Häresie

Gott Beruft Ein

Gott Beruft Ein on April 29, 2017

Pater Jean-Michel Gleize, Theologieprofessor an dem von der Priesterbruderschaft St. Pius X. geleiteten Seminar von Écône, hat zwei Artikel zu brennenden Problemen unserer Tage verfasst, die ein interessantes Licht auf deren Lösung werfen. Erstens: Kann der Papst der formellen Häresie verfallen? Seine Antwort lautet: Vielleicht, weil die in den letzten paar Jahrhunderten vorherrschende Ansicht, Päpste seien gegen den Irrtum gefeit, vorher durchaus nicht allgemein vertreten wurde. Zweitens: Zeigt das päpstliche Dokumente Amoris Laetitia, dass Papst Franziskus sich der formellen Häresie schuldig gemacht hat? Diese Frage beantwortet Pater Gleize so: Im engen Sinne des Wortes nein, aber praktisch gesehen vielleicht schon, weil der Neomodernismus die Doktrin unterminiert, während er vorgibt, sie zu bewahren. Dieser zweiten Frage werden wir uns erst in einem folgenden „Kommentar” zuwenden, doch wenn sich Pater Gleize nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen wollte, zwischen zwei Stühlen – dem Sedisvakantismus und dem Liberalismus – zu sitzen, musste er sich zuerst mit der ersten Frage auseinandersetzen.

In seinem ersten und kürzeren Artikel schreibt er, seit der protestantischen „Reformation” hätten die katholischen Theologen im allgemeinen, insbesondere aber St. Robert Bellarmine, die Ansicht vertreten, der Papst könne die Sünde der bewussten und hartnäckigen Leugnung des kirchlichen Dogmas, d. h. formelle Häresie, nicht begehen. Diese Theologen berufen sich auf Unseren Herrn, der Petrus auftrug, seine Brüder im Glauben zu stärken (Lukas XXII, 32), was voraussetzt, dass Petrus selbst des Glaubens nicht verlustig gehen kann. Des Weiteren argumentieren sie, noch nie in der ganzen Kirchengeschichte sei ein Papst der formellen Häresie verfallen. Andererseits, sagt Pater Gleize, hätten die katholischen Theologen vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, also vor der protestantischen Revolution, allgemein die Auffassung verfochten, ein Papst könne durchaus der formellen Häresie verfallen, und diese These wird, wenn auch nicht von sehr vielen, bis in die Gegenwart verfochten.

Pater Gleize folgert hieraus, dass insbesondere wegen der Konzilspäpste die späteren Theologen ihre These nicht bewiesen hätten. Bezüglich des Arguments, Petrus werde von Unserem Herrn dauerhaft davor bewahrt, formelle Häresie zu begehen, gilt: Der Glaube ist ein aus freiem Willen erfolgter geistiger Akt, und Gott greift nur selten in den freien Willen des Menschen ein. Bezüglich der historischen Päpste wurde beispielsweise Honorius von seinen Nachfolgern verflucht, weil er die monothelitische Häresie begünstigte. Diese Schlussfolgerung ist in der Tat umstritten, doch betrachtet man die Frage vom historischen Standpunkt der sieben Zeitalter der Kirche, ergibt sie durchaus einen Sinn.

Nach den ersten drei Zeitaltern – Apostel (33–70), Märtyrer (70–312) und Kirchenväter (312 bis ca. 500) – trat die Kirche in ihr viertes Zeitalter ein, den tausendjährigen Triumph der Christenheit (ca. 500 bis 1517). Doch im Spätmittelalter schlich sich der Teufel dank der Erbsünde in die Christenheit wieder ein, und die Menschen läuteten das fünfte Zeitalter ein, dasjenige der Apostasie (1517-?), in dem entartete Christen eine Form der Heuchelei nach der anderen erfanden (Protestantismus, Liberalismus, Kommunismus und andere mehr), angeblich um christlicher Tugend und Zivilisation zu huldigen; in Wirklichkeit, um sich von der Moral zu „befreien”, um den neusten Greuel wie die gleichgeschlechtliche „Ehe” propagieren zu dürfen.“ „Heuchelei ist die Huldigung, die das Laster der Tugend entbietet”(La Rochefoucauld).

