Musik

Mozart Hinterfragt

Mozart Hinterfragt on Juni 2, 2018

Nachdem Mozart in der Ausgabe 550 dieser „Kommentare“ (27. Januar 2018) mit hohem Lob bedacht worden war, bekannte ein Leser in einem privaten Schreiben, dass er ein Problem mit dem berühmten Komponisten hat: Mozart war ein begeisterter Freimaurer; er vollendete in seiner zweiten Lebenshälfte kein grösseres Werk für die katholische Kirche mehr; seine Opern stellen die Beziehungen zwischen Mann und Frau in sehr frivoler Form dar. Nun ist die Musik in den Seelen der Menschen so wichtig, dass die Einwände dieses Lesers eine öffentliche Antwort verdienen, damit Leute, die Mozart noch nicht kennen, dazu ermuntert – natürlich nicht gezwungen – werden mögen, in ihren Mussestunden seiner Musik zu lauschen. Wir wollen hier also einige Prinzipien beleuchten, die für jeden der drei Einwände des Lesers Gültigkeit besitzen.

Dass Mozart Freimaurer war, ruft ein höchst wichtiges Prinzip in Erinnerung: Der Künstler und seine Kunst sind nicht getrennt, aber verschieden. Was die moralische Güte des Künstlers als Mensch ausmacht, ist nicht dasselbe, was die künstlerische Qualität der von ihm geschaffenen Werke ausmacht (Summa Theologiae, 1a 2ae, Q 57, Art. 3). So war Picasso persönlich ein Lump, aber seine Kunst ist, lediglich als solche gesehen, brillant, während zahllose viktorianische Maler persönlich hochmoralisch gewesen sein mögen, ihre Bilder jedoch so ungeniessbar wie Wasser aus der Gosse sind. Dementsprechend hat die Freimaurerei sicherlich bei einigen der späteren Kompositionen Mozarts, insbesondere der „Zauberflöte,“ eine Rolle gespielt, aber die Musik steht auf ihren eigenen Füssen und verdankt ihre Schönheit ganz gewiss nicht dem Krieg der Freimaurerei gegen Gott, sondern Mozarts tief katholischen Eltern und seiner Jugendzeit in dem ausgeprägt katholischen Österreich der Kaiserin Maria Theresia.

Zum zweiten Punkt: Dass Mozart in reiferem Alter nie ein grösseres Werk für die Kirche vollendet hat, stimmt insofern, als die Messe in c-Moll und das Requiem unvollendet sind, doch wie oft werden diese beiden Werke gespielt, und mit was für eine religiöse Wirkung! Und gibt es irgendein Musikstück, das in katholischen Kirchen und Kapellen so oft gespielt und gesungen wird wie Mozarts „Ave Verum Corpus“? Ausserdem , wenn wir implizit katholische von explizit katholischer Musik unterscheiden, kann dann jemand ernsthaft bestreiten, dass Mozart – wie Shakespeare – ein gewaltiger Träger katholischer Werte ist – bei Mozart sind diese Werte Harmonie, Ordnung, Ausgewogenheit und Freude für zahllose Hörer? Sind diese grossen Künstler, die implizit und ihrem Erbe nach Katholiken waren, Geschenke Gottes, die es Post-Katholiken ermöglichen, katholische Werte zu verinnerlichen, ohne sich dessen bewusst zu werden? Würden sich die Post-Katholiken dessen gewahr, würden sie diese Werte dann nicht verschmähen, so wie die Erzliberalen heute Shakespeare an sogenannten „Universitäten“ und zweifellos auch Mozart an sogenannten „Konservatorien“ „dekonstruieren“? Doch können die heutigen liberalen Schauspieler und Musiker Shakespeares und Mozarts Herz auch nur annähernd erfühlen? Was besagt das über dieses Herz? Es gefällt den Liberalen nicht!

