Eleison Kommentare

Entfaltender Kapitalismus

Entfaltender Kapitalismus on Dezember 18, 2010

Mit Egoismus ist bekanntlich keine Gesellschaft zu machen. Das Geld wiederum stellt im wesentlichen den Anspruch seines Besitzers an die Leistungen der restlichen Gesellschaft dar. Wird nun der Kapitalismus nicht nur in einer rein wirtschaftlichen Bestimmung, sondern als eine Form der Gesellschaftsordnung definiert, wo es jedem Bürger freisteht, soviel Kapital – sprich: Geld – anzuhäufen wie er nur kann und will, dann sehen wir, daß der Kapitalismus mit Widersprüchen gespickt ist. Denn er will eine Gesellschaft formen, die zwar Selbstlosigkeit voraussetzt, aber trotzdem jeden dazu ermuntert, egoistisch zu sein.

Aus diesem Grund kann der Kapitalismus in einer Gesellschaft nur solange überleben, wie ihre Glieder noch vorkapitalistische Werte aufrechterhalten, z.B. einen gesunden Menschenverstand, maßvolles Streben nach Geld, und Achtung des Gemeinwohls. Allerdings fördert der eingangs definierte Kapitalismus keine einzige dieser vorkapitalistischen Werte. Vielmehr wirkt er ihnen sogar entgegen, so wie der Egoismus der Selbstlosigkeit zuwiderläuft. Daher ist der Kapitalismus ein Parasit, der vom Gesellschaftswesen lebt, während er dessen überlebensnotwendige Werte untergräbt.

Dieser innere Widerspruch einer auf die Jagd nach Geld bauenden Gesellschaft findet ihren verheerenden Abschluß im gegenwärtigen Zustand der Weltfinanz und -wirtschaft. Besonders seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges streben die Menschen der Welt immer stärker danach, durch Geld materielle Güter anzuhäufen, welche sie inzwischen den geistlichen Gütern vorziehen, welche vormals ihrem Leben einen Sinn gaben. Indem diese Menschen das Geld bewunderten und begehrten, ließen sie es freudig zu, daß die Geldmenschen die Macht über ihre Gesellschaft übernahmen. Diese Geldmenschen wiederum, bewundert und begehrt, rissen immer mehr Geld und Macht an sich. Denn was haben Geld und Macht schlußendlich für eingebaute Bremsen, die ihre weitere Anhäufung eingrenzen könnten? Keine. Somit sind die Banker zu wahrhaften Gangstern geworden.

Deswegen wurden vor 10 oder 15 Jahren beispielsweise die „Derivate“ erfunden. Das sind Finanzinstrumente, welche den sie liefernden „Bankstern“ (Banker-Gangstern) durch Gebühren einen Haufen Geld bescheren. Doch diese Derivate wirken wie Massenvernichtungswaffen auf die empfindlichen Mechanismen der Weltfinanz, weil sie allzuleicht eine unwirkliche Welt von kolossalen und unbezahlbaren Schulden fabrizieren. In dieser destabilisierten und betrügerischen Welt der unbezahlbaren Schulden wird heute nur noch der Anschein von Ordnung erzeugt, indem eine Regierung nach der anderen große Mengen an „Geld“ aus der Luft produziert, um diese Schulden „abzuzahlen.“ Doch kann dieser Vorgang nur in einer Inflation enden, welche der betroffenen Währung jedwede Nützlichkeit raubt. Deshalb ist jetzt das gesamte Papier- und Elektronik-Geld der Welt – und seit Jahren will sie kein anderes zur Verfügung haben – dem Untergang geweiht.

Allerdings entspricht das Geld in einer Gesellschaft dem Schmieröl in einem Motor. Ohne Öl blockiert der Motor und stirbt ab. Ohne Geld wird der Warenaustausch in der Gesellschaft sehr viel schwieriger und der Handel kann zum Erliegen kommen. Wenn aus solchen Gründen die Lebensmittel-Lastwagen nicht mehr rollten und die Nahrung – vor allem in den Großstädten – knapp würde, was könnte dann ein Politiker machen, um Hungeraufstände abzuwenden und die Bauern davon abzuhalten, mit Mistgabeln über ihn zu kommen? Einen Krieg lostreten!