Nun hätte Gott das Mittelalter ja für immer fortdauern lassen können, doch dann hätte er die Menschen ihres freien Willens berauben müssen. In dieser Notlage schenkte Er Seiner Kirche eine auserlesene Schar von Heiligen, welche die Gegenreformation leiteten, und im Verlauf des nächsten halben Jahrtausends erwuchs Ihm, um die Bevölkerung Seines Himmels zu mehren, eine Schar nachmittelalterlicher Heiliger. Aber um der Korruption des nachmittelalterlichen Menschen entgegenzuwirken, traf Gott die Wahl, die Autorität in Seiner Kirche zu verstärken, so dass Seelen, die zwar nach Rettung trachteten, doch bereits nicht so sehr aus innerer Tugend, wenigstens durch eine äussere Autorität in den Himmel geführt werden konnten. Hierauf reagierte der Teufel natürlich, in dem er insbesondere Kirchenmänner in hohen Positionen umgarnte, und nach fast einem halben Jahrtausend war es, als sagte der Herrgott: „Wenn ihr Meine Kirche nicht wollt, könnt ihr eure eigene Neukirche haben”, und das war Vatikan II.

Somit ist die Autorität der Kirche heute dermassen angeschlagen, dass sie durch Menschenwerk nicht mehr zu retten ist, und Gott wird zu anderen Mitteln greifen, um aus unserer spirituell erschöpften Welt noch eine weitere Schar von Seelen in Seinen Himmel zu führen. Eine Züchtigung der sündigen Menschheit wird gewährleisten, dass die Kirche des sechsten Zeitalters anfangs in herrlichem Glanze erstrahlen wird, doch der Teufel wird sich dank der Erbsünde die Tatsache zunutze machen, dass die menschliche Natur durch den Liberalismus des fünften Zeitalters zutiefst geschwächt ist, so dass es wohl nicht allzu lange dauern wird, bis das siebte Zeitalter, das des Antichristen, anbrechen wird. Dieses wird jedoch das Zeitalter einiger der grössten Katholiken der gesamten Kirchengeschichte sein – einer Schar besonders grosser Heiliger.

Kyrie eleison.

Doktrinelle Erklärung – II.

Doktrinelle Erklärung – II. on Mai 4, 2013

Liebe Leser, erlauben Sie mir, auf den siebten Absatz der Doktrinellen Erklärung vom 15. April 2012 zurückzukommen. Zweck dieser Erklärung war ja nicht weniger als die Schaffung der Grundlage für alle künftigen Beziehungen zwischen der Priesterbruderschaft St. Pius X. und Rom. Nun nahm zwar am 13. (nicht am 11.) Juni 2013 Rom diese Erklärung nicht an, und inzwischen mag auch das Bruderschafts-Generalhaus sich von ihr distanziert haben, doch belegt die Erklärung nach wie vor, was dem Generalhaus alles zuzutrauen ist. Und dieser siebte Absatz der Erklärung ist ein kleines Meisterstück an Verwirrung. Vor vier Wochen erläuterte der „Eleison-Kommentar“ (Ausgabe ? 300 vom 13. April) diesen Absatz anhand einer zweifachen Unterscheidung. Genaugenommen wird ihm jedoch nur eine vierfache Unterscheidung gerecht. Hier ist nun der komplette siebte Absatz:

Erklärung III, 5: „Über die Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils und des nachkonziliaren Lehramtes bezüglich des Verhältnisses zwischen der Katholischen Kirche und den nichtkatholischen Bekenntnissen, und bezüglich der gesellschaftlichen Pflicht der Religion und dem Recht auf Religionsfreiheit, ist folgendes zu sagen: (1) Jene konziliaren Formulierungen, welche nur schwerlich mit den früheren Aussagen des kirchlichen Lehramtes zu vereinbaren sind, (2) müssen im Lichte der vollständigen und ununterbrochenen Tradition verstanden werden, (3) und zwar auf eine Weise, daß die Formulierungen stimmig mit den vom früheren Lehramt verkündeten Wahrheiten sind, (4) doch ist hierbei keine Deutung dieser Aussagen erlaubt, welche die (konziliare) katholische Lehre in einen Gegensatz zu, oder in einen Bruch mit der Tradition und jenem alten Lehramt bringen könnte.“

