Schlagwort: Modernismus

Madiran Die Philosophie

Madiran Die Philosophie posted in Eleison Kommentare on Oktober 17, 2020

Wie Papst Pius X. in seinem 1907 erschienenen grossen antimodernistischen Rundbrief Pascendi, beginnt auch Madiran in seinem Buch Die Häresie des 20. Jahrhundert mit der Philosophie, weil beide erkannt haben, dass das Problem, welches modernen Geistern das Verständnis des Katholizismus dermassen erschwert, eher philosophischer als theologischer Natur ist. Aus diesem Grund trägt der erste der sechs Teile, aus denen Madirans Buch besteht, den Titel”Philosophische Präambel».

Überraschenderweise schreibt Madiran selbst, seine Leser könnten diese Präambel auslassen, wenn sie wollten, aber dies kann nur den Zweck verfolgen, manche zeitgenössische Leser zu schonen, die mit Recht allergisch gegen den von den heutigen sogenannten”Universitäten”produzierten kriminellen Unfug sind. Madirans Argumentation basiert nämlich ebenso stark auf wahrer Philosophie, wie sie frei von der gegenwärtigen”Philosophistrie», oder Pseudo-Philosophie, ist.

Doch wie kann der übernatürliche Glaube dermassen stark auf die Philosophie angewiesen sein, bei der es sich doch um die rationale Erforschung aller natürlichen Realität handelt, um den (wahren) gesunden Menschenverstand gewissermassen von einem Amateur-Niveau auf ein professionelles Niveau zu erheben? Steht das Übernatürliche denn nicht unendlich höher als das bloss Natürliche? Die Antwort lautet: Ein tüchtiger Weinproduzent ist nicht auf gute und unbeschädigte Glasflaschen angewiesen, um guten Wein herzustellen, aber er kann sein Weingeschäft ohne solche Flaschen nicht erfolgreich führen, denn wenn alle Flaschen innen schmutzig sind, wird kein Mensch seinen Wein kaufen, so trefflich er auch munden mag. Der Weinproduzent geht davon aus, dass er automatisch saubere Flaschen erhalten wird. Im Vergleich zum Wein ist die Glasflasche in leerem Zustand fast nichts wert, doch muss sie unter allen Umständen frei von Sprüngen und Schmutz sein, damit ihr Inhalt nicht ausläuft oder verunreinigt wird.

 

Mit dem menschlichen Verstand verhält es sich nun wie mit der Flasche. Er ist lediglich eine natürliche Fähigkeit, doch zum Zeitpunkt des Todes muss er, damit sein Besitzer der Gefahr der ewigen Verdammnis entgeht, den übernatürlichen Wein des Glaubens enthalten (Markus XVI, 16). Der Glaube ist eine köstliche Gabe Gottes, durch welche der Verstand eines Menschen auf übernatürliche Weise so erhoben wird, dass er glaubt; wird diese Fähigkeit jedoch durch menschliche Irrtümer und Unglauben beeinträchtigt, besteht Gefahr, dass sie Gottes Wein des Glaubens wie eine schmutzige Flasche verunreinigt, so göttlich jener Glaube an sich auch ist. Nun verdirbt bereits ein wenig Schmutz in der Flasche den Wein, den sie enthält, aber der Modernismus des Geistes ist ein dermassen radikaler Irrtum, dass er jede Wahrheit, und erst den Glauben, welcher in diesen Geist eingegossen wird, verdirbt oder unterminiert. Und so wie in eine schmutzige Flasche gegossener Wein zwangsläufig verunreinigt wird, wird auch ein katholischer Glaube, der in einen modernen Geist einfliesst, fast zwangsläufig untergraben. Dies lehren Pius X., de Corte, Calderón und Madiran ebenso wie alle anderen, welche die volle objektive Bosheit eines subjektivistischen Geistes begriffen haben.

Wie beweist nun insbesondere Madiran, dass die französischen Bischöfe in den sechziger Jahren des 20. Jahrhundert s ihren katholischen Verstand verloren hatten? Er beginnt mit einer offiziellen Erklärung, die sie im Dezember 1966 abgaben (S. 40) und in der sie behaupteten,”für einen philosophischen Geist”hätten die für die Christologie (katholische Theologie Christi) entscheidend wichtigen Wörter”Person”und”Natur”ihren Sinn seit der Zeit von Boethius (der die Definition von”Person”festlegte) und Thomas von Aquin (der den wahren Sinn von”Natur”festgestellt hat) geändert. In anderen Worten, für die französischen Bischöfe hat die moderne Philosophie die klassische Philosophie der Kirche, die eng in die unveränderliche Doktrin der Kirche eingewoben ist, hinter sich gelassen, so dass der Thomismus ihrer Ansicht nach”für einen philosophischen Geist”überholt ist und über Bord geworfen werden muss.