Der Dritte Weltkrieg mag nicht mehr fern sein. Herr, erbarme Dich unser!

Kyrie eleison.

Wahrheit macht frei

Wahrheit macht frei on Dezember 11, 2010

Der französische Maler Paul Gauguin (1848–1903) war lediglich ein Anlaß für die Argumentation der letzten drei „Eleison Kommentare“ (Nr. 175–177), denn er ist keineswegs der schlechteste moderne Künstler. Die Argumentation lautete nicht, daß die moderne Kunst „Quatsch“ ist, weil Gott existiert (vergleiche Evelyn Waughs „Wiedersehen mit Brideshead“ I, 6), sondern weil die moderne Kunst „Quatsch“ ist, existiert Gott. Es ist ausschlaggebend, ob wir hier von der Ursache auf die Wirkung herabkommen, oder von der Wirkung zur Ursache hinaufsteigen.

Wenn ich von der Existenz Gottes als Gegebenheit ausgehe und von dort nach „unten“ Schlußfolgerungen ziehe, beispielsweise daß die moderne Kunst, moderne Musik, moderne Operninszenierungen, usw., verkehrt sind, dann sind erstens dadurch Gott und seine Existenz noch nicht bewiesen, und zweitens kann es dann so aussehen, als ob Gottes Religion sich auf uns legt wie eine Radkralle auf unsere Freiheit. Nun bin ich ein freier Mensch, ich bin wer ich bin, und ich will mit jeder Faser meines Wesens frei wählen können, welche Kunst mir gefällt. Doch nun kommt so ein angeblicher „Verkehrspolizist aus dem Himmel“ und will mir diese Freiheit beschneiden? Nein danke!

Doch wenn ich andererseits von meiner eigenen Erfahrung mit der Kunst ausgehe, beginne ich bei dem, was ich selber kenne. Und wenn meine Erfahrung damit ehrlich gesagt enttäuschend ist – was nicht der Fall sein muß, aber angenommen, es sei so –, dann kann bei mir allmählich die Frage aufsteigen, warum ich mir angesichts der hochgelobten modernen Künstler so unbehaglich vorkomme. Also höre ich mir die Lobreden noch einmal an. Doch noch immer bin ich nicht überzeugt. Warum nicht? Weil die moderne Kunst häßlich ist. Was ist denn das Problem mit der Häßlichkeit? Es fehlt ihr die Schönheit. Und wenn mein Blick von der Schönheit in gemalten Landschaften oder Frauen z.B aufsteigt zu ihrer Schönheit in der Natur und von dort aus wiederum zu jener Harmonie in den Bestandteilen der gesamten Schöpfung, so sind meine Gedanken von meiner Erfahrung ausgehend bereits ein gutes Stück in Richtung des Schöpfers emporgestiegen.

Im letztgenannten Fall ähnelt Gott nicht mehr einem Verkehrspolizisten mit seiner Radkralle. Im Gegenteil scheint Gott – weit entfernt von einer Beschneidung unserer Freiheit – uns Menschen mit einem solchen freien Willen ausgestattet zu haben, daß wir imstande sind, landauf landab Häßlichkeit zu verkünden und eine Welt des Chaos zu schaffen. Vielleicht hofft Er, daß diese Häßlichkeit schrecklich genug werde, um unser Denken wieder auf das Wahre und Gute zu lenken. Ab diesem Punkt ähnelt Gottes Religion in keiner Weise mehr einer von außen kommenden und auf unserer inneren Freiheit lastenden Schraubzwinge, sondern sie kommt mir vielmehr als ein Helfer und Befreier des Besten in mir gegen das Schlechteste vor – denn wenn ich nicht stolz bin, so muß ich doch zugeben, daß nicht alles in mir geordnet und harmonisch ist.

