Shakespeare

Sprecht Klartext!

Sprecht Klartext! on Dezember 28, 2019

Kennzeichnend für die grossen Geister der Vergangenheit ist, dass sie über grosse Dinge nachdachten, worunter – explizit oder implizit – Dinge zu verstehen sind, die mit Gott in Verbindung stehen, und wenn sie tatsächlich grosse Geister waren, kann ihr Denken nicht rein destruktiv gewesen sein. Ein solcher Geist war sicherlich Englands Shakespeare. Als Katholik empfand er Schmerz darüber, dass der Abfall seines Landes vom katholischen Glauben gerade zu dem Zeitpunkt, wo er seinen schöpferischen Höhepunkt erreichte, um das Jahr 1600 herum, endgültig vollzogen war. Doch diese Zuwendung Englands zum Protestantismus bedeutete, dass er, wenn er nicht gehängt, ausgeweidet und gevierteilt werden wollte, seine katholische Botschaft in verklausulierter Form verbreiten musste, wie Clare Asquith in ihrem anno 2005 erschienenen Buch „Shadowplay“ bewiesen hat, in dem sie sich mit Shakespeares Schaffen auf unvergleichlich höherem Niveau auseinandersetzt als englische „Patrioten“ und die Zwerge der Literaturkritik es tun.

Dies sei anhand eines Beispiels veranschaulicht. Im Anhang des Buchs findet sich eine Analyse von Shakespeares Sonnet 152, in dem Frau Asquith aufzeigt, wie sich hinter dem vordergründigen Hinweis auf eine Frau, die der Dichter kannte, von der ersten bis zur letzten Zeile eine zweite, vollständig verschiedene Bedeutung verbirgt, die für ihn als Schriftsteller, der seine Landsleute hätte warnen müssen, dies jedoch nicht tat, weitaus schwerer ins Gewicht fällt. Hier die 14 Zeilen des Sonnets; es schliesst sich eine Deutung seiner hintergründigen Botschaft an:

Daß ich dich lieb’ ist Meineid; weißt du: doch
Zwiefach meineidig du, mir Liebe schwörend,
Brachst mit der Tat dein Bettgelübde, noch
Den neuen Liebesbund in neuem Haß zerstörend!
Doch ich, der zwanzig Eide bricht, wie könnt’ ich
Dir zwei verübeln? Lüg’ ich doch weit mehr;
Und was ich schwören mag, mißhandelt dich beständig:
Mein bestes Wort machst du bedeutungsleer.
Denn ich beschwur mit teuern Seelenschwüren
Dein teures Lieben, deine Güt’ und Treu;
Ich lieh der Blindheit Augen, dich zu zieren:
Verleugnen mußten sie, daß wahr ihr Zeugnis sei:
    Denn ich schwur, du sei’st schön: o grober Trug,
    Natur zu lästern mit so schnödem Lug!

Du weisst, ich breche ein Versprechen, indem ich dich liebe, doch indem du schwörst, dass du mich liebst, brichst du zwei Versprechen: Du hast dem Bett deines Gatten entsagt, bist dann zu ihm zurückgekehrt („neuer Liebesbund“), nur um ihn abermals zu verraten („neuer Hass“). Doch warum zeihe ich dich, zwei Eide gebrochen zu haben, wenn ich zwanzig Eide breche? Der grössere Meineidige bin ich, denn zu deinem eigenen Schaden habe ich Eid um Eid auf deine Güte („teures Lieben, Güte und Treu“) geschworen, während ich doch genau wusste, dass du nicht gut bist. Somit habe ich geschworen, dass du sehr freundlich bist, sehr liebevoll, sehr wahrheitsliebend, sehr beständig, und um dich in ein gutes Licht zu stellen, gab ich vor zu sehen, was ich nicht sah; oder ich schwur, nicht zu sehen, was mein Auge erblickte. Denn ich schwur, du seist gut. Welch furchtbarer Meineid meinerseits, wo das doch so unwahr ist!