Zum dritten Punkt. Dass einige von Mozarts Oper teilweise so frivol sind, dass sie bei Beethoven auf Ablehnung stiessen – „Ich könnte nie so frivole Opern schreiben,“ meinte er –, darf uns nicht dazu verleiten, den ernsthaften Teil derselben Opern zu übersehen. Neben Zerlinas Flirten lodern die Flammen von Don Giovannis Verdammnis; seine Schürzenjägerei hindert den Grafen nicht daran, sich ehrlich bei seiner leidenden Gräfin zu entschuldigen; in „Die Entführung aus dem Serail“ wird die Vergebung hoch geschätzt. In einer gefallenen Welt ist das reale Leben sowohl komisch als auch ernsthaft. Man sehe nur, wie Mozart am Anfang von „Don Giovanni“ den Kampf und Tod eines Duellanten mit der überbordenden Panik von Don Giovannis hasenfüssigem Diener Leporello musikalisch kombiniert. Sicherlich hat Mozart – wie Shakespeare – das Leben „stetig und ganz gesehen,“ wie Matthew Arnold von Sophokles sagte.

Allerdings ist und bleibt es ein Zug von Mozarts Charakter, dass er ein Lausbub war (vgl. den Film „Amadeus“), und er bildet einen integralen Bestandteil einer Christenheit, die bereits am Ende des 18. Jahrhunderts dekadent war. Doch verglichen mit dem seitherigen Niedergang der Musik, ist seine Musik nicht beinahe engelhaft, ohne deshalb so weit von unseren eigenen Zeiten entfernt zu sein, dass sie unzugänglich scheinen mag? Wer Schundmusik hört, deren Melodie, Harmonie oder Rhythmus nur geringen oder gar keinen Wert an sich besitzt, schadet dadurch seiner Seele. Gewöhnt er sich stattdessen daran, Mozart zu hören, so wird er seiner Seele schwerlich schaden, ganz im Gegenteil.

Kyrie eleison.

Mozart in Broadstairs

Mozart in Broadstairs on Januar 27, 2018

Im ”Queen of Martyrs House” in Broadstairs findet von Freitag, dem 23. Februar, 18.00 Uhr, bis Sonntagmittag, 25. Februar, ein bescheidenes musikalisches Wochenende statt, an dem ausschliesslich Musik des berühmten österreichischen Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) gespielt wird. Warum Musik, wenn dieselbe Zeit und derselbe Aufwand in eine Sache investiert werden könnten, die in unmittelbarerer Beziehung zur Religion steht? Und warum ausgerechnet Mozart?

Warum Musik? Weil die Musik ein Geschenk Gottes an die Welt ist, die er geschaffen hat, ein Ausdruck der Harmonie im Zentrum seines Weltalls, auf den alle lebendigen Angehörigen jenes Universums reagieren, nicht nur Engel und Menschen, sondern – auf ihre eigene Weise – auch Tiere und Pflanzen. Was die Pflanzen betrifft, so haben Forscher im amerikanischen Colorado einmal vier Kisten eingerichtet, in denen in Bezug auf Licht, Luft und Feuchtigkeit dieselben Bedingungen herrschten und Pflanzen genau derselben Art untergebracht wurden. In den ersten drei Kisten liessen die Forscher Musik erschallen – gregorianische Gesänge in der ersten, klassische Musik in der zweiten und Rock in der dritten, während es in der vierten Kiste still blieb. Die der Rockmusik ausgesetzten Pflanzen wuchsen zwar, welkten jedoch rasch; unter dem Einfluss der gregorianischen Gesänge blühten die Pflanzen auf; die klassische Musik und die Stille erzeugten Ergebnisse, die in der Mitte zwischen den beiden anderen lagen. Was die Tiere anbelangt, so lassen viele Kuhhirten zur Zeit des Melkens zwecks Steigerung des Milchertrags in ihren Kuhställen ruhige Musik ertönen, so wie man sie in Supermärkten spielt, um die Kauflust der Kunden zu steigern. Überrascht Sie das? Die Erklärung liegt darin, dass es Gott ist, der uns geschaffen hat und nicht wir selbst (Psalm 100, 3), und wir sind Seine Geschöpfe mit jenem harmonischen Teil, den wir nach Seinem Plan in Seinem Weltall insgesamt zur Entfaltung bringen sollen.

