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Kupfermünzen-Gesellschaft

Kupfermünzen-Gesellschaft posted in Eleison Kommentare on November 27, 2010

Das Leben des französischen Malers Paul Gauguin (1848–1903) lieferte den Stoff für einen Spielfilm, eine Fernsehserie, eine Oper und mindestens zwei Romane. Etwas an seinem Leben muß den modernen Menschen also ansprechen: der Börsenmakler, der für die Ehefrau und fünf kleine Kinder die Verantwortung übernimmt und dann alles wegwirft, um revolutionärer Künstler zu werden – und der auf einer entfernten kleinen Südseeinsel die gesamte westliche Zivilisation verschmäht. Doch zeigt Gauguins ruheloses Ende nicht eher, daß er dort kaum die Lösung fand, wovon so viele verantwortlich lebende Seelen träumen?

William Somerset Maugham, der bekannte britische Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts, schrieb 16 Jahre nach Gauguins Tod eine fiktive Darstellung seines Lebens. Er besuchte dazu eigens den Südpazifik, um aus erster Hand Material für seinen Roman „Silbermond und Kupfermünze“ („The Moon and Sixpence“) zu sammeln. Der Titel dieser von Gauguin handelnden Kurzgeschichte mag seltsam anmuten, trifft aber genau den Kern der Sache. Im Jahre 1915 erschien Maughams Meisterwerk „Der Menschen Hörigkeit“ („Of Human Bondage“), ein im Grunde autobiographischer Roman. Ein Kritiker von „Der Menschen Hörigkeit“ beschuldigte den Romanhelden, „mit seiner großen Sehnsucht nach dem Mond so beschäftigt zu sein, daß er die Kupfermünze zu seinen Füßen – den „Sixpence“ (eine kleine silberfarbene britische Münze zur Romanzeit) – niemals sehen konnte.“ Anders ausgedrückt blickte Maugham so sehnsüchtig auf ein unerreichbares Ideal, daß er das kleinere, aber erreichbare Glück zu seinen Füßen nicht sah. Maugham erwiderte auf die Anschuldigung: „Wenn Sie ständig den Boden auf Kupfermünzen hin absuchen, dann blicken Sie ja nicht nach oben und werden daher den Mond verpassen.“ In anderen Worten: Es gibt höhere Dinge im Leben.

Die Verwendung dieses Gegensatzes von Silbermond und Kupfermünze für seinen Romantitel zeigt deutlich, wie Maugham über Gauguin dachte. Das normale Glück eines Börsenmaklers und Familienvaters der Mittelschicht stellt die Kupfermünze dar, und dies alles wegzuwerfen, um Künstler zu werden, repräsentiert den Silbermond. Doch keineswegs heißt Maugham das Wegwerfen des normalen Lebens und der Familie gut. Vielmehr schildert er im Roman den Künstler Strickland – seinen Gauguin – als entsetzlich egoistisch, hartherzig und grausam. Gleichzeitig zeigt Maugham ihn aber auch als Genie, der im Grunde genommen recht damit hatte, seiner Künstlerberufung zu folgen – unabhängig davon, wieviel der „Silbermond“ dem Künstler selber und den Menschen um ihn herum an „Kupfermünzen-Glück“ kosten würde.

Auf diese Weise drückt Maugham aus, daß das Leben der meisten Menschen aus der westlichen Zivilisation ein „Kupfermünzen-Leben“ ist. Dabei ist doch das Leben viel mehr wert als nur Kupfermünzen. Es gibt in der kurzen Zeitspanne, die dem Menschen auf dieser Erde zu leben gegeben ist, so viel Wertvolleres, daß er beim Streben danach grundsätzlich – falls notwendig – eine beliebige Anzahl Kupfermünzen in den Boden trampeln darf.

