Eleison Kommentare

April-Zweideutigkeit

April-Zweideutigkeit on September 8, 2012

Am 17ten April dieses Jahres legte die Priesterbruderschaft St. Pius X. Rom ein vertrauliches Dokument vor, von dem es hieß, daß es katholische Grundsätze darlegte, welche von allen Bruderschaftsoberen angenommen werden konnten. Mitte Juni wies Rom dieses Dokument als Basis für eine gegenseitige Vereinbarung allerdings zurück. Gott sei Dank, denn dieses Dokument enthielt eine äußerst gefährliche Zweideutigkeit. Kurz gesagt besteht sie aus der Frage, ob ein Ausdruck wie „Lehramt aller Zeiten“ das Lehramt bis 1962 oder das Lehramt bis 2012 meint. Hier geht es um nichts weniger als um den Unterschied zwischen der Religion Gottes und der vom Menschen veränderten Religion Gottes: der Religion des Menschen. Betrachten wir die entsprechende Dokumentstelle, wie sie für die Bruderschaftsoberen am 18ten April zusammengefaßt wurde:—

„1) Die Tradition muß Kriterium und Leitfaden für das Verständnis der Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils sein. 2) Somit können die Aussagen des Konzils und der nachkonziliaren päpstlichen Lehre bezüglich des Ökumenismus, des interreligiösen Dialogs und der Religionsfreiheit nur im Lichte der vollständigen und ununterbrochenen Tradition verstanden werden; 3) auf eine Weise, die im Einklang mit den Wahrheiten steht, die vom früheren kirchlichen Lehramt gelehrt wurden; 4) und ohne irgendeine Auslegung zu akzeptieren, welche der Tradition und diesem Lehramt entgegensteht oder mit ihnen bricht . . .”

Die Zweideutigkeit – ob nun das Lehramt bis 1962 oder aber bis 2012 gemeint ist – lauert hier in den zwei Worten „Tradition“ und „Lehramt.“ Schließt hier die Verwendung der beiden Worte die Lehren des Konzils (von 1962–1965) und seine Folgen nun aus oder ein? Jeder Traditionskatholik wird diese Textstelle so verstehen, daß sie die Konzilslehren ausschließt, weil er den gewaltigen Unterschied zwischen der wahren Kirche und der Neukirche kennt. Doch ein Konzilsgläubiger kann die Textstelle so auslegen, daß er eine nahtlose Kontinuität zwischen der Kirche vor dem Konzil und der nachkonziliaren Kirche behaupten kann. Betrachten wir genauer, wie Traditionalisten auf der einen Seite und Konziliaristen auf der anderen Seite diese Textstelle jeweils auf ihre eigene Weise auslegen können.

Zuerst die traditionelle Lesart: „1) Die vorkonziliare Tradition muß Maßstab und Richtschnur über die Konzilslehren sein (und nicht umgekehrt). 2) Somit muß die Konzils- und nachkonziliare Lehre durch die gesamte traditionelle Lehre vor dem Konzil gesiebt werden; 3) so daß nichts im Gegensatz zur Lehre des kirchlichen Lehramtes vor dem Konzil steht; 4) ohne irgendeine Auslegung oder Textstelle zu akzeptieren, welche mit der vorkonziliaren Tradition und dem vorkonziliaren Lehramt bricht.“

Sodann die konziliare Lesart (sicherlich jener Römer, welche die heutige Kirche führen): „Die Tradition vor und nach dem Konzil (weil sie gleich sind) muß das Konzil beurteilen. 2) Somit muß die Konzilslehre über kontroverse Themen durch die eine und gesamte vor- und nachkonziliare Lehre gesiebt werden (weil nur das die „vollständige und ununterbrochene“ Tradition ist); 3) so daß nichts im Gegensatz zum vor- oder nachkonziliaren kirchlichen Lehramt steht (weil beide das gleiche lehren); 4) ohne eine Auslegung zu akzeptieren, welche mit der vor- oder nachkonziliaren Tradition und dem vor- oder nachkonziliaren Lehramt bricht (weil es zwischen den vieren keinen Bruch gibt).“

Die konziliare Lesart besagt also, daß das Konzil vom Konzil beurteilt wird. Das bedeutet natürlich, daß das Konzil freigesprochen wird. Im Gegensatz dazu verurteilt jedoch die traditionelle Lesart der Textstelle das Konzil aufs schärfste. Zweideutigkeiten sind tödlich für den wahren Glauben. Jemand will hier mit unseren katholischen Köpfen herumspielen. Ob einer oder mehrere – der Kirchenbann soll sie treffen!

