerträger der Moderne, und wir sagen nein zu ihnen. Ihr kennt sie nicht und liebt sie doch. Marx, Nietzsche, Freud sind reine Trödler der Phantasie. Wacht auf!

Fünftens entleert Neukirche heutzutage jede Form von Ausbildung, Lehre und Erziehung ihres Sinnes. Indem ihr den jungen Menschen nur geben wollt, was modern ist – und was sie schon haben –, gebt ihr ihnen nichts, erweckt in ihnen jedoch die Illusion, sie wüssten alles. Sich so selbst überlassen, werden sie zu den Barbaren von morgen werden, so dass ihr nicht nur den Glauben, sondern alle Zivilisation verratet. Kehrt zur Tradition zurück! Gott, gib uns einige wahre Bischöfe!

Sechstens hat die Autorität der Bischöfe einzig auf Wahrheit, Legitimität und Gesetz zu beruhen. Hätten diese Neubischöfe recht, so bestünde die traditionelle Kirche nicht mehr. Doch ihre zentrale Aufgabe ist die Wahrheit, und deshalb sind sie nicht befugt, den Glauben zu verändern, und tun sie es dennoch, dürfen sie keinen Gehorsam beanspruchen, und wir werden ihnen laut widersprechen. Wir erwarten von ihnen die Gewissheit, Reinheit und Heiligkeit des unveränderlichen katholischen Glaubens.

(Im obigen Absatz 4 wird Erzbischof Lefebvre nicht namentlich genannt, aber Madiran dachte an ihn (er sagt es selber). Zwei Jahre später gründete der Erzbischof die Priesterbruderschaft St. Pius X., und der Rest ist Geschichte.)

Kyrie eleison.

Madiran Die Philosophie

Madiran Die Philosophie on Oktober 17, 2020

Wie Papst Pius X. in seinem 1907 erschienenen grossen antimodernistischen Rundbrief Pascendi, beginnt auch Madiran in seinem Buch Die Häresie des 20. Jahrhundert mit der Philosophie, weil beide erkannt haben, dass das Problem, welches modernen Geistern das Verständnis des Katholizismus dermassen erschwert, eher philosophischer als theologischer Natur ist. Aus diesem Grund trägt der erste der sechs Teile, aus denen Madirans Buch besteht, den Titel”Philosophische Präambel».

Überraschenderweise schreibt Madiran selbst, seine Leser könnten diese Präambel auslassen, wenn sie wollten, aber dies kann nur den Zweck verfolgen, manche zeitgenössische Leser zu schonen, die mit Recht allergisch gegen den von den heutigen sogenannten”Universitäten”produzierten kriminellen Unfug sind. Madirans Argumentation basiert nämlich ebenso stark auf wahrer Philosophie, wie sie frei von der gegenwärtigen”Philosophistrie», oder Pseudo-Philosophie, ist.

Doch wie kann der übernatürliche Glaube dermassen stark auf die Philosophie angewiesen sein, bei der es sich doch um die rationale Erforschung aller natürlichen Realität handelt, um den (wahren) gesunden Menschenverstand gewissermassen von einem Amateur-Niveau auf ein professionelles Niveau zu erheben? Steht das Übernatürliche denn nicht unendlich höher als das bloss Natürliche? Die Antwort lautet: Ein tüchtiger Weinproduzent ist nicht auf gute und unbeschädigte Glasflaschen angewiesen, um guten Wein herzustellen, aber er kann sein Weingeschäft ohne solche Flaschen nicht erfolgreich führen, denn wenn alle Flaschen innen schmutzig sind, wird kein Mensch seinen Wein kaufen, so trefflich er auch munden mag. Der Weinproduzent geht davon aus, dass er automatisch saubere Flaschen erhalten wird. Im Vergleich zum Wein ist die Glasflasche in leerem Zustand fast nichts wert, doch muss sie unter allen Umständen frei von Sprüngen und Schmutz sein, damit ihr Inhalt nicht ausläuft oder verunreinigt wird.

