Philosophie

Bosheit des Modernismus – III

Bosheit des Modernismus – III on März 21, 2020

Wenn es etwas gibt, das ein katholischer Priester heute kennen und gründlich verstehen muss, dann ist es ein einziger Schlüsselsatz im Herzen der großen Enzyklika Pascendi, die Pius X. 1907 verfasst hat, um die Kirche und die Menschheit vor der tödlichen Bedrohung durch den Modernismus zu schützen. Der Modernismus ist jene Bewegung des Denkens und Handelns, durch die die Menschen es aufgeben, die Welt so zu verändern, dass diese zu Christus und seiner Kirche passt, und stattdessen daran arbeiten, Christus und seine Kirche so zu verändern, dass sie zur modernen Welt passt. Und was ist der Schlüsselsatz von Pascendi, mit dem dies erreicht werden soll? Hier ist er, aus Absatz 6 (oder so ähnlich) der Enzyklika:

„Die menschliche Vernunft ist ganz auf den Bereich der Phänomene beschränkt, d.h. auf die Dinge, die mit den Sinnen und in der Art und Weise, wie sie wahrnehmbar sind; sie hat kein Recht und keine Macht, über diese Grenzen hinauszugehen.“

Mit anderen Worten, der menschliche Geist, der in der Tat den ganzen Tag die Sinneserscheinungen auswertet, wird vom modernen Menschen schlussendlich für unfähig erklärt, aus den Erscheinungen zu lesen! Mit anderen Worten, was für mich wie eine Tür aussieht, könnte eine Wand sein, was für mich wie eine Wand aussieht, könnte in Wirklichkeit die Tür sein. Daraus folgt, dass ich vielleicht besser versuchen würde, durch die Wand zu gehen als durch die Tür! Natürlich stellt solches eine derartige Dummheit dar, dass es niemanden überrascht, dass selbst die modernen Anhänger von Immanuel Kant (1732–1804), der solche Dummheit erfunden hat, selten wirklich versuchen, durch Wände zu gehen. Mit anderen Worten, es gelingt ihnen, zu leben, indem sie ihre eigene Philosophie nicht ernst nehmen. Deshalb hat sich die moderne Philosophie einen so schlechten Ruf erworben. Dennoch herrscht der tief dumme Kant an der philosophischen Fakultät fast aller „Universitäten“ unserer Zeit! Wie kann das sein?

Weil Kant als großer Befreier gilt. Er ist es, der den Geist ein für allemal von der Wirklichkeit befreit hat. Er ist es, der verfügt hat, dass der Geist frei von der äußeren Wirklichkeit ist, weil der Geist keinen Zugang zu ihr hat! Der Verstand kann nicht an die Wirklichkeit, wie sie in sich selbst ist, das „Ding an sich,“ gelangen, weil er nicht hinter das, was die Sinne ihm zeigen, kommen kann. Ganz gleich, ob ich nur damit leben kann, dass ich rund um die Uhr davon ausgehe, dass meine Sinne mir sagen, was um mich herum real ist, und dass mein Verstand oder Intellekt in der Lage ist, zu entschlüsseln oder zu „verstehen,“ was meine Sinne mir sagen. Seit Kant ist die Realität um mich herum immer weniger von Interesse. Was zählt, ist die „Transzendentalphilosophie,“ wie er sie nennt, d.h. ein Denken, das ganz unabhängig von der alltäglichen Realität wie Türen und Mauern die Höhen und Tiefen meiner Phantasie auslotet. Mein Verstand ist abgehoben! Mein Geist ist frei von der Realität! Von nun an ist alles, was ich will, „wahr“! Das Wort „Wahrheit“ hat in der Tat eine ganz andere Bedeutung angenommen. In der Tat haben dann alle Worte eine transzendentale Bedeutung. In meinem Kopf herrscht also Freiheit!

Und wenn Sie jetzt noch darauf bestehen, mich in die so genannte reale Welt zurückzuholen, dann kann ich, wie alle armen Nichtakademiker, immer noch davon ausgehen, dass man, um in dieser eintönigen Welt („pfui!“) weiterhin zu überleben („pfui!“) am besten nicht versucht, durch Mauern zu gehen, die wie Mauern aussehen, und am besten nicht versucht, anscheinende Steine zu essen. Mit anderen Worten, mein Verstand ist dem „gesunden Menschenverstand“ transzendental überlegen und frei von diesem, aber ich kann immer noch – wenn ich so will – für den Zweck des täglichen Lebens („pfui!“) danach handeln.