In diesem Fall sehe ich die übernatürliche Gnade Gottes nicht mehr als eine Art Polizist an, der mir auf den Rücken meiner Natur springt, um ihr Tun gewaltsam einzudämmen. Vielmehr wird diese Gnade dann ein sehr guter Freund, der – so ich möchte – mir ermöglicht, das Beste in mir vom Schlechtesten zu befreien, oder jedenfalls danach zu streben.

Eine treibende Kraft hinter dem Zweiten Vatikanum und der konziliaren Religion war und ist noch die weitverbreitete Ansicht, daß die katholische Tradition eine Art unerträglicher Polizist sei und davon ausgehe, daß alle natürlichen Triebe schlecht seien. Tatsächlich sind die Impulse meiner gefallenen Natur schlecht, doch unterhalb des Schlechten gibt es das Gute in unserer Natur – und dieses Gute muß atmen können, denn von unserem Innern heraus stimmt es sich perfekt mit der von außen kommenden wahren Religion Gottes ab. Andernfalls fabriziere ich aus meinen schlechten Trieben eine falsche Religion – genau wie das Zweite Vatikanum.

Kyrie eleison.

Kupfermünzen-Kunst

Kupfermünzen-Kunst on Dezember 4, 2010

Der französische Maler Paul Gauguin (1848–1903) lehnt im Interesse der Kunst die moderne Gesellschaft ab. Dennoch hat ihn diese Kunst – für die er sich extra von allem „befreite,“ um sie produzieren zu können – im wesentlichen ohne Frieden gelassen (EC 175). Einige Jahre später schreibt der englische Schriftsteller Somerset Maugham (1874–1965) eine Abhandlung von Gauguins Leben, welche sowohl seine Ablehnung dieser Gesellschaft als auch seinen Mangel an Frieden zu bestätigen scheint (EC 176). Doch wie kann es sein, daß der moderne Künstler im Widerstreit zur Gesellschaft steht, die er ja widerspiegelt und die ihn sogar unterstützt? Warum ist die von ihm geschaffene moderne Kunst in der Regel so häßlich? Wieso bestehen die Menschen darauf, häßliche Kunst zu fördern?

Der „Künstler als Rebell“ entstand bei den Romantikern. Die Romantik blühte neben der französischen Revolution auf, die zwar im Jahr 1789 ausbrach, aber seither nicht aufhört, Thron und Altar niederzureißen. Die modernen Künstler weisen deshalb Gott immer stärker zurück, weil der Künstler notwendigerweise seine Gesellschaft widerspiegelt. Wenn also Gott nicht existieren würde, dann hätten die Künste angesichts ihrer neu gefundenen Freiheit von dieser Illusion namens „Gott“ – die den menschlichen Geist seit undenklichen Zeiten beherrscht hatte – sicherlich eine kräftige Blütezeit erleben müssen. Doch ist die moderne Kunst heute ausgeglichen, oder kommt sie nicht vielmehr selbstmörderisch vor?

Wenn andererseits Gott existiert und die Begabung des Künstlers ein Geschenk Gottes zu Seiner Verherrlichung ist – wofür zahllose Künstler in der Vergangenheit beredtes Zeugnis geben –, dann wird der gottlose Künstler im Kampf mit seinem eigenen Talent, seine Begabung im Kampf mit seiner Gesellschaft und diese wiederum im Kampf mit seinem Talent liegen. Beobachten wir nicht genau dieses um uns herum? So steckt beispielsweise hinter der von den modernen Materialisten geheuchelten Achtung für die Künste in Wirklichkeit Verachtung für sie.