Im wirklichen Leben starb Gauguin als – zumindestens im Nachhinein betrachtet – berühmter und erfüllter Künstler, jedoch noch immer in einem ruhelosen und rebellischen Zustand. Maugham deckt in seinem Roman beide Seiten ab, indem er das bestätigte Genie und das gescheiterte Menschsein darstellt. Doch hat Maugham damit Gauguins ungelöstes Problem wirklich gelöst? Können denn Genialität und Leben einerseits gegensätzlich und andererseits trotzdem beide menschlich sein? Das scheint ein weitverbreiteter und tiefgehender Widerspruch zu sein.Gibt es eine Lösung? Mehr darüber erfahren Sie nächste Woche im „Eleison Kommentar.“

Kyrie eleison.

Aussichtslose Flucht

Aussichtslose Flucht posted in Eleison Kommentare on November 20, 2010

Das Londoner Museum „Tate Modern“ zeigt momentan eine Ausstellung über einen weiteren großen Meister der modernen Kunst – falls „groß“ und „modern“ nicht bereits einen Widerspruch in sich darstellen –, den Franzosen Paul Gauguin (1848 – 1903). Das menschliche Wesen braucht Bilder so dringend wie eine Vision davon, was das Leben überhaupt bedeutet. Heutzutage kommen solche Bilder zwar weitgehend von der Elektronik, doch zu Gauguins Zeiten verfügten die Maler noch über einen enormen Einfluß.

Gauguin kam 1848 in Paris zur Welt. Mit 23 Jahren wurde er, im Anschluß an mehrere Reisen und Beschäftigungen, schließlich Börsenmakler. Zwei Jahre später heiratete er eine Dänin, die ihm in zehn Jahren fünf Kinder schenkte. Während dieser Zeit war ihm das Malen nur eine Liebhaberei, für die er allerdings Talent besaß. Nachdem es Gauguin im Jahre 1884 mißglückte, in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen ein Geschäft zu betreiben, gab er seine junge Familie auf und ging nach Paris zurück, um hauptberuflich Maler zu werden.

Im Jahre 1888 malte Gauguin gemeinsam mit van Gogh neun Wochen lang in der südfranzösischen Stadt Arles. Doch das Treffen endete hitzig. Nach Paris zurückgekehrt, gelang es Gauguin nicht, genug Geld oder Anerkennung zu verdienen. So setzte er im Jahre 1891 die Segel in Richtung Tropen, um „allem Künstlichen und Konventionellen zu entkommen.“ Abgesehen von einem ausgedehnten Aufenthalt in Paris verbrachte er den Rest seines Lebens in Tahiti und auf den Marquesas-Inseln, welche damals Kolonien von Französisch-Polynesien im Südpazifik waren. Dort schuf er die meisten seiner Gemälde, auf denen sein Ruhm beruht. Doch immer noch kämpfte er gegen Kirche und Staat – und nur sein Tod im Jahre 1903 bewahrte ihn vor einer dreimonatigen Haftstrafe.

Wie schon bei van Gogh begann auch Gauguins Malen im düsteren und konventionellen Stil der Kunst des späten 19. Jahrhunderts. Allerdings wurden, wie auch bei van Gogh und etwa zur gleichen Zeit, Gauguins Farben deutlich heller und der Stil unkonventioneller. Tatsächlich war Gauguin der Begründer des sogenannten „Primitivismus“-Bewegung in der modernen Kunst, welche bald nach seinem Tode einen beachtlichen Einfluß auf den zwar brillanten, aber ebenso aufrührerischen Picasso gewann. „Primitivismus“ bedeutete „zurück zu den primitiven Wurzeln“ zu gehen, weil Europa sich ausgebrannt vorkam. Daher rührt die Hinwendung zu afrikanischen und asiatischen Modellen; ein bekanntes Beispiel hierzu ist Picassos Gemälde „Les Demoiselles d’ Avignon,“ das fünf Dirnen in einem Bordell zeigt. Aus diesem „Primitivismus“-Impuls heraus war Gauguin im Jahre 1891 nach Polynesien geflohen, wo er das Eindringen der katholischen Missionare bedauerte, die heidnischen Götter der örtlichen vor-katholischen Mythologie studierte und in seine Kunst einband – darunter mehrere quasi-teuflische Gestalten.