Kyrie eleison.

Sechs Bedingungen

Sechs Bedingungen on September 1, 2012

In seinem offiziellen Brief vom 18. Juli 2012 an die Distriktoberen enthüllte der Generalsekretär der Priesterbruderschaft St. Pius X. die sechs „Bedingungen“ für eine künftige Vereinbarung zwischen Rom und der Bruderschaft. Anfang Juli 2012 arbeiteten die 39 Kapitelmitglieder diese Bedingungen in Besprechungen heraus. Diese Bedingungen unterstreichen gewiß eine besorgniserregende Schwäche aufseiten der gesamten Bruderschaftsführung.

Die erste „erforderliche Voraussetzung“ ist die Freiheit für die Bruderschaft, die unveränderliche Wahrheit der katholischen Tradition lehren und die Verantwortlichen der Irrtümer des Modernismus, Liberalismus und des Zweiten Vatikanum kritisieren zu dürfen. Soweit, so gut. Doch beachten wir, wie diese Vorstellung des Generalkapitels gegenüber Erzbischof Lefebvres Sichtweise sich geändert hat. Seine Anforderung lautete: „ Rom muß sich bekehren, weil die Wahrheit absolut ist.“ Doch dies bedingt das Generalkapitel nicht mehr aus, sondern schreibt nur noch: „Die Bruderschaft verlangt für sich die Freiheit, die Wahrheit zu verkünden.“ Anstatt den konziliaren Glaubensverrat anzugreifen, bittet die Bruderschaft nun die Verräter um Erlaubnis, die Wahrheit verkünden zu dürfen. „Oh meine Bürger, welch ein Fall war das!“ (William Shakespeare, „Julius Cäsar“)

Die zweite Bedingung sieht die ausschließliche Verwendung der 1962er-Liturgie vor. Wiederum schön und gut, weil die 1962er-Liturgie keinen Verrat am wahren Glauben darstellt im Gegensatz zur konziliaren Liturgie, welche ab 1969 von Rom verhängt worden ist. Aber werden wir denn nicht gerade Zeuge von den Vorbereitungen Roms, den traditionellen Kongregationen, welche sich unter die römische Autorität gestellt haben, ein Meßbuch der „gegenseitigen Bereicherung“ aufzuerlegen, indem die Tradition mit dem Novus Ordo gemischt wird? Wieso sollte die Bruderschaft davor geschützt sein, wenn sie sich erst Rom unterworfen hätte?

Die dritte Bedingung verlangt eine Garantie von mindestens einem Bischof. Doch die Schlüsselfrage lautet hier: Wer wählt diesen Bischof aus? Liebe Leser, springen Sie in diesem Text einer künftigen „Vereinbarung“ zwischen Rom und der Bruderschaft schnurstracks zu dem Absatz, welcher die Ernennung von Bischöfen regelt. Im Jahre 1988 schlug Rom vor, daß der Erzbischof drei Weihekandidaten vorschlägt und Rom dann einen auswählt. Doch Rom verschmähte alle drei vorgeschlagenen Kandidaten. Wann werden die Menschen endlich kapieren? Katholiken müssen kämpfen und immer weiter kämpfen in dieser gigantischen Schlacht zwischen der Religion Gottes und der Menschenreligion.

Die vierte Bedingung begehrt eigene Bruderschafts-Schiedsgerichte in erster Instanz. Doch wenn jedes höhere Amtskirchengericht die Entscheidungen eines niedrigeren Gerichtes aufheben kann, was für einen Wert hat dann ein katholisches Urteil eines Bruderschafts-Gerichtes noch?