Alle drei oben erwähnten Fragen sind jedenfalls leicht zu beantworten, wenn Gott existiert. Erstens: Der Künstler liegt im Kampf mit der modernen Gesellschaft, weil seine Begabung ein Atem Gottes in ihm ist und dieser Odem weiß, daß die Gesellschaft – insoweit gottlos – verwerflich ist. Daß die Gesellschaft den Künstler unterstützt, trotz seiner Verachtung für sie, macht alles nur noch kläglicher. So rief einst Richard Wagner, als sein vergrößertes Orchester eine Reihe von Plätzen kostete: „Weniger Zuhörer? Umso besser!“ Zweitens: Wie könnte eine von Gott geschenkte Gabe, die gegen Ihn gerichtet wird, jemals etwas Harmonisches oder Schönes hervorbringen? Wer moderne Kunst schön findet, muß die Bedeutung der Worte ins Gegenteil verkehren; so wie die Hexen in Macbeth singen: „Gut ist bös’, und bös’ ist gut!“ Doch hat selbst ein moderner Künstler jemals bei einer Frau Häßlichkeit mit Schönheit verwechselt? Drittens: Der moderne Mensch wird weiterhin darauf bestehen, den Sinn der Worte herumzudrehen, weil er sich im Krieg mit Gott befindet und auch nicht damit aufzuhören gedenkt. „Lieber die Türken als die Tiara!,“ riefen die Griechen in Richtung der Papstkrone, kurz vor der furchtbaren Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahr 1453. „Lieber Kommunismus als Katholizismus!,“ riefen US-amerikanische Senatoren nach dem Zweiten Weltkrieg – und ihr Wunsch wurde Wirklichkeit.

Kurz gesagt: Wagner, Gauguin, Maugham und tausende moderner Künstler verachten unser „Kupfermünzen“-Christentum zurecht. Doch die Lösung des Problems lautet nicht, den Krieg gegen Gott mit der modernen Kunst noch zu verstärken, sondern den Kampf gegen Ihn zu beenden, Ihm wieder die gebührende Ehre zu geben und Christus zurück in den Mittelpunkt des Christentums zu bringen. Wieviel Häßlichkeit wird es denn noch benötigen, bevor der Mensch wieder zur Papstkrone zurückkehrt und den Katholizismus umarmt? Wird selbst ein Dritter Weltkrieg überhaupt dazu ausreichen?

Kyrie eleison.

Kupfermünzen-Gesellschaft

Kupfermünzen-Gesellschaft on November 27, 2010

Das Leben des französischen Malers Paul Gauguin (1848–1903) lieferte den Stoff für einen Spielfilm, eine Fernsehserie, eine Oper und mindestens zwei Romane. Etwas an seinem Leben muß den modernen Menschen also ansprechen: der Börsenmakler, der für die Ehefrau und fünf kleine Kinder die Verantwortung übernimmt und dann alles wegwirft, um revolutionärer Künstler zu werden – und der auf einer entfernten kleinen Südseeinsel die gesamte westliche Zivilisation verschmäht. Doch zeigt Gauguins ruheloses Ende nicht eher, daß er dort kaum die Lösung fand, wovon so viele verantwortlich lebende Seelen träumen?

William Somerset Maugham, der bekannte britische Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts, schrieb 16 Jahre nach Gauguins Tod eine fiktive Darstellung seines Lebens. Er besuchte dazu eigens den Südpazifik, um aus erster Hand Material für seinen Roman „Silbermond und Kupfermünze“ („The Moon and Sixpence“) zu sammeln. Der Titel dieser von Gauguin handelnden Kurzgeschichte mag seltsam anmuten, trifft aber genau den Kern der Sache. Im Jahre 1915 erschien Maughams Meisterwerk „Der Menschen Hörigkeit“ („Of Human Bondage“), ein im Grunde autobiographischer Roman. Ein Kritiker von „Der Menschen Hörigkeit“ beschuldigte den Romanhelden, „mit seiner großen Sehnsucht nach dem Mond so beschäftigt zu sein, daß er die Kupfermünze zu seinen Füßen – den „Sixpence“ (eine kleine silberfarbene britische Münze zur Romanzeit) – niemals sehen konnte.“ Anders ausgedrückt blickte Maugham so sehnsüchtig auf ein unerreichbares Ideal, daß er das kleinere, aber erreichbare Glück zu seinen Füßen nicht sah. Maugham erwiderte auf die Anschuldigung: „Wenn Sie ständig den Boden auf Kupfermünzen hin absuchen, dann blicken Sie ja nicht nach oben und werden daher den Mond verpassen.“ In anderen Worten: Es gibt höhere Dinge im Leben.

