Sedivakantismus

Gleichgewichts-Vorschlag

Gleichgewichts-Vorschlag on April 19, 2014

„Achtet nun darauf, daß ihr tut, wie der Herr, euer Gott, euch geboten hat; weder zur Rechten noch zur Linken sollt ihr davon abweichen!“ Diese Anweisung des Herrgotts, welche Mose an die Israeliten weiterzugeben hatte (Deuteronomium 5,32), gilt gewiß für das auserwählte Volk Gottes auch des Neuen Bundes (Römerbrief 9,25–26). Allerdings ist ihre Anwendung in unserer Zeit schwierig, weil der Hirte des Neuen Bundes geschlagen ist und die Schafe zerstreut sind (Sacharja 13,7). Ist der Papst lediglich auf so leichte Weise geschlagen, daß die Katholiken nicht zu kümmern müßten, wie sie ihm gehorchen sollen? Oder ist er vielmehr so schwerwiegend geschlagen, daß er gar nicht Papst sein kann? In jedem Fall sind die Schafe zerstreut und bleiben dies solange, bis Rußland dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht wird.

Derweilen scheint mir ein Brief aus der neuesten Ausgabe des Angelus, der offiziellen Publikation der Priesterbruderschaft St. Pius X. in den USA, auf die Linke abzuweichen. Der Autor des Briefes, Pater S., gibt mehrere Gründe an, warum die Bruderschaft dringend und „so schnell wie möglich in die Hände . . . des Papstes sich begeben“ sollte. Diese Punkte lauten: Erstens sei der Gedanke, daß die römischen Kirchenmänner absichtliche Zerstörer der Kirche sind, bereits stillschweigender Sedisvakantismus. Doch in Wirklichkeit brauche ich weder stillschweigender noch ausdrücklicher Sedisvakantist zu sein, um festzustellen, daß die subjektiven Absichten dieser Kirchenmänner keineswegs den objektiven Schaden schmälern, welchen sie der Kirche zugefügt haben und der Priesterbruderschaft zufügen würden, käme sie unter ihre Kontrolle. Zweitens sei es unrealistisch, wenn die Bruderschaft erst dann in die Hände der Römer sich begeben würde, wenn diese glaubensmäßig ganz konvertiert sind. In Wahrheit genügt aber schon eine einzige Häresie, um zu einem Feind des Glaubens zu werden – und der Modernismus ist eine allumfassende Häresie (siehe Pascendi des Hl. Pius X). Der zu enge Kontakt mit den Römern hat die Bruderschaftsoberen bereits verführt.

Drittens müsse die Bruderschaft so bald als möglich die Doktrin und die Praxis des wahren Glaubens an Rom zurückgeben. In Wirklichkeit entspricht ein solches Zurückgeben aber dem sprichwörtlichen Werfen von Perlen vor die Säue, selbst wenn Rom nur noch halb-modernistisch sein sollte. Viertens habe die Priesterbruderschaft bereits seit so langer Zeit ihre Distanz zu Rom geübt, daß sie riskiert, jedweden katholischen Sinn für Hierarchie, Gehorsam und Autorität zu verlieren. Doch in Wahrheit muß der wahre Glaube in sicherer Distanz zur allumfassenden Häresie gehalten werden. Wenn diese Häresie nicht meine Schuld ist, so wird Gott um meinen katholischen Sinn sich kümmern, solange ich ihm treu bleibe, und sei es für 40 Jahre oder länger in der Wüste, wie er um die treuen Israeliten sich kümmerte (Exodus – Deuteronomium). Und fünftens teile und schwäche der sogenannte „Widerstand“ den wahren Widerstand der Priesterbruderschaft gegen das konziliare Rom. In Wirklichkeit wird die Einheit auf Basis eines nicht-lehrmäßigen Abkommens zu einer Einheit des Irrtums und somit tödlich für die Bruderschaft des Erzbischof Lefebvre. Kurz gesagt hat Pater S. völlig aus den Augen verloren, wie verführerisch und tödlich der Irrtum des Modernismus für den Glauben tatsächlich ist.

