Konziliarismus

Nützlichkeit der Gespräche

Nützlichkeit der Gespräche on Juli 10, 2010

Derzeit sind viele Katholiken über die laufenden Gespräche zwischen Rom und der Priesterbruderschaft St. Pius X. besorgt. Sie dürften ein wenig erleichtert sein, wenn sie – wie ich vor zwei Monaten – die Gründe von Bischof de Galarreta hören könnten, warum diese Unterredungen bis zu ihrem geplanten Ende fortgesetzt werden sollten – aber nicht weiter. Sie bergen ein geringes Risiko, bieten aber etliche Vorteile, wie der Bischof erklärt.

Nach dem einleitenden Treffen im Oktober letzten Jahres gab es ordnungsgemäße Gespräche im Januar, März und Mai dieses Jahres. Betrachten wir jeweils den Zeitabschnitt vor, während und nach einem Treffen. Vor jedem Treffen übergeben die vier Vertreter der Priesterbruderschaft den vier römischen Theologen zum jeweiligen Gesprächsthema eine Erklärung anhand der katholischen Lehre, und beschreiben dann die Schwierigkeiten, welche aus der entgegengesetzten Lehre des Zweiten Vatikanum entstehen. Auf dem Treffen antworten dann die römischen Theologen, und das anschließende mündliche Gespräch wird aufgezeichnet. Nach der Sitzung schließlich erstellt die Priesterbruderschaft eine schriftliche Zusammenfassung der Aufzeichnung. Bisher wurden nur die Themen Liturgie sowie Religionsfreiheit erörtert. Der Bischof sieht das Ende aller weiteren notwendigen Gespräche für das Frühjahr nächsten Jahres vor.

Bei der Bewertung dieser Gespräche unterscheidet der Bischof zwischen ihrem bloßen Stattfinden und ihrem eigentlichen Inhalt. Über ihren Inhalt sagt er, daß die Vertreter der Priesterbruderschaft von den mündlichen Erörterungen enttäuscht seien, weil, wie mir ein anderes Mitglied mitteilte, „es ihnen an theologischer Präzision mangelt. Zwei Gedankenlinien, welche sich nie treffen können, ergeben keinen Dialog, sondern eher zwei Monologe. Allerdings sind die Römer nett zu uns, und daher ähneln die Gespräche weniger Essig, als vielmehr Mayonnaise. Wir sagen, was wir denken, und wir machen uns keine Illusionen.“ Der Bischof fügt allerdings hinzu, daß das niedergeschriebene Ergebnis der Gespräche aus der Zeit vor und nach den Sitzungen eine wertvolle Dokumentation für die Abgrenzung der katholischen Wahrheit vom konziliaren Irrtum darstellen werde, auch für das Aufspüren der neuesten Entwicklungen von diesem Irrtum. „Seit der Zeit des Johannes Paul II. ist dieser Irrtum noch raffinierter geworden,“ sagt er.

Über das bloße Stattfinden der Gespräche sagt der Bischof, daß diese etliche weitere Vorteile böten. Erstens sei es gut für die Römer, Vertreter der Priesterbruderschaft kennenzulernen, und umgekehrt. Durch solche Kontakte könnten des Teufels beliebte „Rauch- und Blendwerke“ verringert werden. Auch sieht der Bischof kein großes Risiko bei diesem Kontakt, weil diese vier speziellen Römer keine Verkehrten seien, wie er sagt, und außerdem eindeutig sei, von wo sie kommen und wohin sie gehen wollten. Zweitens gewinne die Piusbruderschaft allein durch die Tatsache, daß Rom auf höchster Ebene mit ihr ernsthaft über ihre Lehre diskutiert, ein gewisses Vertrauen bei manchem Amtskirchen-Priester guten Willens, der ansonsten nicht für die Tradition offen ist. Und drittens kämen einige der besten Köpfe Roms gelegentlich ins Grübeln, wenn sie die alten Argumente durch die Priesterbruderschaft neu vorgesetzt bekommen. Anders gesagt mag es zwar nur ein Anfang davon sein, daß die katholische Wahrheit sich wieder durchsetzt, doch ein Anfang ist es schon.