Interessanterweise ergibt der Text des Sonnets in seiner verborgenen Bedeutung – als Anspielung auf das seinem Glauben untreu gewordene England – mehr Sinn als in seiner vordergründigen, der sich auf Shakespeares untreue Geliebte bezieht. Das „Fröhliche England“ war der katholischen Kirche 900 Jahre lang treu gewesen. Durch die 1534 erlassene Suprematsakte Heinrichs VIII. („mit der Tat ) brach England die Ehe („Bettgelübde“) gegenüber der katholischen Kirche und erkor den Protestantismus zu seinem Buhlen. Unter Mary Tudor wandte es sich 1553 wieder dem Katholizismus zu („neuer Liebesbund“), beging jedoch 1558 unter Elisabeth I. erneut Ehebruch („neuer Hass“ [auf die katholische Kirche] ). Doch Shakespeare (1564–1616) zeiht sich selbst einer noch viel schlimmeren Untreue, denn all diese Jahre hindurch hat er England mit seinen abtrünnigen Tudor-Königen immer wieder verherrlicht („dich zu zieren“), beispielsweise in seinen historischen Dramen, und zwar zu Englands Schaden („misshandelt dich beständig“), denn als Katholik wusste er sehr wohl, dass der Protestantismus den Untergang des „Fröhlichen Englands bedeuten würde. So kam es denn auch!

Und heute? Das Muster wiederholt sich: Mehr als 1900 Jahre lang waren die Katholiken treue Ehepartner der wahren Kirche, doch mit Vatikan II (1962–1965) folgte die grosse Masse von ihnen schlechten Führern, die sie zu offener oder versteckter Buhlerei mit der modernen Welt verleiteten („brachst mit der Tat dein Bettgelübde“). Dann führte Erzbischof Lefebvre (1905–1991) viele von ihnen wieder in den Schoss der wahren katholischen Kirche zurück („neuer Liebesbund“ bzw. Erneuerung des alten Glaubens und der alten Liebe), aber seine Nachfolge an der Spitze der von ihm 1979 gegründeten Priesterbruderschaft St. Pius XII. verfielen, von „neuem Hass“ auf die vorkonziliäre Wahrheit erfüllt, abermals ehebrecherischen Gelüsten nach einer Wiedervereinigung mit Konzilsrom.

Und die Moral von der Geschicht? Alle Shakespeare-Bewunderer und alle Katholiken unter uns müssen Klartext sprechen und mit aller Deutlichkeit festhalten, dass es in Pachamama-Rom einen Greuel gibt, den wir verabscheuen müssen.

Kyrie eleison. „In Rom,“ so sprach der Erzbischof, „wird bald der Glaube ganz verschwinden.

Drum müssen Katholiken eine neue geistige Heimat finden.“

Hamlet = Apostasie

Hamlet = Apostasie on Januar 5, 2019

Wenn Hamlet möglicherweise das rätselhafteste, vielleicht das interessanteste und sicherlich das modernste von allen 37 Schauspielen Shakespeares ist, dann in jedem Fall aus demselben Grund – es gibt einen Elefanten im Zimmer, d.h. etwas Riesengrosses, das man doch nicht wahrnimmt. Dieser Elefant ist Englands Apostasie vom katholischen Glauben, die von der englischen Regierung inszeniert wurde, um das Jahr 1600 herum, als Shakespeare das Drama schrieb, und die ihn zur Verzweiflung trieb, weil er ein gläubiger Katholik war. Somit ist Hamlet (1): Shakespeares rätselhaftestes Stück für die Masse der postkatholischen Leser, Theatergänger oder Kritiker, die keine Ahnung davon haben, dass die „Reformation“ das grösste Unheil war, welches England je befallen hat; (2) Sein interessantestes Stück, weil es den konfliktgeladenen Übergang vom vergangenen Mittelalter zur kommenden Neuzeit exemplarisch veranschaulicht; (3) Sein modernstes Stück, weil in den vergangenen vierhundert Jahren buchstäblich die ganze Welt an Englands Apostasie teilnimmt.