Nun ist aber die Freiheit die wahre Religion des modernen Menschen. Sie ist nur eine Scheinreligion im Leben von viel zu vielen Katholiken, die zwar alle Merkmale, aber nicht die Substanz der Religion aufweist. Wie der heilige Paulus sagt: „In den letzten Tagen . . . werden die Menschen . . . den Schein der Frömmigkeit sich geben, doch lassen sie deren Kraft vermissen“ (II Tim. III, 5), d.h. den Schein wahren, aber die Substanz leugnen. Was aber sind solche Katholiken? Sie sind genau kantianische Katholiken oder Modernisten, weil fast alle Menschen heute Kantianer sind, weil fast alle heute die Freiheit anbeten, und es ist Kant, der ihnen endlich den Schlüssel gegeben hat, um aus dem Gefängnis der Realität Gottes herauszukommen und in die Wolken der transzendentalen Moderne zu flüchten. Ich kann mich noch dem lieben Gott immer wieder so lange unterwerfen, wie ich will, aber er kann mich nicht mehr in Fesseln halten, denn ich bin frei, ich bin frei, ich bin frei!

Die unglaubliche Perversität, Stolz und Perfidie vom Kantianismus sollte jetzt anfangen, sich erkennbar zu lassen, Mehr als je,

Herr, erbarme dich.

T.F.P. über den Liberalismus

T.F.P. über den Liberalismus on November 3, 2018

Die Organisation T. F. P. (Tradition, Family, Property) mag ja von Anfang an ihre Fehler gehabt haben und heute noch haben, doch darf man mit Genugtuung feststellen, dass sie heute in den Vereinigten Staaten etwas Gutes leistet. In einem regelmässig erscheinenden Rundschreiben (das man bei tfp@tfp.org bestellen kann) präsentiert T. F. P. kurze Aufsätze zu wichtigen Punkten der Frage, wie sich der katholische Glaube in unserer heutigen dämonischen Welt äussern muss. Diese Texte sind für den Normalleser nicht allzu schwierig zu verstehen, aber keineswegs seicht. Sie mögen ja nicht die unfehlbare Wahrheit verkünden, sind jedoch reich an Gedanken, zeugen durchwegs von gesundem Verstand und werfen häufig wichtige Probleme der heutigen Kirche und der heutigen Welt auf. Als Beispiel dafür diene hier die Zusammenfassung eines Texts mit dem Titel „Four Characteristics of the Liberal Mind that are Destroying Society“ (Vier charakteristische Züge der liberalen Denkweise, welche die Gesellschaft zerstören), der vor einem Monat in diesem Rundbrief der amerikanischen T. F. P. erschienen ist:

Der fragmentierte und polarisierte Zustand der heutigen Gesellschaft beweist, dass etwas furchtbar schief gelaufen ist. Die Konservativen machen für den Zusammenbruch der Gesellschaft oft liberale Aktivisten in Politik und Medien verantwortlich, doch entspringt die zersetzende Aktivität der Liberalen der liberalen Denkweise als solcher, die sich überall ausgebreitet hat. Heute akzeptiert fast jedermann die Prinzipien des klassischen Liberalismus, die in der amerikanischen Verfassung verankert, jedoch damals durch das christliche Erbe Amerikas gemildert wurden. Nun, wo dieses Erbe weitgehend verworfen wird, tritt der zersetzende Charakter liberaler Grundsätze so klar zutage, wie dies früher nicht der Fall war. Um zu erkennen, woher das heutige Chaos kommt, wollen wir vier charakterische Züge der liberalen Denkweise untersuchen:

Das liberale Denken bewegt sich stets weg von der objektiven Wahrheit. Da die Liberalen Wert darauf legen, barmherziger und freundlicher als die „herzlosen Konservativen“ zu erscheinen, gleiten sie über Halbwahrheiten in den Irrtum ab, zu dem sie sich nicht von Anfang an bekannt haben. Beispielsweise mögen Liberale grundsätzlich sehr wohl gegen das Verbrechen sein, fördern dieses jedoch in der Praxis durch ihre unangebrachte Milde gegenüber Kriminellen, und begründen diese Milde damit, dass die Kriminellen womöglich Unrecht erleiden mussten.

