Theologie

GREC – III.

GREC – III. on April 6, 2013

In dem Wunsch, an die Stelle Gottes sich zu setzen, strebt der moderne Mensch danach, Gottes Ordnung durch seine eigene zu ersetzen. Doch Gottes Ordnung ist wirklich und existiert außerhalb und unabhängig vom menschlichen Geist. Also entkoppelt der moderne Mensch seinen Geist von dieser Wirklichkeit, und wählt aus ihr nur jene Teile aus, welche er in seine eigene Phantasiewelt einbauen will. Nun kommt die höchste Ordnung von Gottes Schöpfung am besten in der Doktrin, also in der Glaubenslehre seiner Kirche zum Ausdruck. Daher leiden all jene heutigen Kirchenmänner und Laien, welche unter dem Einfluß des angeblich „Normalen“ um sie herum stehen, an einer tiefgehenden Weigerung oder Ignoranz gegenüber der Natur und Notwendigkeit von Doktrin.

Damit sind wir auch beim wesentlichen Problem der GREC-Gruppe angelangt ( G roupe de R éflexion E ntre C atholiques ), welche in den zwei früheren Ausgaben der „Eleison Kommentare“ Nr. 294 und 295 vorgestellt wurden. Die im Jahre 1997 in Paris gegründete GREC-Gruppe verfolgte das Ziel, freundschaftliche Treffen und den Austausch zwischen den Katholiken der Tradition und denen der Amtskirche zu fördern, um ein Klima des gegenseitigen Vertrauens und Respektes zu schaffen, was dann die Versöhnung der beiden Lager erleichtern und schließlich ihre unnötige Entfremdung beenden sollte. Solch ein Ansinnen übersieht allerdings auf sehr ernsthafte Weise die Bedeutung von Doktrin. Das muß nicht unbedingt vorsätzlich geschehen sein, und Gott wird darüber richten. Doch wie der törichte Mensch auch denken mag, fest steht, daß ebensowenig wie die Wirklichkeit die Doktrin sich beiseite schieben lassen wird.

Hw. Lelong beschreibt in seinem GREC-Buch namens Für die notwendige Versöhnung, wie der Generalobere und zwei Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X. „einen entscheidenden Beitrag zur Gründung und Fortführung von GREC leisteten.“ Schon vor der Gründung empfing der Bruderschaftspriester Pater du Chalard in seinem Bruderschafts-Priorat den Hw. Lelong freundlich, und „versäumte auch in den folgenden Jahren nie, GREC diskret und aufmerksam zu unterstützen.“ Pater Lorans war damals Rektor des Bruderschafts-Institutes in Paris und hat bis heute entscheidenden Einfluß auf die Bruderschafts-Publikationen. Er begrüßte bei der Gründung der GREC-Gruppe die Idee eines „Dialogs zwischen Katholiken“ ausdrücklich und erhielt wenig später vom Bruderschafts-Generaloberen in der Schweiz die förmliche Erlaubnis zur Teilnahme an GREC. Seither spielt Pater Lorans bei allen Aktivitäten der GREC-Gruppe eine führende Rolle.

Diese Aktivitäten begannen im kleinen Maßstab und privaten Bereich. Ihr erstes öffentliches Treffen, wozu Pater Lorans beitrug, hielt die GREC-Gruppe im Mai des Jahres 2000 mit 150 Teilnehmern ab. Die Treffen häuften sich, und weitere Bruderschaftspriester nahmen an ihnen teil. Kirchenautoritäten bis zu den höchsten Rängen wurden regelmäßig darüber konsultiert und informiert. Pater Lorans ermöglichte seinerseits „einen Kontakt mit vertiefendem Vertrauen“ und freundschaftlichen Austausch mit dem Generaloberen der Bruderschaft. Ab dem Jahre 2004 öffneten die GREC-Treffen sich einem noch weiteren Publikum. Im September desselben Jahres entstand dann eine „theologische Arbeitsgruppe,“ bestehend aus Pater Lorans, einem weiteren Bruderschaftspriester, sowie einem römischen Theologen. Die beiden letztgenannten waren dann auch Teilnehmer bei den Lehrgesprächen zwischen Rom und der Priesterbruderschaft in den Jahren 2009 bis 2011. Die GREC-Gruppe dürfte in diesen Lehrgesprächen durchaus das Wahrwerden ihrer kühnsten Hoffnungen gesehen haben – endlich trafen die Theologen sich in einem Klima, zu welchem die GREC-Gruppe „für die notwendige Versöhnung“ so viel beigetragen hatte.