Liebe Leser, üben wir uns in Geduld und schrankenlosem Vertrauen in die Vorsehung Gottes – schließlich ist es seine Kirche! Beten wir außerdem zur Mutter Gottes, daß sie uns helfe, die Liebe zur katholischen Wahrheit in uns zu bewahren, welche allein unsere Seelen retten kann und ohne welche die katholische Amtsgewalt niemals wiederhergestellt werden kann.

Kyrie eleison.

Katholische Ausgewogenheit

Katholische Ausgewogenheit on Juni 26, 2010

Letzte Woche begann der „Eleison Kommentar“ mit einem scheinbaren Verständnis für die „Sedisvakantisten,“ welche glauben, daß die Päpste seit Johannes XIII. gar keine Päpste gewesen sind, und er endete mit einem scheinbaren Verständnis für Kardinal Kasper, welcher über die unmaßgebliche Priesterbruderschaft St. Pius X. sich lustig machte. Von mindestens einer Leserin weiß ich, daß sie dies verwirrte, und vermutlich ist sie nicht alleine. Doch es fügt sich alles ein, wenn wir davon ausgehen, daß seit dem Zweiten Vatikanum die katholische Wahrheit von den katholischen Kirchenbehörden getrennt ist.

Nun müßten eigentlich die katholischen Kirchenbehörden immer an die katholische Wahrheit unseres Herrn geschweißt sein, denn es gibt diese menschlichen Behörden ja nur, um die göttliche Wahrheit zu schützen und zu lehren. Aber die protestantischen Irrlehren und die liberale Auflösung der Wahrheit hatten über die Jahrhunderte schließlich ihren Weg so in die Herzen und Köpfe der großen Mehrheit der Konzilsväter gefressen, daß sie auf diesem schrecklichen Konzil (1962 – 1965) die Reinheit der katholischen Wahrheit aufgaben und bis auf den heutigen Tag ihre gesamte katholische Amtsgewalt dazu nutzen, den Katholiken die neue und falsche konziliare Religion des Menschen aufzunötigen.

Daraufhin wurden die Katholiken auf geradezu unvermeidliche Weise sowohl auseinandergerissen als auch innerlich zerrissen. Denn entweder klammerten sie sich an die katholische Wahrheit und gaben in der Folge die katholischen Kirchenbehörden mehr oder weniger auf. Das ist die Lösung der „Sedisvakantisten.“ Und schaut man in erster Linie auf die katholische Wahrheit, so kann man wohl für sie Verständnis haben. Denn gar schrecklich ist der Verrat an der Wahrheit durch die höchsten Kirchenmänner, seit das Konzil begann.

Andere Katholiken klammerten sich dagegen an die katholischen Behörden und gaben in der Folge die katholische Wahrheit mehr oder weniger auf. Das ist die Lösung des Kardinal Kasper. Und schaut man in erster Linie auf die katholische Amtsgewalt, so kann man wohl mit seiner Loyalität zu Benedikt XVI. mitfühlen und sogar das Lächeln des Kardinals verstehen, als er von der Priesterbruderschaft St. Pius X. getadelt wurde, die ganz unmaßgeblich und immer noch praktisch exkommuniziert ist.

Doch Erzbischof Lefebvre wählte einen dritten Weg – zwischen den beiden Extremen, die entweder die Wahrheit oder die Amtsgewalt aufgeben. Sein Weg, dem die Priesterbruderschaft gefolgt ist, bedeutete, an der katholischen Wahrheit festzuhalten, allerdings ohne jedwede Respektlosigkeit gegenüber der kirchlichen Amtsgewalt und ohne pauschalen Zweifel an der Gültigkeit ihrer Behörden. Es ist sicherlich nicht immer leicht, diese Ausgewogenheit zu bewahren. Doch sie hat katholische Früchte auf der ganzen Welt hervorgebracht und einen treuen Rest an Katholiken erhalten, welche seit den 40 Jahren, die wir bisher in der konziliaren Wüste verbrachten (1970 – 2010), dank der Priesterbruderschaft die wahre Lehre und die wahren Sakramente haben.