Die Numerierungen und Unterstreichungen stammen von mir, um die Hinterlist in diesem Absatz zu verdeutlichen. Beachten wir, wie (1) nicht mehr von problematischen tatsächlichen Konzilsaussagen spricht, sondern nur noch von problematischen „Formulierungen.“ Damit sind wir bereits von der objektiven Aussage von Worten abgekommen. Worte schweben sozusagen im Raum, je nach dem, wie sie subjektiv „verstanden“ (2) und „gedeutet“ (3) werden. Unser Verstand soll davon losgelöst werden, eine Sache beim Namen zu nennen. Es wird vorgespielt, es sei keine objektive Unmöglichkeit mehr, den konziliaren Unsinn mit dem katholischen Denken zu vereinbaren, sondern es sei lediglich subjektiv „schwierig,“ beide Seiten miteinander zu vereinbaren (sprich: schwierig nur für die verdunkelten Gehirne der rückwärtsgewandten Traditionskatholiken).

Beachten wir besonders das raffinierte, jedoch entscheidende Abgleiten des Ausdrucks (2) „im Lichte von“ hin zum Ausdruck (3) „auf eine Weise . . . stimmig mit.“ Denn wer die konziliaren Neuerungen wirklich „im Lichte der Tradition“ versteht, sieht, daß sie vollständig unvereinbar sind. Wer hingegen die Neuerungen „auf eine Weise . . . stimmig mit“ der Tradition versteht, gibt vor, daß diese Neuerungen doch auf irgendeine Weise in Einklang mit der Überlieferung gebracht werden könnten. Dadurch soll unser Verstand wieder zum Abgleiten gebracht werden, weil „im Lichte von“ und „auf eine Weise. stimmig mit“ eben nicht dieselbe Sache meinen. Freilich versichert dann Satzteil (4), daß jedes subjektive Verständnis der Neuerungen, welches sie mit der Tradition und dem uralten Lehramt zusammenprallen läßt, absolut abzulehnen sei.

Der Satzteil (2) mag also noch der „vollständigen und ununterbrochenen Tradition“ Anerkennung zollen, womit dieser Teil mit dem katholischen Denken vereinbar ist. Satzteil (3) hingegen bringt modernistischen Unsinn vor, und Teil (4) hämmert diesen Unsinn dann ein. Somit stellt der ganze Absatz eine höchst raffinierte und schrittweise Bewegung dar, welche von einem Schatten der Wahrheit ausgehend direkt in den Irrtum namens „Hermeneutik der Kontinuität“ mündet. Diese entspricht genau dem Wahn von Alice im Wunderland, wo Humpty Dumpty hinausposaunt: „Was Worte meinen oder nicht, bestimme ich.“

Gott allein weiß, wer diesen siebten Absatz verfaßt hat. Vielleicht war es nicht der Generalobere der Bruderschaft. Doch wenn wir den Absatz, so wie er lautet, genau untersuchen, so müssen wir sagen, daß er so konstruiert ist, die Seelen von der katholischen Wahrheit zum konziliaren Irrtum hinüberzuführen. Der Absatz läßt sozusagen die Worte tanzen – so wie Häretiker sie tanzen lassen. Doch Häretiker, welche Worte tanzen lassen, verführen die Seelen dazu, den wahren Glauben zu verlieren und in die Hölle zu rutschen. Wer immer diesen siebten Absatz der Doktrinellen Erklärung zu verantworten hat, den soll der Kirchenbann treffen!

Kyrie eleison.

Elmer Gantry

Elmer Gantry on Oktober 13, 2012

Bei einem kürzlichen Langstreckenflug führte das im Sitzplatz eingebaute Unterhaltungssystem unter der Rubrik „Klassiker“ einen Film, welchen ich vor ungefähr 50 Jahren zum ersten Mal gesehen hatte. Es ist die im Jahre 1960 gedrehte Verfilmung der Novelle Elmer Gantry des US-amerikanischen Schriftstellers Sinclair Lewis. Zwei Bemerkungen aus Dialogen dieses Films blieben in meinem Gedächtnis haften, weswegen ich mich gut an ihn erinnerte. Die erste Bemerkung stammt von einem alten Mann, welcher eine religiöse Bekehrung mit Betrunkenwerden vergleicht. Die zweite Bemerkung kommt von einer jungen Frau, die darum bettelt, angelogen zu werden. Nun sah ich mir den Film erneut an . . .