Gott sei Dank gaben diese Lehrgespräche der Doktrin wieder ihre zustehende Vorrangstellung zurück, denn sie belegten die unüberbrückbare Kluft zwischen der katholischen und der konziliaren Lehre. Doch blockierte diese Erkenntnis dann die GREC-Denkweise innerhalb der Priesterbruderschaft? Weit gefehlt. Das Generalhaus der Bruderschaft wechselte über Nacht das vorige Motto „Ohne lehrmäßige Einigung keine praktische Einigung“ gegen das neue Motto aus: „Keine lehrmäßige Einigung, also verfolgen wir eine praktische Einigung“! Leider wurde das Protestaufkommen in der Bruderschaft im Frühling letzten Jahres durch das Generalkapitel-Treffen im Juli vernebelt und erstickt, während das Streben nach einem praktischen Abkommen vonseiten des Generalhauses fast unverändert weitergeht.

„Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn,“ insbesondere in der Weihe Rußlands. Sonst nirgendwo.

Kyrie eleison.

GREC – II.

GREC – II. on März 9, 2013

Bevor wir mit der Geschichte des GREC fortfahren – jene Pariser Gruppe von Laien und Klerikern, welche seit den späten 1990er-Jahren die Vereinigung zwischen dem Zweiten Vatikanum und der katholischen Tradition anstrebt –, betrachten wir die Grundhaltung der GREC-Teilnehmer. Die Zukunft der Kirche hängt von jenen Katholiken ab, welche den Denkfehler der GREC-Gruppe begreifen, d.h. wie die modernen Menschen den Bezug zur Wahrheit verlieren. Um diese Haltung zu illustrieren, werden wir vier Abschnitte betrachten – willkürlich aus dem Buch Für die notwendige Versöhnung des Neukirchenpriesters Hw. Michel Lelong entnommen –, welche für dutzende anderer Stellen im Buch typisch sind. Die ersten beiden Zitate stammen aus einem Brief, den Hw. Lelong, einer der Gründer vom GREC, im Juli 2008 an den Papst schrieb:—

„Auch wir wünschen uns die Aufhebung der Exkommunikationen (der vier Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X. im Jahre 1988) , und daß die Priesterbruderschaft ihren Platz in der Kirche wiedererlange, der sie so viel zu geben hat. Darum bitten wir die Bruderschaftsoberen, ihre streitlustigen Aussagen und Schriftstücke einzustellen, die den Heiligen Stuhl kritisieren.“ Kommentar: (Ist dies in den letzten zehn Jahren nicht geschehen?) Aber wenn Streitlust wirklich ein solches Übel ist, warum war dann eine ganze Reihe von Kirchenvätern – und Erzbischof Lefebvre – so streitlustig? Streitlust ist nur dann so schlecht, wenn die Einheit so gut ist. Doch die Einheit ist nur in dem Maße gut wie das ihr zugrundeliegende, einigende Element.

„In unserer Gesellschaft, die versucht wird von Materialismus, Indifferentismus und Sektierertum, sollten alle Katholiken gemeinsam bemüht sein, Ihrer Bitte, Hl. Vater, zu entsprechen und Christi Empfehlung zu folgen: »Sie sollen eins sein, damit die Welt glaube.«“ Kommentar: „Geeint“ durch was? Geeint durch die katholische Wahrheit – oder durch die Lüge, wonach katholische Wahrheit vereinbar sei mit dem Zweiten Vatikanum? Dann ist die erste und entscheidende Frage für die katholische Einheit, wo wir denn die katholische Wahrheit finden. GREC hingegen überläßt diese Fragen der Wahrheit den „Theologen.“ Können also Nicht-Theologen sogar durch Lügen gerettet werden?