Doch in einer Kirche, deren Doktrin stets dem entsprach, was sich in einer ausserhalb des Geistes stehenden Realität niemals verändert, ist diese Perspektive der französischen Bischöfe absolut revolutionär. Sie kann, wie Madiran (S. 43) unterstreicht, lediglich bedeuten, dass sie die kopernikanische Revolution akzeptieren, die Immanuel Kant (1724–1804) in der Philosophie vollzog, indem er postulierte, die”Realität”liege nicht ausserhalb, sondern innerhalb des Geistes. Allerdings besteht ausserhalb der Kant’schen Philosophie keine Verpflichtung, diese Internalisierung der Realität zu akzeptieren (S. 45, 46). Nur wer von den Kant’schen Prämissen ausgeht, gelangt zu solch realitätsfremden Schlussfolgerungen. Indem sie Kant moralisch über Thomas von Aquin stellten, bewiesen die französischen Bischöfe de facto ihre implizite Apostasie (S. 50) und ihre antinatürliche Religion. Sie erklärten damit ihre Unabhängigkeit von Gottes Wahrheit, ihre Verwerfung von Gottes Realität und der Ordnung, die Er der Natur eingepflanzt hat (S. 60–63).

Madiran schliesst seinen Teil I mit folgender Feststellung ab: Während der Thomismus der menschlichen Erfahrung aller Zeiten und Orte entspricht (S. 66), hat der Kantianismus den Geist der französischen Bischöfe in die Irre geführt, wie das moderne Zeitalter, um dessen Wohlgefallen die Bischöfe sich so sehr bemühen (S. 67).

Kyrie eleison.

Immer Noch Berufungen?

Immer Noch Berufungen? posted in Eleison Kommentare on Oktober 10, 2020

Können jüngere oder ältere Seelen inmitten all der Heimsuchungen, unter denen die katholische Kirche zu leiden hat, immer noch dazu berufen werden, Gott in einem Seminar, einer Abtei, einem Männer- oder Frauenkloster zu dienen? Die Antwort kann nur ja lauten, weil es eine Tatsache ist, dass Gott immer noch Seelen zum Dienst an Ihm aufruft, und”eineTatsache stärker ist als der Bürgermeister». Andererseits müssen die Vorsteher von Seminaren oder Gotteshäusern zwei Faktoren Rechnung tragen, die durch die heutige Lage der Kirche bedingt sind und sie dazu bewegen sollten, vorsichtiger denn je nachzuprüfen, wer wirklich berufen und es deshalb wert ist, unter ihrem Dach aufgenommen zu werden. Der erste Faktor ist die stetig zunehmende Unreife der Seelen, die in der modernen Welt aufwachsen, der zweite die ebenfalls unablässig wachsende Unzuverlässigkeit der Kirchenführer.

Rufen wir uns zu Beginn in Erinnerung, dass die katholische Kirche direkt von Jesus Christus kommt, der sie bis zum Ende der Welt bewahren wird (Matthäus XXVIII, 20), ja bis in alle Ewigkeit. Er verfügt mit dem Vater und dem Heiligen Geist über mehr als genügend Macht, um ihr alle Mittel zur Verfügung zu stellen, welche für ihr Überleben notwendig sind. Nun gehören zu diesen Mitteln zwangsläufig ein Klerus, Bischöfe und Priester, und zwar in einer bestimmten Hierarchie, um jene Sakramente zu gewährleisten, dank denen allein die Mitglieder der Kirche deren übernatürlicher Gnade teilhaftig werden. Deshalb wird Unser Herr den Menschen bis zum Ende der Welt stets genügend Berufungen schenken, um sicherzustellen, dass die Kirche die Männer bekommt, die sie als Geistliche braucht. Was die Frauen betrifft, deren natürliche, gottgegebene Bestimmung es ist, die”Helferinnen”des Mannes zu sein (Genesis II, 18), so sollen sie keine Priesterinnen werden; die Kirche benötigt sie auch nicht als solche, aber dank den Gaben, die Gott ihnen, und nicht den Männern, verleiht, können sie der Kirche dermassenun schätzbare Dienste erweisen, dass man sich die Kirche nicht ohne weibliche Berufungen vorstellen kann. Wo wäre das Apostolat der Kirche beispielsweise ohne die Gebete von Schwestern, Grossmüttern etc.?