Stellt allerdings die Vision jener tahitianischen Gemälde Gauguins – die sicherlich seine besten sind – eine tragfähige Lösung für die Probleme des dekadenten Abendlandes dar, welches er verschmähte und hinter sich ließ? Kaum. Jene Gemälde in der „Tate Modern“-Ausstellung sind zwar originell und farbenfroh, aber die von ihm gemalten tahitianischen Menschen – vor allem junge Frauen – bleiben irgendwie abgestumpft und träge. Gauguins Tahiti mag ein Fluchtort sein, aber es birgt keine Hoffnung. Gauguin mag das dekadente Abendland richtig eingestuft haben, doch das in seiner polynesischen Kunst gestiftete irdische Paradies schenkte ihm kaum Ruhe und er starb in einem immer noch widerspenstig eingestellten Zustand. Es besteht ein Problem, welches er immer noch nicht gelöst hat.

Interessant hierzu ist die fiktive Version von Gauguins Leben durch Somerset Maugham, einen bekannten englischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Mehr darüber erfahren Sie nächste Woche im „Eleison Kommentar.“

Kyrie eleison.

Moderne Kunst – II.

Moderne Kunst – II. posted in Eleison Kommentare on Juli 17, 2010

Durch ihre Häßlichkeit selber zeigt die moderne Kunst auf die Existenz und die Güte Gottes. Betrachten wir drei Monate nach dem „Eleison Kommentar“ Nr. 146 erneut dieses Paradoxon, damit jede Seele, welche anhand des gesunden Menschenverstandes den Unterschied zwischen Schönheit und Häßlichkeit in der Kunst zugibt, auch die nächste Erkenntnis erreichen dürfte, daß nämlich, würde Gott nicht existieren, es auch diesen Unterschied nicht gäbe.

Der Begriff „Kunst“ bedeutet Fertigkeit bzw. die Erzeugnisse menschlicher Fertigkeit. Er kann Gemälde, Zeichnungen, Statuen, Kleidungsarten, Musik, Architektur, usw. einschließen. Der Ausdruck „Moderne Kunst“ bezeichnet üblicherweise Gemälde und Skulpturen vor allem ab den frühen 1900er Jahren, die von einer Künstlerbewegung produziert wurden, die bewußt jeden Standard und jedes Maß an Schönheit, wie sie vor dem 20. Jahrhundert verstanden wurde, ablehnten und weiterhin ablehnen. Der Unterschied zwischen der klassischen und der modernen Kunst ist so spürbar wie jener zwischen dem klassischen Londoner „Tate“-Museum in Millbank und dem „Tate Modern“-Museum. Letztgenanntes ist ein gänzlich neues Museum, das vor zehn Jahren nur eine kurze Bootsfahrt flußabwärts von seinem Vorläufer entfernt am gegenüberliegenden Ufer der Themse eingerichtet wurde. Es ist, als ob die moderne Kunst nicht unter demselben Dach wie vor-moderne Kunst existieren könne. Die beiden bekriegen sich, genauso wie es zwischen den alten Kirchengebäuden und der Neuen Messe der Fall ist.

Moderne Kunst in diesem Sinne ist durch ihre Häßlichkeit geprägt. In diesem Punkt wird der gesunde Menschenverstand dem kommunistischen Führer Chruschtschow zustimmen, welcher auf einer Ausstellung von moderner Kunst in Rußland geäußert haben soll, „Ein Esel würde das mit seinem Schwanz besser hinbekommen.“ Was aber ist Häßlichkeit? Sie ist Disharmonie, also Mißklang. Arrianne Huffington zeigt in ihrem bewundernswerten Buch „Picasso, Schöpfer und Zerstörer“ (englisch: „Picasso, Creator and Destroyer,“ deutsche Ausgabe: „Picasso, Genie und Gewalt,“ 1988), wie Picasso jedesmal, wenn er sich in eine andere seiner insgesamt sechs (Haupt-) Frauen verliebt hatte, in seinen ruhigeren Gemälden etwas von ihrer natürlichen Schönheit durchschimmern ließ – während, sobald seine Liebe wieder erkaltet war, sein Zorn diese Schönheit in Stücke riß und daraus dann „Meisterwerke“ der modernen Kunst machte. Dieses Muster wiederholt sich bei Picasso wie bei einem Uhrwerk!