 

Mit dem menschlichen Verstand verhält es sich nun wie mit der Flasche. Er ist lediglich eine natürliche Fähigkeit, doch zum Zeitpunkt des Todes muss er, damit sein Besitzer der Gefahr der ewigen Verdammnis entgeht, den übernatürlichen Wein des Glaubens enthalten (Markus XVI, 16). Der Glaube ist eine köstliche Gabe Gottes, durch welche der Verstand eines Menschen auf übernatürliche Weise so erhoben wird, dass er glaubt; wird diese Fähigkeit jedoch durch menschliche Irrtümer und Unglauben beeinträchtigt, besteht Gefahr, dass sie Gottes Wein des Glaubens wie eine schmutzige Flasche verunreinigt, so göttlich jener Glaube an sich auch ist. Nun verdirbt bereits ein wenig Schmutz in der Flasche den Wein, den sie enthält, aber der Modernismus des Geistes ist ein dermassen radikaler Irrtum, dass er jede Wahrheit, und erst den Glauben, welcher in diesen Geist eingegossen wird, verdirbt oder unterminiert. Und so wie in eine schmutzige Flasche gegossener Wein zwangsläufig verunreinigt wird, wird auch ein katholischer Glaube, der in einen modernen Geist einfliesst, fast zwangsläufig untergraben. Dies lehren Pius X., de Corte, Calderón und Madiran ebenso wie alle anderen, welche die volle objektive Bosheit eines subjektivistischen Geistes begriffen haben.

Wie beweist nun insbesondere Madiran, dass die französischen Bischöfe in den sechziger Jahren des 20. Jahrhundert s ihren katholischen Verstand verloren hatten? Er beginnt mit einer offiziellen Erklärung, die sie im Dezember 1966 abgaben (S. 40) und in der sie behaupteten,”für einen philosophischen Geist”hätten die für die Christologie (katholische Theologie Christi) entscheidend wichtigen Wörter”Person”und”Natur”ihren Sinn seit der Zeit von Boethius (der die Definition von”Person”festlegte) und Thomas von Aquin (der den wahren Sinn von”Natur”festgestellt hat) geändert. In anderen Worten, für die französischen Bischöfe hat die moderne Philosophie die klassische Philosophie der Kirche, die eng in die unveränderliche Doktrin der Kirche eingewoben ist, hinter sich gelassen, so dass der Thomismus ihrer Ansicht nach”für einen philosophischen Geist”überholt ist und über Bord geworfen werden muss.

Doch in einer Kirche, deren Doktrin stets dem entsprach, was sich in einer ausserhalb des Geistes stehenden Realität niemals verändert, ist diese Perspektive der französischen Bischöfe absolut revolutionär. Sie kann, wie Madiran (S. 43) unterstreicht, lediglich bedeuten, dass sie die kopernikanische Revolution akzeptieren, die Immanuel Kant (1724–1804) in der Philosophie vollzog, indem er postulierte, die”Realität”liege nicht ausserhalb, sondern innerhalb des Geistes. Allerdings besteht ausserhalb der Kant’schen Philosophie keine Verpflichtung, diese Internalisierung der Realität zu akzeptieren (S. 45, 46). Nur wer von den Kant’schen Prämissen ausgeht, gelangt zu solch realitätsfremden Schlussfolgerungen. Indem sie Kant moralisch über Thomas von Aquin stellten, bewiesen die französischen Bischöfe de facto ihre implizite Apostasie (S. 50) und ihre antinatürliche Religion. Sie erklärten damit ihre Unabhängigkeit von Gottes Wahrheit, ihre Verwerfung von Gottes Realität und der Ordnung, die Er der Natur eingepflanzt hat (S. 60–63).

Madiran schliesst seinen Teil I mit folgender Feststellung ab: Während der Thomismus der menschlichen Erfahrung aller Zeiten und Orte entspricht (S. 66), hat der Kantianismus den Geist der französischen Bischöfe in die Irre geführt, wie das moderne Zeitalter, um dessen Wohlgefallen die Bischöfe sich so sehr bemühen (S. 67).