Die fünfte Bedingung formuliert den Wunsch, daß die Häuser der Bruderschaft der Kontrolle durch die Diözesanbischöfe entzogen seien. Das ist einfach unglaublich. Fast 40 Jahre lang hat die Priesterbruderschaft für die Rettung des Glaubens gekämpft und ihre wahrheitsliebende praktische Glaubensausübung vor der Einmischung durch die Ortsbischöfe geschützt. Und nun kommt das Generalkapitel daher und spricht nur noch den Wunsch nach Unabhängigkeit von diesen Ortsbischöfen aus? Liebe Leser, die Priesterbruderschaft ist leider nicht mehr das, was sie einmal war. Sie ist in den Händen von Menschen, die anders als Erzbischof Lefebvre denken.

Und die sechste und letzte Bedingung wünscht eine in Rom einzurichtende Kommission, welche um die Tradition sich kümmern solle – mit einer starken Vertretung aus der Tradition, aber in „Abhängigkeit vom Papst.“ Abhängigkeit vom Papst? Sind die Konzilspäpste etwa nicht die Rädelsführer des Konziliarismus gewesen? Ist der Konziliarismus denn inzwischen kein Problem mehr?

Im Ergebnis sind diese sechs Bedingungen äußerst gravierend. Sollte die Bruderschaftsführung nicht aus ihrem Traum von einem Frieden mit dem Konzilsrom – so wie es sich ihr präsentiert – herausgerissen werden, so riskiert die letzte weltweite Bastion des katholischen Glaubens, vor den Glaubensfeinden zu kapitulieren. Vielleicht sind Bastionen inzwischen veraltet.

Liebe Freunde, bereiten Sie sich auf den Glaubenskampf von zuhause aus vor. Wandeln Sie Ihr Haus in eine Festung um.

Kyrie eleison.

Wer ist infiziert?

Wer ist infiziert? on August 25, 2012

Eines meiner liebsten Sprichworte ist ein chinesisches und lautet so: „Der weise Mensch macht sich Vorwürfe, der Narr hingegen den anderen Menschen.“ Offensichtlich heißt das nicht, daß niemals die anderen schuld wären. Doch im Normalfall vermögen wir wenig bis nichts am Verhalten der anderen zu ändern, während wir doch wenigstens theoretisch Herr über unsere eigenen Taten sind. Thomas von Kempen sagt in seinem Werk Die Nachfolge Christi, daß wir selten mit Gewinn an die Sünden der anderen denken, aber stets mit Gewinn an unsere eigenen Sünden.

Eine Leserin der „Eleison Kommentare“ (Ausgabe Nummer 263) ruft in einem Brief diese uralte Weisheit in Erinnerung, wenn sie über die „Konziliare Infektion“ sich beklagt, welche für sie daran erkennbar sei, wie in der Priesterbruderschaft St. Pius X. lateinische Messen durch Priester zelebriert und von Laien besucht werden. Wenn ich im folgenden ihre düsteren Beobachtungen zusammenfasse, so nicht deshalb, um Priester und Laien mit dunklen Aussichten zu belasten, sondern um jeden von uns zum Überprüfen seines eigenen Verhaltens anzuregen.

Ganz allgemein gesagt habe, so die Leserin, die „Konziliare Infektion“ bereits seit geraumer Zeit in den Kirchen und Kapellen der Bruderschaft schleichend Einzug gehalten. Sie geht so weit zu sagen, daß die Situation sich verschlechtere und gar verzweifelt sei, und daß der Schaden bereits verursacht sei. Scheinbar habe Latein einen Ehrenplatz über dem wahren Glauben eingenommen – so als ob alles erlaubt sei, wenn nur die Tridentinische Messe in lateinischer Sprache gefeiert wird. Die Laien würden es für normal halten, dort einfach nur anwesend zu sein, weil sie entweder nicht verstanden oder aber nicht bewahrt hätten, was die Hl. Messe wirklich ist. Viele Laien würden während der Hl. Messe tagträumen und die Hl. Kommunion dann, wie in der Neukirche, auf sehr ungebührliche Weise empfangen.