Auf der anderen Seite scheint mir ein Priester, welcher nun im Meßkanon die Nennung des Papstnamens verweigert, zu riskieren, auf der rechten Seite vom Weg abzukommen. Wer die tödliche Gefahr des Modernismus für den Glauben erkennt, der sieht auch den riesigen objektiven Schaden, welchen die Konzilspäpste der Kirche zugefügt haben. Doch kann ich aufrichtig sagen, daß überhaupt nichts Katholisches mehr in ihnen vorhanden ist? Haben sie beispielsweise, wie auch Pater S. sagen könnte, nicht wenigstens noch gute subjektive Absichten? Könnte ich dann also nicht die Hl. Messe feiern in Einheit mit dem, was noch an Katholischem in diesen Päpsten verbleibt? Die Amtskirche mag todkrank sein, doch möchte ich meinerseits nicht behaupten, daß überhaupt nichts Katholisches mehr in ihr vorhanden ist. Sie ist noch nicht vollständig tot.

„In sicheren Dingen Einheit, in ungewissen Dingen Freiheit, und in allen Dingen Nächstenliebe.“

Kyrie eleison.

Fatale Humanisierung

Fatale Humanisierung on Februar 22, 2014

Einige Katholiken, welche den Apostolischen Stuhl als vakant (nicht besetzt) ansehen, lehnen die letzten Ausgaben dieser „Eleison-Kommentare“ vehement ab, weil diese anscheinend die allumfassende Häresie des Liberalismus auf die gleiche Stufe mit der speziellen Meinung namens Sedisvakantismus setzten. Allerdings greifen die „Kommentare“ die Seuche des Liberalismus ständig heftig an, während in letzter Zeit sie lediglich argumentierten, daß niemand verpflichtet ist, Sedisvakantist zu sein. Ist das nicht eine sehr moderate Haltung im Hinblick darauf, wie oft der Sedisvakantismus einer ziemlich steril machenden Falle gleichkommt?

Die „Kommentare“ vertreten die Position, daß der Sedisvakantismus, obgleich er einen bewundernswerten Versuch zur Bekämpfung des Liberalismus darstellt, für diese Aufgabe bestensfalls ein unzureichendes Mittel ist, weil er mit den Liberalen einen Grundirrtum teilt: die Übertreibung der päpstlichen Unfehlbarkeit. In seiner vollen Tiefe führt dieser Irrtum uns zum Kern der beispiellosen Kirchenkrise von heute, weswegen die „Kommentare“ auf diesem Thema beharren werden und jene Leser um Nachsicht bitten, welche dadurch übermäßig gelangweilt oder gekränkt werden. Die ganze Kirche steht auf dem Spiel, nicht nur die Gefühle dieser oder jener Kirchenglieder.

Die erwähnte volle Tiefe finden wir in der langsamen aber stetigen Abkehr der Menschheit von Gott, von seinem Sohn und von seiner Kirche während der letzten 700 Jahre. Im Hochmittelalter besaßen die Katholiken noch einen klaren und festen Glauben, und sie erfaßten das Einssein und den Absolutheitsanspruch des objektiven Gottes und seiner widerspruchsfreien Wahrheit. Dante setzte Päpste ohne weiteres in sein Inferno. Als über die Jahrhunderte der Mensch jedoch immer stärker sich in den Mittelpunkt aller Dinge rückte, verlor scheinbar Gott seine absolute Transzendenz über alle seine Geschöpfe, die Wahrheit schien immer relativer zu werden und nicht mehr länger an Gottes, sondern stattdessen an des Menschen Autorität zu hängen.

Nehmen wir als Beispiel innerhalb der Kirche die 13. der 17 „Regeln über die kirchliche Gesinnung“ aus dem berühmten Buch Geistliche Übungen des Hl. Ignatius von Loyola. Unzählige Päpste lobten dieses Buch, und zweifellos half es dabei, Millionen von Seelen zu retten. Der Hl. Ignatius schreibt in dieser 13. Regel: „Wir müssen, um in allem sicherzugehen, stets festhalten: was meinen Augen weiß erscheint, halte ich für schwarz, wenn die hierarchische Kirche so entscheidet.“ Eine solche Haltung mochte die Autorität der Kirchenmänner für kurze Zeit stärken, aber drohte sie auf lange Sicht nicht eher, die Autorität von der Wahrheit abzukoppeln?