Doch Gott ist Gott, und Seine Wege sind für die Menschen unerforschlich. Man lese den Schluss von Römer XI, das ganze Buch Hiob, insbesondere die Kapitel XXXVIII bis XLI. Gott reicht weit über das menschliche Fassungsvermögen hinaus, und mittels der Fehlbarkeit der letzten sechs Päpste einschliesslich des jetzigen auferlegt er katholischen Seelen bereit schwerere Prüfungen, als viele von ihnen ertragen können. Sie müssen das Buch Hiob lesen. Und der Allmächtige hält noch weitaus schwerere Prüfungen für uns bereit. Unsere Liebe Frau hat uns gesagt, dass Feuer vom Himmel fallen und einen grossen Teil der Menschheit vernichten wird, und wenn sie nicht weitaus weniger sündigen als zuvor, wird es keine Vergebung mehr für sie geben – eine Weissagung, die man seit kurzem leichter versteht, wenn man bedenkt, wie viele Prälaten aus Furcht vor dem Covid-Betrug ihre eigenen Beichtstühle geschlossen haben. Lasst uns beten und erwirken, dass Unser Herr Arbeiter in SeinenWeinberg senden möge, aber nehmen wir davon Abstand, Ihm sagen zu wollen, wie viele Er braucht. Nur Er weiss das.

Unterdessen müssen wir Menschenkinder bekennen, dass wir – wie oben betont – Ihm wenigstens zwei ernsthafte Hindernisse in den Weg legen, wenn Er Seelen dazu beruft, Ihm zu dienen. Das erste Hindernis ist die Unreife von Seelen, die ein modernes Leben führen. Wenn es etwas gibt, was einen Jungen oder ein Mädchen so aufwachsen lässt, dass er oder sie fähig ist, die Disziplin des religiösen Lebens oder die Härten des Ehelebens zu ertragen, dann ist es das Leiden, doch ist heute nicht die Illusion allgegenwärtig, dass für das Leiden irgendein anderer verantwortlich gemacht werden kann, oder dass es sich vermeiden lässt, oder dass man es nicht zu erdulden braucht? Auch wird der Charakter von Kindern nicht geformt, wenn die Eltern immer weniger wissen, wie sie sie erziehen sollen. Die Verantwortlichkeit kann auch Jugendliche reifer machen, aber ist es nicht so, dass sie immer weniger verantworten müssen? Man dürfte sagen, heute in Städten oder Vororten zu wohnen ist kaum für Berufungen günstig.

Das zweite Hindernis besteht darin, dass die Unordnung in der Kirche Berufungen ebenfalls behindert.Solange die Kirche trotz aller menschlichen Fehler ein Felsen war, so dass durch all die Jahrhunderte kein Feind ihre Lehre oder ihre Struktur zu erschüttern vermochte, konnte ihr ein junger Mensch sein Leben bedenkenlos anvertrauen, indem er gewiss war, dass mehrere Stufen von Vorgesetzten ihres Amtes auf der Grundlage der objektiven Wahrheit und der allgemeinen Gerechtigkeit walten würden. Doch wie kann man, seitdem Vatikan II die Doktrin der Kirche und die Grundlage, auf der sie operiert, geändert hat, noch sicher sein, dass ein objektiver und stabiler Rahmen existiert, innerhalb dessen man den Rest seines Lebens führen kann? Eine wichtige Lehre aus der Kirchenkrise lautet, dass die katholische Kirche ohne den Papst kaum mehr ausrichten kann als eine Handpuppe ohne den Puppenspieler – sie wird zu einem losen Haufen von Fäden und zu Stücken von buntem Holz. Natürlich kann und wird Gott für das Wohl Seiner Kirche sorgen, aber wir dürfen kaum erwarten, dass morgen noch so viele Berufungen erfolgen werden wie vorgestern.

Kyrie eleison.

Madirans Vorwort

Madirans Vorwort posted in Eleison Kommentare on Oktober 3, 2020

Jean Madiran leitet das Vorwort zu seinem Buch über die Häresie des 20. Jahrhunderts mit der kühnen Aussage ein, dass die Verantwortung für diese Häresie eindeutig bei den katholischen Bischöfen liege (S. 17 in der Neuauflage des Buchs, via.romana@yahoo.fr). Da er sich bewusst war, dass man ihm als Laien die Befugnis absprechen würde, sich zu diesem Thema zu äussern, hielt er trotzig fest, als getaufter Katholik brauche er nicht um ein Mandat zur Verteidigung des Glaubens zu bitten und kein solches zu erhalten, wenn die Hirten – oder Bischöfe – zu Wölfen geworden waren oder zu Häretikern, die den Glauben zerstörten (S. 28).