Um einen Ersatz für die unangenehme und unpersönliche objektive Wahrheit zu finden, sucht das liberale Denken stets nach angenehmen subjektiven Meinungen oder persönlichen Urteilen, das den Liberalen in seinen eigenen Denk- und Verhaltensmustern bestärkt. Ein klassisches Beispiel hierfür ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofs in den USA aus dem Jahre 1992, in dem es heisst: „Im Herzen der Freiheit liegt das Recht, sein eigenes Konzept von der Existenz, vom Sinn des Universums und dem Mysterium des menschlichen Lebens zu definieren.“

Das liberale Denken definiert Freiheit stets fälschlicherweise als Recht, zu tun, was man will. Diese Definition hat zur Folge, dass blosse Launen und Phantasien schliesslich die Oberhand gewinnen können. Die Liberalen werden dann alles bezweifeln, was ihren Launen widerspricht, nie jedoch das, was diese bestätigt.

Das liberale Denken empfindet stets eine Abneigung gegen Regeln und Gesetze, die es automatisch als restriktiv auffasst. In Wirklichkeit bestehen die Gesetze aus vernünftigen Vorschriften, die von der zuständigen Führung einer jeden Gesellschaft aufgestellt werden, weil sie für das Gemeinwohl der betreffenden Gesellschaft unabdingbar sind. Doch die Liberalen werden sogar darüber murren, dass es Regeln für die Bekleidung in der Öffentlichkeit gibt, oder dass man beim Sprechen und Schreiben die Grammatikregeln zu beachten hat, wenn sie finden, dass diese Regeln zu restriktiv sind! Um den wahren Gott der Gerechtigkeit, den Gott der Zehn Gebote, vom Thron zu stossen, schaffen sie sich deshalb ihren eigenen Gott, einen Gott, der vor allem anderen für das Mitleid steht, einen Gott der Zehn Empfehlungen.

Kurzum, alle vier charakteristischen Züge der liberalen Denkweise sind auf das Ich zentriert. Gemäss dem Liberalismus bestimmt jeder Mensch selbst, was wahr und unwahr, was richtig und falsch ist. Und dies ist der Grund für die fortschreitende Auflösung der Gesellschaft.

Der Liberalismus als solcher kann nämlich keine Sozialordnung oder Gesellschaft schaffen, sondern nur einen gesellschaftlichen Zusammenbruch heraufbeschwören. Wenn er bis heute überlebt hat, dann nur dank der soliden christlichen Ordnung, die er als Erbe übernommen hat, aber zu zersetzen bestrebt ist. Der Liberalismus zersetzt das, wovon er lebt, und lebt davon, was er zersetzt. Im Jahre 2018 treibt er die Welt immer tiefer ins Chaos. Der Liberalismus ist seinem Wesen nach antisozial. Keine Gesellschaft kann aus antisozialen Mitgliedern bestehen. Der Liberalismus ist nur dazu fähig, die Menschen immer mehr zu isolieren, sie immer einsamer und verzweifelter zu machen. Er ist lediglich dazu imstande, das menschliche Leben mehr und mehr in eine endlose Reihe von Zusammenstössen zwischen für sakrosankt erklärten Individuen zu machen.

Kyrie eleison.

Künstliche Intelligenz – II

Künstliche Intelligenz – II on Juli 21, 2018

Künstliche Intelligenz ist in Wirklichkeit ein Widerspruch in sich selbst. Was künstlich ist, kann nicht intelligent sein. Was intelligent ist, kann nicht künstlich sein. Jedes echt intelligente Wesen muss (als solches) lebendig, geistig und frei sein. Jedes künstliche Objekt muss (als solches) nicht-lebendig und materiell sein und kann nicht frei sei. Deshalb kann nichts Künstliches intelligent im wahren Sinne des Wortes sein, und nichts wahrhaftig Intelligentes kann künstlich sein. Eine Intelligenz kann nur von Gott allein geschaffen werden. Menschen können lediglich künstliche Dinge schaffen.

Um dies zu zeigen, wollen wir mit den letztwöchigen „Kommentaren“ annehmen, dass es drei Stufen geistiger Wesen gibt: (1) Der Schöpfer, (2) die Engel und (3) die Menschen, und dass vier Stufen materieller Wesen existieren: (3) Die Menschen, (4) die Tiere, (5) die Pflanzen und (6) die Mineralien. Dies bedeutet, dass der Mensch das komplizierteste aller Geschöpfe ist, weil er allein sowohl geistig als auch materiell ist. Wenn jemand behauptet, der Mensch sei bloss materiell, begeht er wahrscheinlich den elementarsten aller philosophischen Irrtümer, nämlich dass nur materielle Wesen existieren. Dieser Irrtum ist in unserer heutigen materiellen Welt weit verbreitet, doch wer ihn vertritt, hat entweder niemals gedacht oder geliebt, oder er leugnet die volle Natur seiner eigenen Erfahrung. Wenn er doch nichts ausser Materie ist, weshalb besitzt er dann einen so ausgeprägten Sinn für seine eigene menschliche Würde? Und warum verhält er sich, als ob die Freiheit für ihn von höchster Wichtigkeit wäre?