(1) Doch wen kümmert heute noch die Apostasie? Wie viele Leute wissen überhaupt, was dieses Wort bedeutet (Abfall vom katholischen Glauben)? Es gab eine Zeit, wie die Jahre um 1600 in England, wo der Teufel den Glauben grimmig verfolgte, so dass Shakespeare in seinen Schauspielen den Glauben vertuschen musste, um nicht gehängt, ausgeweidet und gevierteilt zu werden. Doch heute führt der Teufel noch weitaus mehr Seelen ins Verderben, indem er sie felsenfest davon überzeugt, Religion sei so unwichtig, dass jedermann jede beliebige Religion, die ihm gefällt, wählen kann, oder auch gar keine. Die niederträchtigen Medien strotzen dermassen von Irrtum und Unmoral, dass die grosse Masse der Menschen diese sowieso nicht mehr bemerkt. Man lese hierzu Clare Asquiths Buch Shadowplay (Schattenspiel), in dem dargelegt wird, dass Shakespeare in allen seinen Stücken mit katholischen Codewörtern operiert. Doch wenn Hamlets inzestuöse Mutter, Königin Gertrude, tatsächlich für England steht, das Inzest mit dem Protestantismus – Hamlets Onkel – begeht, ist es dann verwunderlich, dass unsere Zeitgenossen keinen angemessenen Grund für Prinz Hamlets Melancholie zu sehen vermögen?

(2) Das Schauspiel ist von zentraler Bedeutung und konfliktgeladen, weil es, wie kein anderes Werk Shakespeares, zwischen der mittelalterlichen Welt und der Neuen Weltordnung in der Schwebe hängt. Shakespeare war nämlich selbst bis ins Mark darüber erschüttert, wie man den Glauben in seinem geliebten Land scheinbar erfolgreich zerstörte; dies erkennt man an der Bitterkeit, die der Prinz für fast alle Gestalten seiner Umgebung empfindet, insbesondere für seine wahre Liebe, Ophelia. Nun ist der Katholizismus keine Religion der Verbitterung, aber Shakespeare empfand sehr wohl solche, als er Hamlet schrieb. Allerdings war seine Verbitterung nicht von Dauer. Wer John Vyvyans ungeheuer wertvolles Buch The Shakespearean Ethics liest, erkennt das moralische Muster, das sämtlichen Stücken Shakespeares zugrunde liegt und das ruhmreiche Erbe des Dichters aus dem mittelalterlichen England darstellt. Es ist selbst in Hamlet vorhanden und zeigt sich besonders darin, dass der Prinz Ophelias Liebe verschmäht, um in seinem Herzen Raum für die Rache zu schaffen, doch mehr als in jedem anderen Shakespeare-Drama ist die Korruption der Gesellschaft – bewirkt durch nichts Geringeres als Apostasie – so furchtbar, dass der antisoziale Prinz hier als absoluter Held erscheint, als erster in einer langen Reihe antiautoritärer Helden (siehe Hollywood), denen es ein Bedürfnis ist, jeder natürlichen Achtung für gesellschaftliche Autorität zu entsagen. Die Apostasie tötet eine Gesellschaft.

(3) Somit ist Hamlet das modernste aller Shakespeare-Dramen, weil es sich am stärksten von dem mittelalterlichen Modell entfernt, oder dieses überlagert. Shakespeare hat nach Hamlet noch viele Schauspiele geschrieben, doch erlag er nie wieder der Versuchung, die Rache an die Stelle der Liebe zu setzen, oder vom Neuen zum Alten Testament zurückzukehren. Er fand seine Ruhe und sein Gleichgewicht wieder, indem er noch weitere grossartige Stücke schrieb, aber anno 1611 kehrte er der Bühne und London den Rücken, weil die Puritaner, welche England übernahmen und schliesslich die ganze Welt von Gott wegführen sollten, ihn verjagt hatten. Heutzutage sind jedoch ganze Generationen junger Menschen, denen man von Kindheit her Anti-Helden als Vorbilder dargestellt hat, zu Anti-Menschen geworden, in denen vom mittelalterlichen Erbe wenig bis gar nichts übrig geblieben ist. Die menschliche Natur hat sich freilich nicht verändert, und Menschen brauchen nach wie vor Männer, die sie führen. Dies ist der Grund dafür, dass die Mädchen versuchen, zu Männern zu werden, und dass junge Menschen das entgegengesetzte Geschlecht immer häufiger verschmähen. Eine Zeile aus Macbeth bringt es auf den Punkt: „Die Verwirrung hat nun ihr Meisterwerk geschaffen.“

Wenn Sie Hamlet lesen, so seien Sie also vorsichtig gegenüber dem Geist im ersten Akt. Sofern Sie Katholik sind, wissen Sie, dass der liebe Gott es einer Seele nie und nimmer erlauben würde, das Fegefeuer zu verlassen, um Rache zu suchen. Woher muss der Geist dann also kommen, wenn nicht aus der Hölle? Und ist der Prinz dann wirklich ein solcher Held? Shakespeares Verbitterung war verständlich, doch hat sie Verwirrung in seine Theologie gebracht. Junge Männer, verehrt und liebt Jesus Christus, liebt Seine Mutter, betet Ihren Rosenkranz und führt die Mädchen. Dafür brauchen sie euch.

