Eleison Kommentare

40jähriges Jubiläum

40jähriges Jubiläum on November 6, 2010

Der vergangene Montag bot die Gelegenheit zu großer Dankbarkeit, allerdings verbunden mit einer gewissen Achtsamkeit. Es war der 40. Jahrestag der Gründung der Priesterbruderschaft St. Pius X.: Damals gab Bischof Charrière von Genf, Lausanne und Freiburg im Namen der Kirche seine offizielle Zustimmung zur Gesellschaftssatzung, welche ihm Erzbischof Lefebvre einige Monate zuvor unterbreitet hatte.

Wer heute inmitten der weichen globalen Apostasie am katholischen Glauben festhalten und auf ihn ausgerichtet leben möchte, kennt den Grund dieser Dankbarkeit gut. Seit dem Zweiten Vatikanum ist die Amtskirche in einem Zustand des Zusammenbruchs – in einem fortdauernden, weil die führenden Kirchenmänner die konziliaren Neuerungen umklammern, durch welche der Mensch an die Stelle Gottes gesetzt wird. Daher wird das katholische Volk weiterhin in die Irre geführt und die pyramidenförmige Struktur der Kirche Gottes zerfällt von oben bis unten.

Es war deswegen ein erstes Wunder, daß ein frommer, „pyramidenförmig“ gesinnter Kirchenmann die Notwendigkeit erkannte, inmitten der einstürzenden Ruinen der Hauptpyramide eine entgegenwirkende kleine Pyramide zu errichten. Ein zweites Wunder bestand darin, daß diesem Kirchenmann trotz des päpstlichen Gewichtes der zusammenfallenden Hauptpyramide die Errichtung der kleinen Pyramide gelang. Ein drittes Wunder ist schließlich, daß die Nachfolger des Erzbischofs nach dessen Tod diese kleine Pyramide 20 Jahre lang aufrechterhalten haben. Nun hat zwar die Priesterbruderschaft gewiß kein Monopol auf die Glaubensverteidigung – Gott bewahre! –, aber sie ist stets das Rückgrat dieser Verteidigung gewesen. Wir schulden dem lieben Gott unermeßlichen Dank für Seine Güte gegenüber allen, die das Geschenk in Form der Priesterbruderschaft begreifen.

Allerdings müssen wir auch Achtsamkeit walten lassen. Ich erinnere mich gut an Hochwürden Barrielle (1897 – 1983), den Spiritual gleich zu Beginn des ersten Priesterseminars der Bruderschaft in Ecône, Schweiz. Er zitierte häufig seinen geliebten Meister, Hochwürden Vallet (1883 – 1947), der auf großartige Weise die geistigen Exerzitien des heiligen Ignatius predigte und daraus seine Fünf-Tage-Variante formte – eine Form, welche durch Hw. Barrielle sehr segensreich auf die Seelen der Priesterbruderschaft in der ganzen Welt wirkte. Hw. Vallet hatte diese Exerzitien und ihre Geschichte tiefgreifend studiert. Dabei hatte er beobachtet, daß wenn ein Orden gegründet wurde, der diese Exerzitien bevorzugt predigte und dies erfolgreich tat, so trat nach einer gewissen Zeitspanne der Teufel auf den Plan und zerstreute, verwirrte oder zerstörte ebendiesen Orden. Um welchen Zeitraum handelt es sich dabei laut Hw. Vallet, wie von Hw. Barielle berichtet? Um vierzig Jahre!

Nun ist das Predigen dieser Exerzitien nicht das einzige Apostolat der Priesterbruderschaft St. Pius X. Kann sie also hoffen, der gebündelten Aufmerksamkeit des Teufels zu entgehen? Im Gegenteil! Wenn diese kleine Pyramide tatsächlich das Rückgrat der Glaubensverteidigung inmitten der Ruinen der zusammenbrechenden Kirche ist, dann steht die Bruderschaft direkt im Visier des Teufels! Davor müssen wir alle uns in Acht nehmen. Wegen der Pyramidenstruktur der Kirche schließen wir im besonderen die Führung der Priesterbruderschaft in unser beständiges Gebet ein.

Kyrie eleison.