Folglich entspringt die Schönheit in der Kunst dem Einklang in der Seele – selbst wenn es bloße irdische Harmonie ist –, während die Häßlichkeit aus der Disharmonie der Seele stammt, wie es beim Haß der Fall ist. Nun benötigt die Harmonie jedoch die Disharmonie nicht, im Gegenteil. Hingegen setzt die Disharmonie, wie ihr Name schon sagt, eine gewisse Harmonie voraus, gegen die sie sozusagen Krieg führt. Also kommt die Harmonie vor der Disharmonie, und tatsächlich bezeugt jede Disharmonie auf gewisse Weise das Vorhandensein einer Harmonie. Nun können Madonnen-Gemälde auf wesentlich tiefere Weise harmonisch sein als Gemälde anderer schöner Frauen, weil die Harmonie in der Seele des Künstlers, welcher die Madonna malt, viel höher reichen kann als die Harmonie, die von einem rein menschlichen Modell inspiriert wird, so schön dieses auch sein mag. Warum ist das so? Weil die Schönheit der Madonna von ihrer Nähe zu Gott herrührt, dessen göttliche Harmonie – perfekte Einfachheit und Einheit – die menschliche Harmonie selbst der schönsten unter den reinen Geschöpfen unendlich übersteigt.

Deswegen zeigt die arme moderne Kunst genaugenommen auf die Harmonie, die ihr fehlt; und jede Harmonie verweist schließlich auf Gott. Möge niemand auf die Häßlichkeit der modernen Architektur zurückgreifen, um die Tridentinische lateinische Messe zu beherbergen. Denn dann würde man annehmen müssen, daß dieser jemand nur darauf wartete, zur Disharmonie der Novus Ordo Messe zurückkehren zu können!

Kyrie eleison.

Moralischer Rahmen

Moralischer Rahmen posted in Eleison Kommentare on April 24, 2010

Die Zehn Gebote Gottes (Deuteronomium 5, 6–21) sind durch ihre allumfassende Kürze und göttliche Verkündigung die hervorragende Darlegung des Naturrechts, welches jeder Mensch durch das ihm von der Natur eingegebene Gewissen kennt. Erst auf eigene Gefahr hin leugnet er es oder trotzt ihm. Dieses Naturrecht macht es einem leicht, die Krankheiten der modernen Kunst zu durchschauen, behaupteten letzte Woche die „Eleison Kommentare.“ Tatsächlich kann man dank diesem Naturrecht eine ganze Reihe von modernen Problemen durchschauen, aber diese Woche wollen wir seine Struktur, also die der Zehn Gebote, betrachten, wie sie der Hl. Thomas von Aquin in seiner „Summa Theologiae“ darlegt (in 1a 2ae, 100, Art. 6 und 7).

Mittels dem Recht stellt der Vorgesetzte Ordnung in einer Gemeinschaft her. Das Naturrecht nun ist Gottes Ordnung von der Gemeinschaft zwischen den Menschen und ihm, respektive zwischen ihm und den Menschen. Nun ist aber Gott selber das Zentrum und der Zweck dieser Gemeinschaft. Deshalb stellt die erste „Gesetzestafel“ die Pflichten der Menschen gegenüber Gott dar (1. Gebot: keine Götzen, 2. Gebot: keine Gotteslästerung, 3. Gebot: den Sonntag heiligen), während die zweite Gesetzestafel (4.-10. Gebot) die Pflichten der Menschen gegenüber ihren Mitmenschen ausführt.

Die ersten drei Gebote legen in der Reihenfolge die Gefolgschaftstreue, die Hochachtung und den Gottesdienst die Pflichten gegenüber Gott dar. Der hl. Thomas führt aus: So wie bei einem Soldaten in einer Armee die Untreue oder der Verrat gegen seinen General schlimmer als dessen Mißachtung ist, was wiederum schlimmer als fehlendes Dienen ist, so darf der Mensch Gott gegenüber erstens keine anderen Götter haben (1. Gebot), zweitens auf keinen Fall Gott oder seinen Namen beleidigen (2. Gebot), und drittens Gott so dienen, wie dieser es wünscht (3. Gebot).

