menschliche Seele

Ungezügelte Emotionen

Ungezügelte Emotionen on Februar 9, 2019

In dem regelmässig erscheinenden Mitteilungsblatt der amerikanischen Sektion der in mehreren Ländern aktiven Organisation TFP (Tradition, Family, Property, Ausgabe vom 4. Januar) ist wieder ein interessanter Artikel erschienen, in dem sich John Horvat sehr kritisch mit einem weitverbreiteten Phänomen der modernen Gesellschaft auseinandersetzt – dem Überborden von Emotionen, die dann das Leben der Menschen beherrschen. Wie bereits früher erwähnt (vgl. diese „Kommentare,“ Nr. 590 vom 3. November 2018), mag die internationale TPF als Organisation Anlass zu mehr oder weniger strenger Kritik bieten (insbesondere behandelt sie die Kirche oft stiefmütterlich), doch ihr amerikanisches Mitteilungsblatt enthält viele gedankenreiche, aber leicht verständliche Artikel für die heutigen Katholiken, die in einer gottlosen Welt leben müssen. How Wisdom helps People Destroy the Dictatorship of the Emojis („Wie Weisheit den Menschen dabei hilft, die Diktatur der Emojis zu zerstören“) von John Horvat ist einer dieser Artikel.

Ein „Emoji“ gehört zu jenen kleinen digitalen Bildern oder Ikonen, die benutzt werden, um eine Idee oder Emotion auszudrücken, insbesondere die winzigen lächelnden oder unzufriedenen Gesichter, die man auf seinem Computer leicht finden und problemlos in einen Text einbetten kann, um eine breite Palette von Emotionen auszudrücken. Horvat verwendet Emojis als konkretes Beispiel für den Stellenwert von Emotionen in der heutigen Gesellschaft. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass Emotionen an sich nichts Schlechtes sind, heutzutage jedoch eine zu grosse Rolle im Alltagsleben spielen, mit verheerenden Folgen für die Gesellschaft insgesamt. Denn wenn die Menschen den Realitäten einer Welt, zu der Entbehrungen und Leiden gehören, nicht ins Gesicht blicken wollen, gewinnen die Gefühle die Oberhand über die Fakten, argumentiert Horvat; statt zu denken, lassen die Menschen ihren Emotionen die Zügel schiessen, so dass beispielsweise dumpfe Gefühle die Politik des Zorns schüren, die heute die Welt aus den Fugen bringen. Wo es schmerzt, denken zu müssen, um die Ursachen der Probleme zu ermitteln, welche die Welt plagen, führen Emotionen im Gegenteil dazu, dass der Mensch sich gut fühlt und es deshalb vorzieht, sich von ihnen lenken zu lassen. Doch vermögen Emotionen die Realität zwangsläufig nur unvollkommen zu erfassen. Dies ist der Grund dafür, dass manche gute Ehefrau zwar wertvolle Instinkte und Intuitionen hat, aber erkennt, dass diese der normalerweise höher stehenden Denkfähigkeit ihres Mannes unterstellt werden müssen (nicht seiner Tyrannei). Deswegen ist unsere emotionsbefrachtete Politik von heute auch so töricht, und deswegen sind die Neukirche von Vatikan II und ihre Konzilspriester dermassen verweiblicht.

Warum ist das Denken dem Fühlen also überlegen? Weil das Denken zum höheren Teil des Menschen gehört, zu seinem Geist und Willen, während die menschlichen Emotionen sowohl seinen höheren als auch seinen tieferen Teilen angehören, seinen Leidenschaften und seinem Willen. Gewiss hatten Unser Herr und die Muttergottes Emotionen. Unser Herr weinte über dem Grab des Lazarus (Johannes XI, 35), die Muttergottes litt aufs schwerste, als sie ihren zwölfjährigen Knaben verlor (Lukas II, 48). Doch so wie Sie kraft Ihres Verstandes Ihren mütterlichen Kummer Seinem Geheimnis unterordnete (Lukas II, 50), so unterordnete Er 21 Jahre später Seine menschliche Qual im Garten Gethsemane dem Willen Seines Vaters im Himmel (Matthäus XXVI, 39). Denn während alle Tiere Gelüste oder Leidenschaften verspüren, die eine Reaktion auf sinnlichen Stimulierungen darstellen, besitzt nur das rationale Tier, der Mensch, auch die höhere Fähigkeit des Willens, der auf verstandesmässige Informationen reagiert, welche seinem Geist vermittelt werden. Diese verstandesmässige oder rationale Dimension des Menschen fehlt bei sämtlichen nicht-rationalen oder vernunftlosen Tieren völlig.