Madiran nimmt (auf S. 26) eine entscheidend wichtige Unterscheidung vor, welche die These seines gesamten Buchs in sich birgt. Im engen Sinn des Wortes bedeutet”Häresie” die bewusste Leugnung dessen, von dem man weiss, dass es ein klar festgelegter Grundsatz des Glaubens ist. Doch im weiteren Sinn bedeutet sie die Annahme einer allgemeinen Denkweise, die dem Glauben radikal fremd ist. Jene Art von Häresie, die er in seinem Werk anprangern wird, gehört der zweiten Kategorie an und geht weit über den Widerspruch gegenüber dem einen oder anderen Glaubensgrundsatz hinaus.”Die Häresie des 20. Jahrhunderts», meint er, finde sich vielmehr”in der Nacht, in der Leere, im Nichts». 

Und wie haben die französischen Bischöfe diese Leere geschaffen? Madiran schreibt (S. 20), sie hätten schon seit mehr als hundert Jahren, bis zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts, die Lehre Roms – welches damals das wahrhaft katholische Rom Pius’ IX. und des Syllabus war – nicht mehr in reiner Form vertreten, weil ihre ganze Mentalität sich Schritt für Schritt von Rom entfernt habe (S. 21). Sie wachten zwar über die katholische Disziplin, aber ohne Überzeugung; sie pflegten katholischen Gehorsam, ohne den Grund dieses Gehorsams zu begreifen. 

Madiran stellt hier die Essenz der präkonziliaren Kirche mit einigen wenigen Worten bloss: Sie untersteht dem Einfluss der modernen Welt und verliert den katholischen Glauben nach und nach, mit dem Ergebnis, dass eine Kirche entsteht, wo der Schein immer noch gewahrt wird, die Substanz hinter dem Schein jedoch zusehends schwindet. Wie die wahre Kirche dieser neuen Revolution Widerstand zu leisten hatte, legten antiliberale Päpste – insbesondere Pius IX., Leo XIII. und Pius X. – in ihrer Soziallehre dar, doch von ihren sozialen Rundbriefen, meint Madiran, hätten die Bischöfe in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts so gut wie nichts mehr gewusst (S. 23).

Noch schwerwiegender war für Madiran ein Punkt, der Teil VI seines Buchs prägen wird: Die Häresie des 20. Jahrhunderts, derer sich diese Bischöfe schuldig machten, bestand in ihrer allumfassenden glaubenslosen Mentalität, die in Abrede stellte, dass es so etwas wie das Naturrecht überhaupt gibt (S. 24). Von der modernen Welt magnetisch angezogen, vom Liberalismus infiziert, waren sie dem guten Rom schon seit langem geistig entfremdet und verwarfen seine Soziallehre, aber in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts wiederholten sie immer noch mechanisch gewisse Formeln des alten Katechismus. Nichtsdestoweniger war in ihren Herzen jeder Sinn für das Naturrecht verloren gegangen, und dies bedeutete, dass sie in den Jahren unmittelbar nach dem Konzil bereit waren, den Katechismus und die Dogmen anzutasten, die sie bis dahin äusserlich intakt gelassen hatten. Somit lief ihre Meinungsverschiedenheit mit Rom bezüglich der Soziallehre auf eine völlige Umgestaltung der christlichen Religion hinaus, unter der die ganze Kirche nach dem Konzil zu leiden hatte (S. 25).

Wenn es nämlich kein Naturrecht oder keine rationale Ordnung gibt, die von Gott in die ganze Schöpfung um uns herum eingebettet ist, muss jede Form von Vernunft und Glauben Schiffbruch erleiden, und auch wenn die Formeln des Evangeliums und die dogmatischen Definitionen noch eine Zeitlang korrekt rezitiert und wiederholt werden mögen, ist ihre Substanz bereits verloren gegangen, und die ganze Religion ist völlig untergraben worden. Bischöfe, die nichts vom Naturrecht wissen oder wissen wollen, haben keinen Zugang zum Evangelium oder dogmatischen Definitionen mehr. Sie können nichts mehr bewahren oder weitergeben (S. 26). Sie sind reif für einen massiven Linksrutsch, für die Ersatzreligion der Moderne, bei der es sich um den Kommunismus handelt (S. 26).