Vielleicht müssen wir katholischen Schäfchen noch eine Weile verstreut in dieser Wüste ausharren – so lange, wie der Hirte von Rom geschlagen ist (Sacharja 13,7, zitiert durch unseren Herrn im Garten Gethsemane, vergleiche Mt. 26,31). Im heutigen „Gethsemane der Kirche“ müssen wir Verständnis für überhaupt alle Schäfchen haben. Aus diesem Grunde kann ich mit den „Sedisvakantisten“ und sogar mit den Liberalen – bis zu einem gewissen Punkt – mitfühlen. Doch heißt das auf keinen Fall, daß der dritte Weg des Erzbischofs aufgehört habe, der Richtige zu sein.

Möge die Heilige Muttergottes noch lange die kleine Priesterbruderschaft beschützen!

Kyrie eleison.

Lächelnder Kardinal

Lächelnder Kardinal on Juni 19, 2010

Ein jüngstes Lächeln des Kardinal Kasper bestätigt meine langjährige Überzeugung, daß wir trotz des grundlegenden Liberalismus der konziliaren Päpste seit Johannes XXIII. nicht unbedingt bezweifeln müssen, ob sie wirklich Päpste gewesen sind. Eine ganze Reihe ernsthafter und gläubiger Katholiken zweifelt daran, weil sie die Frage stellen, wie wahre Stellvertreter Christi so weit vom katholischen Glauben und von der Kirche Christi abkommen können, wie diese Päpste es getan haben. Tatsächlich ist ein außerordentlich ernsthaftes Problem vorhanden.

Diese Zweifler heißen gewöhnlich „Sedisvakantisten“ und argumentieren folgendermaßen: Wer wie ein Häretiker geht, spricht und – wie die US-Amerikaner sagen – plappert, ist ein Häretiker. Nun schließt ein Häretiker sich allerdings selber aus der Kirche aus. Deswegen haben diese Päpste sich selber aus der Kirche ausgeschlossen und können unmöglich ihre Oberhäupter gewesen sein – denn von welchem Körper kann ein Nichtmitglied das Haupt sein?

Die richtige Antwort lautet nach meinem Dafürhalten allerdings: Die Häresie, die jemanden automatisch aus der einen und einzigen Arche des Heiles verstößt, ist so schwerwiegend, daß, um so eine Häresie verüben zu können, jemand genau wissen und vollständig wollen muß, was er macht. Er muß erkennen, daß er katholische Wahrheiten leugnet, welche von Gottes eigener Autorität durch Seine Kirche definiert worden sind. Anders gesagt muß er erkennen, daß er Gott trotzt. Ohne diese Erkenntnis, welche die Kirche „Hartnäckigkeit“ nennt, mag er zwar göttliche Wahrheiten abstreiten, trotzt jedoch noch nicht Gott und schließt sich deshalb noch nicht selber aus der Kirche aus.

Nun finden allerdings „Sedisvakantisten“ die Idee lächerlich, daß diese Päpste, welche immerhin grundlegend in der Kirchenlehre erzogen worden sind, nicht wüßten, was sie tun, wenn sie solche Ungeheuerlichkeiten aussprechen wie – um nur ein Beispiel zu nennen – Benedikt XVI. über die angeblich weiterhin bestehende Gültigkeit des Alten Bundes. In den früheren Zeiten, als die Kirchenführung noch den rechten Geist besaß, verdeutlichte die Kirche auf folgende Weise einem Häretiker, was er wirklich tut: Die päpstliche Inquisition (Heiliges Offizium) ließ den Häretiker antreten, konfrontierte ihn autoritativ mit seiner Irrlehre und drängte ihn, diese zu widerrufen. Weigerte er sich, dann war seine Hartnäckigkeit allen offenkundig – und der Wolf wurde aus der Herde geworfen. Eine solche Konfrontation benötigt allerdings eine Instanz, um sowohl den Häretiker vorladen als auch dessen Irrtum darlegen zu können. Doch wie sieht es aus, wenn – wie seit dem Zweiten Vatikanum – die höchste kirchliche Instanz selber die Wahrheit nicht mehr vom Irrtum unterscheidet?