Nun aber würde keiner, der bei Sinnen ist, ein vernunftloses Tier der Sünde zeihen. Im schlimmsten Fall folgt es lediglich seinen Instinkten. Der Grund dafür liegt darin, dass Recht und Unrecht ausschliesslich vom Geist des Menschen erfasst und als solche von seinem Willen begangen werden. Denn nur weil er einen Geist und einen Willen hat, besitzt der Mensch ein Gewissen, das sich der Sünde bewusst ist (Johannes I, 9), so dass ihm die Fähigkeit innewohnt, zu sündigen. Deshalb muss der Wille des Menschen seinem höheren Verstand folgen und seine niedrigeren Emotionen beherrschen, indem er sie weder allzu stark unterdrückt noch sie völlig überborden lässt, sondern in Übereinklang mit seiner Vernunft zügelt, in Übereinstimmung mit dem, von dem sein natürlicher Verstand (Johannes I, 9) ihm sagt, dass es richtig und nicht falsch ist.

Hieraus ergibt sich, dass die Menschen, wenn sie sündigen wollen, als erstes ihr Gewissen einschläfern oder verdunkeln und am Ende dann womöglich leugnen, überhaupt einen Verstand zu besitzen, und behaupten, Tiere seien genau so rational wie sie. Irgendwo auf halbem Wege werden sie ihren Emotionen die Zügel schiessen lassen, so dass sie nicht länger denken müssen, sondern ihren Leidenschaften ungehemmt frönen können. Horvats Betrachtungen sind nicht so tiefschürfend, doch tatsächlich ist dieses heute so weitverbreitete Phänomen, seinen Emotionen freie Bahn zu lassen, ein fester Bestandteil des totalen Kriegs, den der moderne Mensch gegen Gott führt. Gott soll Sein eigenes Weltall doch endlich räumen, damit der Mensch Seinen Platz einnehmen und tun kann, was ihm gerade beliebt. Lieber Gott, sei uns gnädig!

Kyrie eleison.

Blumensprache

Blumensprache on Juni 2, 2012

Gott ist das unendliche Sein, die unendliche Wahrheit, die Allgüte; er ist allgerecht und allbarmherzig. Dies lehrt seine Kirche. Weil diese Vorstellung herrlich und schön ist, habe ich nichts gegen sie einzuwenden. Doch dann erfahre ich, wie seine Kirche außerdem lehrt, daß unsere Seele wegen nur einer einzigen Todsünde in alle Ewigkeit verdammt werden kann, zu brutalem und grausamem Leiden, das unsere Vorstellungskraft weit übersteigt. Weil dies nicht so schön ist, setzt nun mein Widerspruch ein.