Für die Menschen ist die Musik die erhabenste gottgegebene Sprache, durch die sie Zugang zu Gottes Harmonie finden, selbst wenn sie, wie Brahms, an keinen Gott glauben. Darum ist die Musik den Menschen von Natur aus eigen, und sie übt einen gewaltigen Einfluss auf ihre Moral aus, ob im Guten oder im Bösen. So wie Mutter Kirche Gesänge und Polyphonie benutzt, um Seelen gegen Himmel zu erheben, verwendet der Teufel Rock und alle möglichen Arten moderner Musik, um sie zur Hölle zu senden. „Sag mir, was deine Musik ist, und ich sage dir, wer du bist,“ lautet ein Sprichwort. Fast jeder Mensch hat irgendwelche Musik in sich, und wehe ihm, wenn sie ihm gänzlich fehlt! In „Der Kaufmann von Venedig“ (V, 1) lässt Shakespeare den Lorenzo sagen:

„Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst / Den nicht die Eintracht süsser Töne rührt / Taugt zu Verrat, zu Räuberei und Tücke . . . . Trau keinem solchen, horch auf die Musik!“

Man könnte sagen, dass ein Mensch, der keine Musik in sich hat, unzuverlässig ist, weil er nicht in Übereinklang mit Gott lebt.

Und die moderne Welt lebt nicht in Übereinklang mit Gott. Dies erklärt den scheusslichen Lärm, der heute so oft als Musik gilt und den viele Leute trotzdem lieben, weil Musik für den Menschen so natürlich ist und ihn so tief in seiner Seele rührt. Und dieser misstönende Lärm ist in der Seele zahlloser Menschen um uns herum, und durch diese wirkt er zwangsläufig auch auf uns und entfernt uns von Gott, wenn wir dies zulassen. Die Frage ist letzten Endes sehr wohl religiöser Art. Alles zutiefst Menschliche steht mit Gott in Beziehung, und Musik ist sicherlich zutiefst menschlich.

Andererseits gehörte Mozart einer weitaus gesünderen Welt als der unseren an, und seine Musik entspricht einem besonderen Moment der Harmonie und des Gleichgewichts zwischen der alten Ordnung und modernen Emotionen. Mozart ist der Musiker der Musiker. Hier einige Urteile berühmter Komponisten über ihn. Tschaikowski sagte:”Ich finde Trost und Ruhe in Mozarts Musik. In ihr drückt er jene Lebensfreude aus, die Teil seines gesunden und fröhlichen Temperaments war.“ Schubert sagte: „Was für ein Bild einer besseren Welt hast du uns gegeben, oh Mozart!“ Gounod sagte: „Mozart, der wundertätige Himmel schenkte dir alles – Anmut und Kraft, Überschwang und Mässigung, perfektes Gleichgewicht.“ Brahms sagte: „Es ist eine wahres Vergnügen, zu erleben, wie Musik so hell und so spontan ausgedrückt wird, mit entsprechender Leichtigkeit und Anmut.“

Mozart schrieb vielerlei Arten von Musik, doch besonders hervorragend sind seine Opern und Klavierkonzerte. In Broadstairs schaffen wir es nicht, die Opern aufzuführen, doch John Sullivan, der hier im Jahre 2016 die Hälfte der Beethoven-Sonaten in 24 Stunden spielte, kann mit Mozarts Konzerten und Sonaten spielend leicht einen ähnlichen Bravourakt vollbringen. Informieren Sie uns, wenn Sie kommen möchten, damit wir uns eine Vorstellung von der Anzahl der Besucher machen können. Es werden keine Eintrittskarten verkauft. Mozart ist unbezahlbar!

Kyrie eleison.

Farbe, Dichtung…

Farbe, Dichtung... on Januar 21, 2017

„Man kann nicht mehr von Politik, Bilanzen und Kreuzworträtseln leben. Man kann nicht mehr ohne Dichtung, Farbe, Liebe leben.” Diese Worte stammen von Antoine de Saint-Exupéry, einem französischen Aristokraten, Flieger und Schriftsteller, der zwar nicht katholisch war, jedoch in seiner Seele einen Kampf gegen den Materialismus des 20. Jahrhunderts ausfocht. Er sagte über sich selbst: „Ich bin ein Mann, der Asche durchsiebt, ein Mann, der verzweifelt versucht, auf dem Grund einer Feuerstelle die Glut des Lebens zu finden.” In seinem philosophischen Erinnerungsbericht Wind, Sand und Sterne (1939) schilderte er eine Szene, in der Arbeiter und ihre Familien in einem Nachtzug von Paris nach Warschau zusammengepfercht sind, und bemerkte dazu, dass ihn nicht ihre desolate Lage quälte, sondern dass er „in all diesen Menschen ein wenig den Mord an Mozart erblickte ”.