Nun nahm Benedikt XVI. diesen Brief von Hw. Lelong so wohlgefällig auf, daß die Leiter und einige Befürworter der GREC-Gruppe einige Monate später erneut an ihn schrieben. Es folgen zwei weitere Zitate aus diesem zweiten Brief an den Papst:—

„Gewiß waren wir betrübt, daß die Bruderschaftsoberen die neulich vom Heiligen Stuhl gemachten Angebote nicht angenommen haben. Doch sind wir uns im klaren, daß das Heilen von Wunden unter Katholiken immer Großmut und Geduld braucht, um das Vertrauen auf beiden Seiten wieder zu festigen und Versöhnung möglich zu machen.“ Kommentar: Können denn Wunden nur heilen, aber niemals zugefügt werden? Gebrauchte nicht unser Herr selber zweimal die Peitsche auf die Rücken der Geldverleiher im Tempel? Es gibt einen Gott, dessen Ehre vor allem zu verteidigen ist. Im Gegenteil können die Menschen so schlecht sein, daß sie nur noch den Peitschenhieb verstehen – sei er nun körperlicher oder verbaler Natur.

„Wir denken, daß die Aufhebung der Exkommunikationen einen unwiderstehlichen Prozeß des Sich-näher-Kommens in Gang setzen würde, der in einer Übereinkunft des Heiligen Stuhls mit der Priesterbruderschaft münden könnte oder wenigstens mit einem großen Teil der Bruderschaftskleriker und -gläubigen.“ Kommentar: Tatsächlich brachten die freundschaftlichen Kontakte zwischen Rom und der Bruderschaft im Januar 2009 einen solchen Prozeß in Gang. Nur ein gewisser Ausbruch der schrecklichsten Häresie der Neuzeit – des „Antisemitismus“ – mitten aus der Bruderschaft lähmte diesen Prozeß. Doch entweder ist eine katholische Versöhnung mit dem Zweiten Vatikanum kein Problem, oder aber die göttliche Vorsehung bewirkte den erwähnten „Ausbruch,“ denn er verhinderte – wenigstens für eine Weile – die falsche Versöhnung.

Abschließend sehen wir, daß die GREC-Gruppe, wie Millionen von modernen Katholiken, insbesondere die Einheit, Nicht-Streitlust, Versöhnung, Übereinkunft usw. sucht. Doch wo unter all diesen süßen Gefühlsduseleien spielt der Gott der Wahrheit eine Rolle? Ist er nur ein Zucker-Papi, welcher die Lügen der Menschheit absegnet, so lange sie nur einmütig lügen?

Kyrie eleison.

GREC – I.

GREC – I. on März 2, 2013

Vor etwas mehr als einem Jahr wurde in Frankreich ein kleines, 150seitiges Buch veröffentlicht, welches die Oberen einer gewissen Bruderschaft in große Verlegenheit bringen muß. Denn dieses Buch belegt, daß ihre Bestrebung nach Vereinigung mit der Neukirche viele Jahre zurückreicht – mindestens bis in die 1990er-Jahre. Wenn die Oberen stolz auf diese Einigungsbestrebung sind, so werden sie freilich nicht verlegen sein. Wenn sie allerdings diese Bestrebung seit vielen Jahren zu verschleiern suchen, so mögen zumindest die Leser dieses kleinen Buches aufwachen.

Ein Priester der Neukirche, Hw. Michel Lelong, schrieb dieses Buch und gab ihm den Titel „Für die notwendige Versöhnung“; zweifellos, weil er unverhohlen stolz ist auf seine Führungsrolle beim Versuch der GREC-Gruppe, die „notwendige Versöhnung“ herbeizuführen zwischen dem Zweiten Vatikanum und der Tradition, oder genauer gesagt zwischen den römischen Autoritäten und der Priesterbruderschaft St. Pius X. Im Jahre 1948 zum Priester geweiht und bereits vor dem Zweiten Vatikanum stark eingebunden in interreligiöse Beziehungen, begrüßte er „mit Freude und Hoffnung“ (kommt uns das bekannt vor? – Gaudium et spes? ) das Konzil, welches danach streben würde, die Kirche mit der modernen Zeit zu verbinden. Einer seiner Laienmitarbeiter bei dieser Arbeit war der angesehene französische Diplomat und Regierungsbeamte Gilbert Pérol, französischer Botschafter im Vatikan von 1988 bis 1992.