Aufzuschiebende Verurteilung

Aufzuschiebende Verurteilung on Oktober 30, 2010

Nachdem einige „Eleison Kommentare“ die Bedeutung der Doktrin, also der Glaubenslehre, herausgestrichen hatten (EC 162, 165 – 167, 169), fragte ein Leser, ob es nicht doch klüger sei, die Verurteilung des Vatikanum II aufzuschieben. Als Begründung gab er an, daß weder die offiziellen Vertreter der Kirche in Rom, noch die Mehrheit der Katholiken die Konzilsdoktrin so schlimm ansehen, wie die Priesterbruderschaft St. Pius X. in Nachfolge von Erzbischof Lefebvre sie einstuft. Doch genaugenommen ist das Konzil sogar noch viel schlimmer.

Das dogmatische Problem der Konzilsdokumente liegt nicht hauptsächlich darin, daß sie direkt und eindeutig häretisch sind. Tatsächlich kann ihr „Buchstabe“ im Gegensatz zu ihrem „Geist“ katholisch erscheinen. Das geht soweit, daß der unmittelbar an allen vier Konzilssitzungen teilnehmende Erzbischof Lefebvre alle Dokumente unterzeichnete – bis auf die letzten und schlimmsten zwei Dokumente: „Gaudium et Spes“ und „Dignitatis Humanae“ („Freude und Hoffnung“ & „Über die Religionsfreiheit“). Allerdings ist dieser „Buchstabe“ der Konzilsdokumente auf raffinierte Weise mit dem „Geist“ jener neuen und auf den Mensch ausgerichteten Religion verseucht, zu welcher die Konzilsväter neigten und welche die Kirche seither verdirbt. Könnte der Erzbischof heute noch einmal über die 16 Konzilsdokumente abstimmen, so kann man sich vorstellen, daß er durch die „Weisheit des Nachhineins“ für kein einziges Dokument mehr stimmen würde.

Die Konzilsdokumente sind also mehrdeutig: äußerlich zu einem großen Teil katholisch auslegbar, aber innerlich vom Modernismus vergiftet. Wie wir jedoch wissen, hat der hl. Papst Pius X. in seinem Lehrschreiben „Pascendi“ den Modernismus als die schlimmste aller von der Kirche verurteilten Häresien bezeichnet. Wenn nun beispielsweise „konservative“ Katholiken aus „Treue“ zur Kirche diese Dokumente verteidigen, was konservieren sie dann genau? Sie konservieren das Gift dieser Dokumente und ihre tödliche Wirkung, den katholischen Glauben von Millionen Seelen zu verderben, so daß diese Seelen den Weg in die ewige Verdammnis einschlagen.

Der Vorgang erinnert mich an einen alliierten Geleitzug im Zweiten Weltkrieg, der mit wichtigem Nachschub für die Alliierten beladen den Atlantik überquerte. Einem U-Boot gelang es, inmitten des Verteidigungsgürtels der Schiffe auf Periskoptiefe aufzutauchen, was ihm ermöglichte, ein Schiff nach dem anderen zu torpedieren. Denn die alliierten Zerstörer suchten das U-Boot immer nur außerhalb des Verteidigungsgürtels, weil sie sich einfach nicht vorstellen konnten, daß es in ihrer Mitte sein könnte! Übertragen wir dieses Bild eines gefährlichen U-Bootes: Der Teufel sitzt in der Mitte der Konzilsdokumente und torpediert von dort aus das ewige Heil von Millionen von Seelen, weil er so gut mitten in diesen Dokumenten des Vatikanum II. verborgen ist.

Stellen wir uns nun einen Matrosen auf einem dieser Handelsschiffe im Konvoi vor, der mit scharfem Blick das verräterische Kielwasser des U-Boot-Schnorchels bemerkt. Er schreit: „U-Boot mitten unter uns!“ – doch niemand nimmt ihn ernst. Soll er nun warten und schweigen, oder müßte er nicht vielmehr Zeter und Mordio schreien und solange damit fortfahren, bis endlich der Kapitän kommt und die tödliche Gefahr erkennt?

Die Priesterbruderschaft St. Pius X. muß wegen des Zweiten Vatikanum unaufhörlich schreien, weil Millionen von Seelen unablässig in tödlicher Gefahr sind. Um diese Gefahr zu erkennen – die zugegebenermaßen in der Theorie nicht ganz einfach zu erfassen ist –, lesen Sie am besten das profunde Buch über die Konzilsdokumente von Hochwürden Alvaro Calderon: „Prometeo: La Religion del Hombre“ (zu deutsch: „Prometheus: Die Religion des Menschen“).

Kyrie eleison.