Kyrie eleison.

Die Bosheit Des Modernismus – II

Die Bosheit Des Modernismus – II on März 14, 2020

Die Bosheit des Modernismus ist ein riesiges Thema, kein geringeres als das der Revolte einer ganzen Welt gegen ihren Schöpfer in der Endphase eines Prozesses, der vor mehreren hundert Jahren einsetzte, als die Christenheit, statt ihren Aufschwung fortzusetzen, ins Straucheln geriet. Ihr Aufstieg hatte natürlich im Jahre 33 begonnen, als unser fleischgewordener Herrgott durch seinen Opfertod am Kreuze Gottes einzige wahre Kirche begründete. Der Anfang des Mittelalters lässt sich auf die Zeit Papst Gregors des Grossen (590–604) datieren; es dauerte fast ein Jahrtausend, bis zum Ausbruch des Protestantismus und dem Auftakt zur Neuzeit im Jahre 1517.

Allerdings bestand selbstverständlich ein enormer Unterschied zwischen der Einstellung der Menschheit gegenüber Christus und Seiner Kirche vor und nach dem Mittelalter: Vor diesem erwies sich das Christentum immer mehr als die beste Grundlage der Zivilisation, und nach ihm hatte es sich immer wieder bewährt, so dass seine Überlegenheit über alle anderen Religionen nach dem Mittelalter anerkannt werden musste, auch wenn man es in der Praxis ablehnte. Dies bedeutet, dass alle nach dem Mittelalter unternommenen Versuche, einen Ersatz für den Katholizismus zu finden, durch eine Heuchelei gekennzeichnet sind, die immer subtiler werden musste, damit sich die jeweilige Irrlehre als wahre Nachfolgerin des Katholizismus tarnen konnte.

Luther beispielsweise verwarf den Katholizismus in Bausch und Bogen, tat jedoch immer noch so, als sei seine Revolution eine „Reformation,“ und nachdem die katholische Kirche Luther ausgestossen hatte, begründeten die revolutionären Jansenisten im 16. Jahrhundert eine protestantische Form des Katholizismus. Die Jansenisten wandelten sich ihrerseits im 18. Jahrhundert zu Liberalen, wobei sie behaupteten, ihre Freimaurerei sei erleuchteter als Protestantismus oder Katholizismus, und als die wahre Kirche ab dem 18. Jahrhundert klar Stellung gegen die Freimaurerei bezog, gaben sich die Liberalen im 19. Jahrhundert als liberale Katholiken aus und im 20. Jahrhundert als „erneuerte“ oder „verbesserte“ Version letzterer, nämlich als katholische Liberale. St. Pius X. diagnostizierte und verurteilte diesen Modernismus in Pascendi sehr bald, aber indem dieser Irrtum sich mit noch grösserer Raffinesse als auf den neusten Stand gebrachter Katholizismus maskierte, gewann er mit Vatikan II (1962–1965) fast die ganze Kirche für sich, und im 21. Jahrhundert war seine Tarnung so perfekt, dass selbst die offizielle Priesterbruderschaft St. Pius X., die als Organisation des Widerstands gegen den Neomodernismus gegründet worden war, grösstenteils ebenfalls in ihr Lager überging.

Menschlich gesprochen ist es furchterregend, im Jahre 2020 erkennen zu müssen, wie wenig katholischen Widerstand es gegen den Aufstieg des Teufels und seine Angriffe auf die Kirche noch gibt, doch genau dies hat der allweise Gott zu erlauben beschlossen, und fraglos hält Er seine schützende Hand immer noch über Seine „kleine Herde,“ wie Unser Herr sie nennt: „Du kleine Herde, du brauchst keine Angst vor der Zukunft zu haben! Denn dir will der Vater sein Königreich schenken. Verkauft euren Besitz, und gebt das Geld den Armen! Sammelt euch so einen Vorrat, der nicht alt wird und niemals verderben kann, einen Schatz im Himmel. Diesen Schatz kann kein Dieb stehlen, und er behält immer seinen Wert. Wo eure Schätze sind, da zieht es euch auch hin“ (Lukas 12, 32–34). In anderen Worten, entsagt dem Geld und dem Materialismus, denn Unser Herr warnt uns, dass wir nicht zwei Göttern zugleich dienen können, und wenn wir Mammon dienen, können wir Gott nicht mehr dienen (Matthäus VI, 24).