Kommen wir auf Kardinal Kasper zurück. Auf einer Pressekonferenz in Paris, die er am 4. Mai 2010 abhielt (wir erwähnten dies in EC 148), sagte er laut Berichten, richtigerweise, daß die Priesterbruderschaft St. Pius X. sich dem Dialog der katholischen Kirche mit anderen christlichen Gemeinschaften, für welchen der Kardinal zuständig ist, standhaft widersetzt. „Sie haben mich als Häretiker angegriffen,“ sagte er mit einem Lächeln.

Er mag wohl lächeln. Denn – bitteschön – kraft welcher Autorität verurteilt die winzige Priesterbruderschaft den ökumenischen Dialog, welcher seit dem Zweiten Vatikanum das Grundprinzip und die Praxis der Weltkirche überhaupt ist – welcher von Benedikt XVI. überall gepredigt wird und wofür der Kardinal der oberste päpstliche Bevollmächtigte ist? Sicherlich bewahrte nur die Nächstenliebe gegenüber den überholten „Traditionalisten“ den gütigen Kardinal davor, in Gelächter auszubrechen.

Vor den Menschen ist die Kirche erledigt. Aber vor Gott nicht.

Kyrie eleison.

Schlafloser Papst

Schlafloser Papst on Mai 15, 2010

Kardinal Kasper, Präsident der Vatikanischen Kommission für die Beziehungen zu anderen christlichen Gemeinschaften und zum Judentum, hielt am Mittwoch vor einer Woche eine Pressekonferenz in Paris ab. Dabei zeigte sich wieder einmal, wie das konziliare Rom die traditionelle katholische Bewegung grundsätzlich mißversteht. Aus einem Reuters-Bericht möchte ich das Denken des Kardinals so getreu wie möglich in fünf Punkten zitieren, und dann kommentieren:

1) Die gegenwärtig alle zwei Monate stattfindenden Lehrgespräche zwischen vier römischen Theologen einerseits und einem Bischof und drei Priestern der Priesterbruderschaft St. Pius X. andererseits, erweisen sich als nicht gerade einfach. 2) Das Hauptproblem ist der Begriff der Tradition: „Wollen wir eine lebendige Tradition oder eine versteinerte Tradition haben?,“ fragte der Kardinal. 3) Er sagte, daß er zwar für diesen Dialog mit der Priesterbruderschaft sei, allerdings zu den Bedingungen von Rom, nicht zu denen der Bruderschaft. 4) Wenn eine Übereinkunft erreicht werden soll, muß die Priesterbruderschaft Zugeständnisse machen und die konziliaren Reformen annehmen. 5) Ohne eine solche Übereinkunft wird die Priesterbruderschaft weder einen amtlichen Status besitzen, noch werden ihre Priester als katholisch anerkannt, noch wird ihnen gestattet sein, ihr Amt auszuüben.

(1) Natürlich erweist es sich als schwer, die Aussage „2 + 2 = 4“ (vertreten von der Tradition und der Bruderschaft) mit der Aussage „2 + 2 = 4 oder 5 “ (Vatikanum II und konziliares Rom) zu versöhnen. Wir haben hier zwei grundlegend verschiedene Auffassungen von Rechenart vor uns, und zwei noch mehr grundlegend verschiedene Auffassungen von der katholischen Wahrheit.

(2) „2 + 2 = 4“ ist die Wahrheit, unverändert und unveränderbar, und deshalb ist es die „Tradition.“ Hingegen ist „2 + 2 = 4 oder 5 “ eine ganz neue Rechenart und so „lebendig“ wie man nur will, aber sie entspricht eben gar nicht der Wirklichkeit und ist somit in keiner Weise, außer als Irrtum, traditionell.