Die Leserin hält die Priester der Bruderschaft verantwortlich dafür, den Glauben bzw. die Hl. Messe nicht genügend dargelegt zu haben. Auch stellt sie im Hinblick auf deren Predigten manchmal die Frage, ob diese Priester überhaupt verstünden, was sie verkünden. Bisweilen, so die Leserin, wirke die persönlichen Vorstellungen des Priesters in Kombination mit seiner Predigt im Gesamtzusammenhang betrachtet bereits konziliar. Liturgische Regeln würden nicht beachtet, die Meßrubriken nicht konsequent eingehalten und der Meßkanon heruntergeleiert. Kurz gesagt sei diese Leserin nicht überrascht, daß eine ganze Reihe von Priestern und Laien der Bruderschaft der Neukirche sich anzuschließen bereit sei, oder im Geiste bereits zu dieser Neukirche gehöre.

Vernünftigerweise wird nun niemand behaupten, daß die düstere Beschreibung aus dem Leserbrief für alle Hl. Messen der Bruderschaft gelte. Dennoch gehört es zur Verderbtheit unserer Zeit, daß ein – wie von dieser Leserin beobachteter – Verfall heutzutage allzu normal ist. Denn der verderbliche Einfluß gefährdet gleichermaßen Priester und Laien, und er zwingt uns genau zu beobachten, ob die Verderbtheit sich nicht bereits in uns eingeschlichen hat. Schwester Lucia von Fatima sagte einmal in den 1950er-Jahren, daß die Laien sich nicht mehr länger darauf verlassen können, daß der Klerus alle Arbeit für die Gläubigen erledigt, damit sie in den Himmel kommen. Tatsächlich konnten die Laien sich nie blind darauf verlassen, aber auch heute stellt ein gewisser fauler „Gehorsam“ eine häufige Versuchung dar. Wenn die Laien gute Priester als geistliche Führer haben möchten und wenn sie nicht wollen, daß die Bruderschaft konziliar werde, dann sollen die Laien daran denken, ihr eigenes Haus in Ordnung zu bringen – beispielsweise durch die Eigenbeobachtung, wie sie und ihre Familien jeweils der Hl. Messe beiwohnen.

Wir Priester wiederum sollen die ernste Warnung des Propheten Ezechiel (Vers 3,17–21) an die geistlichen Hirten nicht vergessen: Wenn die Geistlichen dem Volk predigen, wie es sündigt, und es fährt trotzdem mit dem Sündigen fort, so wird Gott es bestrafen, jedoch die Seelenhirten dafür nicht zur Verantwortung ziehen. Wenn hingegen das Volk sündigt und die Geistlichen ihnen nicht vorhalten, inwieweit sie sündigen, so wird Gott die Seelenhirten für die Sünden des Volkes verantwortlich machen. „Denn die Zeit ist da, daß das Gericht seinen Anfang nehmen soll beim Hause Gottes.“ (Erster Petrusbrief 4,17)

Deswegen zählt, daß ein jeder von uns alles in seiner Macht stehende tut, um die Priesterbruderschaft davon abzuhalten, die „Konziliare Infektion“ einzufangen. Das ist heutzutage leichter gesagt als getan, aber wie schon der Hl. Paulus im Ersten Korintherbrief 4,3–5 vorschreibt: Jeder von uns soll auf seine eigenen Sünden schauen. Gott ist es, der richtet.

Kyrie eleison.

Nochmals Lehre

Nochmals Lehre on August 18, 2012

Die Verachtung der „Doktrin“ – also allgemein gesagt der „Lehre“ – ist heute ein schwerwiegendes Problem. Selbst die „besten“ Katholiken unseres 21. Jahrhunderts geben Lippenbekenntnisse über die Wichtigkeit der „Doktrin“ ab, während sie instinktiv meinen, daß sogar die katholische Lehre eine Art Gefängnis für ihren Verstand sei, und der Verstand eben nicht gefangen sein dürfe. In Washington DC steht im Inneren der Kuppel der Jefferson-Gedenkstätte – dem quasi-religiösen Tempel des berühmtesten Verfechters der Freiheit in den USA – folgende religiös wirkende Erklärung Jeffersons: Am Altar Gottes schwöre ich ewige Feindschaft gegen jede Form von Tyrannei über den Verstand des Menschen. Gewiß dachte er dabei unter anderem an die katholische Glaubenslehre. Die Quasi-Religion des modernen Menschen beinhaltet genau die Ablehnung jeder festen Doktrin.