Tatsächlich war im späten 19. Jahrhundert der Liberalismus bereits so stark geworden, daß die Kirche ihre eigene Autorität unterstützen mußte, indem sie im Jahre 1870 eine Definition über das unter voller Kraft agierende Lehramt herausgab: namentlich, wenn 1) ein Papst 2) definiert, 3) den Glauben oder die Moral betreffend, und 4) für die gesamte Kirche bindend. Doch weil seither viele Katholiken zu menschlich denken, tendierten sie zu folgendem Irrtum: anstatt das päpstliche Außerordentliche Lehramt in Bezug zu Gott und zur unabänderlichen Wahrheit des Ordentlichen Lehramts der Kirche zu stellen, verleihen sie der menschlichen Person des Papstes eine Unfehlbarkeit, welche allein von Gott stammt und allein ihm gebührt. Dieser Vermenschlichungsprozeß erzeugte eine schleichende Unfehlbarkeit, welche fast zwangsläufig in dem absurden Anspruch Pauls VI. gipfelte, im Namen eines „Feierlichen Ordentlichen Lehramtes“ die Tradition der Kirche umformen zu können. Die große Mehrheit der Katholiken ließ den Papst damit ungestraft davonkommen. Bis heute werden viele von ihnen Tag für Tag mehr Liberale, weil sie den Konzilspäpsten folgen, während eine kleine Minderheit von Katholiken sich angetrieben fühlt, jenen das Papst-Sein abzusprechen, welche für diesen konziliaren Unsinn verantwortlich sind.

Kurz gesagt habe ich durchaus Respekt für viele Sedisvakantisten, insofern sie an die Kirche glauben und verzweifelt keine andere Lösung für ein unendlich großes Kirchenproblem finden. Doch sollten sie meiner Meinung nach höher und tiefer zugleich schauen: auf die unendliche Höhe und Tiefe Gottes.

Kyrie eleison.

Kirchliche Unfehlbarkeit – II

Kirchliche Unfehlbarkeit – II on Februar 15, 2014

Die kirchliche Unfehlbarkeit verdient eine ausführliche Erklärung, besonders um Illusionen zu korrigieren, welche (unbeabsichtigt) aus der Festlegung oder Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit im Jahre 1870 herrühren. Beispielsweise denken heutzutage die Sedisvakantisten und die Liberalen, daß ihre Positionen komplett entgegengesetzt seien. Doch haben sie schon einmal innegehalten und bemerkt, wie ähnlich sie in diesem Punkt denken? Obersatz: die Päpste sind unfehlbar. Untersatz: die Konzilspäpste sind liberal. Schlußfolgerung der Liberalen: wir müssen liberal werden. Schlußfolgerung der Sedisvakantisten: die Konzilspäpste können keine Päpste sein. Der Denkfehler liegt hier weder in der Logik, noch im Untersatz, sondern kann nur im Mißverständnis auf beiden Seiten von der Unfehlbarkeit im Obersatz liegen. Noch einmal sei daran erinnert, wie der moderne Mensch die Autorität über die Wahrheit stellt.

Der Ewige Gott ist die Wahrheit an sich und absolut unfehlbar. In der geschaffenen Zeit stattete er seine Kirche durch seinen fleischgewordenen Sohn mit der Glaubenslehre zur Rettung der menschlichen Seelen aus. Weil diese Glaubenslehre von Gott kommt, kann sie nur unfehlbar sein. Um sie allerdings von den Fehlern der menschlichen Kirchenmänner, welchen er diese Glaubenslehre anvertraute, freizuhalten, versprach der Gottessohn diesen Kirchenmännern, daß der „Geist der Wahrheit“ ihnen „immerfort“ beistehen werde (siehe Johannes 14,16). Hätte ohne eine solche Garantie der Dreifaltige Gott von den Menschen verlangen können, unter Androhung von ewiger Verdammnis, an seinen Sohn, seine Lehre und seine Kirche zu glauben (Matthäus 16,16)?