Und wenn wir erkennen, wie verwundbar wir gegenüber den subtilen Irrlehren und Blasphemien des Teufels sind, welche die Welt um uns herum überwältigt haben, dann lasst uns als Gegengift den Rosenkranz Unserer Lieben Frau beten, am besten alle fünfzehn Mysterien täglich, weil Sie, und Sie allein, den Teufel mit Füssen tritt, woran jedes gute Bild – ob Gemälde oder Statue – von Ihr uns erinnert. Und das Böse ist heutzutage dermassen furchterregend stark, dass fünfzehn Mysterien nicht zu viel sind, wenn die Zeit vernünftigerweise für sie reicht.

Wie kommt es nun, dass eine bescheidene jüdische Jungfrau dem Satan mit all seinem „Prunk und seinen Werken“ überlegen ist, ist Gottes Geheimnis, aber enthüllt wird es sowohl von Unserem Herrn selbst – „Ich danke dir, dass du die Wahrheit vor denen verbirgst, die sich für klug halten; aber den Unwissenden hast Du sie enthüllt“ (Matthäus XI, 25) – als auch vom Heiligen Paulus: „Was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist“ (1. Korinther 18–30). Nächste Woche werden wir die Heuchelei des Modernismus ein wenig genauer unter die Lupe nehmen.

Kyrie eleison.

Die Bosheit des Modernismus – I

Die Bosheit des Modernismus – I on März 7, 2020

Wenn die Priesterbruderschaft St. Pius X. nicht mehr jene hervorragende Speerspitze bei der Verteidigung des katholischen Glaubens ist, die sie unter Erzbischof Lefebvre (1905–1991) war, dann sicherlich darum, weil seine Nachfolger an der Spitze der Bruderschaft die ganze Bosheit des Irrtums, der die Kirche heute verwüstet – des Modernismus – niemals so gut verstanden haben wie er. Allerdings soll der Erzbischof gegen Ende seines Lebens gesagt haben, wenn er die Geschichte des liberalen Katholizismus in Frankreich 1870–1914 von Pater Emmanuel Barbier (1851–1925) zu einem früheren Zeitpunkt seiner Laufbahn gelesen hätte, hätte er seinen Seminaristen eine andere Richtung gewiesen. Sofern diese Bemerkung authentisch ist, deutet sie darauf hin, dass selbst der Erzbischof die Bosheit der Moderne anfangs nicht in ihrem vollen Umfang erkannt hat. Dasselbe gilt für den beherzten Begründer der Zeitschrift Si si no no in Italien, Don Francesco Putti (1909–1984), der seinem guten Freund, dem Erzbischof, gesagt haben soll: „Die Hälfte Ihrer Seminaristen sind Modernisten.“

Freilich lässt sich die Bosheit der Moderne leicht unterschätzen, weil sie sich im Westen während Jahrhunderte langsam entwickelt hat und alle Menschen des abendländischen Kulturkreises von der Wiege bis zum Grab mit ihr durchtränkt werden. Aus dieser Moderne drang der Modernismus in die Kirche ein, um sich an diese anzupassen, und dieselbe Moderne schuf den geistigen Hintergrund sämtlicher Konzilsväter in den sechziger Jahren sowie der Nachfolger des Erzbischofs ab 1982. Es lässt sich also nur durch eine besondere Gnade Gottes erklären, dass der Erzbischof das Problem so klar gesehen hat. Umreissen wir also kurz, wie das Unvermögen, den Modernismus zu verstehen, den meisten Irrtümern seiner Nachfolger zugrunde liegt:

1 95% der Texte von Vatikan II sind annehmbar. Ganz im Gegenteil: Erzbischof Lefebvre sagte, das Problem mit Vatikan II bestehe nicht einmal in erster Linie in seinen schwerwiegenden Irrtümern bezüglich Religionsfreiheit, Kollegialität und Ökumene, sondern in dem Subjektivismus, der all seine Texte prägt, wodurch die objektive Wahrheit, Gott und der katholische Glaube sich letzten Endes in nichts auflösen. Infolge der kopernikanischen Revolution, die Kant (1724–1804) in der Philosophie vollzogen und die Pius X. anno 1907 in Pascendi angeprangert hat, drehte sich das Subjekt nun nicht mehr um das Objekt, sondern das Objekt um das Subjekt. Dieser Irrsinn hat mittlerweise auf die ganze Welt übergegriffen.

2 Gewiss, das Konzil war schlecht, aber sein Griff um die Römer lockert sich heute. Tatsächlich? Und Pachamama? Seit wann sehen wir einen solchen öffentlichen Götzendienst in den Gärten des Vatikans und in den Kirchen von Rom selbst?

3 Es bringt der Bruderschaft nichts, zu warten, bis sich Rom von seinem Modernismus abwendet und wieder zum wahren Glauben findet, aber wenn Rom gewillt ist, uns „so, wie wir sind,“ zu akzeptieren, bedeutet dies, dass Rom den Weg der Bekehrung bereits beschritten hat, und deshalb sollten wir zu einer Übereinkunft gelangen. In der Tat ist es nutzlos, auf die Bekehrung der römischen Modernisten zu warten, denn sie sind Liberale. Um einen Liberalen zu bekehren, bedarf es eines Wunders (Pater Vallet), ist der Liberalismus doch eine bequeme und verführerische Falle, aus der man sich, menschlich gesprochen, so gut wie unmöglich ohne ein Wunder befreien kann, und dieses Wunder für Welt und Kirche wird die Weihung Russlands sein und nicht eine Bruderschaft, die sich zunehmend den Liberalen anpasst. Wenn diese die einst widerspenstige Piusbruderschaft so akzeptieren, „wie sie ist,“ dann nur, weil letztere nicht mehr wie früher antiliberal ist und das Salz der Bruderschaft seinen Geschmack verloren hat (vgl. Matthäus V, 13).

4 Wir brauchen Geduld und Takt, um zu verstehen, wie die Römer denken, um sie nicht vor den Kopf zu stossen. Um zu verstehen, wie diese Modernisten in Rom denken, brauchen wir Demut und Realismus, und wir müssen von Pascendi unsere Köpfe zerschmettern lassen, bis wir das – gefährliche und hochgradig ansteckende – Virus ihres Modernismus richtig verstehen. Erst dann dürften wir uns auf irgendwelche Debatten mit ihnen einlassen. Was die Rümer am dringendsten bräuchten – kðnnten sie es nur ertragen – wäre eine scharfe Kritik, die sie in der Tat „vor den Kopf stossen“ und von ihrem Modernismus befreien würde, bis sie begreifen, was Pater Calmel meinte, als er sagte: „Ein Modernist ist Häretiker und Verräter zugleich.“

5 Es ist kein formelles Abkommen zwischen Rom und der Bruderschaft unterzeichnet worden, so dass noch kein Schaden angerichtet worden ist. Ungeheurer Schaden ist durch eine Reihe partieller Übereinkünfte angerichtet worden, beispielsweise in Bezug auf Beichten und Eheschliessungen; dies ist der Grund dafür, dass zahlreiche Angehörige der Bruderschaft – Priester und Laien – immer weniger begreifen, was deren Gründer meinte, als er in seinem letzten Buch schrieb, ein jeder Priester, der den Glauben zu behalten wünsche, tue gut daran, sich von diesen Römern fernzuhalten. Sie mögen „nette“ Männer sein. Sie mögen „es gut meinen.“ Doch objektiv gesehen, morden sie Mutter Kirche.