Ein Satz aus einem kürzlichen „Eleison Kommentar“ (Nummer 263 vom 28. Juli 2012) liefert hingegen einen anderen Blickwinkel auf die Art und Bedeutung von „Doktrin“: Solange Rom an seiner Konzilslehre hängt, wird es eine solche (nicht-lehrmäßige) Vereinbarung notwendigerweise dazu verwenden, die Bruderschaft zum (Zweiten Vatikanischen) Konzil heranzuziehen. Anders formuliert: Die treibende Kraft hinter dem Bemühen Roms, angeblich die „Doktrin“ geringzuschätzen und die Priesterbruderschaft um jeden Preis konziliarisieren zu wollen, ist gerade Roms Glaube an seine eigene Konzilslehre. So wie die traditionelle katholische Glaubenslehre – hoffentlich – die treibende Kraft der Priesterbruderschaft St. Pius X. ist, so ist die Konzilslehre die Antriebsfeder von Rom. Beide Lehren prallen zwar aufeinander, aber dennoch sind beide jeweils eine treibende Kraft.

Anders gesagt ist also „Doktrin“ nicht lediglich ein Gedankengut in den Köpfen der Menschen beziehungsweise ein geistiges Gefängnis. Denn unabhängig davon, welche Gedanken ein Mensch zu fassen sich entschieden hat: seine wahre Doktrin besteht genau aus diesem Gedankengut, welches sein Leben antreibt. Obgleich der Mensch dieses Gedankengut ändern kann (z.B. wenn er sich bekehrt), so ist es doch ausgeschlossen, daß er kein Gedankengut hat. Der antike Denker Aristoteles formuliert es so: „Wenn Du philosophieren willst, so mußt Du philosophieren. Willst Du hingegen nicht philosophieren, so mußt Du dennoch philosophieren.“ Auf ähnliche Weise mögen Liberale zwar jedes feste Gedankengut als Tyrannei verachten, doch ist ihre Annahme, daß jedes Gedankengut eine Tyrannei sei, wiederum selber ein tragender Gedanke. Genau dieser tragende Gedanke treibt heute das Leben von Milliarden von Liberalen und viel zu vielen Katholiken an. Diese letzten sollten vernünftiger sein, aber leider liegt die Vergötzung der Freiheit im Wesen von uns modernen Menschen.

Richtig verstanden ist Doktrin also nicht nur ein eingrenzendes Gedankengut, sondern vielmehr die zentrale Vorstellung von Gott, vom Menschen und vom Leben, die das Leben jedes atmenden Menschen vorantreibt. Sogar wenn ein Mensch Selbstmord begeht, wird er dabei von der Vorstellung angetrieben, daß das Leben zu erbärmlich sei, um fortgesetzt zu werden. Beispielsweise treibt die Vorstellung vom Leben, wonach Geld das Wichtigste sei, einen Menschen zum Reichtum; die Vorstellung von der Lust als Mittelpunkt des Lebens macht den Menschen zum Lebemann; und die Vorstellung, daß alles von der Anerkennung abhänge, drängt den Menschen zum Berühmtwerden; usw. Die eigentliche Doktrin eines Menschen entspricht dem, wie er sich sein Leben zentral vorstellt.