Beispielsweise wurde ich weder angehört, als meine Eltern sich entschlossen, mich ins Dasein zu bringen, noch wurde ich wegen der Bedingungen meines „Existenzvertrages“ befragt, wenn ich das so nennen darf. Wäre ich gefragt worden, so hätte ich durchaus Einwände gegen diese extreme Alternative haben können zwischen einerseits einer unvorstellbaren Glückseligkeit und andererseits einer undenkbaren Qual – beides jeweils für alle Ewigkeit, wie die Kirche lehrt. Vielleicht hätte ich eher einen gemäßigteren „Vertrag“ akzeptiert, wo ich sozusagen im Austausch für eine kürzere Version des Himmels das Risiko einer kürzeren Version der Hölle in Kauf genommen hätte. Doch wurde ich ja, wie gesagt, gar nicht erst gefragt. Die Endlosigkeit beider Alternativen scheint mir einfach in keinem Verhältnis zur kurzen Lebensdauer auf dieser Erde zu stehen: Heute 10, 20, 50 oder sogar 90 Jahre auf der Erde, und morgen ist dann alles vorbei. Die Menschenkinder gleichen dem Gras: „Am Morgen sprießt es und wächst, am Abend welkt es und verdorrt“ (Psalm 89,6). Dieser Denkweise entsprechend scheint mir Gott so ungerecht zu sein, daß ich mir ernsthaft die Frage stelle, ob er wirklich existiert.

Diese Problemstellung zwingt uns zum Nachdenken. Nehmen wir einmal an, daß Gott existiert; daß er so gerecht ist wie seine Kirche sagt; daß es ungerecht ist, jemandem ohne seine Zustimmung eine schwere Last aufzubürden; daß das Leben kurz ist, geradezu eine Rauchwolke im Vergleich zur Ewigkeit; daß gerechterweise niemand eine grauenvolle Strafe erhalten kann, ohne gewußt zu haben, ein grauenhaftes Verbrechen zu begehen. Auf welche Weise kann dann der angenommene Gott gerecht sein? Wenn er gerecht ist, so muß logischerweise jede Seele ab dem Vernunftalter lange genug leben, um zu begreifen, für welche der beiden Ewigkeits-Orte sie sich entscheidet und welche enormen Auswirkungen diese Entscheidung hat. Doch wie kann so eine Entscheidung beispielsweise in der heutigen Welt getroffen werden, wo Gott im Leben der Einzelnen, der Familien und der Staaten so allgemein vernachlässigt wird bzw. für sie unbekannt ist?

Die Antwort kann nur lauten, daß Gott bezüglich den Einzelpersonen, Familien und Staaten den Vortritt hat und daß er der allererste ist, der innerhalb jeder einzelnen Seele „spricht“ – vor den restlichen Menschen und unabhängig von ihnen. Somit ist sogar jene Seele, deren religiöse Erziehung null und nichtig ist, sich dennoch bewußt, daß sie an jedem Tag ihres Lebens eine Entscheidung trifft, daß sie diese Entscheidung alleine und für sich selber fällt, und daß diese Entscheidung enorme Konsequenzen hat. Doch fragen wir erneut: Wie soll dies alles möglich sein angesichts der Gottlosigkeit der uns umgebenden heutigen Welt?

Die Antwort lautet: Weil das „Sprechen“ Gottes im Innern der einzelnen Seele viel tiefer, beständiger, gegenwärtiger und ansprechender stattfindet als das Sprechen irgendeines Menschen oder Geschöpfes es jemals sein kann. Gott allein hat unsere Seele erschaffen, und er wird in jedem Augenblick ihrer endlosen Existenz mit ihrer Erschaffung fortfahren. In jedem Augenblick ist Gott der einzelnen Seele näher als selbst die Eltern dieser Seele es sind, die ja nur den Körper dieser Seele aus materiellen Elementen zusammenfügten, welche allein durch Gott in ihrer Existenz gehalten werden.

Und auf ähnliche Weise steckt die Güte Gottes hinter und innerhalb und unterhalb aller guten Dinge, an denen eine Seele in diesem Leben sich erfreut. Tief in ihrem Inneren spürt die Seele, daß diese guten Dinge bloße Nebenprodukte der unendlichen Güte Gottes sind. „Sei leise,“ sagte der Heilige Ignatius von Loyola zu einer winzigen Blume, „denn ich weiß schon, von wem du sprichst.“ Das Lächeln eines kleinen Kindes, die tägliche Pracht der Natur zu allen Tageszeiten, die Musik, die Kunst in Form von Wolkenbildern am Himmel, usw. Wenn die Seele diese Dinge mit einer tiefgehenden Liebe liebt, so sagen sie ihr, daß es noch etwas viel Größeres, bzw. Jemanden viel größeren gibt.