Elmer Gantry ist ein Schwindler aus den 1920er Jahren in den USA, welcher eines Tages dem Charme der Predigerin und „Schwester“ Sarah Falconer verfällt, welche für die protestantische Erweckungsbewegung eine landesweite Zeltmission durchführt. Der Film ist etwas wirr, weil ihm das Gespür für wahre Religion fehlt. Dennoch zeigt er sowohl das wahre Bedürfnis der Menschen nach Religion, als auch die Falschheit der fundamentalistischen protestantischen „Religion“ gut. Dieses wahrhaftige Bedürfnis und seine unechte Befriedigung kommen gemeinsam gut zum Ausdruck, wenn Elmer einem alten Mann, der gerade im Missionszelt putzt, einige Fragen stellt. „Mein Herr,“ erwidert er, auf seinen Besen gestützt, „ich wurde schon fünf Mal bekehrt. Von Billy Sunday, von Reverend Biederwolf, von Gypsy Smith und zweimal von Schwester Falconer. Erst werde ich fürchterlich betrunken, und dann werde ich echt gerettet. Beides hat mir jeweils sehr gutgetan – sowohl betrunken als auch gerettet zu werden.“

Diese Bemerkung besitzt gewiß ihre komische Seite. Aber dennoch ist sie angesichts der vielen Seelen tragisch, welche es inzwischen für normal halten, religiöse Bekehrung mit Betrunkenwerden auf dieselbe Stufe zu stellen. Dann übertrifft sozusagen die Überlebenskunst die Erweckungsbewegung, und wir sind weit auf dem Weg zur Lächerlichmachung der Religion überhaupt. Wievielen Seelen muß der Heilige Name „Jesus“ für immer vergällt worden sein durch die Gefühlsduselei solcher fundamentalistischer Erweckungsprediger. Lesen Sie die Novelle „Wise Blood“ und andere Geschichten von Flannery O’Connor (1925–1964), einer katholischen Schriftstellerin in den USA, die mit ihren Schriften zwar schockiert, aber gewiß nicht wirr ist. Sie schildert, wie sehr der Protestantismus des tiefen Südens der USA den religiösen Instinkt des Menschen zu entstellen vermag. Gott kann Rosen zwar aus der Kanalisation wachsen lassen – aber dennoch richtet die Häresie einen gewaltigen Schaden an.

Die zweite Bemerkung, an welche ich mich so gut erinnerte, fällt im Film in einem eher privaten Zusammenhang. Und doch ist ihre potentielle Anwendung größer als man hätte zuerst denken können. Während Elmer der Schwester Falconer hinterherrennt, trifft er zufällig auf eine weitere Frau, welche er Jahre zuvor schlecht behandelt und dann verlassen hatte. Als diese Frau vom Verhältnis Elmers zu Schwester Falconer erfährt, trachtet sie nach Rache. Doch selbst als sie dabei ist, Elmer eine „Honigfalle“ zu stellen, um ihn in den Medien vollkommen bloßzustellen, will sie immer noch von ihm gesagt bekommen, daß er sie liebe. So spricht sie also zu Elmer: „Erzähle mir ruhig eine gute, starke Lüge, die ich glauben kann – aber umarme mich fest.“ Weil sie ihn also immer noch liebt, ist ihr Wollen nur darauf ausgerichtet, getäuscht zu werden.

So steht es auch mit der Welt um uns herum: sie verlangt nur noch, getäuscht zu werden. Deswegen beherrschen die Lügen des Teufels diese Welt, in der wir leben. Denn wir wollen Gott nicht. Zwar kann das Leben ohne ihn überhaupt nicht funktionieren – lesen Sie Psalm 126 Vers 1, und schauen Sie sich doch nur um –, aber trotzdem wollen wir unbedingt glauben, daß das Leben ohne ihn am besten sei. Im Grunde sagen wir unseren Politikern folgendes: „Wir wählten euch, damit ihr uns gute, starke Lügen erzählt und uns in unserer Gottlosigkeit festhaltet. Zieht ruhig ein 9/11 (New Yorker Zwillingstürme) oder ein 7/7 (die britische Variante von 9/11) durch, und macht was ihr wollt, solange wir nur an euch als Ersatzgott, der sich um uns kümmert, glauben können. Je größer die Lüge ist, desto eher glauben wir sie – aber ihr müßt uns bloß festhalten. Baut euren Polizeistaat ruhig weiter auf – nur haltet Gott draußen.“

Wen überrascht es da, daß wir heute so eine satanische Welt haben?