Die Verwendung dieses Gegensatzes von Silbermond und Kupfermünze für seinen Romantitel zeigt deutlich, wie Maugham über Gauguin dachte. Das normale Glück eines Börsenmaklers und Familienvaters der Mittelschicht stellt die Kupfermünze dar, und dies alles wegzuwerfen, um Künstler zu werden, repräsentiert den Silbermond. Doch keineswegs heißt Maugham das Wegwerfen des normalen Lebens und der Familie gut. Vielmehr schildert er im Roman den Künstler Strickland – seinen Gauguin – als entsetzlich egoistisch, hartherzig und grausam. Gleichzeitig zeigt Maugham ihn aber auch als Genie, der im Grunde genommen recht damit hatte, seiner Künstlerberufung zu folgen – unabhängig davon, wieviel der „Silbermond“ dem Künstler selber und den Menschen um ihn herum an „Kupfermünzen-Glück“ kosten würde.

Auf diese Weise drückt Maugham aus, daß das Leben der meisten Menschen aus der westlichen Zivilisation ein „Kupfermünzen-Leben“ ist. Dabei ist doch das Leben viel mehr wert als nur Kupfermünzen. Es gibt in der kurzen Zeitspanne, die dem Menschen auf dieser Erde zu leben gegeben ist, so viel Wertvolleres, daß er beim Streben danach grundsätzlich – falls notwendig – eine beliebige Anzahl Kupfermünzen in den Boden trampeln darf.

Im wirklichen Leben starb Gauguin als – zumindestens im Nachhinein betrachtet – berühmter und erfüllter Künstler, jedoch noch immer in einem ruhelosen und rebellischen Zustand. Maugham deckt in seinem Roman beide Seiten ab, indem er das bestätigte Genie und das gescheiterte Menschsein darstellt. Doch hat Maugham damit Gauguins ungelöstes Problem wirklich gelöst? Können denn Genialität und Leben einerseits gegensätzlich und andererseits trotzdem beide menschlich sein? Das scheint ein weitverbreiteter und tiefgehender Widerspruch zu sein.Gibt es eine Lösung? Mehr darüber erfahren Sie nächste Woche im „Eleison Kommentar.“

Kyrie eleison.

Aussichtslose Flucht

Aussichtslose Flucht on November 20, 2010

Das Londoner Museum „Tate Modern“ zeigt momentan eine Ausstellung über einen weiteren großen Meister der modernen Kunst – falls „groß“ und „modern“ nicht bereits einen Widerspruch in sich darstellen –, den Franzosen Paul Gauguin (1848 – 1903). Das menschliche Wesen braucht Bilder so dringend wie eine Vision davon, was das Leben überhaupt bedeutet. Heutzutage kommen solche Bilder zwar weitgehend von der Elektronik, doch zu Gauguins Zeiten verfügten die Maler noch über einen enormen Einfluß.

Gauguin kam 1848 in Paris zur Welt. Mit 23 Jahren wurde er, im Anschluß an mehrere Reisen und Beschäftigungen, schließlich Börsenmakler. Zwei Jahre später heiratete er eine Dänin, die ihm in zehn Jahren fünf Kinder schenkte. Während dieser Zeit war ihm das Malen nur eine Liebhaberei, für die er allerdings Talent besaß. Nachdem es Gauguin im Jahre 1884 mißglückte, in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen ein Geschäft zu betreiben, gab er seine junge Familie auf und ging nach Paris zurück, um hauptberuflich Maler zu werden.