Innerliche Höhle

Innerliche Höhle on Oktober 23, 2010

Als ich vor kurzem in der römischen Provinz die Höhle des Hl. Benedikt in Subiaco besuchte, kam mir ein lateinischer Paarreim in den Sinn, welcher gleich vier Gründer von großen religiösen Orden in der Kirche behandelt. Die zwei Zeilen decken einerseits drei Viertel der gesamten Kirchengeschichte ab und deuten andererseits an, warum so viele katholische Seelen den Eindruck haben, ihr Glaube hänge heute nur noch an einem seidenen Faden.

Die Zeilen lauten:

Bernardus valles, colles Benedictus amabat,

Oppida Franciscus, magnas Ignatius urbes.

Auf deutsch:

Bernhard liebte die Täler, und Benedikt die Hügel,

Franziskus die Dörfer, und Ignatius die Großstädte.

Ordnen wir die durch das lateinische Versmaß ein bißchen verstellte Reihenfolge chronologisch an: Der Hl. Benedikt (480–547) suchte Gott in den Bergen (Subiaco, Monte Cassino); die vom Hl. Bernhard (1090–1153) belebten Zisterzienser kamen in die Täler herunter (insbesondere bei Clairvaux); der Hl. Franziskus wirkte inmitten der kleineren Städte seiner Zeit, während die Jesuiten des Hl. Ignatius (1491–1556) das Apostolat für die moderne Stadt neu formten. In gewisser Weise rächte sich die moderne Stadt an ihnen, indem die Jesuiten mit den Dominikanern den Kirchenzusammenbruch durch das Vatikanum II. anführten (z.B. de Lubac und Rahner, S.J.; Congar und Schillebeeckx, O.P).

Denn ist nicht bereits die Bewegung von den Hügeln hin zu den Städten eine Abwendung vom Alleinsein mit Gott hin zum Dasein nur mit den Menschen? Die Industrialisierung und das Automobil machen die moderne Stadt mit ihrem weichen Leben erst möglich; doch gleichzeitig erzeugen sie dadurch ein Alltagsumfeld, das immer künstlicher und somit abgeschnittener von der Natur Gottes wird. Mit dem materiellen Wohlstand wachsen die geistlichen Schwierigkeiten. In Wirklichkeit wird das Großstadtleben inzwischen so unmenschlich, daß der liberale Todeswunsch jeden Augenblick den Dritten Weltkrieg auslösen könnte, welcher das uns bekannte städtische und vorstädtische Leben umstürzen wird. Wie also kann ein Katholik, der aus vielen Gründen nicht zu den Bergen Zuflucht nehmen kann, außer Reichweite von psychiatrischen Anstalten bleiben?

Es gibt eine logische Antwort: Der Katholik muß in sich selbst, in einer Art innerlicher Höhle, mit Gott leben, während der Weltwahn draußen vorbeirast. Der Katholik muß sein Herz in eine Einsiedlerklause umformen und mindestens sein Heim, wenn möglich, in eine Art Heiligtum verwandeln – unter Wahrung der natürlichen Familienbedürfnisse. Das bedeutet nicht, in einer unwirklichen Eigenbrödlerwelt zu leben, sondern in der realen inneren Welt mit Gott, im Gegensatz zur äußeren Wahnwelt des Teufels, die uns von allen Seiten bedrängt.

Auf ähnliche Weise hat die Neukirche seit dem Zweiten Vatikanum zahllose Klöster und Ordenshäuser geschlossen, womit weniger Raum für Seelen bleibt, die einen inneren Ruf Gottes zu hören vermeinen. Führt Er sie in eine Sackgasse, oder hat Er sie im Stich gelassen? Oder beruft Er sie nicht eher dazu, ein inneres religiöses Leben zu führen, ihre Zwergwohnung inmitten der Riesenstadt in eine Einsiedelei zu verwandeln und aus ihrem gottlosen Bürogebäude ein Feld des Apostolates zu machen, mittels Gebet, Nächstenliebe und gutem Beispiel? Unsere Welt braucht dringend katholische Seelen, die ihren inneren Frieden und ihre innere Stille mit Gott nach außen strahlen.

Kyrie eleison.

Gesegnete Höhle

Gesegnete Höhle on Oktober 16, 2010

Wie töricht ist es doch, die Gnade von der Natur zu trennen! Denn beide sind füreinander geschaffen. Noch törichter ist allerdings der Gedanke, daß die Gnade gegen die Natur kämpfe! Zwar liegt die Gnade tatsächlich im Kampf mit dem Schlechten unserer gefallenen Natur, aber eben nicht mit der von Gott kommenden Natur, die über dieser Gefallenheit steht. Im Gegenteil gibt es die Gnade doch gerade, um diese gefallene Natur von ihrer Gefallenheit und ihrem Fallen zu heilen, und um sie bis in Gottes Höhen zu heben, damit sie am göttlichen Wesen teilhabe (2. Petrus 1,4).