Dieses Zitat fällt mir ein, nachdem ich letztes Jahr die Bertramka besucht habe, eine Villa etwas ausserhalb des Zentrums von Prag in der Tschechischen Republik, die im späten 18. Jahrhundert durch mehrere Besuche des berühmten Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart bekannt geworden war. Damals konnte man sie von der Stadt aus in einem halbstündigen Marsch über Landstrassen und einen von Rosskastanien gesäumten Pfad erreichen; man betrat dann das Tor zum Vorderhof, der auf einen abschüssigen Garten mit Blumenbeeten und Obstbäumen hinausging. Heute ist die schattige Strasse einem riesigen Einkaufs- und Geschäftszentrum längs einer städtischen Strasse gewichen, auf der der Strom der Fahrzeuge lediglich durch die Verkehrsampeln aufgehalten wird. Das Tor steht immer noch da, doch der abschüssige Garten ist verwildert; man findet dort eine einsame Statue des grossen Tonschöpfers und jenen steinernen Tisch, auf dem er die Komposition seiner weltberühmten Oper Don Giovanni abgeschlossen haben soll. Schon bald darauf dirigierte Mozart die erste Vorstellung dieses Werks in der – immer noch in Betrieb befindlichen – städtischen Oper. Die beiden Zimmer, die Mozart in der Bertramka besetzte, sind im ursprünglichen Zustand bewahrt, aber eine einst dort vorhandene schöne Sammlung von Gegenständen, die irgendwie mit dem Komponisten verbunden waren, war im Oktober vergangenen Jahres nicht mehr dort. Die Bertramka hat immer noch eine ganz eigene Atmosphäre, doch vieles flüstert dort nur vom „Mord an Mozart”.

Doch war das Prag des 18. Jahrhunderts sehr freundlich zu dem grossen Komponisten gewesen. 1786 wurde Mozarts ebenso populäre wie berühmte Oper Figaros Hochzeit hier – im Gegensatz zu Wien – mit begeistertem Beifall bedacht, ebenso wie ein Jahr später Don Giovanni. Und als Mozart 1791 starb, liess ihn seine Heimatstadt Wien in einem Armengrab beisetzen, während Prag ihn mit einer gewaltigen Totenmesse ehrte, die von Tausenden besucht und von Hunderten von Musikern ausgeführt wurde, welche jede Bezahlung dafür ablehnten. Katholische Kaiser und Adlige hatten, um das katholische Böhmen nach dem verheerenden Dreissigjährigen Krieg (1618–1648) wieder aufzurichten, zahlreichen böhmischen Kindern und Jugendlichen die Gelegenheit geboten, eine musikalische Ausbildung zu erhalten, um beim Gottesdienst musizieren zu können. Diese katholische Erziehung brachte in Prag ein Publikum hervor, das imstande war, Mozart und seine Musik auf Anhieb zu lieben.

Kann man dasselbe von den heutigen Katholiken sagen, oder sind wir auch „Mozartmörder”? Für Saint- Exupéry war Mozart das genaue Gegenteil des Materialismus. Doch wie viele Traditionalisten fühlen sich heutzutage durch eine gesungene Messe gelangweilt und können es kaum erwarten, zu ihren Bilanzen und Kreuzworträtseln zurückzukehren? Und schämen sich heute leider viele unserer Knaben nicht fast schon dafür, dass sie singen können? Über unsere Mädchen breitet man lieber den Mantel des Schweigens . . . . Würden sehr viele von ihnen nicht lieber Astronautinnen oder Volleyballstars werden, statt ein Musikinstrument zu spielen, das ihnen dabei helfen könnte, ihre Ehemänner zu zivilisieren, ihre Kinder zur Menschlichkeit zu erziehen und für Harmonie in ihrem Heim zu sorgen? Ein deutsches Sprichwort besagt, dass die Männer die Kultur schaffen, die Frauen sie jedoch weitergeben. Ist es nicht selbstmörderisch für eine Gesellschaft, in ihren Mädchen nicht die wahre „Kultur, Dichtung und Liebe” zu fördern, die einen segensreichen Einfluss auf ihre Familien und durch ihre Familien auf die Gesellschaft ausüben würden?