Kyrie eleison.

Amerikanischer Shakespeare

Amerikanischer Shakespeare on März 17, 2012

Einen Mann des modernen Filmtheaters mit einem der größten Dichter und Dramatiker aller Zeiten zu vergleichen, mag einigen Lesern töricht vorkommen. Allerdings dürfte der Namenstag des Hl. Patrick der richtige Augenblick sein, den großen Iren und US-amerikanischen Filmregisseur John Ford (1895–1973) vorzustellen, sowie einige Ähnlichkeiten zwischen seiner Karriere und der von William Shakespeare (1564–1616) aufzuzeigen. Viel mehr als einen John Ford dürfte unsere arme Moderne in Richtung Shakespeare jedenfalls nicht aufbieten können. Betrachten wir dies genauer:—

Zunächst einmal waren beide Männer überaus erfolgreiche Unterhaltungskünstler. Shakespeare zog nicht aus, um Englische Literatur zu schreiben, sondern Skripte für ein Theaterunternehmen namens Globe Theatre Company, welches ständig nach neuen Stücken für die Bühne suchte. Zwischen dem Jahre 1592 und seiner ca. 20 Jahre späteren Verbannung von der Londoner Bühne schrieb Shakespeare etwa 35 Theaterstücke aller Art: Historische Stücke, Komödien, Tragödien und Romanzen. Sie alle waren populär, denn Shakespeare nahm intensivst am Globe-Theater teil und war sehr nahe an dessen Publikum. John Ford wiederum leitete zwischen 1917 und 1970 – dabei oft auf die gleichen Schauspieler zurückgreifend – über 140 Filme, um den unersättlichen Hunger des US-amerikanischen Kinopublikums nach neuen Filmen zu stillen. Seine Werke mischten – wie auch bei Shakespeare – sowohl Komisches mit Ernstem, als auch Stoffe aus dem niederen wie hohen Milieu. Viele von Fords Filmen waren echte Kassenschlager, denn er kannte – wie schon Shakespeare – sein Publikum haargenau.

Die beiden Künstler waren deshalb so erfolgreich, weil sie echte Geschichtenerzähler waren und weil Geschichten den Kern der populären Unterhaltung ausmachen. Denn die zwei Männer verstanden ihr Publikum zu ergreifen und in Atem zu halten – nach dem Motto: „Was geschieht als nächstes?“ Weil Geschichtenerzähler erheblichen Einfluß ausüben können, haben auch diese beiden Männer dazu beigetragen, sogar den Charakter ihrer jeweiligen Länder zu formen. So wirkten Shakespeares historische Stücke als Werbung für die neu etablierte Tudor-Dynastie, und damit hat er dauerhaft die Sicht der Engländer geprägt, wie sie sich seit dem Mittelalter sehen. Auch Ford hatte ein feines Gespür für die US-amerikanische Geschichte, z.B. in seinem Film „Das letzte Hurra“ von 1958. Indem Ford den Mythos des „Western“ erschuf, welcher im Begriff des US-amerikanischen „Wilden Westen“ mündete, hat Ford den US-amerikanischen Nationalcharakter geprägt, welcher seither überall US-Amerikaner mit Cowboys verbindet.