Somit werden die konziliaren Römer vom Zweiten Vatikanum als ihrer zentralen Vorstellung angetrieben, die Priesterbruderschaft aufzulösen, weil diese das Zweite Vatikanum ablehnt. Solange die Römer dieses Ziel nicht erreicht haben oder ihre zentrale Vorstellung nicht ändern, solange werden sie sich angetrieben fühlen, die Bruderschaft von Erzbischof Lefebvre aufzulösen. Im Gegensatz dazu müßte die zentrale Vorstellung des Klerus und der Laien der Bruderschaft sie dazu antreiben, in den Himmel zu kommen – gemäß des Gedankengutes, daß es Himmel und Hölle gibt, und daß Jesus Christus und seine wahre Kirche den einen und einzigen Weg in den Himmel darstellen. Klerus wie Laien der Bruderschaft wissen, daß diese letzte antreibende Vorstellung, die völlig mit dem Gedankengut des Credos übereinstimmt, keine phantasievolle Eigenerfindung ist. Deswegen wollen sie auch nicht, daß diese Doktrin untergraben, unterlaufen oder verdorben werde von den armseligen Neo-Modernisten der Neukirche, welche von ihrer falschen Vorstellung von Gott, vom Menschen und vom Leben angetrieben werden. Der Zusammenprall beider Lehren findet auf ganzer Linie statt, wie die Lehrgespräche von 2009 bis 2011 bewiesen haben.

Dieser Zusammenprall ist außerdem unvermeidlich, selbst wenn die Liberalen es sich anders erträumen. Sollte diesmal die Unwahrheit auf Dauer gewinnen, so würden letztendlich die Steine die Wahrheit hinausschreien (vergleiche Lukas 19,40). Gewinnt hingegen die Wahrheit, so wird der Teufel trotzdem bis zum Ende der Welt einen Irrtum nach dem anderen hervorbringen. Doch unser Herr sagt: „Wer aber ausharrt bis zum Ende, der wird gerettet werden“ (Matthäus 24,13).

Kyrie eleison.

Respektierte Willensfreiheit

Respektierte Willensfreiheit on August 11, 2012

Daß Seelen in die ewige Hölle kommen (und viele Seelen wählen diesen Weg, siehe Matthäus 7,13 und 22,14), ist ein großes Drama. Ein Leser wirft dazu eine klassische Fragestellung auf, die zusammengefaßt so lautet: Entweder will Gott, daß Seelen verdammt werden, oder er will es nicht. Wenn er es will, so ist er grausam. Wenn er es aber nicht will und es dennoch geschieht, so kann er nicht allmächtig sein. Was ist Gott denn nun: grausam oder nicht allmächtig?

Stellen wir zuerst klar, daß Gott keine einzige Seele in die Hölle schickt. Jede der vielen verdammten Seelen schickte sich selber in die Hölle, durch eine Reihe von frei getroffenen Entscheidungen während ihrer Erdenzeit. Gott gab der Seele Leben, Zeit und einen freien Willen, sowie beliebig viele natürliche Hilfen und übernatürliche Gnaden, um diese Seele zu bewegen, für den Himmel sich zu entscheiden. Doch wenn die Seele all das verweigerte, dann läßt Gott sie eben das haben, was sie wollte: eine Ewigkeit ohne Ihn. Dieser Gottesverlust ist für eine Seele – welche ja von Gott einzig und allein erschaffen wurde, damit sie Ihn besitze – mit Abstand das grausamste aller Höllenleiden. Gott wünschte also für diese Seele, daß sie den Himmel wählte (siehe 1. Timotheusbrief 2,4: Gott wünscht, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen), aber er wollte dennoch das Böse zulassen, als diese Seele für die Hölle sich entschieden hat, damit Er aus diesem Bösen ein größeres Gut ziehen konnte.

Beachten wir die Verwendung der beiden Wörter „wünschen“ und „wollen.“ Etwas zu wollen ist kräftiger als etwas lediglich zu „wünschen.“ So kann beispielsweise ein Familienvater nicht wünschen, daß sein Sohn leidvolle Lebenserfahrungen machen muß. Doch in Anbetracht aller Begleitumstände kann der Vater dennoch wollen, daß der Sohn diese Leiden erfährt, weil der Vater genau weiß, daß dies der einzige Weg für seinen Sohn ist, zu lernen. Ähnlich ist es im Gleichnis vom Verlorenen Sohn, wo der Vater nicht wünschte, daß sein Sohn das Heim verlassen und das Erbe verprassen würde. Doch wollte der Vater ihn diesen Schritt dennoch unternehmen lassen – und er ließ ihn dann ja auch –, damit daraus etwas Gutes erwachse: die Rückkehr des dann reumütig gewordenen Sohnes, welcher durch das Erlebte ein trauriger, aber weiserer junger Mann geworden ist.