Als berufsmäßiger Diplomat und praktizierender Katholik glaubte Pérol fest an die Versöhnung der wahrhaft katholischen Priesterbruderschaft mit dem doch gewiß katholischen Vatikan. Wie hatte es überhaupt zu diesem Zusammenprall zwischen den beiden kommen können? Waren denn nicht beide katholisch? Der Zusammenstoß war ihm nicht nachvollziehbar. Also entwarf er im Jahre 1995 in einem kurzen Text eine Lösung, welche als Grundsatzpapier für eine Pariser Denkfabrik von Katholiken fungierte: der GREC ( Groupe Réflexion Entre Catholiques ). Pérols Text verdient einen Augenblick unsere Aufmerksamkeit, weil er das Anliegen von Millionen von Katholiken ausdrückt, welche ab den 1960er Jahren zwischen dem Konzil und der Tradition hin- und hergerissen waren.

Obwohl er kein Theologe sei, so Pérol, erfordere die derzeitige Situation in Kirche und Welt, daß das Problem der durch das Konzil gespaltenen Katholiken „mit ganz neuen Begrifflichkeiten dargelegt werden müsse.“ Eher als Diplomat schlägt er somit vor, daß Rom einerseits zugeben solle, den Tridentinischen Meßritus schlecht behandelt zu haben und daß es die Exkommunikationen von 1988 aufheben möge, während andererseits die Priesterbruderschaft das Konzil nicht rundweg ablehnen dürfe, und außerdem anerkennen müsse, daß Rom immer noch die höchste Kirchenautorität sei.

Mit anderen Worten schlug Pérol als echter Diplomat vor, daß, wenn nur jede Seite ein paar Schritte auf die andere zugehen würde, so dem schmerzlichen Zusammenprall zwischen Konzil und Tradition ein Ende gesetzt werden könnte, und fortan alle Katholiken „glücklich miteinander bis ans Ende ihrer Tage leben“ könnten. Auf diese Weise würde er und Millionen Katholiken nicht länger damit konfrontiert sein, entweder Rom zuliebe der Tradition, oder die Tradition zuliebe Rom verlassen zu müssen. Einfach entzückend. Endlich zurück in den Komfortbereich der 1950er Jahre. Doch diese Zeit ist für immer vergangen. Wo also liegt Pérols Denkfehler?

Der Fehler liegt gleich im Anfang von Pérols Ausführung, wo er sagt, daß er kein Theologe sei. Fürwahr mag er kein fachmännischer Theologe, wohl aber muß jeder Katholik ein Laientheologe sein, oder besser gesagt muß jeder seinen Katechismus gut kennen. Denn Glaubensfragen kann der Katholik nur im Licht der Lehre ebendieses Katechismus beurteilen. Die Warnung unseres Herrn, die Schafe von den Wölfen zu unterscheiden (Matthäus 7,15–20) war nicht nur für berufsmäßige Theologen gemünzt. Pérols Lossagung von der „Theologie“ zugunsten seiner Diplomatie ist ein weiteres Beispiel vom Unvermögen des modernen Menschen, die Wichtigkeit der Glaubenslehre zu begreifen. Dieses Unvermögen ist die wichtigste Lektion, welche wir aus diesem Buch über GREC zu lernen haben.

Kyrie eleison.