Auch durchliefen beide Männer eine e rnsthafte Lehre in ihrem Beruf: Shakespeare auf den Brettern des Globe-Theaters, und Ford als mehrjähriger Kameramann vor seinem Abschluß als Filmregisseur. Als Dichter ist Shakespeare ein unvergleichlicher Wortschmied, aber bei Ford dürfte die Poesie in seiner Kameraarbeit liegen. Unzählige Filmemacher schauten Fords Filme zu Lernzwecken an, wie man eine Kamera zu führen hat – denn Ford hatte ein gutes Auge für die detaillierte Zusammensetzung seiner Bilder in Bewegung (amerikanisch-englisch „movies“). Orson Wells, ein anderer berühmter Filmregisseur, antwortete auf die Frage, welche Regisseure ihm am meisten gefielen: „Ich mag die alten Meister, zu denen ich zähle: John Ford, John Ford und nochmal John Ford.“ Ein anderer Regisseur verglich Fords Filme wegen ihrer „Einfachheit und Ausdruckskraft“ mit der mittleren Schaffensperiode Beethovens.

Zu guter Letzt waren beide Männer Katholiken. Das tiefgehendste Drama, das Shakespeares Stücken unterliegt, entspringt sicherlich seinem katholischen und notwendigerweise verkleideten Gespür dafür, wie auf tragische Weise England unwiderruflich in die Apostasie hinabglitt. John Ford wiederum war das zehnte von elf Kindern eines im katholischen Irland geborenen Ehepaars, welches in die USA ausgewandert war. Zweifellos erlaubte ihm der Glaube seiner irischen Vorfahren, die relative Unschuld und den relativen Anstand des früheren US-Amerikas in Erinnerung zu bringen: mit seinen wahrhaft weiblichen Frauen, sowie seinen echt männlichen und aufrechten Helden, wie sie in Fords Filmen durch John Wayne typisiert wurden. Vielleicht schafft es selbst ein König des modernen Filmtheaters nicht, in die Ruhmeshalle der ganz Großen und damit in eine Reihe mit Shakespeare einzugehen, aber dennoch war John Ford dieser König.

Danke Irland und Amerika. Einen frohen Festtag des Hl. Patrick beiden!

Kyrie eleison.

Dem Chaos entgegnen

Dem Chaos entgegnen on Februar 18, 2012

Aufmerksame Leser der „Eleison Kommentare“ (EC) bemerkten kürzlich vielleicht eine scheinbare Unvereinbarkeit. Denn einerseits verurteilten die „Kommentare“ stets das Moderne in der Kunst (z.B. in EC 114, 120, 144, 157, usw.). Doch andererseits bezeichneten sie letzte Woche den anglo-amerikanischen Schriftsteller T.S. Eliot als „Erz-Modernisten“ und lobten ihn für seine Einführung einer neuen Form der Poesie, welche besser zur Neuzeit paßt und dabei doch chaotisch ist.

Die „Kommentare“ haben oft betont, daß das Moderne in der Kunst stets von Mißklang und Häßlichkeit geprägt ist, weil der moderne Mensch sich immer stärker für ein Leben ohne oder sogar gegen Gott entscheidet – welcher doch sowohl Ordnung als auch Schönheit in seine gesamte Schöpfung hineingelegt hat. Allerdings ist diese Schönheit und Ordnung heute so sehr unter dem Prunk und den Machwerken der gottlosen Menschen begraben, daß Künstler allzu leicht glauben können, es gäbe beides gar nicht mehr. Wenn ihre Kunst sich dann an ihrer Wahrnehmung von Umgebung und Gesellschaft ausrichtet, so wird nur ein außergewöhnlicher moderner Künstler noch überhaupt etwas von der göttlichen Ordnung erfassen, welche unter der ungeordneten Oberfläche des modernen Lebens liegt. Die meisten modernen Künstler haben allerdings die Ordnung aufgegeben und schwelgen gemeinsam mit ihren Kunden in der Unordnung, also im Chaos.

Eliot hingegen wurde im späten 19. Jahrhundert geboren und aufgezogen – zu einer Zeit also, wo die Gesellschaft noch relativ geordnet war. Und während er in den USA eine gute, klassische Ausbildung erhielt, träumten erst wenige Bösewichte im Verborgenen davon, die Ausbildung generell durch die Abrichtung auf unmenschliche Lehrstoffe zu ersetzen. Zwar dürfte Eliot kaum einen oder gar keinen Zugang zur wahren Religion gehabt haben, doch wurde er in ihre seit dem Mittelalter entstandenen „Nebenprodukte“ bestens eingeführt: in die musikalischen und literarischen Klassiker des Westens. In diesen spürte er und vertiefte sich in eine Ordnung, welche seiner Umgebung fehlte. Deswegen konnte Eliot jene tiefgehende Unordnung des angehenden 20. Jahrhunderts so gut erfassen, welche dann im Ersten Weltkrieg (1914–1918) nur noch aufbrechen mußte. So entstand dann im Jahre 1922 sein Gedicht Das wüste Land.