(3) Wenn wir über die wahre Rechenart sprechen, so wird das zu den Bedingungen dieser wahren Rechenart geschehen, und nicht zu den Bedingungen der beiden Gesprächsteilnehmer, selbst wenn einer von ihnen diese wahren Bedingungen vertritt.

(4) Wer will oder braucht denn überhaupt eine Übereinkunft, die auf „2 + 2 = 4 oder 5 “ basiert (Vatikanum II)? Doch nur Vertreter des Wahnsinns, die kein Interesse mehr an der wahrhaftigen Rechenart haben!

(5) Wenn der „offizielle Status,“ die „Anerkennung als Priester“ und die „Erlaubnis, das Amt auszuführen“ allesamt vom Annehmen der Aussage abhängen, daß 2 + 2 sowohl 4 als auch 5 sein kann, dann werden dieser „Status,“ diese „Anerkennung“ und diese „Erlaubnis“ auf Kosten der Wahrheit erkauft. Doch wenn ich die Wahrheit verkaufe, wie kann ich sie dann noch besitzen, um sie zu verkünden? Und wenn ich die Wahrheit nicht mehr länger verkünden kann, was für ein Priester könnte ich dann noch sein und was für ein Amt noch ausüben?

Deshalb lautet die Schlußfolgerung: Nicht nur die „Tradition,“ sondern vielmehr die Wahrheit gebietet es, daß die Römer und die Priesterbruderschaft St. Pius X. nicht miteinander übereinkommen. Die Römer haben durch ihr Verändern der Wahrheit die Glaubenswahrheit verloren: Objektiv gesprochen ermorden sie die Wahrheit sogar, – so wie Macbeth „den Schlaf mordete.“ Im selben Reuters-Bericht wird der Papst zitiert, wie er sagte, daß das Problem mit der Priesterbruderschaft „ihm den Schlaf raubt.“

Heiliger Vater, bitte glauben Sie uns, daß die Wahrheit weit über der Priesterbruderschaft emporragt und letztere nur unter den bescheidenen momentanen Wahrheitsverteidigern einzureihen ist. Jeder aus der Bruderschaft wünscht Ihnen alles Gute – und ganz besonders, gut zu schlafen. Nicht die Priesterbruderschaft, sondern die ermordete Wahrheit hält Sie des Nachts wach.

Kyrie eleison.

Päpstlicher Irrtum – II.

Päpstlicher Irrtum – II. on Februar 6, 2010

Bischof Tissier de Mallerais von der Priesterbruderschaft St. Pius X. hat vor ein paar Jahren über die Glaubenslehre von Papst Benedikt XVI. eine wertvolle 100seitige Abhandlung veröffentlicht, namens: „Der Glaube, gefährdet durch die Vernunft.“ Das französische Original erscheint jetzt in einer englischen Übersetzung (siehe truerestoration.blogspot.com ). Der Titel sagt alles: Bischof Tissiers These lautet, daß Benedikt XVI. der menschlichen Vernunft erlaubt, den katholischen Glauben zu verderben. Lassen Sie mich aus dem bischöflichen Schlußteil einen Absatz umschreiben, welcher des Pudels Kern trifft:

„Benedikt XVI. fordert häufig eine „Hermeneutik der Kontinuität“ und meint damit die Auslegung des Zweiten Vatikanum und der katholischen Tradition auf solche Weise, daß zwischen beiden kein Bruch, sondern eine Kontinuität erscheine. Nach dem Studium der Lehren des Papstes ist es mir klar geworden, daß diese Auslegung (Hermeneutik) viel weiter geht, als ich ursprünglich angenommen hatte. Sie meint nicht nur eine neue Lesart für die Begriffe Glaube und Vernunft, sondern eine Wieder- Geburt der beiden, was für die Gedanken des Papstes von universeller Anwendung sein soll: Erstens müssen Glaube und Vernunft sich gegenseitig reinigen: Die Vernunft wird den Glauben vor dem Abgleiten in die Intoleranz bewahren, während der Glaube die blinde Unabhängigkeit der Vernunft heilen wird. Zweitens müssen sie sich gegenseitig regenerieren: Die Vernunft wird den Glauben um das liberale Denken der Aufklärung bereichern, während der neu und passend für die moderne Zeit ausgedrückte Glaube sich von der Vernunft wird anhören lassen. Dieses Verfahren ist konsequent auf alle Religionen und alle Denksysteme anzuwenden. Dadurch werden, ohne den Menschen ein bestimmtes Wertesystem aufzuerlegen, jene Werte gestärkt, die die Welt am Laufen halten.“