„Bei Dir, Herr, suche ich Zuflucht; möge ich niemals zuschanden werden!“ (Psalm 30,2).

Kyrie eleison.

Gefahr für die Ewigkeit

Gefahr für die Ewigkeit on September 17, 2011

Ein alter Freund fragte mich kürzlich: „Warum sind wir Menschen eigentlich auf Erden?“ Natürlich antwortete ich ihm: „Um Gott zu loben, zu lieben, ihm zu dienen und dadurch unsere Seele zu retten . . .” Er unterbrach mich: „Nein, das ist nicht die von mir gesuchte Antwort. Vielmehr geht es mir um folgendes: Bevor ich ins Dasein kam, war ich nicht und war somit auch nicht in Gefahr. Doch nun, da ich existiere, bin ich ernsthaft der Gefahr ausgesetzt, das Seelenheil zu verlieren. Warum wurde mir ohne meine Zustimmung dieses gefährliche Dasein überhaupt gegeben, welches ich – einmal gegeben – nicht mehr ablehnen kann?“

Auf eine solche Weise ausgedrückt, ist diese Frage eine ernste Angelegenheit, weil sie Gottes Güte anzweifelt. Gewiß schenkt Gott einem jeden von uns das Leben und stellt uns dadurch vor die unausweichliche Wahl zwischen dem schmalen und steinigen Pfad zum Himmel, oder dem breiten und einfachen Weg zur Hölle (Matthäus 7,13–14). Sicherlich sind auch die Feinde unserer Seelenrettung – die Welt, das Fleisch und der Teufel – gefährlich, denn es ist eine Tatsache, daß die Mehrheit der Seelen am Ende ihres irdischen Lebens in die Hölle fällt (Matthäus 20,16). Wie kann es also für mich gerecht sein, daß ich ohne Entscheidungsmöglichkeit einer solchen Gefahr ausgesetzt bin?

Die Antwort muß lauten: Bestünde diese Gefahr ganz ohne meine Schuld, dann könnte das Leben tatsächlich ein vergiftetes Geschenk sein. Wenn allerdings diese Gefahr oft zu einem guten Teil durch meine eigene Schuld besteht, und wenn der freie Wille sowohl durch seine falsche Verwendung in die Hölle, als auch durch seinen rechten Gebrauch in die Ewigkeit (mit ihrer unvorstellbaren Glückseligkeit) führen kann, so ist das Leben keinesfalls ein vergiftetes Geschenk. Sondern vielmehr ist das Leben ein herrliches Angebot für eine wunderbare Belohnung, welche in keinem Verhältnis zu dem relativ geringen Aufwand steht, den ich auf Erden zur Vermeidung der erwähnten Gefahr und zum rechten Gebrauch meines freien Willens aufwenden mußte (Isaias 64,4).

Nun könnte der Fragesteller einwenden, daß er für keine der genannten drei Feinde die Schuld trage:—„Die Welt, welche uns zur Weltlichkeit und zur sinnlichen Begierlichkeit anregt, ist von der Wiege bis zum Grab um uns herum und wir können ihr nur durch den Tod entrinnen. Sodann geht die Schwachheit des Fleisches auf die Erbsünde von Adam und Eva zurück; jedoch gab es mich damals noch überhaupt nicht. Und schließlich existierte auch der Teufel bereits lange vor mir und hat eben in der modernen Zeit freien Lauf.“