Auf dieselbe Weise wünscht Gott einerseits, daß alle Seelen gerettet werden, weil Er sie dafür erschuf und deswegen am Kreuz für alle Menschen gestorben ist. Ein großer Teil Seines Kreuzesleidens bestand genau aus dem Wissen, wieviele Seelen sich gegen ihr Erlöstwerden durch Seinen Kreuzestod entscheiden würden. Ein solcher Gott kann gewiß nicht als grausam angesehen oder bezeichnet werden. Andererseits will Gott nicht, daß alle Seelen gerettet werden, wenn sie es selber nicht wollen, weil wenn Er dies wollte, so würden alle Seelen wegen der Allmacht Gottes gerettet werden. Jedoch angesichts aller Begleitumstände würde Gott dadurch den freien Willen all jener Menschen außer Kraft setzen, welche sich aus freien Stücken gegen ihr Gerettetwerden entscheiden – d.h. Gott würde somit ihren freien Willen mißachten. Betrachten wir doch nur, wie leidenschaftlich die Menschen selber ihre Willensfreiheit wertschätzen: zum Beispiel wie ungern sie Befehle erhalten oder wie sehr sie ihre Unabhängigkeit lieben. Die Menschen erkennen durchaus, daß ihr freier Wille der Beleg dafür ist, nicht nur Tiere oder Roboter zu sein. Ähnlich zieht Gott es vor, seinen Himmel mit Menschenwesen zu bevölkern, anstatt mit Tieren oder Robotern. Aus diesem Grund will Er nicht, daß alle Menschen gerettet werden, wenn sie es selber nicht wollen.

Dennoch will Gott auch nicht, daß Menschen verdammt werden, weil das wiederum grausam von Ihm wäre. Er will lediglich zulassen, daß sie verdammt werden, und zwar angesichts der Umstände, daß einerseits die Seelen ihren aus freien Stücken gewählten Ort der Ewigkeit erfahren, und daß andererseits Sein Himmel mit menschlichen Wesen bevölkert ist, anstatt mit Tieren oder Robotern.

Folglich ist Gott keineswegs grausam, weil Er die Rettung aller Seelen wünscht. Und die Verdammnis vieler Seelen beweist nicht etwa eine fehlende Allmacht Gottes, sondern sie entspricht seiner Entscheidung, den freien Willen seiner Geschöpfe zu respektieren und seinem unendlichen Entzücken, jene Seelen mit seinem Himmel belohnen zu können, welche auf Erden ihn zu lieben gewählt haben.

Heilige Muttergottes, hilf mir, Deinen Sohn zu lieben und den Himmel zu wählen, jetzt und in der Stunde meines Todes.

Kyrie eleison.

Ein Kapitel

Ein Kapitel on August 4, 2012

Wie viele Leser bereits wissen, wurde auf der jüngsten Kapitelversammlung der Oberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. im schweizerischen Ecône ein gewisser Bischof aus dem Kapitel ausgeschlossen. Als Begründung für den Ausschluß wurde anscheinend der „Eleison Kommentar“ Nummer 257 vom 16. Juni 2012 herangezogen, welcher eine Adaption des Galaterbriefes 5,12 vornahm, wo der Hl. Paulus ausdrücklich das „Abschneiden“ der judaisierenden Zerstörer des katholischen Glaubens wünscht. Die Kirchenlehrer Ambrosius, Hieronymus, Augustinus und Chrysostomus denken jedoch allesamt, daß im Zusammenhang betrachtet der Paulinische Wunsch nicht das Leben, sondern das Mannestum der Judaisierer meint. Chrysostomus hält die Stelle sogar für scherzhaft gemeint.