Doch Gott nimmt auch den Kirchenmännern nicht jenen freien Willen weg, welchen er ihnen gab und welcher zum Irrtum fähig ist. Gott läßt zu, daß diese Kirchenmänner ihre Freiheit so weit anwenden, wie sie möchten – nur nicht so weit, daß sie seine Wahrheit für die Menschen völlig unzugänglich machen. Somit geht diese Freiheit zum Irren wirklich sehr weit, und sie umfaßt eine gewisse Anzahl von höchst fehlerbehafteten Päpsten. Doch Gottes Arm reicht noch viel weiter, trotz der Verkommenheit der Menschen (Isaias 59,1–2). Beispielsweise ging beim Zweiten Vatikanischen Konzil der Irrtum der Kirchenmänner sehr weit, ohne daß Gott allerdings zugelassen hat, daß seine Kirche ganz vergangen wäre bei ihrem Sichtbarmachen der irrtumslosen Wahrheit, welche auf Gottes eigener Unfehlbarkeit ruht. Selbst die Konzilspäpste haben neben ihren konziliaren Irrtümern noch eine ganze Reihe katholischer Wahrheiten von sich gegeben.

Doch wie kann ich als einfache Seele nun den Unterschied zwischen den Wahrheiten und den Irrtümern der Kirchenmänner treffen? Erstens wird Gott, wie die Hl. Schrift an vielen Stellen sagt, mich zu ihm führen, wenn ich nur aufrichtigen Herzens nach ihm strebe. Zweitens kann Gottes Lehre, weil sie so unveränderlich wie Gott selber ist, nur jene Lehre sein, welche (fast) alle Kirchenmänner an (fast) allen Orten und zu (fast) allen Zeiten lehrten und überlieferten – auch als Tradition bekannt. Von Beginn der Kirche an war dieses Überliefern die sicherste Bewährungsprobe dafür, was unser Herr selber gelehrt hatte. Im Laufe der Jahrhunderte ist diese irrtumslose Tradition das Werk von Millionen von Kirchenmännern geworden. Dafür hat Gott seine Kirche als Ganzes – und nicht nur die Päpste – mit dem Beistand des unfehlbaren Heiligen Geistes ausgestattet.

Das ist sozusagen der Kuchen der kirchlichen Unfehlbarkeit, wovon die Päpste mit ihren feierlichen Definitionen lediglich das Sahnehäubchen darstellen. Gewiß sind ihre Definitionen wertvoll und notwendig, aber eben nicht der Berg der kirchlichen Unfehlbarkeit, sondern nur seine Spitze. Beachten wir z.B., daß erstens die Definitionen des päpstlichen Außerordentlichen Lehramtes nicht erst seit 1870 existierten, sondern seit dem Beginn der Kirche. Und daß zweitens diese Definitionen nicht aus dem Grund existieren, um die Tradition wahr zu machen, sondern lediglich um Gewißheit zu schaffen, was zur Tradition gehört und was nicht – wenn irrende Menschen dieses Dazugehören zweifelhaft machen. Mit seinem Gespür für die Wahrheit hielt Erzbischof Lefebvre zurecht sich lieber an die irrtumslose Tradition als an schwer irrende Päpste. Doch nun beginnen seine Nachfolger – welche ihn nie verstanden haben, weil sie, wie alle modernen Liberalen, die Wahrheit nicht genug spüren – , irrende Päpste der irrtumslosen Tradition vorzuziehen. Und wenn die Sedisvakantisten die Wahrheit unterschätzen und die Päpste überschätzen, und somit irrende Päpste ganz verwerfen, so können sie versucht sein, die Kirche ganz zu verlassen. Herr, erbarme Dich!

Kyrie eleison.