Was Mozart betrifft, so ist er sicherlich nicht der Höhepunkt der Spiritualität in der abendländischen Musik, und gegen das Ende seines kurzen Lebens trat er der Freimaurerei bei, was damals in Wien sehr modisch war. Doch ist er unvergleichlich spiritueller als die Welt der Einkaufszentren und Verkehrsampeln, wie Saint-Exupéry klar begriff, und es waren gewiss nicht die Freimaurer, sondern seine tiefkatholischen Eltern, die in dem Kind und Jugendlichen jenes katholische Herz formten, dem die ganze Spiritualität der Musik des Erwachsenen entsprang. Das am häufigsten gespielte Werk Mozarts ist sicherlich das kurz vor seinem Tod komponierte Ave Verum Corpus, weil es so oft in der Messe aufgeführt wird. Und an seinem zutiefst katholischen Requiem arbeitete er noch auf dem Totenbett. Möge seine Seele in Frieden ruhen!

Kyrie eleison.

Kulturalarm

Kulturalarm on Dezember 29, 2012

Viele Katholiken, welche die Priesterbruderschaft St. Pius X. lieben, weil sie ihnen über die Jahre so viel gegeben hat, könnten angesichts des jetzt offenbaren Schwankens der Bruderschaftsführung dem Gedanken erliegen, daß sie als einfache Laien nicht viel dagegen tun können. Womit sie falsch lägen. Solchen Gläubigen seien die folgenden Überlegungen eines Freundes von mir gewidmet. Zwischen den Zeilen werden sie lesen können, daß, falls Gott die Bruderschaft nicht rettet – was er natürlich jederzeit könnte –, dies teilweise auch an ihnen liegt. Der Brief des Freundes lautet, leicht angepaßt, wie folgt:—

„Eine praktische Vereinbarung zwischen Rom und der Priesterbruderschaft wäre für die katholische Tradition verheerend. Es genügt ein Blick auf die traditionellen Redemptoristen in Schottland und was mit ihnen geschah . . . . Die beiden Messen können nicht nebeneinander existieren. Die eine Messe wird die andere stets vertreiben . . . . Als ich kürzlich eine Novus Ordo Messe besuchte, war die ganze Kirche von ständigem Geschwätz und Klatschen durchdrungen . . . . Die hinter diesen zwei Messen stehenden Lager liegen einfach zu weit auseinander, als daß eine Einigung möglich wäre. Die Geisteshaltung des Modernismus einerseits und der Tradition andererseits passen unmöglich zusammen.“

„Sodann gibt es diese tiefgreifende Revolution, welche die moderne Zivilisation einschließlich der Tradition überwältigt hat und von der Traditionsführung meistens verpaßt wurde. Die Elektronik-Technologie hat eine kulturelle Revolution in unser Leben und vor allem in das Leben der jüngeren Generation hineingetrieben. Wenn die Elektronik nicht planvoll gehandhabt und gelenkt wird, schwächt sie mit Sicherheit den Glauben, weil sie das gesamte Leben der Menschen übernehmen kann. Insbesondere sind die Jüngeren anfällig dafür, von der Elektronik erfaßt zu werden. Sie „hängen“ den ganzen Tag an der Elektronik. Menschen, die sehr in sie hineinversinken, werden am Ende sogar funktionsgestört: sie vermögen morgens nicht mehr aufzustehen, keine lebendigen Gespräche mehr zu führen, geschweige denn am Arbeitsplatz durchzuhalten.“