Eliot ist allerdings weit davon entfernt, durch dieses Gedicht in der Unordnung zu schwelgen. Im Gegenteil haßt er sie ganz klar und unterstreicht, wie sehr ihr menschliche Wärme und Werte fehlen. Das wüste Land mag zwar nur noch wenige Spuren der westlichen Religion enthalten, verwendet aber am Ende Fragmente der östlichen Religion. Scruton schreibt, daß Eliot mit Sicherheit auf der Spur des religiösen Ausmaßes des ganzen Problems war. Tatsächlich wäre Eliot ein paar Jahre später beinahe katholisch geworden, wäre er nicht durch die Verurteilung der „Action française“ durch Papst Pius XI. im Jahre 1926 davon abgeschreckt worden. In dieser Verurteilung sah Eliot eher das Problem liegen als dessen Lösung. Aus Dankbarkeit gegenüber dem, was England ihm an traditioneller Ordnung vermittelt hatte, legte er sich auf eine unvollständige Lösung fest: Er verband Anglikanismus mit Hochkultur, und trug dazu stets einen Rosenkranz in der Tasche. Nun kann Gott allerdings auch auf krummen Linien gerade schreiben. Wer weiß, wieviele Menschen, bei ihrer Suche nach Ordnung, von Shakespeare oder Eliot ferngeblieben wären, wenn sie gedacht hätten, daß diese – weil sie ganz katholisch gewesen wären – nur vorgefertigte statt am wirklichen Leben ausgerichtete Antworten hätten geben können?

Das mag traurig sein, doch es ist so. Die Menschen mögen wohl auf die eine oder andere Weise sich selbst betrügen, wenn sie vor katholischen Autoren oder Künstlern zurückschrecken aufgrund der Annahme, daß diese nicht an das wahre Leben sich halten würden. Dieser Entschuldigung keinen Raum zu geben, ist Aufgabe der Katholiken: Zeigen wir Katholiken also durch unser Beispiel, daß wir es uns geistig eben nicht gemütlich gemacht haben durch künstliche Lösungen, welche notwendigerweise der Tiefe der heutigen Probleme nicht gerecht werden. Wir sind keine Engel, sondern irdische Geschöpfe, denen allerdings der Himmel offensteht, wenn wir nur unser heutiges Kreuz auf uns nehmen und unserem Herrn Jesus Christus nachfolgen. Nur solche Nachfolger Christi können die Kirche und die Welt erneuern!

Kyrie eleison.

Angelismus

Angelismus on Februar 11, 2012

Der konservative englische Schriftsteller unserer Zeit Roger Scruton erkannte nicht nur scharfsinnig, warum Thomas S. Eliot (1888–1965) „unzweifelhaft der größte englische Dichter des 20. Jahrhunderts war,“ sondern hat damit auch den bedrängten Katholiken des 21. Jahrhunderts Interessantes zu erzählen: Die Lösung liegt im Schmerz selber, so darf man aus seiner Analyse schließen. Wenn wir von der heutigen Welt gekreuzigt werden, so ist dieses das für uns bestimmte und von uns zu tragende Kreuz.

Poetisch gesehen war Eliot ein Erz-Modernist. Wie Scruton schreibt: „Eliot stürzte das 19. Jahrhundert der Literatur und führte das Zeitalter der freien Verse, der Entfremdung und der Experimente ein.“ Ob Eliots finale Verbindung von Hochkultur und Anglizismus eine ausreichende Lösung für die von ihm angepackten Probleme bot, ist fraglich. Doch wer wird verneinen wollen, daß Eliot mit seinem berühmten Gedicht „Das wüste Land“ („The Waste Land“) im Jahre 1922 der modernen englischen Lyrik den Weg bahnte? Der enorme Einfluß seiner Gedichte zeigt zumindestens, daß Eliot seinen Finger am Puls der Zeit hatte. Er ist ein Mann der Moderne, welcher das Problem der heutigen Zeit frontal anpackte. Dieses Problem faßte Scruton so zusammen: „Fragmentierung, Ketzerei und Unglaube.“