Auf diesen Einwand erwidern wir, daß diese drei Feinde allzuoft doch unserer eigenen Schuld zuzuschreiben sind. Erstens sind wir zwar in der Welt, sollen aber nicht von ihr sein (Johannes 17,14–16). Das bedeutet, daß es doch an uns liegt, ob wir die irdischen Dinge lieben oder ihnen die himmlischen Güter vorziehen. In so vielen Gebeten im Meßbuch wird um die Gnade gebeten, daß wir die himmlischen Güter vorziehen mögen. Zweitens, je mehr wir vor den Begierden des Fleisches fliehen, desto mehr kann sein Stachel an Stärke verlieren. Aber wer von uns kann schon bestreiten, daß er durch eigene Sünden die Begierde und damit die Gefahr vergrößert hat, anstatt sie zu schwächen? Drittens ist durch den allmächtigen Gott die Macht des Teufels zur Verführung stark eingeschränkt. Die Heilige Schrift, das Wort Gottes, versichert uns genau der Gnade Gottes, welche wir benötigen, um der von ihm zugelassenen Verführungen widerstehen zu können (1. Korintherbrief 10,13). Kurz gesagt gilt der Satz des Heiligen Augustinus über den Teufel auch für die Welt und für das Fleisch: Alle drei sind wie ein Hund angekettet, so daß sie zwar bellen, aber nicht beißen können – solange wir in sicherem Abstand zu ihnen bleiben.

Tatsächlich gibt es also im menschlichen Leben ein unentrinnbares Maß an geistiger Gefahr. Doch hängt es von uns ab, diese Gefahr durch die Gnade Gottes zu beherrschen und dafür dann eine Belohnung zu empfangen, welche nicht von dieser Welt ist (1. Korintherbrief 2,9).

Kyrie eleison.

Wenig Auserwählte

Wenig Auserwählte on Januar 22, 2011

Warum ist es scheinbar so schwierig, seine Seele zu retten? Warum werden nur so wenige Seelen gerettet im Vergleich zur Anzahl der verdammten Seelen, wie uns verkündet wird? Wenn es Gottes Wunsch ist, daß alle Seelen gerettet werden (1. Timotheus 2,4), warum erleichterte Er dies dann nicht – wo es doch sicherlich in Seiner Macht gestanden wäre?

Die prompte und einfache Antwort darauf lautet, daß es gar nicht so schwierig ist, seine Seele zu retten. Die Höllenqualen der Seelen bestehen zu einem Teil sogar aus der klaren Erkenntnis, wie leicht sie ihre Verdammnis hätten vermeiden können. Verdammte Nicht-Katholiken könnten sagen: „Ich wußte, daß am Katholizismus etwas dran ist. Doch wollte ich der Sache nie genauer nachgehen, weil es abzusehen war, daß ich dann mein Leben hätte ändern müssen.“ (Winston Churchill sagte einmal, daß zwar jeder Mensch irgendwann in seinem Leben auf die Wahrheit trifft, die meisten Menschen ihr dann aber aus dem Weg gehen). Und verdammte Katholiken könnten sagen: „Gott schenkte mir den Glauben und es war mir bewußt, daß ich nur eine gute Beichte gebraucht hätte. Doch dachte ich, daß es bequemer wäre, diese hintanzustellen – und so starb ich im Stand meiner Sünden . . .” In der Hölle weiß jede Seele, daß sie aus eigenem Verschulden und aus eigener Entscheidung dort ist. Dafür kann nicht Gott verantwortlich gemacht werden. Beim Rückblick auf ihr irdisches Leben erkennen diese verdammten Seelen eindeutig das große Bemühen Gottes, welches sie daran hindern wollte, in die Hölle sich zu stürzen. Doch diese Seelen wählten ihr Schicksal aus freien Stücken, und Gott respektierte diese Entscheidung. Tauchen wir doch etwas tiefer in dieses Thema ein:

Gott entschied in Seiner unendlichen Güte, Großzügigkeit und Glückseligkeit – sowie ohne Notwendigkeit –, Wesen zu schaffen mit der Fähigkeit, an Seiner Glückseligkeit teilzuhaben. Weil Gott reiner Geist ist (Johannes 4,24), mußten solche Wesen wiederum geistig sein und nicht nur rein materiell wie die Tiere, Pflanzen und Mineralien. Deshalb erfolgte die Erschaffung der körperlosen Engel sowie der Menschen mit einer geistigen Seele in einem materiellen Körper. Nun aber besteht diese Geistigkeit – durch welche die Engel und die Menschen überhaupt zur Anteilname an der göttlichen Glückseligkeit befähigt sind – aus der Vernunft und dem freien Willen. In der Tat verdient eine Seele ihre Teilhabe an Gottes Glückseligkeit erst durch den freien Willen, mit welchem sie sich freiwillig für Gott entscheidet. Doch wie könnte diese Entscheidung für Gott wirklich frei sein, wenn es gar keine andere Auswahlmöglichkeit gäbe, welche von Gott wegführt? Welchen Verdienst erwürbe beispielsweise ein Knabe, der den Kauf eines Buches von Goethe beschlösse, wenn es in dem Buchladen jedoch nur Goethe zu kaufen gäbe? Wenn es aber schlechte Alternativen gibt, und wenn der freie Wille wirklich und nicht nur scheinbar frei ist, wie sollte es dann nicht auch Engel und Menschen geben, welche sich für das Schlechte entscheiden?

Die Frage mag dennoch folgen, wie Gott in seiner Voraussicht zulassen konnte, daß die Mehrheit der Seelen für ihre Verweigerung Seiner Liebe diese furchtbare Strafe der Verdammung auf sich zieht? Die Antwort lautet, je schrecklicher die Hölle ist, desto sicherer schenkt Gott jedem lebenden Menschen genügend Gnade, Licht und Kraft, um dieser Strafe zu entrinnen – allerdings gilt, wie schon der Hl. Thomas von Aquin hierzu anmerkte: Die Mehrheit der Menschen zieht die momentanen und bekannten Sinnesfreuden den zukünftigen und unbekannten Freuden im Paradies vor. Warum hat Gott dann die Sinnesfreuden so stark ausgeprägt? Einerseits sicherlich als Gewährleistung, daß Eltern Kinder zeugen werden, um später Gottes Himmel zu bevölkern. Andererseits aber auch, um die Anstrengung jener Menschen verdienstvoller zu machen, welche das Streben nach irdischem Vergnügen der wahren Glückseligkeit des nächsten Lebens nachordnen – eine Glückseligkeit, welche jenen gehört, die sie wollen! Wir müssen sie nur gewaltig genug wollen (Matthäus 11,12)!

Gott ist kein mittelmäßiger Gott; deswegen will Er den Ihn liebenden Seelen kein mittelmäßiges Paradies bieten.

Kyrie eleison.

Moderne Kunst – I.

Moderne Kunst – I. on April 17, 2010

Warum ist moderne Kunst so häßlich? Muß sie so häßlich sein? Können die heutigen Künstler nicht zur Abwechslung einmal etwas Schönes kreieren? Doch selbst wenn sie etwas Schönes malen, warum ist es dann normalerweise nur zweit- oder drittklassige Kunst, rührselig und irgendwie unecht? Solche wiederkehrenden Fragen wirft ein Maler wie Van Gogh auf, der auf seinem Weg zur modernen Kunst war und den wir letzte Woche betrachteten. Diese Fragen sind leicht zu beantworten – wenn Gott und die menschliche Seele Wirklichkeiten sind. Jedoch gibt es auf diese Fragen keine vernünftige Antwort, wenn der geistige Gott und die geistige Seele lediglich Erfindungen des sich selbst betrügenden Menschen sind.

Wenn Gott der zwar unsichtbare, aber doch wirkliche „Allmächtige Vater, Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge“ ist, dann schuf er die unsichtbare menschliche Seele bei der Empfängnis durch die engste Verbindung mit einem sichtbaren Körper. Auf diese Weise kommt jedes menschliche Wesen, welches jemals war oder sein wird, ins Dasein. Gottes Ziel bei der Schaffung von Wesen mit einer geistigen Vernunft – und daher einem freien Willen – liegt in seiner eigenen äußerlichen (nicht innerlichen) Herrlichkeit. Denn diese wird durch jeden Menschen vermehrt, welcher seinen freien Willen benutzt, um Gott zu lieben und ihm zu dienen, und der dadurch am Todestag das unvorstellbare Glück verdient, im nächsten Leben Gott ewiglich verherrlichen zu dürfen.