Zwei Irrtümer

Zwei Irrtümer on Juni 30, 2012

Ungewiß dessen, ob die Priesterbruderschaft St. Pius X. ihre derzeitige schwere Prüfung überlebt, werden die Liberalen immer wieder mit ihren falschen Argumenten sie zum Selbstmord zu überreden versuchen. Betrachten wir zwei solche liberale Argumentationsweisen:

In den jüngsten Debatten über die Frage, ob die Bruderschaft eine praktische, nicht-dogmatische Vereinbarung mit dem konziliaren Rom akzeptieren solle, kam das erste und einfältige der beiden Argumente immer wieder auf den Tisch: Weil ein katholischer Oberer (oder mehrere) von Gott Standesgnaden erhalten, sollten sie nicht kritisiert werden, sondern automatisch als vertrauenswürdig gelten. Erwiderung darauf: Freilich bietet Gott jedem von uns (nicht nur den Oberen) und zu jeder Zeit jene natürliche Unterstützung bzw. übernatürliche Gnade an, die wir zum Erfüllen unseres Standespflichten benötigen. Doch obliegt es unserem freien Willen, diese Gnade wirken zu lassen oder sie zu verweigern. Hätten alle Kirchenoberen stets ihre Standesgnaden wirken lassen, wie hätte es dann jemals einen Judas Iskariot oder ein Zweites Vatikanisches Konzil geben können? Das Argument mit der Standesgnade ist so albern wie einfältig.

Das zweite Argument ist ernsthafter. Herr J.L. brachte es im vergangen Monat in einem zehnseitigen Artikel in einer konservativ-katholischen, englischen Zeitschrift vor. Sein Artikel befürwortete ein praktisches Abkommen zwischen Rom und der Bruderschaft. Im folgenden fasse ich sein Argument zwar gekürzt, aber doch passend zusammen: Die katholische Kirche sei heutzutage unter heftigem Beschuß. Erstens von außen, beispielsweise durch die US-Regierung. Zweitens von innen, beispielsweise durch Bischöfe, welche zwar ihr gemütliches Leben lieben, aber von ihrer Theologie keinerlei Ahnung haben. Drittens und schlimmstens von einer Vatikanischen Verwaltung, die von lauter Skandalen und internen Machtkämpfen geprägt ist. Der Papst sei von allen Seiten belagert und warte nur auf die Priesterbruderschaft, damit diese den gesunden Einfluß der kirchlichen Vergangenheit in der Kirche wieder herzustellen helfe. An diese Vergangenheit glaube der Papst ja, selbst wenn er gleichzeitig an das Zweite Vatikanum glaubt. Msgr. Bux habe dem päpstlichen Aufruf seine Stimme verliehen, als er sagte: Wenn doch die Bruderschaft endlich dem Papst entgegenkommen und eine praktische Vereinbarung akzeptieren würde, so könnte davon nicht nur die Gesamtkirche profitieren, sondern auch die Bruderschaft selber. Der ehemals hochrangige Bruderschaftspriester Hw. Aulagnier erkenne dies ganz klar.

Lieber J.L., für Ihre Liebe zur Kirche, für das Erkennen der Kirchenprobleme, für Ihre Sorge um den Papst und Ihren Wunsch, ihm zu helfen, erhalten Sie eine Bestnote. Doch für Ihre Einschätzung davon, was die Ursachen dieser Kirchenprobleme sind und was die Priesterbruderschaft überhaupt ist, erhalten Sie keine so gute Note. Wie unzählige andere Seelen in der heutigen Kirche und Welt (einschließlich Hw. Aulagnier) verkennen Sie leider die absolut grundsätzliche Bedeutung der Glaubenslehre.

Die US-Regierung greift die Kirche deswegen an, weil letztere schwach ist. Die Schwäche der Kirche wiederum liegt im armseligen Verhalten der Bischöfe begründet, welches auf ihrem armseligen Erfassen der Kirchenlehre fußt – der Lehre von Himmel, Hölle, Sünde, Verdammnis, Erlösung, erlösender Gnade und dem stets gegenwärtigen Opfer des Erlösers innerhalb der wahren Messe. Die Bischöfe haben deswegen ein so armseliges Verständnis von diesen weltrettenden Wahrheiten, weil neben anderem der Bischof aller Bischöfe selber nur zur Hälfte an diese Wahrheiten glaubt. Der Papst glaubt nur zur Hälfte an diese Wahrheiten, weil seine andere Hälfte an das Zweite Vatikanum glaubt. Dieses Zweite Vatikanische Konzil untergräbt die wahre Religion Gottes völlig – durch die überall in den Konzilsdokumenten plazierten, tödlichen Zweideutigkeiten (was Sie ja erkennen), die eig ens entwickelt wurden, um den Menschen an die Stelle Gottes zu setzen.