Hätte allerdings Eliots Gedicht „Das wüste Land“ im Chaos gar keinen Sinn gefunden, so wäre es kein solch bekanntes Meisterwerk geworden. In nur 434 Zeilen zeichnet es ein hervorragendes Bildnis der zerrütteten europäischen „Zivilisation,“ welche aus den Trümmern des Ersten Weltkrieges (1914–1918) emporstieg. Doch wie gelang Eliot dies? Weil, wie Scruton antwortet, Eliot der Erz-Modernist gleichzeitig ein Erz-Konservativer war. Er hatte die großen Dichter der Vergangenheit ganz in sich aufgenommen; vor allem Dante und Shakespeare, aber er kannte sich auch in den Werken moderner Meister wie Baudelaire und Wagner aus. „Das wüste Land“ zeigt eindeutig, daß es Eliots Verständnis für die Ordnung der Vergangenheit ist, welche es ihm erlaubte, die Unordnung der Gegenwart darzustellen.

Scruton merkt an, daß, wenn Eliot die große traditionelle Romantik der englischen Literatur des 19. Jahrhunderts hinwegfegte, dann deswegen, weil diese Romantik nicht mehr der Wirklichkeit seiner Zeit entsprach. „Eliot glaubte, daß die Verwendung abgenutzter poetischer Diktion und beschwingter Rhythmen durch seine Zeitgenossen eine schwere moralische Schwäche verriet: Ein Versagen, das Leben so zu beobachten, wie es wirklich ist; ein Versagen, so zu fühlen, wie wir wirklich fühlen müssen angesichts einer Erfahrung, welche unausweichlich die unsere ist. Und dieses Versagen war laut Eliot keineswegs auf die Literatur beschränkt, sondern durchzog das gesamte moderne Leben.“ Eliots Suche nach einer neuen literarischen Ausdrucksweise, nach einem neuen Idiom, war daher Teil einer umfassenderen Suche – einer Suche „nach der Wirklichkeit der modernen Erfahrung.“

Sahen und sehen wir denn nicht in der Kirche eine ebensolche „schwere moralische Schwäche“? Die Schwäche der Kirche der 1950er Jahre können wir als „Fünziger-ismus“ bezeichnen, und er war der direkte Vater des Zweiten Vatikanischen Konzils der 1960er Jahre. Aber worin bestand er? Bestand er nicht in der Weigerung, die moderne Welt so zu betrachten, wie sie wirklich war? In der Vortäuschung, wonach alles und jeder nett sei? Eine Vortäuschung, wonach wir uns nur in angelistische Sentimentalitäten einzulullen bräuchten, damit die Probleme der Kirche inmitten einer Revolutionswelt verschwänden? Ist die heutige Vortäuschung, wonach Rom die katholische Tradition wirklich mögen würde, im Kern etwa nicht dieselbe Verweigerung der Wirklichkeit? So wie Eliot zeigte, daß Sentimentalität der wahren Poesie den Garaus macht, so zeigte uns Erzbischof Lefebvre, daß Sentimentalität auch dem wahren Katholizismus das Ende bereitet. Der erz-konservative Erzbischof war der Wahrhaftigste der modernen Katholiken.

Liebe Katholiken, die heutige Wirklichkeit mag uns durch ihre unzähligen verderbten Weisen kreuzigen. Doch freuen wir uns darüber, sagt der Heilige Paulus, freuen wir uns immer wieder, denn allein im Annehmen unseres modernen Kreuzes liegt heute unsere Erlösung und die einzige Zukunft des Katholizismus.

Kyrie eleison.

Nicht borgen!

Nicht borgen! on Juli 2, 2011

Das jüngste finanzielle Rettungspaket für Griechenland, welches in den letzten Wochen angekündigt wurde, zögert den Tag der Abrechnung der Europäischen Union und vielleicht sogar des weltweiten Finanzsystems noch einmal hinaus. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben, und das Problem ist systembedingt. Wenn demokratische Politiker wiedergewählt werden wollen, müssen sie ein Darlehen aufnehmen, um all die kostenlosen Mittagessen bezahlen zu können, welche das Volk – von ebendiesen Politikern dazu angeheizt – inzwischen erwartet. Daß Einzelpersonen, Familien und ganze Völker ein Darlehen nach dem anderen aufnehmen, ist eine Torheit, welche nicht auf Dauer funktionieren kann, sondern eines Tages mit einem jähen Absturz endet. Solche Völker und Politiker sind schon seit langem auf dem falschen Weg, weil das Aufhäufen von einem Darlehen nach dem anderen in der Regel eine Dummheit oder ein Verbrechen ist.