Bei den Pflichten des Menschen gegenüber seinen Mitmenschen (4.-10. Gebot) steht an erster Stelle seine Beziehung zum Vater und zur Mutter, welche ihm das Leben schenkten. Deswegen beginnt die zweite Gesetzestafel mit der Pflicht, die eigenen Eltern zu ehren (4. Gebot). Diese Ehrerbietung ist für jede Gesellschaft der Menschen so grundlegend, daß ihr Fehlen eine Gesellschaft zum Zusammenbruch bringt, wie wir es heute überall in der „Westlichen Zivilisation“ erleben (diese müßte treffender „Westlicher Zerfall“ heißen).

Der hl. Thomas beschreibt in seiner weiteren Untersuchung die verbleibenden sechs Gebote als auch in absteigender Bedeutung geordnet. Das Schädigen des Nächsten durch Handeln (5.-7. Gebot) ist schlimmer als durch Worte (8. Gebot), und dieses wiederum ist schlimmer als durch Gedanken (9.-10. Gebot). Unter den unheilvollen Handlungen ist die Schädigung des Nächsten in Person (5. Gebot: nicht morden) schwerwiegender als die seiner Familie (6. Gebot: nicht ehebrechen), welche wiederum gravierender ist als eine Schädigung seines bloßen Eigentums (7. Gebot: nicht stehlen). Schaden durch Worte (8. Gebot: nicht lügen) ist schlimmer als durch bloße Gedanken, wobei wiederum Neid auf die Ehe oder Familie des Nächsten (9. Gebot: keine fleischliche Begierde) gravierender ist als Mißgunst gegen das bloße Eigentum (10. Gebot: keine Begierde der Augen).

Indes fußt das Mißachten von allen zehn Geboten auf Stolz – die alten Griechen nannten es „Hybris“ –, wodurch der Mensch sich gegen Gottes Ordnung, gegen Gott selbst, auflehnt. Die Hybris galt bei den Griechen als der Schlüssel zum Untergang des Menschen. Für unsere Zeit heute ist ein überall herrschender Stolz der Schlüssel zu den entsetzlichen Problemen der modernen Welt. Diese sind ohne Gott unlösbar, was seit seiner Menschwerdung bedeutet: Diese Probleme sind ohne unseren Herrn Jesus Christus unlösbar. Heiligstes Herz Jesu, rette uns!

Kyrie eleison.

Moderne Kunst – I.

Moderne Kunst – I. posted in Eleison Kommentare on April 17, 2010

Warum ist moderne Kunst so häßlich? Muß sie so häßlich sein? Können die heutigen Künstler nicht zur Abwechslung einmal etwas Schönes kreieren? Doch selbst wenn sie etwas Schönes malen, warum ist es dann normalerweise nur zweit- oder drittklassige Kunst, rührselig und irgendwie unecht? Solche wiederkehrenden Fragen wirft ein Maler wie Van Gogh auf, der auf seinem Weg zur modernen Kunst war und den wir letzte Woche betrachteten. Diese Fragen sind leicht zu beantworten – wenn Gott und die menschliche Seele Wirklichkeiten sind. Jedoch gibt es auf diese Fragen keine vernünftige Antwort, wenn der geistige Gott und die geistige Seele lediglich Erfindungen des sich selbst betrügenden Menschen sind.

Wenn Gott der zwar unsichtbare, aber doch wirkliche „Allmächtige Vater, Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge“ ist, dann schuf er die unsichtbare menschliche Seele bei der Empfängnis durch die engste Verbindung mit einem sichtbaren Körper. Auf diese Weise kommt jedes menschliche Wesen, welches jemals war oder sein wird, ins Dasein. Gottes Ziel bei der Schaffung von Wesen mit einer geistigen Vernunft – und daher einem freien Willen – liegt in seiner eigenen äußerlichen (nicht innerlichen) Herrlichkeit. Denn diese wird durch jeden Menschen vermehrt, welcher seinen freien Willen benutzt, um Gott zu lieben und ihm zu dienen, und der dadurch am Todestag das unvorstellbare Glück verdient, im nächsten Leben Gott ewiglich verherrlichen zu dürfen.