Kyrie eleison.

Der Unverzichtbare Papst – I

Der Unverzichtbare Papst – I on Februar 1, 2020

Während ein Jahr nach dem anderen vergeht, ohne dass sich die absurde Situation der Kirche zu verbessern scheint, fragen sich immer wieder Katholiken, die der Tradition treu geblieben sind, warum sich nicht wenigstens die traditionalistischen Priester zusammentun und ihre Grabenkämpfe beenden können. Sie glauben alle an ein und dieselbe kirchliche Tradition; sie sind sich alle darüber einig, dass das Zweite Vatikanische Konzil für die Kirche ein Desaster war. Sie wissen alle, dass Streitigkeiten unter Priestern für die Anhänger der Tradition höchst unerbaulich und entmutigend sind. Warum können sie ihre Meinungsverschiedenheiten eigentlich nicht begraben und sich auf das konzentrieren, was sie alle vereint, nämlich was die Kirche lehrt und tut, und immer gelehrt und getan hat, nämlich Seelen zu retten? Auf diese Frage gibt es sehr wohl eine Antwort, und diese gilt es regelmässig in Erinnerung zu rufen, damit es den Katholiken leichter fällt, den Glauben zu bewahren.

Wenn man davon ausgeht, dass diese Krise der Kirche in der Kirchengeschichte nichts Normales ist, sondern einen integralen Bestandteil der einen und einzigen Ereigniskette bildet, die zum Ende der Welt führen wird, sind die beiden Wörter, die in diesen „Kommentaren“ am häufigsten verwendet werden, um die Struktur der Krise zu kennzeichnen, „Wahrheit“ und „Autorität.“ Der Ursprung dieser Krise ist sehr viel älter als Vatikan II und reicht weit in die Vergangenheit zurück, besonders in die Periode der von Luther (1483–1546) entfesselten „Reformation,“ doch während die katholische Kirche bis Vatikan II gegen das Einsickern des protestantischen Gifts kämpfte, gaben die höchsten katholischen Autoritäten, zwei Päpste und 2.000 Bischöfe, mit Vatikan II den Kampf auf und liessen das Gift in die Kirche eindringen. Aus diesem Grund sind die Konzilstexte zweideutig formuliert, denn einerseits musste der katholische Schein gewahrt werden, doch wenn man sich von diesem Schein nicht blenden lässt, bemerkt man andererseits ihre wahre Stossrichtung, den „Geist des Konzils,“ der Liberalismus und Modernismus – die Nachfolger des Protestantismus – absorbieren will und alle noch verbliebenen Reste des Katholizismus verdrängen wird, sobald ihm keine Hindernisse mehr im Wege stehen.

Dies heisst, dass die katholische Autorität beim Konzil die katholische Wahrheit im Grunde genommen fallen liess und eine Doktrin entwickelte, die besser zu den modernen Zeiten passt. Und da die katholische Autorität und die katholische Wahrheit von jenem Zeitpunkt an verschiedene Wege einschlugen, sahen sich die Katholiken, um Katholiken zu bleiben, nun vor eine furchtbare Wahl gestellt, vor der sie heute noch stehen: Entweder scharen sie sich um die kirchlichen Autoritäten, vom Papst bis hin zu den Prälaten der unteren Ränge, und werfen die katholische Doktrin über Bord, oder sie bleiben der Doktrin treu und kündigen der katholischen Autorität hierdurch die Gefolgschaft, oder sie entscheiden sich für einen der zahlreichen Kompromisse zwischen diesen beiden Polen. Auf jeden Fall sind die Schafe zerstreut; allerdings ist ihre eigene Schuld hieran kaum der Rede wert, wenn man sie mit der Schuld der zwei grossen und 2.000 kleinen Hirten vergleicht, welche dafür verantwortlich waren, dass die kirchliche Autorität die kirchliche Wahrheit beim Konzil verriet. In dieser Spaltung zwischen Wahrheit und Autorität liegt der Kern der heutigen, mittlerweile ein halbes Jahrhundert alten Krise.