Es ist dumm, wenn die grundlegende Weisheit aus drei Zeilen Shakespeare vergessen wurde, welche ganze Bücher professioneller „Volkswirtschaftler“ aufwägt:—„Kein Borger sei und auch Verleiher nicht / Sich und den Freund verliert das Darlehn oft / Und Borgen stumpft der Wirtschaft Spitze ab.“ Anders gesagt raubt die Gewohnheit, ständig Darlehen aufzunehmen, dem Menschen die Fähigkeit zum wirtschaftlichen Handeln oder zum rechten Umgang mit den vorhandenen Mitteln Wenn zum Beispiel Geld zu einfach geborgt werden kann, so wird dadurch das Gespür für den echten Wert des Geldes und der Sinn für die Wirklichkeit untergraben; etwa, wie schwer es sein kann, Geld zu verdienen und bei Gelegenheit zurückzuzahlen. Polonius sagt in Shakespeares Hamlet I,3 auch, daß Darlehen oft nicht zurückbezahlt werden, und wenn ich einem Freund Geld verliehen habe, welches er nicht zurückzubezahlen vermag, so kann er eine so große Angst oder Scham verspüren, daß er mich meidet.

Allerdings sind nicht alle Geldverleiher dumm. Einige von ihnen sind Verbrecher, weil sie genau wissen, daß durch Verleihen von Geld gegen Wucherzinsen sie Einzelpersonen, Familien und ganze Nationen in Armut und Sklaverei treiben können. „Der Reiche macht sich Arme untertänig, und Sklave wird der Schuldner seinem Gläubiger“ (Buch der Sprüche 22,7). Manche Kreditkarten verlangen inzwischen 20 bis 30 % Zinsen, obwohl die Kirche Wucherzinsen immer scharf verurteilt hat. Wucherer sind Kriminelle, welche die Bande von der Gesellschaft, sogar von ganzen Nationen, durch Verarmung und Versklavung ihrer Mitmenschen zerstören.

Wucher nimmt in der Neuzeit verschiedene Formen an, sagen die Päpste, und deswegen sollte jetzt die ganze Welt angesichts der Tatsache aufwachen, daß sie selber sich durch die List der Geldmenschen versklaven ließ, welche ihr Geld zur Beherrschung der Medien und insbesondere der Politiker einsetzen. Dadurch kaufen diese Geldmenschen die Herrschaft über ganze Gesellschaften, welche sich dem Mammon überließen. Das wirft die Frage auf, wie Gott eine Entwicklung zu solchen Umständen überhaupt erlauben konnte, und wieso Er nun das unermeßliche Leid zulassen kann, welches der bevorstehende Finanzzusammenbruch und bzw. oder Weltkrieg bringen wird, welche beide Seinen Feinden zuzuschreiben sind, die hoffen, so die Weltherrschaft zu erlangen?

Die Antwort auf diese Frage lautet, daß Gott diese Macht seinen Feinden zugesteht, weil ihre Grausamkeit und Unmenschlichkeit Ihm als Geißel für den Rücken einer Welt dient, welche sich von Ihm abgewandt hat und statt Seiner den Mammon anbetet – man kann nicht Gott dienen und dem Mammon, sagt unser Herr (Matthäus 6,24). Und Gott wird in naher Zukunft sogar noch mehr Leid zulassen, denn es gilt: „Durch Leiden lernen“ (so der antike Grieche Aischylos). Tatsächlich wird heute nur schweres Leiden genügen, um einer bedeutende Zahl von Seelen weltweit zu lernen, daß ihr Materialismus und ihr Anbeten Mammons sehr heimtückische Feinde ihres einzig wahren Interesses sind: der Rettung ihrer unsterblichen Seelen.

Heilige Muttergottes, bitte um Barmherzigkeit für uns arme Sünder!

Kyrie eleison.