Wie kann der Mensch überhaupt Gott lieben und ihm dienen? Durch Gehorsam gegen Gottes Gebote (Joh. 15, 10), die jedem menschlichen Tun einen in Gut und Böse eingeteilten moralischen Rahmen geben. Diesem Rahmenwerk können die Menschen zwar trotzen, aber nicht ausweichen. Wenn die Menschen dem göttlichen Rahmenwerk trotzen, gelangen sie selbstverschuldet in einen mehr oder weniger großen Mißklang mit Gott, mit sich selbst und mit ihrem Nächsten. Denn Gott schuf diesen Rahmen nicht willkürlich, sondern in perfekter Harmonie mit seiner eigenen und mit der menschlichen Natur, die von Gott gebunden wird, damit der Mensch innerhalb dieser handelt.

Im weitesten Sinne ist Kunst eine beliebige Anfertigung aus Stoffen (z.B. aus Farben, Wörtern, Musiknoten, usw.), mittels welcher der Mensch sich besondere Mühe gibt, um anderen Menschen mitzuteilen, was er im Verstand und auf dem Herzen hat. Wenn dieses Herz und dieser Verstand zu einer Seele gehören, welche stets in einem mehr oder weniger starken Einklang mit dem Rahmenwerk ist, mit welchem Gott alles menschliche Tun eingrenzt, dann spiegelt jedes künstlerische Erzeugnis dieser Seele natürlich ihre objektive innere Harmonie oder Disharmonie wider. Und damit sind wir in der Lage, unsere ursprünglichen Fragen zu beantworten.

Die moderne Kunst ist deshalb so häßlich, weil die modernen Seelen einer Weltgesellschaft angehören, welche täglich tiefer in der Apostasie versinkt. Dies geschieht in so enormem Ausmaß, daß eine große und einflußreiche Zahl dieser Seelen sich bewußt oder unbewußt im Krieg mit Gott befindet. Die künstlerischen Erzeugnisse der Seelen aus einer solchen Umgebung sind stets ein Widerklang ihrer inneren Disharmonie mit Gott, mit sich selbst und mit ihren Nächsten: Deswegen sind diese modernen Kunstwerke so häßlich. Etwas wirklich Schönes kann nur der echten noch verbleibenden Harmonie innerhalb ihrer Seelen entspringen. Vorsätzlich „schöne“ Kunst hingegen fußt auf dem disharmonischen Wunschgedanken, Harmonie vorzutäuschen, weswegen sie auf die eine oder andere Weise falsch bzw. rührselig, eben nicht glaubhaft wirkt und damit nur zweit- oder drittklassige Kunst ist.

Wenn andererseits Gott und die unsterbliche Seele, welche von ihm kommt und wieder zu ihm zurückkehren soll, bloße Erfindungen sind, dann gibt es keinen Grund, warum das Schöne nicht häßlich und das Häßliche nicht schön sein sollte. Das ist genau die Geisteshaltung der modernen Künstler. Von dem Augenblick an jedoch, wo ich einen ihrer häßlichen Gegenstände als häßlich erkenne, setze ich die Existenz eines Rahmenwerkes voraus, welches nicht ihres ist und dem sie trotzen.

Kyrie eleison.

Van Goghs Popularität

Van Goghs Popularität posted in Eleison Kommentare on April 10, 2010

Vor der jüngsten Ausstellung in der Königlichen Kunstakademie von London (Royal Academy of Arts) über den modernen holländischen Künstler Vincent van Gogh, welche bald schließt, hat es ständig Warteschlangen mit stundenlang anstehenden Menschen gegeben. Wie ist eine solche Popularität erklärbar? Gewiß ist Van Gogh modern, ohne zu modern zu sein: Das ist eine Zusammensetzung, die viele heutige Seelen anspricht, weil sie besorgt einen Sinn in der verrückten Welt suchen, welche sie umgibt. Doch sicherlich gibt es in Van Gogh auch eine noch anziehendere Zusammensetzung: Er ist religiös, ohne nach außen religiös zu sein – das ist wie eine Religion für Apostaten!