Kirchliche Unfehlbarkeit – I

Kirchliche Unfehlbarkeit – I on Februar 8, 2014

Wahrscheinlich liegt für Sedisvakantisten das Hauptproblem in der kirchlichem Unfehlbarkeit (Motto: die Konzilspäpste sind auf schreckliche Weise fehlbar, wie könnten sie da noch Päpste sein?). Allerdings sollten wir die Unfehlbarkeit generell verstehen, und nicht nur, um den Sedisvakantismus zu entschärfen. Denn das Problem der Moderne, die Autorität über die Wahrheit zu stellen, ist riesengroß.

„Unfehlbarkeit“ heißt die Unfähigkeit zu irren oder einen Fehler zu begehen. Im Jahre 1870 definierte das Vatikanische Konzil, daß der Papst nicht irren kann, wenn alle folgenden vier Bedingungen erfüllt sind: Er muß 1) als Papst sprechen, 2) über Fragen des Glaubens oder der Moral, 3) auf endgültige Weise und 4) in der klaren Absicht, für die gesamte Kirche bindend zu sein. Eine solche Lehre gehört dann zum sogenannten „außerordentlichen“ Lehramt. Außerordentlich, weil der Papst einerseits nur selten alle vier Bedingungen gleichzeitig anwendet, und andererseits viele andere Wahrheiten lehrt, welche nicht irrig oder falsch sein können, weil sie schon immer von der Kirche gelehrt worden sind und daher zum „Ordentlichen kirchlichen Lehramt,“ wie das Vatikanum sagte, gehören und ebenfalls unfehlbar sind. Die eigentliche Frage ist nun die des Verhältnisses zwischen dem Außerordentlichen Lehramt des Papstes und dem Ordentlichen Lehramt der Kirche.

Die hl. Mutter Kirche lehrt, daß das Glaubensgut der Kirche, auch Offenbarung genannt, mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen war, also ungefähr im Jahre 105 des Herrn. Seither ist dem offenbarten Glaubensgut, dem kirchlichen Lehrbestand, weder etwas hinzugefügt worden, noch hätte etwas hinzugefügt werden können. Somit kann auch eine „außerordentliche“ Definition kein einziges Jota an Wahrheit zu diesem Glaubensgut hinzufügen, sondern um der Gläubigen willen lediglich Gewißheit über eine einzelne und bereits zum Glaubensgut gehörende Wahrheit dazugeben, weil dieses Dazugehören noch nicht klar genug gewesen war. In einer vierfacher Abfolge steht an erster Stelle eine bestimmte objektive Wirklichkeit, welche vom menschlichen Verstand unabhängig ist, wie z.B. die geschichtliche Tatsache, daß die hl. Muttergottes ohne Erbsünde empfangen worden war. An zweiter Stelle rückt dann die Wahrheit in den Verstand aller, welche mit dieser Wirklichkeit übereinstimmen. Erst an dritter Stelle kommt die unfehlbare Definition, wenn also ein Papst die eingangs skizzierten vier Bedingungen erfüllt. Und viertens entspricht dieser kirchlichen Definition dann die Gewißheit für die Gläubigen bezüglich dieser Wahrheit. Dies bedeutet: wo die Wirklichkeit die Wahrheit erzeugt, schafft eine kirchliche Definition lediglich Gewißheit bezüglich dieser Wahrheit.

Allerdings gehören die Wirklichkeit und ihre Wahrheit bereits zum Ordentlichen Lehramt, denn zweifellos kann kein Papst eine Wahrheit außerhalb des Glaubensgutes unfehlbar definieren. Das Verhältnis vom Ordentlichem Lehramt zum Außerordentlichen Lehramt entspricht also dem Verhältnis des Hundes zum Schwanz, nicht des Schwanzes zum Hunde. Das Problem ist nun, daß die Definition aus dem Jahre 1870 dem Außerordentlichen Lehramt eine solche Geltung verschaffte, daß im Vergleich dazu das Ordentliche Lehramt zu verblassen begann – bis hin zu dem Punkt, daß Katholiken, und selbst Theologen, dem Ordentlichen Lehramt eine Unfehlbarkeit gleich dem Außerordentlichen Lehramt andichten wollten. Doch ist dies unklug, denn das Außerordentliche Lehramt setzt das Ordentliche Lehramt voraus und existiert sogar nur, um einer Wahrheit (2), welche bereits vom Ordentlichen Lehramt gelehrt worden ist, Gewißheit (4) zu verleihen.