Wie kann der Mensch überhaupt Gott lieben und ihm dienen? Durch Gehorsam gegen Gottes Gebote (Joh. 15, 10), die jedem menschlichen Tun einen in Gut und Böse eingeteilten moralischen Rahmen geben. Diesem Rahmenwerk können die Menschen zwar trotzen, aber nicht ausweichen. Wenn die Menschen dem göttlichen Rahmenwerk trotzen, gelangen sie selbstverschuldet in einen mehr oder weniger großen Mißklang mit Gott, mit sich selbst und mit ihrem Nächsten. Denn Gott schuf diesen Rahmen nicht willkürlich, sondern in perfekter Harmonie mit seiner eigenen und mit der menschlichen Natur, die von Gott gebunden wird, damit der Mensch innerhalb dieser handelt.

Im weitesten Sinne ist Kunst eine beliebige Anfertigung aus Stoffen (z.B. aus Farben, Wörtern, Musiknoten, usw.), mittels welcher der Mensch sich besondere Mühe gibt, um anderen Menschen mitzuteilen, was er im Verstand und auf dem Herzen hat. Wenn dieses Herz und dieser Verstand zu einer Seele gehören, welche stets in einem mehr oder weniger starken Einklang mit dem Rahmenwerk ist, mit welchem Gott alles menschliche Tun eingrenzt, dann spiegelt jedes künstlerische Erzeugnis dieser Seele natürlich ihre objektive innere Harmonie oder Disharmonie wider. Und damit sind wir in der Lage, unsere ursprünglichen Fragen zu beantworten.

Die moderne Kunst ist deshalb so häßlich, weil die modernen Seelen einer Weltgesellschaft angehören, welche täglich tiefer in der Apostasie versinkt. Dies geschieht in so enormem Ausmaß, daß eine große und einflußreiche Zahl dieser Seelen sich bewußt oder unbewußt im Krieg mit Gott befindet. Die künstlerischen Erzeugnisse der Seelen aus einer solchen Umgebung sind stets ein Widerklang ihrer inneren Disharmonie mit Gott, mit sich selbst und mit ihren Nächsten: Deswegen sind diese modernen Kunstwerke so häßlich. Etwas wirklich Schönes kann nur der echten noch verbleibenden Harmonie innerhalb ihrer Seelen entspringen. Vorsätzlich „schöne“ Kunst hingegen fußt auf dem disharmonischen Wunschgedanken, Harmonie vorzutäuschen, weswegen sie auf die eine oder andere Weise falsch bzw. rührselig, eben nicht glaubhaft wirkt und damit nur zweit- oder drittklassige Kunst ist.

Wenn andererseits Gott und die unsterbliche Seele, welche von ihm kommt und wieder zu ihm zurückkehren soll, bloße Erfindungen sind, dann gibt es keinen Grund, warum das Schöne nicht häßlich und das Häßliche nicht schön sein sollte. Das ist genau die Geisteshaltung der modernen Künstler. Von dem Augenblick an jedoch, wo ich einen ihrer häßlichen Gegenstände als häßlich erkenne, setze ich die Existenz eines Rahmenwerkes voraus, welches nicht ihres ist und dem sie trotzen.

Kyrie eleison.

Van Goghs Popularität

Van Goghs Popularität on April 10, 2010

Vor der jüngsten Ausstellung in der Königlichen Kunstakademie von London (Royal Academy of Arts) über den modernen holländischen Künstler Vincent van Gogh, welche bald schließt, hat es ständig Warteschlangen mit stundenlang anstehenden Menschen gegeben. Wie ist eine solche Popularität erklärbar? Gewiß ist Van Gogh modern, ohne zu modern zu sein: Das ist eine Zusammensetzung, die viele heutige Seelen anspricht, weil sie besorgt einen Sinn in der verrückten Welt suchen, welche sie umgibt. Doch sicherlich gibt es in Van Gogh auch eine noch anziehendere Zusammensetzung: Er ist religiös, ohne nach außen religiös zu sein – das ist wie eine Religion für Apostaten!