Er wurde als ältester Sohn eines protestantischen Pastors im Jahre 1853 in Holland geboren. Beinahe drei Viertel seines kurzen Lebens dachte er nur daran, in den Dienst der Religion einzutreten, denn erst im Alter von 27 Jahren entdeckte er seine herausragende Begabung und Berufung als Künstler. Deswegen widmete er sich von nun an mit einer religiösen Heftigkeit dem Meistern von Zeichnung und Malerei, damit er mit Hilfe der Kunst jenes ausdrücken könnte, was ihm bisher in keiner äußerlich religiösen Form gelang. Er sagte: „In der ganzen Natur, in den Bäumen zum Beispiel, sehe ich Ausdruck, sogar eine Seele.“

Die Royal Academy hat für ihr Ausstellungsprospekt ein Bild gewählt, „Heilanstalt in Saint-Rémy,“ worin Van Gogh diese Seele beinahe greifbar macht. Knorrige Baumstämme werfen ihr dunkles Laub nach oben, wo es über das darunterliegende leuchtend gelbe Krankenhausgebäude ragt und sich mit dem dunkelblauen Himmel darüber verzahnt. Die wenigen menschlichen Figuren scheinen inmitten der wirbelnden Dynamik der Natur unbedeutend zu werden – umso mehr durch das brillante Farbschema, welches typisch für Van Gogh ist. Dieselbe Dynamik ist noch deutlicher sichtbar in seinem berühmten Gemälde „Sternennacht“ (welches in dieser Ausstellung nicht gezeigt wird), wo Landschaft, Zypressen, Berge, Sterne und Himmel alle zusammen in einen wilden, rhythmischen, gelben und violetten Tanz eingewickelt sind, so als ob der gesamte Kosmos durcheinandergewirbelt würde.

Beide Gemälde stammen aus Van Goghs hochproduktiven letzten fünf Lebensjahren, zwischen seinem Umzug nach Paris Anfang 1886 und seinem Tod in Frankreich im Sommer 1890. Auch wer die moderne Kunst und Van Gogh nicht mag, wird zugeben müssen, daß seine Gemälde aus diesem Zeitraum eine zutiefst individuelle und menschliche Reaktion darauf sind, was der Dichter Wordsworth „etwas viel tiefer Durchdrungenes“ in der Welt der Natur nannte, welche uns Menschen umgibt. Was könnte „Kunst“ anderes sein? Doch wo am Anfang des 19. Jahrhunderts dieses „etwas Durchdrungenes“ den englischen Dichter zum „Nachsinnen in Ruhe“ inspiriert hatte, fand hingegen am Ende dieses apostatischen Jahrhunderts der holländische Künstler, welcher die Religion ebenfalls hinter sich gelassen hatte, zwar Schönheit, aber kaum Frieden – das macht ihn unserem noch ruheloseren Zeitalter schon sympathisch.

Ach, was zahlte Van Gogh jedoch für einen hohen Preis dafür, daß er zwar die grundlegende Bewegungskraft in der Natur erkannte, ohne allerdings den wesentlichen „Beweger“ anzuerkennen. Diese Bewegung ohne den „unbewegten Beweger,“ diese starke Kraft ohne den König des Friedens, überwältigten Van Gogh schließlich und er starb an einer sich selbst zugefügten Schußwunde. Lieber Herrgott, habe Erbarmen, habe Erbarmen mit den Millionen um Millionen Seelen, welche Dich zwar spüren und brauchen, Dich jedoch nicht finden können oder nicht wollen. Du allein weißt, wie gefährlich ihre religionslose Religion ohne Dich ist!

Kyrie eleison.