„Wenn eine Sportmannschaft nicht mehr von ihrem Sportlehrer ermahnt wird, fällt schnell ihr spielerisches Niveau ab. Werden Katholiken bezüglich kultureller Themen wie Musik, weiblicher Kleidung, Fernsehen, usw. nicht mehr ermahnt, so beginnt ihr kultureller Niveau zu sinken – mit tiefgreifenden Folgen für ihren Glauben. Im Kampf, die Weltlichkeit aus ihren Heimen fernzuhalten, stehen traditionskatholische Eltern mit ihren Familien alleine da, weil die Bruderschaftsführung diese Kulturrevolution entweder verpaßt hat oder ihr nicht die nötige Aufmerksamkeit widmet. Ich habe viele und lange Unterhaltungen mit traditionellen Familien geführt, welche tief besorgt sind über die Richtung, in welche die traditionelle Bewegung marschiert. Wollen religiöse Bewegungen aufblühen, so müssen sie gegenüber kulturellen Themen Flagge zeigen. Beispielsweise erfuhr die Tradition eine Stärkung, als sie damals Stellung gegen das Fernsehen bezog. Doch wenn bezüglich kulturellen Themen keine Stellung bezogen wird, so beginnt alsbald auch die Stellung bezüglich doktrinären Themen zu bröckeln.“

„Vielleicht hat das letzte Generalkapitel die Bruderschaft momentan noch vor dem Abgrund bewahrt, doch beruhigt mich das kaum. Dem Festlegen von klaren Bedingungen für künftige Diskussionen mit Rom im Hinblick auf ein Abkommen widmete es viel Zeit. Aber Rom ist seit 1988 im wesentlichen unverändert. Ich denke, daß die Bruderschaft wieder ihre prophetische Rolle übernehmen sollte, so wie sie es zu Zeiten von Erzbischof Lefebvre tat. Die traditionelle Bewegung muß dringend den Modernismus und Liberalismus verurteilen, welche die Kirche in ihre Selbstzerstörung führen. Doch in letzter Zeit verstummten diese Verurteilungen. Vielleicht sind viele traditionelle Priester von jenem Komfort abgelenkt, welchen sie sich von einer Einigung mit Rom versprechen.“

Nun sind Sie am Zug, liebe Leser: Hinweg mit der kitschigen und wertlosen Musik in Ihrem Heim. Und schmeißen Sie den Fernseher aus dem Fenster. Beschränken Sie den Einsatz von Elektronik auf ein Minimum. Liebe Mütter, tragen Sie Röcke, wenn möglich – also allermeistens. Andernfalls sollten Sie, liebe Leser, nicht darüber klagen, wenn Gott die Bruderschaft nicht rettet. Bekanntlich zwingt er seine Gaben niemandem auf. Gelobt sei sein Name allezeit.

Kyrie eleison.

Dem Chaos entgegnen

Dem Chaos entgegnen on Februar 18, 2012

Aufmerksame Leser der „Eleison Kommentare“ (EC) bemerkten kürzlich vielleicht eine scheinbare Unvereinbarkeit. Denn einerseits verurteilten die „Kommentare“ stets das Moderne in der Kunst (z.B. in EC 114, 120, 144, 157, usw.). Doch andererseits bezeichneten sie letzte Woche den anglo-amerikanischen Schriftsteller T.S. Eliot als „Erz-Modernisten“ und lobten ihn für seine Einführung einer neuen Form der Poesie, welche besser zur Neuzeit paßt und dabei doch chaotisch ist.

Die „Kommentare“ haben oft betont, daß das Moderne in der Kunst stets von Mißklang und Häßlichkeit geprägt ist, weil der moderne Mensch sich immer stärker für ein Leben ohne oder sogar gegen Gott entscheidet – welcher doch sowohl Ordnung als auch Schönheit in seine gesamte Schöpfung hineingelegt hat. Allerdings ist diese Schönheit und Ordnung heute so sehr unter dem Prunk und den Machwerken der gottlosen Menschen begraben, daß Künstler allzu leicht glauben können, es gäbe beides gar nicht mehr. Wenn ihre Kunst sich dann an ihrer Wahrnehmung von Umgebung und Gesellschaft ausrichtet, so wird nur ein außergewöhnlicher moderner Künstler noch überhaupt etwas von der göttlichen Ordnung erfassen, welche unter der ungeordneten Oberfläche des modernen Lebens liegt. Die meisten modernen Künstler haben allerdings die Ordnung aufgegeben und schwelgen gemeinsam mit ihren Kunden in der Unordnung, also im Chaos.