Beachten Sie erstens, wie Bischof Tissier nach eigenem Bekunden die Breite und Tiefe der päpstlichen Vision ursprünglich unterschätzt hatte. Treu zur Tradition stehende Katholiken wissen, daß die konziliare Vereinigung des Glaubens mit der Moderne – besonders der oben von mir unterstrichene Satz – falsch ist und die Kirche zerstört. Doch sie müssen auch erkennen, daß diese Vereinigung intelligent, selbst wenn irregeführt, ausgedacht ist und mit Überzeugung vertreten wird. Benedikt XVI. glaubt zutiefst sowohl an die alte Weise zu glauben, als auch an die moderne Weise zu denken. Er ist überzeugt davon, daß seine Methode, scheinbare Probleme zu lösen, fähig ist, alle Menschen zusammenzubringen. Diese „Lösung“ treibt sein gesamtes Wirken als Papst an.

Doch oh weh! Wir können den Satz „2 + 2 = 4“ mit dem Satz „2 + 2 = 5“ nicht dadurch in Einklang bringen, indem wir sagen: vier ist „mehr oder weniger als viereinhalb,“ während fünf „ mehr oder weniger als viereinhalb“ ist. Denn vier Äpfel bleiben nun einmal hartnäckig vier Äpfel, während fünf Orangen beharrlich fünf Orangen bleiben. Entsprechend kann der wahre Glaube zwar den Irrenden tolerieren, nicht aber den Irrtum. Gleichfalls mag das moderne Denken selber zu „sehen“ wünschen – doch solange es modern sein will, besteht es in der Tat darauf, seine eigenen Augen auszureißen, die Augen des Geistes (Kant). An jeder Stelle zeigt Bischof Tissier, daß der ewige, von Gott geoffenbarte Glaube unvereinbar mit dem modernen, vom Menschen erfundenen Denken ist, denn dieses ist so angelegt, entweder Gott oder wenigstens seine Ansprüche an den Menschen (Religionsfreiheit) auszuschließen.

Danke, Eure Exzellenz! Denn so entzückend die Perspektive des Papstes nach „Frieden in unserer Zeit“ auch sein mag, so führt uns doch nicht die Entzückung in den Himmel, sondern die Wahrheit in Liebe.

Kyrie eleison.

Päpstlicher Irrtum – I.

Päpstlicher Irrtum – I. on Januar 30, 2010

Als Papst Benedikt XVI. vor zwei Wochen über die Beziehungen zwischen dem Rom des Zweiten Vatikanum und der Priesterbruderschaft St. Pius X. sprach, wurde einmal mehr deutlich, wie feingesponnen und schwerwiegend der konziliare Irrtum ist. Der Papst hielt die Rede am 15. Januar 2010 auf einer Plenarsitzung der römischen Kongregation für die Glaubenslehre (früher das Heilige Offizium genannt). Von den zwölf Absätzen der päpstlichen Rede sollten die ersten drei vollständig zitiert werden, doch muß aus Platzmangel eine möglichst getreue Zusammenfassung genügen:

1) Ihre Kongregation nimmt am besonderen Dienste des Papstes teil, die Einheit der Kirche durch die Wahrung der katholischen Lehre zu gewährleisten. Diese Einheit der Kirche hängt von der Einheit im Glauben ab, dessen erster Verteidiger der Papst ist. Seine oberste Aufgabe besteht darin, die Brüder im Glauben zu stärken und unter ihnen die Einheit zu wahren. 2) Ihr Lehramt beinhaltet – wie das des Papstes – den Gehorsam gegenüber dem Glauben, so daß es nur eine Herde unter dem einen Hirten gebe. 3) Zu allen Zeiten muß die Kirche die Christen dazu bewegen, gemeinsam den Glauben zu bekennen. „In diesem Sinne vertraue ich besonders auf Ihren Einsatz, die verbleibenden Lehrprobleme zu beseitigen, welche die Priesterbruderschaft daran hindern, die volle Gemeinschaft mit der Kirche zu erreichen.“

Das Problem an dieser Stelle reicht allerdings viel weiter als nur die Frage, ob die Priesterbruderschaft nun in „voller Gemeinschaft mit der Kirche“ sei. Das eigentliche Problem ist das Verhältnis zwischen der Einheit und dem Glauben der Kirche. In Wirklichkeit hängt die katholische Einheit im wesentlichen vom katholischen Glauben ab. An erster Stelle macht der Glaube das Wesen des Katholiken aus: Dort, wo kein katholischer Glaube vorhanden ist, kann es keine Katholiken geben, die eine Einheit bildeten. Dort jedoch, wo dieser katholische Glaube überhaupt existiert, ist die wesentliche Grundlage für die katholische Einheit gegeben. Nun sagt der Papst zwar (1), daß „tatsächlich die Einheit in erster Linie aus der Einheit im Glauben besteht,“ aber er verbindet die Einheit und den Glauben allgemein so (1, 2, 3), als ob beide Größen auf der gleichen Stufe stünden, und beinahe entsteht der Eindruck, als ob beide von einander abhingen. In Wirklichkeit beruht die echte Einheit vollständig auf dem wahren Glauben. Doch der Papst kommt zu der von uns vollständig zitierten Schlußfolgerung (3), wo er anscheinend seine Kongregation anweist, sie solle um der Einheit zwischen Rom und der Priesterbruderschaft willen die Glaubensprobleme zu überwinden suchen.

Nun besteht allerdings die Pflicht des Stellvertreters Christi nicht darin, Rom und die Priesterbruderschaft um jeden Preis – sozusagen – zu vereinen, sondern sie im katholischen von Jesus Christus geoffenbarten Glauben zusammenzubringen. Wenn ein Unterschied in der Glaubenslehre zwischen Rom und der Priesterbruderschaft existiert (diesen Unterschied gibt es und er ist riesig!), dann ist die wichtigste Aufgabe des Papstes, eindeutig zu prüfen, wer von beiden Gruppen den katholischen Glauben wirklich besitzt. Dann muß der Papst die gesamte Kirche um jene Gruppe sammeln, die den katholischen Glauben hat, auch wenn das die arme winzige Priesterbruderschaft sein sollte! Ja, sie ist winzig und arm, weil sie abgesehen von ihrem katholischen Glauben ganz unbedeutend ist.

Ach, Benedikt XVI. ist mehr konziliar als katholisch eingestellt! Nun aber hat das Konzil den Menschen über Gott gestellt und deswegen im Namen der ökumenischen Einheit der Menschen die geoffenbarte Lehre Gottes, den Glauben der Kirche, fortwährend untergraben. Deshalb ist Benedikt XVI. unfähig zu begreifen – außer durch ein Wunder -, was die nach der wahren Glaubenslehre ausgerichtete Haltung der Priesterbruderschaft wirklich bedeutet. Doch wieviele Katholiken sind dagegen gefeit, vom sanften und freundlichen Übergang des Papstes von viel Wahrheit (1, 2) zur Unterhöhlung der Wahrheit (3) getäuscht zu werden? Nur wenige! Der Irrtum ist so schwerwiegend, wie er fein ersonnen und ausgedrückt ist! Wir müssen für das erwähnte Wunder beten.

Kyrie eleison.