Und da die Wahrheit für die eine wahre Religion des einen wahren Gottes von entscheidender Bedeutung und Seine eigene Autorität entscheidend wichtig für den Schutz dieser einen Wahrheit vor allen Auswirkungen der Erbsünde auf die Menschen ist, liegt die einzige mögliche Lösung der Krise, die dieser Schizophrenie und der Zerstreuung der Schafe ein Ende bereiten wird, in einer Rückkehr des grossen und der kleinen Hirten, des Papstes und der Bischöfe, zur katholischen Wahrheit. Hiervon kann im Moment gewiss nicht die Rede sein, weder in der Kirche noch in der Priesterbruderschaft St. Pius X., die – allem Anschein nach – immer noch bestrebt ist, sich der Autorität der Konzilsprälaten zu unterstellen. (Und Erzbischof Lefebvre? „Er ist tot,“ werden einige antworten!)

Deswegen gilt: Ehe der Allmächtige Gott – kein anderer kann das tun – den Papst, und dieser nach seiner Bekehrung seine Untergebenen zur Besinnung ruft („Und wenn du dann umkehrst, stärke deine Brüder“; Lukas XXII, 32), in anderen Worten, ehe der Papst die Bischöfe der Welt auf den rechten Pfad zurückführt, kann sich die Krise nur noch verschärfen – bis wir unsere Lektion gelernt haben und Gott sich unser erbarmt. Bis dann gilt das englische Sprichwort: „Was nicht geheilt werden kann, muss ertragen werden.“

Kyrie eleison.

Ibsens Rosmersholm

Ibsens <i>Rosmersholm</i> on September 28, 2019

Henrik Ibsen (1828–1906) war ein berühmter norwegischer Dramatiker, den man oft ehrend als Vater des modernen Dramas bezeichnet. Er war kein Katholik, sprach aber eine grosse Wahrheit aus, und wie St. Augustinus einst sagte, gehören alle Wahrheiten den Katholiken (weil ihr Gott „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist). Aus diesem Grund können Katholiken Wahrheiten, die von Nichtkatholiken ausgesprochen werden, manchmal sogar noch mehr schätzen als Nichtkatholiken. Die grosse Wahrheit Ibsens besteht darin, dass sogar im prüden und heuchlerischen Norwegen des späten 19. Jahrhunderts, wo das Leben und die Freude unter einem Bleigewicht sterbender Traditionen erstickt wurden, sich der menschliche Geist protestierend erhob und den Tod einer Existenz vorzog, die ohne sichtbare Freiheit und ohne erkennbaren Sinn in einer Sackgasse steckte.

Veranschaulichen wir diesen Protest anhand dreier Schauspiele aus Ibsens späterer Phase, in der er den Schwerpunkt vom Drama der modernen Gesellschaft auf jenes des Individuums verlagert. Rosmersholm (1886) endet damit, dass der Held und seine geliebte Frau gemeinsam in den Tod gehen. In Baumeister Solness (1892) stürzt die Titelfigur am Schluss von einem hohen Turm, den zu erklimmen von Anfang ein selbstmörderisches Unterfangen war. In John Gabriel Borkman (1896) erfriert der Protagonist bei einem ebenfalls buchstäblich selbstmörderischen Versuch, einen eisigen Berghang zu erklettern. Doch in allen drei Fällen kämpfte der Held für die Freiheit des menschlichen Geistes gegen eine Welt, die diesen Geist erstickt. Werfen wir nun einen näheren Blick auf eines dieser Dramen, Rosmersholm, das kürzlich mit grossem Erfolg in London aufgeführt wurde. Ibsen lebt!