Im Jahre 1888 malte Gauguin gemeinsam mit van Gogh neun Wochen lang in der südfranzösischen Stadt Arles. Doch das Treffen endete hitzig. Nach Paris zurückgekehrt, gelang es Gauguin nicht, genug Geld oder Anerkennung zu verdienen. So setzte er im Jahre 1891 die Segel in Richtung Tropen, um „allem Künstlichen und Konventionellen zu entkommen.“ Abgesehen von einem ausgedehnten Aufenthalt in Paris verbrachte er den Rest seines Lebens in Tahiti und auf den Marquesas-Inseln, welche damals Kolonien von Französisch-Polynesien im Südpazifik waren. Dort schuf er die meisten seiner Gemälde, auf denen sein Ruhm beruht. Doch immer noch kämpfte er gegen Kirche und Staat – und nur sein Tod im Jahre 1903 bewahrte ihn vor einer dreimonatigen Haftstrafe.

Wie schon bei van Gogh begann auch Gauguins Malen im düsteren und konventionellen Stil der Kunst des späten 19. Jahrhunderts. Allerdings wurden, wie auch bei van Gogh und etwa zur gleichen Zeit, Gauguins Farben deutlich heller und der Stil unkonventioneller. Tatsächlich war Gauguin der Begründer des sogenannten „Primitivismus“-Bewegung in der modernen Kunst, welche bald nach seinem Tode einen beachtlichen Einfluß auf den zwar brillanten, aber ebenso aufrührerischen Picasso gewann. „Primitivismus“ bedeutete „zurück zu den primitiven Wurzeln“ zu gehen, weil Europa sich ausgebrannt vorkam. Daher rührt die Hinwendung zu afrikanischen und asiatischen Modellen; ein bekanntes Beispiel hierzu ist Picassos Gemälde „Les Demoiselles d’ Avignon,“ das fünf Dirnen in einem Bordell zeigt. Aus diesem „Primitivismus“-Impuls heraus war Gauguin im Jahre 1891 nach Polynesien geflohen, wo er das Eindringen der katholischen Missionare bedauerte, die heidnischen Götter der örtlichen vor-katholischen Mythologie studierte und in seine Kunst einband – darunter mehrere quasi-teuflische Gestalten.

Stellt allerdings die Vision jener tahitianischen Gemälde Gauguins – die sicherlich seine besten sind – eine tragfähige Lösung für die Probleme des dekadenten Abendlandes dar, welches er verschmähte und hinter sich ließ? Kaum. Jene Gemälde in der „Tate Modern“-Ausstellung sind zwar originell und farbenfroh, aber die von ihm gemalten tahitianischen Menschen – vor allem junge Frauen – bleiben irgendwie abgestumpft und träge. Gauguins Tahiti mag ein Fluchtort sein, aber es birgt keine Hoffnung. Gauguin mag das dekadente Abendland richtig eingestuft haben, doch das in seiner polynesischen Kunst gestiftete irdische Paradies schenkte ihm kaum Ruhe und er starb in einem immer noch widerspenstig eingestellten Zustand. Es besteht ein Problem, welches er immer noch nicht gelöst hat.

Interessant hierzu ist die fiktive Version von Gauguins Leben durch Somerset Maugham, einen bekannten englischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Mehr darüber erfahren Sie nächste Woche im „Eleison Kommentar.“

Kyrie eleison.

Mehr anstrengen!

Mehr anstrengen! on November 13, 2010

Ein nicht-katholischer Freund, den ich seit 50 Jahren kenne, sagte mir kürzlich: „Wie ich Dich um Deine Gewißheit beneide!“ Ich denke, daß er damit seinen Wunsch ausdrückte, auch glauben zu können, was wir Katholiken glauben, es aber nicht zu glauben können meint. Beinahe hätte ich erwidert: „Streng Dich mehr an!,“ doch unter den gegebenen Umständen war Schweigen angemessener.