Er wurde als ältester Sohn eines protestantischen Pastors im Jahre 1853 in Holland geboren. Beinahe drei Viertel seines kurzen Lebens dachte er nur daran, in den Dienst der Religion einzutreten, denn erst im Alter von 27 Jahren entdeckte er seine herausragende Begabung und Berufung als Künstler. Deswegen widmete er sich von nun an mit einer religiösen Heftigkeit dem Meistern von Zeichnung und Malerei, damit er mit Hilfe der Kunst jenes ausdrücken könnte, was ihm bisher in keiner äußerlich religiösen Form gelang. Er sagte: „In der ganzen Natur, in den Bäumen zum Beispiel, sehe ich Ausdruck, sogar eine Seele.“

Die Royal Academy hat für ihr Ausstellungsprospekt ein Bild gewählt, „Heilanstalt in Saint-Rémy,“ worin Van Gogh diese Seele beinahe greifbar macht. Knorrige Baumstämme werfen ihr dunkles Laub nach oben, wo es über das darunterliegende leuchtend gelbe Krankenhausgebäude ragt und sich mit dem dunkelblauen Himmel darüber verzahnt. Die wenigen menschlichen Figuren scheinen inmitten der wirbelnden Dynamik der Natur unbedeutend zu werden – umso mehr durch das brillante Farbschema, welches typisch für Van Gogh ist. Dieselbe Dynamik ist noch deutlicher sichtbar in seinem berühmten Gemälde „Sternennacht“ (welches in dieser Ausstellung nicht gezeigt wird), wo Landschaft, Zypressen, Berge, Sterne und Himmel alle zusammen in einen wilden, rhythmischen, gelben und violetten Tanz eingewickelt sind, so als ob der gesamte Kosmos durcheinandergewirbelt würde.

Beide Gemälde stammen aus Van Goghs hochproduktiven letzten fünf Lebensjahren, zwischen seinem Umzug nach Paris Anfang 1886 und seinem Tod in Frankreich im Sommer 1890. Auch wer die moderne Kunst und Van Gogh nicht mag, wird zugeben müssen, daß seine Gemälde aus diesem Zeitraum eine zutiefst individuelle und menschliche Reaktion darauf sind, was der Dichter Wordsworth „etwas viel tiefer Durchdrungenes“ in der Welt der Natur nannte, welche uns Menschen umgibt. Was könnte „Kunst“ anderes sein? Doch wo am Anfang des 19. Jahrhunderts dieses „etwas Durchdrungenes“ den englischen Dichter zum „Nachsinnen in Ruhe“ inspiriert hatte, fand hingegen am Ende dieses apostatischen Jahrhunderts der holländische Künstler, welcher die Religion ebenfalls hinter sich gelassen hatte, zwar Schönheit, aber kaum Frieden – das macht ihn unserem noch ruheloseren Zeitalter schon sympathisch.

Ach, was zahlte Van Gogh jedoch für einen hohen Preis dafür, daß er zwar die grundlegende Bewegungskraft in der Natur erkannte, ohne allerdings den wesentlichen „Beweger“ anzuerkennen. Diese Bewegung ohne den „unbewegten Beweger,“ diese starke Kraft ohne den König des Friedens, überwältigten Van Gogh schließlich und er starb an einer sich selbst zugefügten Schußwunde. Lieber Herrgott, habe Erbarmen, habe Erbarmen mit den Millionen um Millionen Seelen, welche Dich zwar spüren und brauchen, Dich jedoch nicht finden können oder nicht wollen. Du allein weißt, wie gefährlich ihre religionslose Religion ohne Dich ist!

Kyrie eleison.