Kyrie eleison.

Herumdrehbare Erklärung

Herumdrehbare Erklärung on September 22, 2012

Nicht alles vom Generalkapitel der Priesterbruderschaft St. Pius X., welches im Juli in der Schweiz abgehalten wurde, mag katastrophal gewesen sein. Doch von seinen beiden offiziellen Ergebnissen zeigt das erste namens „Die sechs Bedingungen“ eine „besorgniserregende Schwäche“ (siehe Eleison-Kommentar 268 vom 1. September), und auch das zweite Ergebnis in Gestalt einer abschließenden „Erklärung“ läßt viel zu wünschen übrig. Eine möglichst kurze Zusammenfassung der Erklärung in zehn Paragraphen lautet wie folgt:

1) Wir danken Gott für die 42 Jahre Existenz der Priesterbruderschaft. 2) Wir haben nach der jüngsten Krise nun wieder unsere Einheit gefunden (echt?), 3) um unseren Glauben zu bekennen 4) an die Kirche, an den Papst und an den Christkönig. 5) Wir halten uns an das beständige Lehramt der Kirche, 6) und an ihre beständige Tradition, 7) in Verbundenheit mit allen unter Verfolgung leidenden Katholiken. 8) Wir rufen die Allerseligste Jungfrau Maria, 9) den Heiligen Erzengel Michael und 10) den Heiligen Papst Pius X. um Hilfe an.

Dieser Erklärung mangelt es gewiß nicht an Frömmigkeit, von welcher der Hl. Paulus sagt, daß sie zu allem nützlich ist (Erster Timotheusbrief 4,8). Gegenüber seinen beiden Jüngern Timotheus und Titus unterstreicht der Hl. Paulus allerdings ständig die Notwendigkeit der Doktrin, d.h. der Glaubenslehre, weil diese das Fundament wahrer Frömmigkeit ist. In der Erklärung des Generalkapitels fällt allerdings ausgerechnet die Doktrin leider recht dürftig aus. Anstatt die lehrmäßigen Irrtümer des Zweiten Vatikanischen Konzils, welche ja die Kirche seit 50 Jahren verwüsten, zu verdammen, enthält die Erklärung in ihren doktrinal stärksten Paragraphen 5 und 6 nur eine zaghafte Verurteilung dieser Irrtümer, begleitet von einem Tribut an das unveränderliche Lehramt (§5) und an die Tradition (§6) der Kirche. Dieser Tribut erfolgt zwar zurecht, schafft dabei aber ein Argument, welches von den Konziliaristen allzu leicht herumgedreht werden kann. Betrachten wir, wie einfach das geht:

Paragraph 5 legt dar, daß die Neuerungen des Zweiten Vatikanum „mit Fehlern befleckt“ sind, während das beständige Lehramt „ununterbrochen“ andauert: „Das Magisterium gibt durch seine Lehrakte das geoffenbarte Glaubensgut in vollständigem Übereinstimmung mit allem, was die universelle Kirche immer und an allen Orten geglaubt hat, weiter.“ Das deutet darauf hin, daß Rom das Zweite Vatikanum in die Reinigung geben sollte, um die Flecken zu entfernen. Doch die Römer können auf diesen Satz der Erklärung antworten: „Die Formulierung des Generalkapitels über die Kontinuität des Lehramtes ist absolut bewundernswert! Doch jenes Lehramt sind wir Römer, und wir stellen fest, daß das Zweite Vatikanum keine schmutzigen Flecken hat.“