Veranschaulichen wir diesen Sachverhalt durch einen Berg mit einer Schneekappe obendrauf. Der Berg hängt in keiner Weise von diesem Schnee ab, sondern wird durch ihn nur noch deutlicher sichtbar. Im Gegensatz dazu hängt der Schnee auf dem Berg allerdings ganz vom Berg ab, damit er (der Schnee) überhaupt an seinem Platz liegen kann. Auf ähnliche Weise macht das Außerordentliche Lehramt das Ordentliche Lehramt nur noch deutlicher oder gewisser sichtbar. Und wenn der Winter hereinbricht, sinkt die Schneefallgrenze. Weil die Nächstenliebe in der heutigen Zeit erkaltet, so mögen zwar mehr Definitionen des Außerordentlichen Lehramtes notwendig sein, doch stellt das keine Perfektion des Ordentlichen Lehramtes dar. Im Gegenteil unterstreicht diese Vermehrung an Definitionen nur die Schwachheit der Gläubigen beim Begreifen ihres Glaubens. Je gesünder der Mensch ist, desto weniger Medizin braucht er. Nächste Woche wenden wir diese Ausführungen auf den Sedisvakantismus und auf die Krise der Priesterbruderschaft St. Pius X. an.

Kyrie eleison.

Sedisvakantisten-Angst – II.

Sedisvakantisten-Angst – II. on Februar 1, 2014

1) Entweder müssen wir die Konzilspäpste ganz anerkennen (wie die Liberalen – Gott bewahre), oder aber sie ganz zurückweisen (wie die Sedisvakantisten). Sie allerdings teilweise anzuerkennen und teilweise abzulehnen, bedeutet nach eigener Erkenntnis auszuwählen, wie das schon Luther tat und alle Häretiker es tun (aus dem Griechischen: „Auswähler“).

Das träfe zu, wenn wir nach eigenem Ermessen auswählen würden. Es trifft jedoch nicht zu, wenn wir, wie Erzbischof Lefebvre, in Übereinstimmung mit der katholischen Überlieferung urteilen, welche in den Kirchendokumenten von 2000 Jahren enthalten ist. Auf diese Weise beurteilen wir in Übereinstimmung mit 260 Päpsten gegenüber bloß sechs Konzilspäpsten. Doch dieser Mangel an Übereinstimmung beweist noch nicht die Ungültigkeit dieser sechs.

2) Aber die Konzilspäpste haben doch den Glauben vergiftet und das Seelenheil von Millionen und Abermillionen von Katholiken in Gefahr gebracht. Das steht im Widerspruch zum Dogma der Unvergänglichkeit der Kirche.

Während der Arianismus-Krise im 4. Jahrhundert gefährdete Papst Liberius den Glauben durch seine Verurteilung des Hl. Athanasius und durch seine Unterstützung der arianischen Bischöfe im Osten. Für ein paar Augenblicke im Leben der Kirche lag die kirchliche Unvergänglichkeit nicht mehr beim Papst, sondern bei seinem scheinbaren Gegner. Doch beraubte das weder Liberius seines Papstamtes, noch machte es Bischof Athanasius zum Papst. Auf ähnliche Weise ruht heute die Unvergänglichkeit der Kirche auf den gläubigen Nachfolgern jener Kirchenlinie, welche Erzbischof Lefebvre gefestigt hatte. Doch heißt das nicht, daß Paul VI. kein Papst gewesen wäre.

3) Wenn die Bischöfe der Weltkirche in Einheit mit dem Papst lehren, dann spricht das Ordentliche und Universelle Lehramt der Kirche, welches unfehlbar ist. Doch seit 50 Jahren lehren die Bischöfe der Welt in Einheit mit den Konzilspäpsten konziliaren Unsinn. Aus diesem Grunde können diese Päpste keine echten gewesen sein.