Zum Abschluss seines Vorworts verweist Madiran auf einen Landsmann, der diese Dekadenz des Klerus schon vor dem Ersten Weltkrieg voraussah. Charles Péguy (1873–1914) schrieb anno 1909, der Klerus zerstöre das Christentum nachhaltig, indem er von ihm verlange, mit dem Zeitgeist Schritt zu halten (S. 30). Weil sie ihren Glauben selbst verloren hatten, nahmen diese Kleriker sein Verschwinden als etwas Natürliches hin (S. 32).

Kyrie eleison.                                                                                                                                        

Madiran Vorgestellt

Madiran Vorgestellt posted in Eleison Kommentare on September 19, 2020

Als älteste Tochter der Kirche hat Frankreich stets Denker und Schriftsteller hervorgebracht, die bei deren Verteidigung an vorderster Front kämpften. Dies gilt auch für die Gegenwart. Als Reaktion auf die heillose Verwirrung, die sich unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils anno 1965 unter den Katholiken breitmachte, meldete sich ein hervorragender Pionier dessen, was später als”traditionalistisches Denken”bekannt wurde, zu Wort, der Franzose Jean Madiran (1920–2013), der 1956 die rechtsgerichtete und nationalistische Monatszeitschrift”Itinéraires”gründete und bis 1996 herausgab. Nachdem er sich schon vor dem Konzil als glühender Verteidiger des Glaubens hervorgetan hatte, machte er seine Zeitschrift nach dem Konzil zu einem Vorposten desselben, mit dem Ergebnis, dass sie für viele Katholiken, die bemüht waren, weder ihren Kopf noch ihren Glauben zu verlieren, zur unverzichtbaren Lektüre wurde.

In den sechziger Jahren hat Madiran ohne jeden Zweifel massgeblich dazu beigetragen, dass in Frankreich eine gut informierte Leserschaft erhalten blieb, aus der dann in den siebziger Jahren die Unterstützer Erzbischof Lefebvres hervorgingen, welche seiner”traditionalistischen”Bewegung in Frankreich dabei halfen, der Zersetzung der Kirche durch den Konzilsklerus beherzten Widerstand entgegenzusetzen. Dass der Erzbischof Ende der sechziger Jahre den monumentalen Entscheid fällte, in der französischen Schweiz die Priesterbruderschaft St. Pius X. zu begründen, die in den folgenden vierzig Jahren einen entscheidenden Beitrag zur Rettung der katholischen Tradition leisten sollte, ging in erheblichem Mass auf seine energische Unterstützung durch Madiran und dessen Zeitschrift zurück. Der Verfasser dieser”Kommentare”hat den Erzbischof nur ein einziges Mal rennen sehen – als Madiran dem Seminar in Écône einen Besuch abstattete und der Erzbischof ihn vor seiner Rückkehr nach Paris unbedingt noch sehen wollte.

Leider ging ihre Zusammenarbeit zu Ende, als in 1978 Johannes Paul II. zum Papst gewählt wurde, denn Madiran glaubte, er werde die Kirche retten. Doch zum damaligen Zeitpunkt hatte Madiran den Erzbischof bereits nachhaltig beeinflusst, und die”Tradition”war mittlerweile bereits fest verankert. Wir müssen uns heute in Erinnerung rufen, wie undenkbar es in den fünfziger und sechziger Jahren für Katholiken war, ihren Klerus in Zweifel zu ziehen. Hier liegt das enorme Verdienst Madirans: Ein tiefer Glaube, der sich auch dadurch nicht erschüttern liess, dass fast die ganze katholische Hierarchie vom rechten Wege abkam, gemeinsam mit dem Mut, aufzustehen und sich öffentlich gegen jene Masse von Menschen zu wenden, die jener Hierarchie entweder aus”Gehorsam”in”Treue”folgte, oder ihr treulos zujubelte, während sie die Kirche durch die Freimaurerei unterwanderte. Dass sich Madiran dann selbst durch Johannes Paul II. irreführen liess, beweist lediglich, wie stark der Magnetismus Roms ist, den er selber während einer entscheidenden Zeitspanne im Dienste an der katholischen Wahrheit überwunden hatte.