Ähnlich beim Paragraph 6, welcher in der Erklärung lautet: „Die beständige Tradition der Kirche gibt jenen Lehrbestand, welcher zur Aufrechterhaltung des Glaubens und zur Rettung der Seelen notwendig ist, jetzt und bis ans Ende der Zeit weiter.“ Somit müssen also die kirchlichen Autoritäten zur Tradition zurückkehren. Doch die Römer können darauf antworten: „Die Formulierung des Generalkapitels über die Weitergabe des Glaubens durch die Tradition ist absolut bewundernswert! Doch die Hüter dieser Tradition sind wir Römer, und wir stellen durch die Hermeneutik der Kontinuität fest, daß das Zweite Vatikanum die Tradition nicht unterbricht, sondern fortführt. Das Generalkapitel irrt gewaltig mit der Annahme, daß wir zur Tradition zurückkehren müßten.“

Beachten wir den starken Kontrast zwischen dieser Erklärung und der Grundsatzerklärung des Erzbischof Lefebvre vom 21. November 1974, wo er einen wuchtigen und unherumdrehbaren Angriff auf die Irrtümer des Zweiten Vatikanum ausführt. In dieser Grundsatzsatzerklärung schrieb der Erzbischof, daß das Konzilsrom nicht das katholische Rom ist, weil die konziliare Reform folgendes ist: „naturalistisch, teilhardistisch, liberal und protestantisch . . . völlig vergiftet. Sie stammt aus der Häresie und führt zur Häresie,“ usw. Die Schlußfolgerung des Erzbischofs ist eine kategorische Weigerung, irgendetwas mit Neurom zu schaffen zu haben, weil es überhaupt nicht das wahre Rom ist.

Vergleichen Sie im Internet die zwei Erklärungen miteinander und entscheiden dann, welche von beiden untrüglich den Trompetenschall zum notwendigen Kampfe erklingen läßt (Erster Korintherbrief 14,8). Man darf sich fragen, wieviele Teilnehmer des Generalkapitels vom Jahre 2012 haben wohl jemals studiert, was Erzbischof Lefebvre sagte, und warum er es sagte?

Kyrie eleison.

Ein Kapitel

Ein Kapitel on August 4, 2012

Wie viele Leser bereits wissen, wurde auf der jüngsten Kapitelversammlung der Oberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. im schweizerischen Ecône ein gewisser Bischof aus dem Kapitel ausgeschlossen. Als Begründung für den Ausschluß wurde anscheinend der „Eleison Kommentar“ Nummer 257 vom 16. Juni 2012 herangezogen, welcher eine Adaption des Galaterbriefes 5,12 vornahm, wo der Hl. Paulus ausdrücklich das „Abschneiden“ der judaisierenden Zerstörer des katholischen Glaubens wünscht. Die Kirchenlehrer Ambrosius, Hieronymus, Augustinus und Chrysostomus denken jedoch allesamt, daß im Zusammenhang betrachtet der Paulinische Wunsch nicht das Leben, sondern das Mannestum der Judaisierer meint. Chrysostomus hält die Stelle sogar für scherzhaft gemeint.

Als ich jedoch hörte, wie ernst dieser Scherz auf dem Generalkapitel verwendet wurde, da hatte ich zugegebenermaßen eine neckische Vision: Ich stellte mir vor, wie die edlen Kollegen im Bruderschaftshauptquartier des Nachts durch das Fenster Ausschau hielten nach einem schlaksigen bischöflichen Engländer, welcher als „Jack der Ripper“ tief verkleidet in den Büschen herumschlich, ein langes, im Mondschein schimmerndes Tranchiermesser in der Hand, und welcher nach einem Opfer suchte, um es in Stücke schneiden zu können. Liebe Kollegen, schlafen Sie beruhigt, denn ich hege keine mörderischen Absichten. Wirklich!

Dennoch war das Kapitel eine ernsthafte Angelegenheit. Wie lautet sein Ergebnis? Es verabschiedete vor allem eine Erklärung, welche einige Tage später veröffentlicht wurde, sowie sechs Bedingungen für ein zukünftiges Abkommen zwischen Rom und der Bruderschaft. Durch ein Leck tauchten diese Bedingungen kurz danach im Internet auf (ich halte dieses Leck nicht für unvernünftig, wenn wir bedenken, wie viele Katholiken momentan ihren Glauben und ihr Seelenheil der Priesterbruderschaft anvertrauen). Zwar gebührt jenen guten Männern auf dem Generalkapitel alle Ehre, die mit all ihren Kräften den Schaden zu begrenzen versuchten. Wenn allerdings die Erklärung und die Vorbedingungen den jetzigen Geisteszustand der Bruderschaftsführung als Ganzes widerspiegeln, so gibt es ernsthaften Grund zur Sorge.