Stünde das ordentliche Lehramt der Kirche außerhalb der Überlieferung, so wäre es nicht mehr „ordentlich,“ sondern höchst außerordentlich, denn die Kirche kennt keine Neuerungen, und das Wort „universell“ umfaßt Raum und Zeit. Nun aber steht die konziliare Lehre weit außerhalb der Überlieferung (z.B. Kultfreiheit und Ökumenismus). Daher fällt die eigentliche Konzilslehre nicht unter das Ordentliche Allgemeine Lehramt, und sie kann also auch nicht als Beweis dafür herhalten, daß die Konzilspäpste keine Päpste wären.

4) Der Modernismus ist das „Sammelbecken aller Häresien“ (Hl. Pius X.) Die Konzilspäpste waren allesamt „öffentlich und augenscheinlich“ Modernisten, d.h. Häretiker in einer Form, worüber der Hl. Robert Bellarmin sagte, daß sie nicht Glieder der Kirche sein können, geschweige denn ihr Haupt.

Siehe „Eleison Kommentare“ von letzter Woche. Zu Zeiten des Hl. Bellarmin lagen die Dinge deutlich klarer, oder sagen wir „öffentlich und augenscheinlich,“ als in der heutigen Verwirrung der Gedanken und Herzen. Die objektive Häresie der Konzilspäpste (d.h. was sie sagen) ist zwar öffentlich und augenscheinlich, nicht jedoch ihre subjektive und formale Häresie (d.h. ihr bewußte und entschlossene Absicht zu leugnen, was sie als unveränderliches katholisches Dogma kennen). Den Nachweis ihrer formalen Häresie könnte nur eine Gegenüberstellung mit der kirchlichen Lehrautorität erbringen, z.B. die Heilige Inquisition oder das Heilige Offizium – nenne man es, wie man will („Was ist ein Name? Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften,“ so Shakespeare). Jedoch ist der Papst als solcher die höchste Lehrautorität der Kirche und steht über und hinter der heutigen Glaubenskongregation. Wie könnte dann der Beweis erfolgen, daß er jene Form von Häretiker ist, welche unmöglich Oberhaupt der Kirche sein kann?

5) Dann befindet die Kirche sich in einem ausweglosen Durcheinander!

Erneut verweise ich auf die „Eleison Kommentare“ von letzter Woche. Das Denken der modernen Menschen ist so umfassend durcheinander, daß nur noch Gott allein diesen Saustall auszumisten vermag. Jedoch spricht dieser Einwand eher dafür, daß Gott eingreifen muß (und zwar bald!), als für die These, daß die durcheinandergebrachten Päpste keine Päpste seien. Haben wir Geduld. Gott unterzieht uns einer schweren Prüfung, und er hat alles Recht dazu.

Kyrie eleison.

Sedisvakantisten-Angst – I.

Sedisvakantisten-Angst – I. on Januar 25, 2014

Seit seiner Wahl Anfang letzten Jahres sind die Worte und Taten von Papst Franziskus so wenig katholisch und so unverschämt gewesen, daß die Vorstellung von einem „Sedisvakantismus“ – wonach die letzten Päpste gar keinen wirklichen Päpste gewesen seien – neuen Auftrieb erhalten hat. Beachten wir allerdings, daß Franziskus den Wahnsinn des Zweiten Vatikanischen Konzils lediglich unverblümter ausdrückt als seine fünf Vorgänger. Also bleibt die Frage, ob die sechs Konzilspäpste (vielleicht mit Ausnahme von Johannes Paul I.) wirklich Stellvertreter Christi gewesen sein können.