Die Natur ohne Gnade neigt zwar zur Revolution, aber eine die Natur verachtende Gnade führt zu einer Verfälschung des geistigen Lebens, beispielsweise zum Jansenismus, der ebenfalls zur Revolution führt. Bei einer siebentägigen Reise nach Italien wurde mir die Schwere dieses protestantischen Irrtums erneut deutlich, welcher die Gnade gegen die Natur anstatt gegen die Sünde stellt. Denn die Reise führte auch in vier Berggegenden, in die vier große Heilige geflohen waren (die im Brevier und im Meßbuch stehen), um Gott näherzukommen – mitten in der Natur. In zeitlicher Reihenfolge waren dies der hl. Benedikt (Festtag 22. März, in Subiaco), der hl. Romuald (7. Februar in Camaldoli), der hl. Johannes Gualbert (12. Juli in Vallombrosa) und der hl. Franz von Assisi (4. Oktober in La Verna).

Im 11. Jahrhundert wählten zwei Mönchsorden die Orte Camaldoli und Vallombrosa, hoch oben in den Hügeln, die Florenz umgeben, als ihren Ordensnamen und Gründungssitz aus. In La Verna, hoch oben im toskanischen Apennin, erhielt der hl. Franz von Assisi im Jahre 1224 die Wundmale Christi. Heute können diese drei Orte relativ einfach mit dem Bus oder Auto erreicht werden, doch nach wie vor sind sie von Waldland umgeben und liegen hoch genug über dem Meeresspiegel, daß es im Winter bitterkalt sein muß. An diesen Orten verkehrten die drei Heiligen mit Gott, fernab von den Bequemlichkeiten der Städte mit ihrer „verrückten Masse“ – verrückt genug selbst noch in den kleineren Städten jener Zeit.

Am stärksten beeindruckte mich vielleicht die Gegend bei Subiaco, die eine Autostunde östlich von Rom liegt. In einer Höhle an einem Berghang verbrachte dort Benedikt als junger Mann drei Jahre. Er kam im Jahr 580 des Herrn zur Welt, floh als junger Student vor der Verderbtheit in Rom und ging im Alter von 20 Jahren in die Berge – manche sagen, mit 14 Jahren, und wenn dem so ist: was für ein Jugendlicher! Ab etwa 1200 anno Domini entstand an jenem Berghang, den dieser junge Mann geheiligt hatte, ein Kloster in großem Stil, aber noch heute können wir erahnen, was Benedikt dort bei seiner Suche nach Gott fand: oben die Wolken und den Himmel, tief unten den im Tal hinunterrauschenden Sturzbach, am entgegenstehenden Berghang nur wildes Waldland, und als Gesellschaft nichts anders als die Vögel, die an der steilen Felswand hin- und herkreisen. Allein mit der Natur . . . mit Gottes Natur . . . allein mit Gott!

Drei Jahre lang allein mit Gott . . . drei Jahre, die einen jungen Katholiken befähigten, seine Seele zusammen mit Jesus Christus und inmitten von Gottes Natur so in Besitz zu nehmen, daß seine berühmte Benediktinische Regel das zusammenbrechende römische Imperium in ein rasch erstarkendes Christentum verwandeln konnte. Diese Christenwelt wiederum bricht nun in Form der „Westlichen Zivilisation“ zusammen. Wo sind heute die katholischen Jungmänner, die mit Christi Hilfe ihre Natur und somit ihre Seele wieder in Besitz nehmen, um dadurch die Christenwelt zu retten?

Heilige Muttergottes, beflügele unsere jungen Männer!

Kyrie eleison.

Unentbehrliche Doktrin

Unentbehrliche Doktrin on Oktober 9, 2010

Ich erinnere mich noch daran, wie Erzbischof Lefebvre im Jahre 1986 darüber überrascht war, wie wenige traditionelle Katholiken die Ungeheuerlichkeit des „Alle-Religionen- & Alle-lieben-sich“-Festes in Assisi wirklich erfaßten. Doch das ist eben die Verderbtheit unserer heutigen Zeit: Das Gedankengut und die Wahrheit spielen keine Rolle mehr, weil „Allein die Liebe genügt“ („All you need is love“). In Wahrheit brauchen wir alle jedoch unbedingt sowohl die Glaubenslehre als auch die Liebe.