Während zu glauben ein Akt des Verstandes und nicht des Willens ist, muß trotzdem der Wille den menschlichen Verstand anstoßen, damit er die übernatürlichen Glaubenswahrheiten – die wesentlich über dem natürlichen Fassungsvermögen stehen – überhaupt glauben kann. An das Übernatürliche zu glauben ist deswegen zwar kein Akt des Willens, aber ohne einen Willensakt unmöglich. „Niemand glaubt gegen seinen Willen,“ weiß der hl. Augustinus. Daher kann es durchaus angebracht sein, jemandem, dessen Verstand nicht glaubt, zu raten: Streng Dich mehr an – gemeint ist: mit dem Willen. Dieser Rat an sich wird auch nicht in Wunschdenken münden, wenn die Glaubensinhalte, zu denen der Wille drängt, objektiv wahr sind.

Wer die katholischen Gläubigen wahrhaftig und aufrichtig um ihre Glaubensgewißheit beneidet, sollte zuerst mit seinem Verstand prüfen, wie vernünftig die katholischen Glaubensvorstellungen sind. Diese mögen zwar die menschliche Vernunft übersteigen, stehen jedoch nicht im Gegensatz zu ihr. Wie sollten sie das auch sein? Denn wie könnte Gott einerseits der Schöpfer unserer menschlichen Vernunft sein, und andererseits dieser Vernunft auferlegen, an Wahrheiten zu glauben, die sie vergewaltigen? Gott würde sich damit nur selber widersprechen. Der hl. Thomas von Aquin zeigt in seiner „Summa Theologiae“ laufend, daß Glaube und Vernunft zwar völlig verschieden sind, aber in perfekter Harmonie zueinander stehen.

Was kann somit die menschliche Vernunft unternehmen, und was sollte mein Freund tun? Die Vernunft kann eine natürliche Rampe in Richtung des übernatürlichen Glaubens bauen; beispielsweise durch das Studium der durchaus vernünftigen Argumente, die Gottes Existenz, die Gottheit des Menschen Jesus Christus und seine göttliche Stiftung der römisch-katholischen Kirche beweisen. Diese Argumente sind für die natürliche Vernunft erreichbar, solange der Wille nicht dagegen ankämpft. Denn ein irregeführter Verstand wird die vor ihm liegende Wahrheit niemals erkennen. Der Wille muß die Wirklichkeit wollen, andernfalls wird der Verstand die Wahrheit nicht finden. Für uns Menschen heißt Wahrheit, unseren Verstand mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen.

Sobald ein Mensch mit rechter Vernunft und aufrichtigem Willen alles ihm mögliche getan hat, um die Vernünftigkeit des Glaubens zu begreifen, hat er allerdings noch nicht den übernatürlichen Glauben erlangt, der ein Geschenk Gottes bleibt. Doch wie könnte Gott einerseits von uns zu glauben verlangen (unter Androhung der ewigen Verdammnis, siehe Markus 16,16), und andererseits das Geschenk des Glaubens ausgerechnet jener Seele verweigern, die doch alles in ihrer natürlichen Macht stehende getan hat – wobei Gott nicht getäuscht werden kann –, um für dieses Geschenk bereit zu sein? Besonders wenn, nachdem ich vernünftigerweise alles mir mögliche getan habe, ich im Gebet demütig um dieses Geschenk des Glaubens bitte? „Gott widersteht den Hoffärtigen, den Demütigen aber gibt er Gnade“ (Jakobusbrief 4,6), und er läßt sich von denen finden, die ihn aufrechten Herzens suchen (vergleiche Deuteronomium 4,29; Jeremias 24,13; Klagelieder 3,25, und viele andere Stellen im Alten Testament).

Lieber Freund, lies und bitt! Streng Dich nur an, und Du gelangst höchstwahrscheinlich zur ersehnten Gewißheit!

Kyrie eleison.