Nun ist diese Frage allerdings nicht von zentraler Bedeutung. Denn selbst wenn diese sechs Männer keine Päpste gewesen sein sollten, so hat doch der katholische Glaube und die katholische Moral kein Jota sich verändert, und diesem unveränderlichen Glauben sind wir gemäß der Hl. Schrift verpflichtet: „Wirkt euer Heil mit Furcht und Zittern!“ (Philipper 2,12). Sollten hingegen diese Männer Päpste gewesen sein, so kann ich ihnen dennoch in all dem nicht folgen, wo sie vom wahren Glauben und von der Moral abgewichen sind, weil auch dann die Hl. Schrift gilt: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apostelgeschichte 5,29). Trotzdem halte ich es für wichtig, auf einige Argumente des Sedisvakantismus einzugehen, weil verschiedene Sedisvakantisten die Vakanz des Heiligen Stuhles zum Glaubensdogma für uns Katholiken erheben wollen. Meines Erachtens ziemt das sich nicht. „Im Zweifel Freiheit,“ sagte der Hl. Augustinus.

Zu dem Problem, wovon der Sedisvakantismus lediglich ein Ausdruck ist, halte ich die Tatsache für einen Schlüssel, daß in der ganzen Geschichte der Kirche Christi das Zweite Vatikanum eine beispiellose Katastrophe war; wenngleich diese Katastrophe gewiß eine logische Folge des langen Verfalls der Kirchenmänner seit dem Spätmittelalter ist. Einerseits ist die göttliche Natur der katholischen Kirche und ihre Prinzipien, welche selbst während ihren Krisen inklusive der konziliaren Krise herrschen, unveränderlich. Andererseits muß die Anwendung dieser Prinzipien die stets sich ändernden menschlichen Umstände berücksichtigen, in welchen diese Prinzipien wirken. Und der heutige Grad an menschlicher Verkommenheit ist noch nie dagewesen.

Zwei dieser unveränderlichen Prinzipien sind zum einen, daß die Kirche niemals völlig abtrünnig werden kann, denn Unser Herr versprach, daß selbst die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden (Matthäus 16,18). Zum anderen hat Unser Herr aber auch gefragt, ob er bei seiner zweiten Wiederkehr auf Erden noch Glauben vorfinden werde (Lukas 18,8). Letzteres ist ein wichtiges Zitat, weil es deutlich darauf hinweist, daß die Kirche am Ende der Welt fast vollständig abtrünnig geworden sein wird, so wie es schon heute im Jahre 2014 der Fall zu sein scheint. Und in der Tat, falls wir heute auch noch nicht das Weltende erleben mögen, so stehen wir doch wenigstens mitten in der Generalprobe für dieses Weltende, wie Unsere Liebe Frau von La Salette, der ehrwürdige Pfarrer Holzhauser und Kardinal Billot nahelegen.

Somit kann heute und am Weltende die Abtrünnigkeit der Kirchenmänner sehr weit gehen. Zwar kann sie nicht die Kraft des allmächtigen Gottes übersteigen, welcher garantiert, daß die Kirche nie ganz verschwinden und scheitern wird. Doch der Treuebruch kann so weit gehen, wie Gott ihn erlaubt; oder anders gesagt hält nichts die Kirche davon ab, fast vollständig untreu zu werden. Wie weit reicht denn der Begriff „fast vollständig“? Gott alleine weiß es, und somit wird nur die Zeit es uns zeigen. Denn niemand von uns kann Gottes Gedanken lesen, und nur die Tatsachen können nach dem Ereignis den Inhalt der göttlichen Denkweise uns mit Sicherheit offenbaren. In der Hl. Schrift teilt Gott seine Denkweise immerhin teilweise mit.

Was nun das Ende der Welt betrifft, so halten viele Ausleger der Apokalypse (siehe Offenbarung des Johannes 13,11–17) die Kirchenautoritäten für das lamm-ähnliche zweite Tier, welches dem Antichrist dient. Denn widerstünden diese Kirchenautoritäten dem Antichrist, so könnte er niemals obsiegen, was er allerdings gemäß der Hl. Schrift tun wird. Ist dann während der Generalprobe für das Weltende es noch verwunderlich, wenn die Stellvertreter Christi wie Feinde Christi reden und sich benehmen? Vor diesem notwendigen Hintergrund folgen in den „Eleison Kommentaren“ der nächsten Woche Antworten auf einige der wichtigsten Argumente der Sedisvakantisten.

Kyrie eleison.