Die Doktrin, dh. die Glaubenslehre, besteht nicht nur aus Formeln, die in Worte gegossen sind. Wenn wir das unschätzbare Geschenk des Glaubens bereits im Geiste halten, wissen wir, daß unser kurzes Leben in dieser Welt darüber entscheidet, ob unser nächstes Leben eine Ewigkeit von unvorstellbarer Glückseligkeit oder aber von undenkbarem Entsetzen sein wird. Außerdem wissen wir, daß alle Menschen dieses Schicksal teilen, ob sie nun daran glauben oder nicht – mit der einen Ausnahme des Limbus für die ungetauften Unschuldigen. Sodann leuchtet auch ein, daß entweder Gott grausam ist – was lediglich der vergebliche Wunsch vieler armseliger Seelen ist, die damit ihre Auflehnung gegen ihn rechtfertigen wollen! –, oder daß Gott allen Seelen zu allen Zeiten jene Menge an Licht und Kraft schenkt, die sie benötigen, um in den Himmel zu gelangen und die Hölle zu vermeiden, wenn sie es nur wollen. Doch welche Form kann dieses Licht und diese Stärke annehmen, wenn ein Mensch den Glauben nicht hat?

Lassen wir zwei Nicht-Katholiken auf die Antwort hinweisen. Dr. Samuel Johnson, eine große Gestalt des englischen gesunden Menschenverstandes des 18. Jahrhunderts, sagte einmal: „Wer London haßt, der haßt das Leben.“ Mit anderen Worten: Durch den ganzen Alltagstrubel in all seinen Einzelheiten hinweg schmiedet ein Mensch von Tag zu Tag eine allgemeine Einstellung zum Leben. Auf ähnlich Weise läßt Graf Leo Tolstoi in seinem epischen Roman „Krieg und Frieden“ sagen: „Wer das Leben liebt, der liebt Gott.“ Anders gesagt ist die allgemeine Einstellung eines Menschen zum Leben auch eine Haltung gegenüber Gott. Natürlich wird mancher moderne Mensch heftig bestreiten, daß seine Einstellung zum Leben mit einem „nicht-existierenden“ Gott irgendwas zu tun habe. Nichtsdestoweniger hält alleine Gott die Existenz einer solchen Seele und aller sie umgebenden täglichen Dinge aufrecht, und die ganze Zeit über schenkt Er ihr den freien Willen, Ihn in und durch alle diese Dinge zu lieben oder zu hassen. Die Kommunisten zum Beispiel müßten Atheisten sein, doch Lenin sagte einmal: „Gott ist mein persönlicher Feind.“ Tatsächlich hassen also die Kommunisten als solche sowohl das Leben als auch Gott.

Wie sieht nun die richtige Haltung gegenüber Gott aus? Das erste der Zehn Gebote sagt es uns: Gott aus ganzem Herzen, aus ganzem Geist und aus ganzer Seele zu lieben. Doch wie kann ich jemanden lieben, ohne zuvor etwas von ihm zu wissen? Die richtige Haltung gegenüber Gott setzt also zumindest ein gewisses Maß an Glauben und Vertrauen in die Güte des Lebens bzw. Gottes voraus. Deshalb lesen wir in der hl. Schrift, wie unser Herr, wenn ungelehrte Seelen zu ihm gehen und nach einem Wunder verlangen, häufig ihren „Glauben“ zuerst prüft, bevor er ihn lobt oder durch Gewähren des Wunders belohnt. Doch welcher Glaube ist hier gemeint? Der Glaube an Ihn. Doch wer ist Er?

Es ist die Aufgabe der Gelehrten, die Antwort darauf als Glaubenslehre zu formulieren. Diese Lehre von Gott wird durch die Zeit zwar verfeinert, kann aber nicht verändert werden – genauso wenig wie Gott selber verändert werden kann. Die Glaubenslehre ist der beständige Korrektor für unsere Haltung zum Leben und zu Gott – solange wir für alle Ewigkeit unvorstellbar glückselig sein wollen, anstatt ewig unglücklich. Die katholische Glaubenslehre ist die Wahrheit. Gott ist die Wahrheit. Die Wahrheit ist unverzichtbar.

Kyrie eleison.

Berufungen – woher?