Eine falsche Glaubenslehre ist das Grundproblem, lieber J.L. Durch die Gnade Gottes hat die Priesterbruderschaft St. Pius X. bis jetzt zwar die wahre Lehre Jesu Christi hochgehalten. Doch wenn die Bruderschaft sich nun unter die kirchlichen Autoritäten stellen würde, welche bestenfalls nur zur Hälfte an diese Wahrheiten glaubt, so würde die Bruderschaft bald aufhören, den Irrtum anzugreifen (was bereits jetzt geschieht), und am Ende selber den Irrtum befördern – und mit dem Irrtum einhergehend alle Schrecken, die Sie in Ihrem Artikel nannten. Gott bewahre!

Kyrie eleison.

Benedikts Denken – II.

Benedikts Denken – II. on Juli 16, 2011

Wir können die Studie Bischof Tissiers über das Denken von Papst Benedikt XVI. in vier Teile einteilen. Nach dem einleitenden ersten Teil beschreibt der zweite die philosophischen und theologischen Wurzeln des Papstes Denken. Der Bischof folgt hier der großen Enzyklika „Pascendi“ des Hl. Pius X., wenn er im ersten Schritt die Philosophie behandelt. Ist eine Weinflasche in ihrem Inneren verschmutzt, so verdirbt selbst der beste hineingegossene Wein. Entsprechend gilt: Ist der menschliche Verstand von der Wirklichkeit losgelöst – wie es bei der modernen Philosophie der Fall ist –, dann wird selbst der durch diesen Verstand gefilterte katholische Glaube orientierungslos. Denn der Verstand wird nicht mehr länger an der Realität ausgerichtet. Genau hierin liegt das Problem von Papst Benedikt versteckt.

Wie schon der hl. Pius X. macht auch Bischof Tissier den deutschen Aufklärer Immanuel Kant (1724–1804) für diese Katastrophe im Denken der modernen Menschen hauptverantwortlich. Kant brachte das System des „Anti-Denkens“ zum Abschluß, das heute überall vorherrscht und Gott aus dem verstandesmäßigen Diskurs ausschließt. Nun behauptet Kant, daß der Verstand von einem vorliegenden Gegenstand – dem Objekt – nichts wissen kann außer dem, was die Sinne wahrnehmen. Somit kann also der Verstand die Wirklichkeit hinter den sinnlichen Erscheinungen beliebig rekonstruieren und die objektive Wirklichkeit als unerkennbar vom Tisch fegen. Dadurch wird also der Handelnde – das Subjekt – zum absoluten Herrscher. Somit ist es zwar schön und gut, wenn dieses Subjekt Gott braucht und seine Existenz zugibt, doch andernfalls hat der liebe Gott sozusagen Pech!

Bischof Tissier präsentiert sodann fünf moderne Philosophen, die alle mit dem Wahnsinn des kantianischen Subjektivismus ringen, wonach die menschliche Vorstellung über der Wirklichkeit und das Subjekt über dem Objekt stünde. Die beiden wichtigsten Vorreiter des Denkens des Papstes dürften Heidegger als Vater des Existentialismus (1889–1976), und Buber (1878–1965) als ein führender Vertreter des Personalismus sein. Wenn, wie Kant behauptet, das nichtsinnliche Wesen der Dinge unerkennbar ist, dann bleibt nur noch die bloße Existenz übrig – wobei die Person die wichtigste Existenz ist. Nun liegt jedoch bei Buber die Beschaffenheit der Person in der „Intersubjektivität,“ d.h. in der „Ich-Du“-Beziehung zwischen subjektiven Personen. Erst diese Beziehung öffnet für Buber den Weg zu Gott. Demnach hängt das Wissen um Gott von der subjektiven Beteiligung des Menschen ab, womit dieses Wissen auf einer äußerst unsicheren Grundlage steht.