Vergleichen wir diese Erklärung des Jahres 2012 für ein paar Augenblicke mit der Grundsatzerklärung von Erzbischof Lefebvre aus dem Jahre 1974. Unverwandt müssen wir uns dann fragen, was aus der Bruderschaft geworden ist. Der Erzbischof verurteilte ausdrücklich und wiederholt die aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil hervorgegangene Reform („Da diese Reform vom Liberalismus und vom Modernismus ausgeht, ist sie völlig vergiftet. Sie stammt aus der Häresie und führt zur Häresie . . .”), und zog dadurch den Zorn der Konzilspäpste auf sich. Im Gegensatz dazu erwähnt die Erklärung von 2012 nur einmal das Konzil mit seinen „Neuerungen,“ welche lediglich „mit Irrtümern befleckt“ seien. Man kann sich leicht vorstellen, daß selbst Benedikt XVI. solche Worte unterschreiben würde. Hält denn die Priesterbruderschaft die Konzilspäpste inzwischen nicht mehr für ein ernsthaftes Problem?

Die sechs Bedingungen für ein zukünftiges Abkommen zwischen Rom und der Bruderschaft verdienen eine eingehende Betrachtung. An dieser Stelle möge die Feststellung genügen, daß die Bedingung des Generalkapitels aus dem Jahre 2006, wonach ein praktisches Abkommen erst nach einer lehrmäßigen Einigung erfolgen könne, nun anscheinend komplett über Bord geworfen wurde. Denkt also die Bruderschaft inzwischen, daß die Glaubenslehre der Römer, denen sie sich unterstellen würde, nun nicht mehr so wichtig ist? Oder erliegt die Bruderschaft etwa selber den Reizen des Liberalismus?

Als gegensätzlichen Standpunkt zu dieser Haltung möchte ich eine Sammlung von „Predigten und Lehrvorträgen“ bewerben, die Seine Exzellenz „Jack der Ripper“ in den Jahren 1994 bis 2009 hielt. Diese Sammlung ist nun auf sieben CD verfügbar (mit einem Preisnachlaß bis Ende des Monats): www.​truerestorationpress.​com/​node/​52

Nicht jedes Wort aus diesen 30 Stunden an Aufnahmen mag golden sein, und manche Worte sind gewiß etwas zu temperamentvoll geraten, aber wenigstens wurde die Anstrengung unternommen, die Feinde anstatt die Freunde unseres katholischen Glaubens auszuweiden.

Kyrie eleison.

Benedikts Ökumenismus – V.

Benedikts Ökumenismus – V. on Mai 19, 2012

Die umfassende Erörterung eines Themas erfolgt besser in mehreren Abschnitten. So behandelten auch die „Eleison Kommentare“ (EC) über mehrere Wochen verteilt „Benedikts Ökumenismus.“ Falls manche Leser wegen der Unterbrechungen den Diskussionsfaden verloren haben sollten, möchten wir nun die bisherige Argumentationslinie zusammenfassen:

EC 241 legte einige Grundlagen dar: Die katholische Kirche ist ein organisches Ganzes, und wer aus ihrem Glauben herauszupicken oder auszuwählen beginnt, ist ein „Auswähler,“ d.h. (aus dem Griechischen) Häretiker. Trägt dieser nun einen Teil des katholischen Glaubens aus der Kirche hinaus, so ist dieser Teil nicht mehr der bisherige. Das ist vergleichbar mit der Elektrolyse, wo der vom Wasser herausgelöste Sauerstoff aufhört, Teil der Flüssigkeit zu sein und zu Gas wird. Der Konzilsökumenismus behauptet zwar, daß manche Glaubenswahrheiten von Katholiken wie Nicht-Katholiken gemeinsam geglaubt würden, aber tatsächlich kann schon die einfache Aussage „Ich glaube an Gott“ etwas völlig anderes bedeuten, wenn sie in ein protestantisches oder katholisches Glaubenssystem, d.h. Glaubensbekenntnis, eingeflochten wird.