Jedes Drama benötigt eine dramatische Konfrontation. Bei dieser Konfrontation steht in Rosmersholm auf der einen Seite die alte Welt der Familie Rosmer und ihres Herrenguts, das in den vergangenen 200 Jahren hervorragende Soldaten und Geistliche hervorgebracht hat, welche der ganzen Region als Vorbild dienten und eine Führungsrolle spielten; auf der anderen Seite steht die aufsteigende neue Welt der Emanzipation und Freiheit von all diesen alten Werten. Die zentrale Gestalt des Schauspiels ist der letzte Spross dieses edlen Geschlechts, Johannes Rosmer, ein ehemaliger Pfarrer, der jedoch seinen christlichen Glauben verloren hat und nun zwischen den beiden Welten hin- und hergerissen ist. Verkörpert wird der Gegensatz zwischen den beiden Lagern durch zwei Männer – Dr. Kroll, einen kaltherzigen Konservativen, der versucht, Norwegen vor dem überall vordringenden Liberalismus zu retten, dessen eigene Frau und Kinder jedoch zu den Liberalen übergegangen sind, und dem Herausgeber der lokalen radikalen Zeitung, Mortensgaard, der bei seinen Versuchen, Rosmer auf seine Seite zu ziehen, wenigstens ebenso anrüchig vorgeht wie Kroll. Rosmer selbst hat sich zumindest theoretisch für die neue Welt der Freude und Freiheit gewinnen lassen, und zwar durch die entzückende junge Frau Rebekka West, die jahrelang seine platonische Gefährtin gewesen ist.

Das Drama erreicht seinen Höhepunkt, als Rosmer gegenüber Kroll bekennt, dass er seinen Glauben verloren hat und beabsichtigt, sich öffentlich für die Liberalen zu engagieren. Kroll versucht mit allen – lauteren und unlauteren – Mitteln zu verhindern, dass Rosmer seine Person und seinen Ruf in die Waagschale wirft, um den moralischen Zerfall zu unterstützen. Von Kroll unter Druck gesetzt, begreift Rebekka, dass sie in ihrem Kampf, Rosmer von seinem edlen, aber drückend auf ihm lastenden Erbe zu befreien, selbst von diesem Erbe, nämlich Rosmersholm, besiegt worden ist. Am Ende sehen Johannes und Rebekka keinen anderen Weg mehr, sowohl die neue Freiheit als auch die alte edle Tradition zu retten, als sich gemeinsam in den reissenden Mühlbach von Rosmersholm zu stürzen. Somit lautet Ibsens Botschaft: Die alte edle Tradition ist freudlos, der neue Konservatismus herzlos, und die neue Emanzipation ist nicht besser. Als scheinbar einziger Ausweg bleibt dem unglücklichen Paar nur noch der Tod.

Ist das alles finsterer Unsinn, dem die heutigen Katholiken nichts abgewinnen können? Keineswegs; es ist ein realistisches Porträt unserer Zeit. Wenn der Glaube stirbt, wie bei Rosmer und bei Milliarden von Seelen in unseren Tagen, vermag der Konservatismus letzten Endes nichts mehr zu bewahren, und eine linke Ideologie (Mortensgaard) vermag nicht mehr, als gottloses Benzin in ein gottloses Feuer zu giessen. Der Emanzipation (Rebekka) fehlt dauerhafte Schlagkraft, und der liberale Todeswunsch gewinnt die Oberhand. Wenn jemand wie Rosmer das Leben will, ja sogar Leben im Überfluss (Johannes X, 10), dann muss er in sich selbst den Glauben seiner wahrhaft edlen Ahnen erwecken, was bedeutet, dass er noch weiter gehen muss als selbst die besten unter seinen protestarischen Vorfahren, nämlich zurück zu den Katholiken, die Norwegen christlich gemacht haben. Lasst Rosmer wahrhaft katholisch werden, und dann werden Kroll, Mortensgaard und Rebekka die wahre Lösung erblicken können, und die ganze Region kann wieder im Lichte Christi aufleuchten.

Kyrie eleison.