Dass er seinen Überzeugungen im Kern treu geblieben ist, geht daraus hervor, dass von all den Büchern, die er im Verlauf eines langen und fruchtbaren Lebens geschrieben hat, dasjenige, das seine Botschaft seinen eigenen Worten zufolge am besten ausdrückt, jenes ist, dem wir uns in diesen”Eleison Kommentaren”zuwenden werden: L’hérésie du vingtième siècle («Die Häresie des 20. Jahrhunderts»). Dieses Werk erschien erstmals 1968, also zu dem Zeitpunkt, wo die Kontroverse über Vatikan II. hohe Wellen schlug. Es besteht aus einem Vorwort und sechs Teilen, was seinen Niederschlag vielleicht in sieben Ausgaben dieser”Kommentare”finden wird, denn das Buch ist ein Klassiker, auch wenn es unseres Wissens nie übersetzt worden ist.

Es ist ein Klassiker, weil es eines thomistischen Philosophen bedurfte, um den Modernismus dermassen schonungslos blosszustellen – wie kann man einen Nebel analysieren? –, und Madiran war ein thomistischer Philosoph. Freilich wäre längst nicht jeder solche hierzu berufen gewesen, denn die übergrosse Mehrheit der Vatikan II-Bischöfe waren in ihrem Seminar oder ihrer Kongregation in den Prinzipien der Philosophie des Heiligen Thomas von Aquin geschult worden, hatten jedoch nicht gelernt oder begriffen, wie diese Prinzipien auf die Realität anzuwenden sind. Der Grund liegt darin, dass man diese Philosophie verhältnismässig leicht lehren kann, wie ein zusammenhängendes Telefonbuch. Katholische Schüler sind fügsam und absorbieren sie bereitwillig, ohne notwendigerweise zu begreifen, dass sie die einzige, ja die einzig mögliche Sicht auf die eine und einzige Realität darstellt, die uns umgibt. Doch wer kann die Realität Schülern beibringen, die in zentral geheizten Räumen geboren und von früher Kindheit an vor dem Fernseher gesessen sind? Madiran gehörte einer früheren Generation an, was ihm seine Aufgabe erleichterte, aber um den Modernismus so klar zu durchschauen, bedurfte er einer besonderen Gnade des Realismus, wie Pius X, de Corte, Calderón und einige wenige andere Auserwählte.

Machen Sie sich auf eine anspruchsvolle Lektüre gefasst! Madiran ist es wert. In den nächsten Wochen präsentieren wir sein eigenesVorwort.

Kyrie eleison.

Drexels Bischöfe

Drexels Bischöfe posted in Eleison Kommentare on August 1, 2020

Nachdem wir uns letzte Woche („Kommentare“ vom 25en Juli) abermals davon überzeugt haben, wie sehr die in den siebziger Jahren von Pater Drexel erhaltenen Botschaften Der Glaube ist grösser als der Gehorsam auf die Situation der Katholiken in unserer Zeit passen, wollen wir nun sehen, welchen Standpunkt diese Botschaften bezüglich des Verbindungsglieds der Kirche zwischen dem Papst und den Priestern – den Bischöfen also – einnehmen. Diese Botschaften enthalten sehr harte Kritik an dem Klerus, der seine Herde nach Vatikan II buchstäblich im Stich gelassen hat, insbesondere jedoch an den Bischöfen, die ihre ihnen von Gott verliehene Verantwortung an von Menschen organisierte Bischofskonferenzen übertragen haben (siehe unten, 5. Juli 1974. Zwei Jahre später wurde Erzbischof Lefebvre „dem Hass und dem Spott preisgegeben“) . . .

3. Dezember 71 Aber der grösste Schmerz wurde Meinem Herzen von jenen zugefügt, welche als Hirten über die Gläubigen wachen sollten – und das sind die Bischöfe, die still, gleichgültig und feige geworden sind. Nicht nur einige wenige, sondern viele von ihnen fürchten sich vor den Menschen und legen dafür immer weniger Gottesfurcht an den Tag. Dies ist der Grund dafür, dass die Wölfe in die Herde einbrechen und hierdurch solche Verwirrung, Verwüstung und Zerstörung über die Kirche bringen konnten. Wahrlich, sie versuchen den Felsen Meiner Kirche zu erschüttern und zu zerschmettern, aber Millionen von Seelen, von unsterblichen Seelen, gehen verloren. Für diese Seelen müssen sich jene abtrünnigen Hirten und lauen Bischöfe vor Meinem ewigen Gericht verantworten! Einst weinte ich über Jerusalem und über die Menschen dieser Stadt und über ihre Priester und Hohenpriester, und doch war ihre Sünde nicht so gross wie die Sünde derjenigen, die in der Kirche von heute statt zu Führern zu Verführern, statt zu Hirten zu Söldnern, statt zu Beratern zu Verrätern werden. Allerdings gibt es sicherlich auch gute Hirten von Seelen und wachsame Bischöfe, die mit Festigkeit und Klarheit neben dem Nachfolger Petri stehen.