Berufungen – woher? on Oktober 2, 2010

Jahrzehntelang ging Robert – wie ich ihn nenne – in größeren Städten einer „fortschrittlichen“ westlichen Nation einer Vielzahl von Teilzeit- und Vollzeit-Vorlesungen in den Geisteswissenschaften nach. Heute teilt er grundsätzlich die Kritik an den modernen Universitäten aus einem kürzlichen „Eleison Kommentar“ (EC 158). Allerdings erhebt er einen interessanten Einwand, der sogar noch ein oder zwei Schritte weitergeht. Beginnen wir damit, wie er das heutige Universitäts-System real erlebt.

Nach einer schier endlosen Zeit des Studierens erhielt Robert vor einigen Jahren endlich seinen Doktortitel in Geschichte – aber nur gerade noch so und auf eine Weise, daß er keine Anstellung als Universitätsprofessor finden wird. Das „politisch korrekte“ System hatte sich, wie er sagt, erfolgreich gegen Roberts „extrem rechte“ Gedanken verteidigt. „Der Integrist (d.h. der fundamentale Katholik) war geknebelt und die Demokratie gerettet worden. Der Dummkopf hatte sich vor die Dampfwalze geworfen und war regelrecht erdrückt worden – auf ebenso leichte Weise wie Winston in dem berühmten Roman 1984 von George Orwell.“

„Aufgrund meiner Erfahrung,“ schreibt er, „würde ich keinem Jugendlichen empfehlen, an eine Universität für Geisteswissenschaften zu gehen, am wenigsten meinen Kindern. Laßt sie lieber ein Handwerk oder eine Fachschul- bzw. Fachhochschul-Ausbildung ergreifen. Am besten ist es, wenn sie später selbstständig auf dem Lande oder höchstens in einer Kleinstadt arbeiten, damit sie der Gehalts-Versklavung entrinnen.“ So würde er verfahren, wenn er sein Leben noch einmal vor sich hätte, schreibt er. Als katholischer Intellektueller empfindet er seinen Handlungsspielraum darauf beschränkt, Zeugnis zu geben.

Dennoch hat Robert einen ernsthaften Einwand gegen diesen Lösungsweg einer handwerklichen oder fachhochschulischen Ausbildung. Denn, kurz gesagt: Ingenieure werden zwar besser als Philosophen bezahlt, aber die scharf abgegrenzte Weise ihrer Arbeit – an und aus, eins und null – wird in ihnen eine Abneigung gegen die menschlichen, allzu menschlichen, Erschwerungen in der Religion und Politik erzeugen. Idealerweise wäre der Mann tagsüber Techniker und nachts Dichter, doch in der Wirklichkeit ist es sehr schwierig, ein Leben zwischen solchen Gegensätzen zu führen, sagt Robert, und in der Regel wird ein Mann das Interesse an einem der beiden Gegensätze verlieren.

Die gleiche Spannung beobachtet er auch in der Priesterbruderschafts-Schule in seiner Region. Sie bietet den Geisteswissenschaften zwar theoretisch den Ehrenplatz, aber in der Praxis neigen sowohl Buben als auch das Schulpersonal eher zu den Naturwissenschaften, weil diese die besseren Berufsaussichten bescheren. Die von der Schule kommenden Jungmänner sind daher entsprechend weniger gut gerüstet, wie es Robert dünkt, um die Probleme der Konzilskirche oder der modernen Welt auf tiefgehende Weise zu begreifen. Hier endet sein Zeugnis.

Die Situation ist ernst. So sind etwa die Priesterbruderschafts-Schulen dem Druck ausgesetzt, in die Richtung der Naturwissenschaften zu tendieren, aber die zukünftigen Priester benötigen vielmehr eine gute Ausbildung in Geisteswissenschaften, weil die menschlichen Seelen eben nicht nach dem Prinzip des klar abgegrenzten An-und-Aus bzw. Eins-und-Null funktionieren. Wenn aber aus den Bruderschafts-eigenen Schulen keine Berufungen mehr fließen, woher sollen diese dann kommen? Wie können die geistlichen Dinge geschützt werden in einer Welt, die sich ganz den materiellen Dingen verschreibt? Wie können die Seelen der Buben für das Priestertum begeistert werden? Nach meiner Beobachtung ist für sie in der Regel entscheidend, wie ernst ihr Vater seine Religion nimmt. Lesen Sie im Alten Testament das Buch Tobias (es ist weder lang, noch schwer zu verstehen). Es zeigt, wie der liebe Gott Väter durch ihre Söhne belohnt.

Kyrie eleison.