Dennoch ist diese Beteiligung des menschlichen Subjekts der Schlüssel zum theologischen Denken Benedikts, welches an erster Stelle durch die renommierte Tübinger Schule beeinflußt wurde, wie Bischof Tissier erklärt. Johann Sebastian Drey (1777–1853) gründete diese Tübinger Schule, die lehrt, daß die Geschichte durch den Zeitgeist in beständiger Bewegung gehalten wird und Jesus Christus dieser Geist ist. Demnach gilt nicht mehr länger, daß Gottes Offenbarung mit dem Tode des letzten Apostels Christi abgeschlossen ist und mit der Zeit lediglich vertieft wird. Sondern vielmehr besitzt nun die Offenbarung einen ständig sich entwickelnden Inhalt, zu welchem das empfangende Subjekt beiträgt. Somit hat nach dieser Schule auch die Kirche zu jeder Zeit einen aktiven und nicht nur passiven Anteil an der Offenbarung; außerdem gibt sie der vergangenen Tradition erst seine jetzige Bedeutung. Klingt das nicht vertraut, etwa so wie bei der im „Eleison-Kommentar“ Nr. 208 beschriebene Hermeneutik von Dilthey?

Auf dieselbe Weise ist auch für Benedikt XVI. Gott weder ein eigenständiger Gegenstand, noch lediglich objektiv, sondern Gott ist ein persönliches „Ich,“ das sich mit jedem menschlichen „Du“ austauscht. Zwar kommen die Hl. Schrift und die Tradition noch, objektiv gesehen, vom göttlichen „Ich,“ aber gleichzeitig muß das lebende und sich bewegende „Du“ beständig die Hl. Schrift neu auslegen. Weil aber die Hl. Schrift die Grundlage der Tradition ist, muß auch die Tradition durch die Beteiligung des Subjekts beweglich werden und kann keineswegs eine „versteinerte“ Tradition wie bei Erzbischof Lefebvre bleiben. Auf ähnliche Weise muß auch die Theologie subjektiviert und der dogmatische Glaube zur persönlichen „Erfahrung“ mit Gott werden. Selbst das Lehramt muß demnach aufhören, unbeweglich zu sein.

„Verflucht der Mann, der auf Menschen vertraut und auf gebrechliches Fleisch sich stützt und dessen Gesinnung vom Herrn abweicht!“ (Jeremias 17,5)

Kyrie eleison.

Benedikts Denken – I.

Benedikts Denken – I. on Juli 9, 2011

Der „Eleison Kommentar“ vom 18. Juni 2011 versprach eine Folge von vier Ausgaben, welche die „Verwirrung“ in der „Glaubensweise“ von Papst Benedikt XVI. aufzeigen. Die Folge stellt eine Zusammenfassung des wertvollen Traktats dar, welches Bischof Tissier de Mallerais als einer der vier Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X. vor zwei Jahren über Benedikts Denken schrieb. Das Traktat heißt „Der Glaube, gefährdet durch die Vernunft“ („The Faith Imperilled by Reason“), und der Bischof bezeichnet es als „schlicht“ – trotzdem deckt es das grundsätzliche Problem des Papstes auf, d.h. wie man den katholischen Glauben der Kirche vollständig bekennen kann, ohne die Werte der modernen Welt verurteilen zu müssen. Das Traktat belegt, daß eine solche Glaubensweise zwingendermaßen verwirrt ist, auch wenn der Papst selber noch irgendwie glaubt.