Der EC 247 benutzte einen anderen Vergleich, um aufzuzeigen, daß die aus dem katholischen Ganzen herausgenommenen Teile nicht mehr dieselben Teile bleiben. Während z.B. Goldmünzen aus einem Münzstapel herausgenommen werden können und außerhalb des Stapels immer noch Goldmünzen bleiben, so wird ein von einem lebenden Baum abgeschnittener Zweig etwas völlig anderes: er wird zu totem Holz. Die Kirche gleicht hierbei stärker dem lebenden Baum als den Münzen, denn unser Herr selber verglich seine Kirche mit einem Weinstock. Tatsächlich sagte der Heiland sogar, daß jeder von diesem Weinstock abgeschnittene Zweig ins Feuer geworfen und verbrennen wird (siehe Johannes 15,6. Interessanterweise ist kein lebender Zweig so fruchtbringend wie eine Weinrebe, während umgekehrt nichts so nutzlos ist wie abgestorbenes Rebenholz). Deswegen bleiben entgegen der Behauptung des Ökumenismus die von der katholischen Kirche abgetrennten Teile nicht länger katholisch.

EC 249 zeigte, wie die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils diese falschen Ideen des Ökumenismus förderten. Bereits EC 248 hatte vor der berüchtigten Doppeldeutigkeit der Konzilsdokumente gewarnt und als Beispiel angeführt, wie das Dokument Dei Verbum (Abschnitt 8) dem falschen Begriff der Modernisten namens „lebendige Tradition“ Tür und Tor öffnete. EC 249 präsentierte sodann drei für den Ökumenismus der Modernisten entscheidende Konzilstexte. So suggeriert Lumen Gentium (Abschnitt 8), daß die „wahre“ Kirche Jesu Christi weiter gefaßt sei als die „enge“ katholische Kirche. Und Unitatis Redintegratio (Abschnitt 3) unterstellt, daß die Kirche erstens aus „Elementen“ oder Teilen bestehe, die sowohl außerhalb als auch innerhalb der Kirche vorhanden seien (wie Münzen in und außerhalb eines Stapels), und zweitens daß diese Elemente deswegen innerhalb oder außerhalb der Kirche der Rettung der Seelen dienen würden.

Schließlich ging EC 251 speziell auf den Ökumenismus Benedikts XVI. ein. Die in Wolfgang Schülers Buch Benedikt der XVI. und das Selbstverständnis der katholischen Kirche vorgestellten Zitate des Hw. Ratzinger belegten, daß der junge Theologe Ratzinger in den 1960er-Jahren völlig die These von der Kirche als „goldene Münzen in und außerhalb des Münzstapels“ vertrat. Weitere Zitate zeigten, daß der ältere Ratzinger als Kardinal und Papst dann beständig versuchte, die Waage zu halten zwischen der Kirche als Stapel von Münzen einerseits und als ein organisches Ganzes andererseits. Doch wie Dr. Schüler richtig argumentiert, zeigt genau diese Gratwanderung des Joseph Ratzinger, daß die Hälfte von ihm immer noch an die Kirche als Münzstapel glaubt.

Insofern keine Leser direkte Zitate von Joseph Ratzinger wünschen, die belegen, daß sie hier weder verdreht noch aus dem Zusammenhang gerissen wurden, wird der letzte EC dieser Reihe mit einer Anwendung der Lektionen auf die Situation von Erzbischof Lefebvres Priesterbruderschaft St. Pius X. ausklingen: Einerseits ist die Priesterbruderschaft Teil des wahren katholischen Ganzen, welches „eins, heilig, katholisch und apostolisch“ ist. Andererseits sollte die Bruderschaft tunlichst vermeiden, selber zu einem Teil des kranken konziliaren Ganzen zu werden. Denn der gesunde Zweig, der auf das kranke konziliare Gewächs aufgepfropft wird, würde sich unbedingt die konziliare Erkrankung holen. Nie im Leben könnte ein bloßer Zweig die konziliare Seuche heilen.

Kyrie eleison.