Eliot hingegen wurde im späten 19. Jahrhundert geboren und aufgezogen – zu einer Zeit also, wo die Gesellschaft noch relativ geordnet war. Und während er in den USA eine gute, klassische Ausbildung erhielt, träumten erst wenige Bösewichte im Verborgenen davon, die Ausbildung generell durch die Abrichtung auf unmenschliche Lehrstoffe zu ersetzen. Zwar dürfte Eliot kaum einen oder gar keinen Zugang zur wahren Religion gehabt haben, doch wurde er in ihre seit dem Mittelalter entstandenen „Nebenprodukte“ bestens eingeführt: in die musikalischen und literarischen Klassiker des Westens. In diesen spürte er und vertiefte sich in eine Ordnung, welche seiner Umgebung fehlte. Deswegen konnte Eliot jene tiefgehende Unordnung des angehenden 20. Jahrhunderts so gut erfassen, welche dann im Ersten Weltkrieg (1914–1918) nur noch aufbrechen mußte. So entstand dann im Jahre 1922 sein Gedicht Das wüste Land.

Eliot ist allerdings weit davon entfernt, durch dieses Gedicht in der Unordnung zu schwelgen. Im Gegenteil haßt er sie ganz klar und unterstreicht, wie sehr ihr menschliche Wärme und Werte fehlen. Das wüste Land mag zwar nur noch wenige Spuren der westlichen Religion enthalten, verwendet aber am Ende Fragmente der östlichen Religion. Scruton schreibt, daß Eliot mit Sicherheit auf der Spur des religiösen Ausmaßes des ganzen Problems war. Tatsächlich wäre Eliot ein paar Jahre später beinahe katholisch geworden, wäre er nicht durch die Verurteilung der „Action française“ durch Papst Pius XI. im Jahre 1926 davon abgeschreckt worden. In dieser Verurteilung sah Eliot eher das Problem liegen als dessen Lösung. Aus Dankbarkeit gegenüber dem, was England ihm an traditioneller Ordnung vermittelt hatte, legte er sich auf eine unvollständige Lösung fest: Er verband Anglikanismus mit Hochkultur, und trug dazu stets einen Rosenkranz in der Tasche. Nun kann Gott allerdings auch auf krummen Linien gerade schreiben. Wer weiß, wieviele Menschen, bei ihrer Suche nach Ordnung, von Shakespeare oder Eliot ferngeblieben wären, wenn sie gedacht hätten, daß diese – weil sie ganz katholisch gewesen wären – nur vorgefertigte statt am wirklichen Leben ausgerichtete Antworten hätten geben können?

Das mag traurig sein, doch es ist so. Die Menschen mögen wohl auf die eine oder andere Weise sich selbst betrügen, wenn sie vor katholischen Autoren oder Künstlern zurückschrecken aufgrund der Annahme, daß diese nicht an das wahre Leben sich halten würden. Dieser Entschuldigung keinen Raum zu geben, ist Aufgabe der Katholiken: Zeigen wir Katholiken also durch unser Beispiel, daß wir es uns geistig eben nicht gemütlich gemacht haben durch künstliche Lösungen, welche notwendigerweise der Tiefe der heutigen Probleme nicht gerecht werden. Wir sind keine Engel, sondern irdische Geschöpfe, denen allerdings der Himmel offensteht, wenn wir nur unser heutiges Kreuz auf uns nehmen und unserem Herrn Jesus Christus nachfolgen. Nur solche Nachfolger Christi können die Kirche und die Welt erneuern!

Kyrie eleison.

Tugendhafte Heiden

Tugendhafte Heiden on Oktober 22, 2011

Der Eleison-Kommentar Nummer 221 stufte die Musik von Johannes Brahms als Beweis für eine bestimmte Seelengröße ein. Daraufhin fragte ein junger Leser aus Brasilien, ob der glimmende Docht bei Brahms nicht vielleicht stärker glimmte als bei einem lauwarmen Katholiken (vergleiche Matthäus 12,20). Dieser Gegensatz soll auf der einen Seite die Tugend der Heiden aufzeigen, und auf der anderen Seite die Tugend des „warmen, faulen“ Katholiken in Frage stellen. Selbstverständlich ist die heidnische Tugend lobenswert, während die katholische Lauheit tadelnswert ist. Allerdings steht dahinter eine größere Frage: Wie wichtig ist es grundsätzlich, ein gläubiger Katholik zu sein? Und wie wichtig ist die Tugend des Glaubens? Die Antwort kann nur lauten: Die Glaubenstugend ist so wichtig wie die Ewigkeit lang ist.