Das Traktat besteht aus vier Teilen. Nach einer wichtigen Einführung in die „Hermeneutik der Kontinuität“ untersucht der Bischof kurz die philosophischen und theologischen Wurzeln des päpstlichen Denkens. Im dritten Teil legt er dann die Früchte dieses Denkens dar im Hinblick auf die Hl. Schrift, das Dogma, die Kirche und Gesellschaft, die Christkönigsherrschaft und die letzten Dinge. Der Bischof schließt sein Traktat dann mit einem maßvollen Urteil über den Neuglauben des Papstes – sehr kritisch, aber voller Respekt. Beginnen wir mit einem Überblick der Einleitung:—

Das grundlegende Problem von Benedikt XVI. ist – wie eigentlich für uns alle – der Gegensatz zwischen dem katholischen Glauben und der modernen Welt. So erkennt der Papst zum Beispiel durchaus, daß die moderne Wissenschaft amoralisch, die moderne Gesellschaft säkular und die moderne Kultur multireligiös ist. Er ortet den Gegensatz als zwischen Glaube und Vernunft bestehend – zwischen dem Glauben der Kirche und der von der Aufklärung des 18. Jahrhunderts herausgearbeiteten Vernunft. Allerdings ist er davon überzeugt, beide auf eine solche Weise auslegen zu können und zu müssen, daß sie in Einklang zueinander stehen. Dieser Überzeugung entsprang seine intensive Teilnahme am Zweiten Vatikanum, denn dieses Konzil versuchte gleichfalls, den katholischen Glauben mit der modernen Welt zu versöhnen. Die traditionellen Katholiken halten dieses Konzil allerdings für mißlungen, weil seine Grundsätze mit dem wahren Glauben unvereinbar sind. Daher rührt Papst Benedikts „Hermeneutik der Kontinuität,“ d.h. sein System der Auslegung, welches zeigen will, daß es keinen Bruch zwischen katholischer Tradition und dem Zweiten Vatikanum gegeben hat.

Die Grundsätze der Benediktschen „Hermeneutik“ gehen zurück auf den deutschen Historiker Wilhelm Dilthey (1833 – 1911). Dieser behauptete, daß die innerhalb der Geschichte auftretenden Wahrheiten nur innerhalb ihrer jeweiligen Geschichte verstanden werden können, und daß die den Menschen betreffenden Wahrheiten grundsätzlich nur unter Beteiligung des jetzigen menschlichen Subjekts in der jeweiligen Geschichte verstehbar seien. Um den Kern von Wahrheiten aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu übertragen, müssen demnach alle Bestandteile aus dieser Vergangenheit, welche heute belanglos sind, entfernt und mit Bestandteilen ersetzt werden, welche in der jetzigen Zeit wichtig sind. Benedikt wendet diesen zweistufigen Vorgang der „Reinigung und Bereicherung“ auf die Kirche an. So meint er einerseits mit der Vernunft den Glauben von seinen Fehlern der Vergangenheit reinigen zu müssen, beispielsweise den früheren Absolutismus. Andererseits muß man – so meint er – mit Hilfe des Glaubens die Vernunft der Aufklärung im Hinblick auf ihre Angriffe gegen die Religion mäßigen, und sie daran erinnern, daß ihre menschlichen Werte, ihre Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit alle ihren Ursprung in der Kirche hätten.

Der große Denkfehler des Papstes liegt hier darin begründet, daß die Wahrheiten des katholischen Glaubens – auf welchen die christliche Zivilisation erbaut war und worauf ihre schwachen Reste immer noch ruhen – ihren Ursprung keinesfalls innerhalb der menschlichen Geschichte haben, sondern im ewigen Schoß des unveränderlichen Gottes. Es sind ewige Wahrheiten, aus der Ewigkeit und für die Ewigkeit. „Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen,“ spricht unser Herr (Matthäus 24,35).

Weder vermag Dilthey noch scheinbar Benedikt XVI. sich solche Wahrheiten vorzustellen, welche die menschliche Geschichte und vor allem ihre Aufbereitung weit überragen. Wenn der Papst denkt, daß er durch solche Zugeständnisse an die glaubenslose Vernunft deren Anhänger zum wahren Glauben bringen wird, so hat er falsch gedacht. Denn diese Anhänger verachten den Glauben dadurch nur noch mehr!

Nächstes Mal werden wir die philosophischen und theologischen Wurzeln von Papst Benedikts Denken betrachten.

Kyrie eleison.