Als ich jedoch hörte, wie ernst dieser Scherz auf dem Generalkapitel verwendet wurde, da hatte ich zugegebenermaßen eine neckische Vision: Ich stellte mir vor, wie die edlen Kollegen im Bruderschaftshauptquartier des Nachts durch das Fenster Ausschau hielten nach einem schlaksigen bischöflichen Engländer, welcher als „Jack der Ripper“ tief verkleidet in den Büschen herumschlich, ein langes, im Mondschein schimmerndes Tranchiermesser in der Hand, und welcher nach einem Opfer suchte, um es in Stücke schneiden zu können. Liebe Kollegen, schlafen Sie beruhigt, denn ich hege keine mörderischen Absichten. Wirklich!

Dennoch war das Kapitel eine ernsthafte Angelegenheit. Wie lautet sein Ergebnis? Es verabschiedete vor allem eine Erklärung, welche einige Tage später veröffentlicht wurde, sowie sechs Bedingungen für ein zukünftiges Abkommen zwischen Rom und der Bruderschaft. Durch ein Leck tauchten diese Bedingungen kurz danach im Internet auf (ich halte dieses Leck nicht für unvernünftig, wenn wir bedenken, wie viele Katholiken momentan ihren Glauben und ihr Seelenheil der Priesterbruderschaft anvertrauen). Zwar gebührt jenen guten Männern auf dem Generalkapitel alle Ehre, die mit all ihren Kräften den Schaden zu begrenzen versuchten. Wenn allerdings die Erklärung und die Vorbedingungen den jetzigen Geisteszustand der Bruderschaftsführung als Ganzes widerspiegeln, so gibt es ernsthaften Grund zur Sorge.

Vergleichen wir diese Erklärung des Jahres 2012 für ein paar Augenblicke mit der Grundsatzerklärung von Erzbischof Lefebvre aus dem Jahre 1974. Unverwandt müssen wir uns dann fragen, was aus der Bruderschaft geworden ist. Der Erzbischof verurteilte ausdrücklich und wiederholt die aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil hervorgegangene Reform („Da diese Reform vom Liberalismus und vom Modernismus ausgeht, ist sie völlig vergiftet. Sie stammt aus der Häresie und führt zur Häresie . . .”), und zog dadurch den Zorn der Konzilspäpste auf sich. Im Gegensatz dazu erwähnt die Erklärung von 2012 nur einmal das Konzil mit seinen „Neuerungen,“ welche lediglich „mit Irrtümern befleckt“ seien. Man kann sich leicht vorstellen, daß selbst Benedikt XVI. solche Worte unterschreiben würde. Hält denn die Priesterbruderschaft die Konzilspäpste inzwischen nicht mehr für ein ernsthaftes Problem?

Die sechs Bedingungen für ein zukünftiges Abkommen zwischen Rom und der Bruderschaft verdienen eine eingehende Betrachtung. An dieser Stelle möge die Feststellung genügen, daß die Bedingung des Generalkapitels aus dem Jahre 2006, wonach ein praktisches Abkommen erst nach einer lehrmäßigen Einigung erfolgen könne, nun anscheinend komplett über Bord geworfen wurde. Denkt also die Bruderschaft inzwischen, daß die Glaubenslehre der Römer, denen sie sich unterstellen würde, nun nicht mehr so wichtig ist? Oder erliegt die Bruderschaft etwa selber den Reizen des Liberalismus?

Als gegensätzlichen Standpunkt zu dieser Haltung möchte ich eine Sammlung von „Predigten und Lehrvorträgen“ bewerben, die Seine Exzellenz „Jack der Ripper“ in den Jahren 1994 bis 2009 hielt. Diese Sammlung ist nun auf sieben CD verfügbar (mit einem Preisnachlaß bis Ende des Monats): www.​truerestorationpress.​com/​node/​52

Nicht jedes Wort aus diesen 30 Stunden an Aufnahmen mag golden sein, und manche Worte sind gewiß etwas zu temperamentvoll geraten, aber wenigstens wurde die Anstrengung unternommen, die Feinde anstatt die Freunde unseres katholischen Glaubens auszuweiden.

Kyrie eleison.