Die Evangelien zeigen eindeutig, daß der Glaube eine Tugend von allerhöchstem Wert ist. Wenn unser Herr ein Wunder in der Form einer körperlichen oder geistigen Heilung gewirkt hatte, so sagte Er den Betroffenen häufig, daß sie dieses Wunder wegen ihres Glaubens erhalten hatten, beispielsweise bei Maria Magdalena (Lukas 7,50). Die Hl. Schrift zeigt allerdings ebenso deutlich, daß dieser verdienstvolle Glaube etwas tiefergehendes ist als nur ein ausdrückliches Kennen der Religion. Beispielsweise können die römischen Zenturionen über den damals wahren Glauben, das Alte Testament, nur wenig bis nichts gewußt haben. Dennoch sagt unser Herr über einen solchen Zenturio, daß Er in ganz Israel keinen solchen großen Glauben gefunden hat (Matthäus 8,10). Ein anderer Zenturio erkennt im gekreuzigten Jesus Christus den Sohn Gottes, während Ihn die religiösen Fachmänner nur verhöhnten (Matthäus 27,41). Ein dritter Zenturio namens Cornelius bahnt den Weg für alle Heiden, welche in die wahre Kirche eintreten werden (Apostelgeschichte 10,11). Worüber verfügten diese heidnischen Zenturionen, was die Priester, Schriftgelehrten und Ältesten nicht oder nicht mehr hatten?

Heiden wie Nicht-Heiden werden während ihres gesamten Erdenlebens ständig mit einer Vielzahl an guten Dingen konfrontiert, welche letztendlich alle von Gott stammen, und sie werden bösen Dingen begegnen, welche der Schlechtigkeit der Menschen entspringen. Doch weil Gott unsichtbar ist, während die bösen Menschen allzu deutlich sichtbar sind, fällt es leicht, die Güte oder sogar Existenz Gottes anzuzweifeln. Allerdings glauben die Menschen guten Willens an das Gute im Leben und geringschätzen das Böse relativ (nicht absolut). Die Menschen schlechten Willens hingegen geringschätzen das Gute um sie herum. Nun mögen beide Gruppen von Menschen keine ausdrückliche Kenntnis von der Religion haben, doch während die gutherzigen Menschen (wie diese Zenturionen) die Wahrheit ergreifen sobald sie ihnen begegnet, verspotten die Menschen schlechten Herzens sie mehr oder minder. Daher nahmen der treuherzige Andreas und Johannes den Heiland sofort an (Johannes 1,37–40), während der gelehrte Gamaliel viel mehr Zeit und Überzeugungskraft benötigte (Apostelgeschichte 5,34–39). Wir können daher sagen, daß der ausdrücklichen und wissentlichen Glaubenstugend im Kern ein vorbehaltloses Vertrauen in die Güte des Lebens und in das dahinterstehende Wesen innewohnt. Dieses Vertrauen kann allerdings durch falsche Lehren untergraben und beispielsweise durch den Skandal erschüttert werden.

Kommen wir auf Brahms zurück. Die Frage lautet also, hat er wenigstens dieses vorbehaltlose Vertrauen in die Güte des Lebens und in das dahinterstehende Wesen gehabt? Sicher lautet die Antwort nein, denn Brahms verbrachte die gesamte zweite Hälfte seines Lebens in der damaligen Hauptstadt der Musik: im katholischen Wien. Die Schönheit seiner Musik muß zahlreiche Freunde und sogar Priester bewogen haben, Brahms zum ausdrücklichen Vollzug dieser Schönheit aufgefordert zu haben – durch Bekenntnis und Ausübung der Religion Wiens. Doch Brahms muß alle diese Appelle abgelehnt haben. Deswegen scheint es allzu möglich zu sein, daß er seine Seele nicht hat retten können. Gott weiß es.

Nichtsdestotrotz danken wir Gott für Brahms’ Musik. Wie der Hl. Augustinus auf wunderbare Weise sagte: „Jede Wahrheit gehört uns Katholiken.“ Das gilt ebenso für jede Schönheit, selbst wenn sie von Heiden gefertigt ist!

Kyrie eleison.