4. August Während mein Sohn Paul ( . . . ) mit grosser Sorge die Nachrichten von Priestern, die ihre Herde, ihre Berufung und ihr Amt im Stich lassen, erhält und er diese Flüchtigen und Mutlosen zur Umkehr ermahnt, ist sein Kummer über die vielen Hirten noch grösser, welche kraft ihres Amtes und ihrer Berufung verpflichtet sind, das Oberhaupt, den Führer und den Vater aller Gläubigen zu unterstützen und seine Anweisungen zu befolgen. Doch stattdessen führen sie ein bequemes Leben, und wegen ihrer Trägheit und Feigheit unterlassen sie es, in ihren Gemeinden auf der Hut zu sein und mit grosser, strikter Wachsamkeit für die Wahrung der Disziplin und die Aufrechterhaltung des Glaubens zu sorgen.

1. Dezember 72 So viele Gläubige sehnen sich nach einem guten Hirten. Ja, die Bischöfe sind als Hirten berufen und ernannt worden. Aber sie werden zu Söldnern und Wölfen, weil sei vom Pfad der Treue abgewichen sind. Die ihnen anvertrauten Seelen werden eines Tages beim Gericht gegen sie Zeugnis ablegen.

5. Juli 74 Die Not der Seelen schreit zum Himmel; währenddessen übernehmen unberufene Menschen in der Kirche und bei Versammlungen die Führung, und all dies geschieht wegen der Bischöfe, die ihnen nicht Einhalt gebieten und sie nicht in die Schranken weisen.

November 74 Bedenkt: Eine grosse Verwirrung hat Meine einzige und treue Kirche durchdrungen. Bücher voller falscher Aussagen und Häresien werden von Bischöfen akzeptiert, die doch Hirten sein sollten, während Schriften, welche die Wahrheit sagen, von den Vertretern der Kirche verworfen werden, so gross ist die Verwirrung gewesen!

7. Februar 75 Manche der Hirten und Wächter, die gesalbt worden sind ( . . . ) haben sich vom Glauben abgewandt und geben Häresien freie Bahn. ( . . . ) Oh möchten doch all diese Hirten verstehen, welche Verantwortung sie tragen und wie schwer diese Verantwortung auf ihnen lasten wird, weil jene, die immer noch glauben und beten, keinen Schutz mehr finden.

Juli 76 Warum gibt es keine Wächter mehr, die den Glauben verteidigen und darum auch die Gläubigen, die Jungen und die Kinder vor dem Mord an ihren Seelen schützen? Jene jedoch, die gegen die Untergrabung des Glaubens aufstehen, werden verfolgt, und ihre ernstlichen und schweren Sorgen werden dem Hass und dem Spott preisgegeben.

Kyrie eleison.

Bewundernswerte Neuorientierung

Bewundernswerte Neuorientierung posted in Eleison Kommentare on Juni 20, 2020

Hier eine Zusammenfassung des öffentlichen Briefes, den Erzbischof Viganò am 9. Juni zum Thema des Zweiten Vatikanischen Konzils verfasst hat:

Bravo, Bischof Schneider, zu Ihrem kürzlichen Aufsatz über das Konzil und die falsche Religionsfreiheit. Man spricht vom „Geist des Konzils.“ Aber wann war je die Rede vom „Geist von Trient“ oder von irgendeinem anderen katholischen Konzil? Niemals, weil alle anderen Konzile einfach dem Geist der Kirche gefolgt sind. Der gute Bischof sollte sich allerdings davor hüten, „der Korrektur bedürftige Irrtümer“ in den früheren Lehren der Kirche zu übertreiben, denn was auch immer diese Irrtümer gewesen sein mögen, sie verblassen neben dem, was das Zweite Vatikanische Konzil angerichtet hat. Dieses war (selbst inhaltlich) mit dem Konzil von Pistoia (1786) vergleichbar, das später von der Kirche verurteilt wurde.

Durch Vatikan II liessen sich viele von uns in die Irre führen. In gutem Glauben zeigten wir viel zu grosse Nachsicht für die angeblich guten Absichten jener, welche eine Ökumene förderten, die später zu falschen Lehren über die Kirche ausartete. Heute glauben viele Katholiken nicht mehr, dass es kein Heil ausserhalb der katholischen Kirche gibt, und die Zweideutigkeiten, die den Weg zur Unterminierung des Glaubens bahnten, finden sich in den Texten von Vatikan II. Es hat mit interreligiösen Treffen begonnen, muss jedoch zwangsläufig in irgendeiner Universalreligion enden, in der es keinen Platz mehr für den wahren Gott geben wird. Dies war alles schon seit langer Zeit geplant. Zahlreiche heutige Irrtümer wurzeln in Vatikan II, auf dessen Texte sich der heutige tausendfache Verrat am wahren katholischen Glauben und den wahren katholischen Praktiken mit Leichtigkeit zurückführen lässt. Vatikan II wird heutzutage verwendet, um alle Verirrungen zu rechtfertigen, während seine Texte einzigartig schwer zu interpretieren sind und der früheren kirchlichen Tradition so klar widersprechen, wie dies zuvor bei keinem anderen Kirchenkonzil der Fall war.

Ich gestehe heute freimütig ein, dass ich damals den kirchlichen Autoritäten gegenüber allzu unbedingten Gehorsam an den Tag gelegt habe. Viele von uns konnten sich zu jener Zeit wohl einfach nicht vorstellen, dass die Hierarchie der Kirche gegenüber untreu werden könnte, was wir ganz besonders am gegenwärtigen Pontifikat beobachten können. Mit der Wahl von Papst Franziskus haben die Verschwörer die Maske endgültig fallen lassen. Sie hatten sich des philo-tridentinischen Benedikt XVI. endlich entledigt und waren frei, die Neukirche zu gründen, welche die alte Kirche durch ein freimaurerisches Surrogat für die Form und die Substanz des Katholizismus ersetzte. Demokratisierung, endlose Synoden, weibliche Priester, überbordende Ökumene, Dialog, Entmythologisierung des Papsttums, Political Correctness, Gendertheorie, Sodomie, gleichgeschlechtliche Ehe, Empfängnisverhütung, Förderung der Migration, Ökologismus – wenn wir nicht erkennen, dass all diese Übel in Vatikan II wurzeln, werden wir sie nicht ausmerzen können.

Eine solche Einsicht „erheischt ein grosses Mass an Demut, wobei wir zuerst erkennen müssen, dass wir uns in guten Treuen jahrzehntelang irreführen liessen, von Menschen, die ihre Positionen kraft der kirchlichen Autorität erhalten hatten, es jedoch nicht verstanden, über die Herde Christi zu wachen und sie zu behüten.“ Diese Hirten, welche die Kirche wider besseres Wissen, wenn nicht gar in arglistiger Absicht, verraten haben, müssen beim Namen genannt und exkommuniziert werden. In unseren Reihen gab und gibt es viel zu viele Söldner, die lieber den Feinden Christi gefallen als Seiner Kirche treu sein wollen.

„So wie ich vor sechzig Jahren ehrlich und gelassen fragwürdigen Befehlen gehorchte, da ich glaubte, sie gäben die liebende Stimme der Kirche wieder, anerkenne ich heute ebenso gelassen und ehrlich, dass ich getäuscht worden bin.“ Ich kann jetzt nicht mehr in meinem Irrtum beharren. Ebenso wenig kann ich behaupten, alles von Anfang an durchschaut zu haben. Wir wussten zwar alle, dass das Konzil mehr oder weniger einer Revolution gleichkam, aber keiner von uns konnte sich vorstellen, wie verheerend diese sein würde.Wir könnten sagen, dass Benedikt XVI. sie verlangsamt hat, doch das Pontifikat von Franziskus hat jenseits jeden vernünftigen Zweifels bewiesen, dass unter den Hirten an der Spitze der Kirche pure Apostasie herrscht, während die Schafe verlassen, ja geradezu verachtet werden.

Die Erklärung von Abu Dhabi („Gott hat Wohlgefallen an allen Religionen“) war für einen Katholiken unverzeihlich. Wahre Barmherzigkeit lässt sich nicht auf Kompromisse mit dem Irrtum ein. Und falls sich Franziskus eines Tages weigert, das Spiel weiter mitzuspielen, wird man ihn wie Benedikt XVI. stürzen und durch einen anderen ersetzen. Doch die Wahrheit bleibt und wird sich durchsetzen: „Ausserhalb der katholischen Kirche gibt es kein Heil.“

Kyrie eleison.