Tatsächlich können die sechs Stufen von Wesen danach klassifiziert werden, wie weit sie sich der Materie entringen können. Die (6) Mineralien sind in die Materie eingeschlossen, doch auf die Pflanzen (5) trifft dies nicht im selben Ausmass zu; sie leben und bewegen sich, sind aber dennoch örtlich fixiert und kennen nichts ausser sich selbst. Die (4) Tiere leben und bewegen sich, sind jedoch nicht örtlich festgelegt und haben eine sinnliche Kenntnis von und einen sinnlichen Wunsch nach materiellen Dingen, die ausserhalb ihrer selbst liegen. Die (3) Menschen leben und bewegen sich, sind nicht örtlich festgelegt und besitzen nicht nur eine sinnliche Kenntnis von und einen sinnlichen Wunsch nach materiellen Dingen, die ausser ihrer selbst liegen, sondern auch Intelligenz und Wünsche, die bis zu nicht-materiellen Universalien ausserhalb ihrer selbst reichen, was einen gewaltigen Schritt bei der Befreiung von der Materie darstellt. Das Wort „Intelligenz“ kommt vom lateinischen „intus-lego,“ was „innen lese ich“ bedeutet und heisst, dass die Intelligenz innerhalb der materiellen Dinge deren nicht-materielle Form oder Essenz liest. Dies liegt daran, dass Intelligenz, und der Wille, der nach ihr folgt, beide geistige Fähigkeiten sind, die zu jenem Teil des Menschen gehören, der als solcher frei von der Materie ist und oberhalb der Materie steht.

Und aus diesen beiden Fähigkeiten ergibt sich die Freiheit des menschlichen (3) Willens, die von keinen anderen Tieren geteilt wird, weil diese alle in ihren materiellen Instinkten eingeschlossen sind. Und diese Freiheit lässt selbst den atheistischsten Materialisten seine Würde erkennen, die über derjenigen alle reinen Tiere (4) steht, wenn er nur ehrlich genug ist, diese Tatsache anzuerkennen. Über dem Menschen stehen die Engel (2), die rein geistig und intelligent und frei sind, aber immer noch besondere Wesen, während der Schöpfer (1) das universale geistige Wesen Selbst ist, an keinerlei Materie, ja nicht einmal an irgendeine Besonderheit gebunden.

Somit ist der Mensch (3) lebendig und geistig durch seine unsterbliche Seele mit ihrer Intelligenz und ihrem Willen, welche die Grundlagen seines freien Willens bilden und ihn frei machen. Ist nun irgendetwas „Künstliches,“ wie ein Computer oder ein Roboter, lebendig oder geistig oder frei? Erstens lebt es nicht aus innerer Kraft. Die Natur verstreut die Samen von Menschen, Tieren und Pflanzen in alle Richtungen, und jeder Samen enthält Leben. Trotz mitterlweile viele Jahre andauernden, gewaltigen Anstrengungen ist es der Kunst des Menschen jedoch nicht gelungen, auch nur einen einzigen Samen zu schaffen, der Leben in sich trägt (und man darf annehmen, dass er dies niemals zustande bringen wird). Zweitens, wenn nichts von Menschenhand Geschaffenes lebt, kann es erst recht nicht geistig sein, weil ein geistiges Leben eine hohe (3) Form des Lebens voraussetzt. Und drittens kann kein von Menschen produzierter Computer oder Roboter je frei sein, weil der freie Wille eine geistige Intelligenz voraussetzt, die keine menschliche Kunst fabrizieren kann. Eine geistige (3) Intelligenz kann nicht einmal von einem Engel (2) geschaffen werden, sondern einzig und allein vom Schöpfer (1), Gott.

Deshalb (6) können Computer und von Computern angetriebene Roboter nicht lebendig sein und können nichts zustande bringen ausser dem, was ihnen einprogrammiert worden ist. Sie können nicht intelligent im vollen Sinne des Wortes sein, denn dies erfordert ein geistiges Wesen, das nur Gott allein erschaffen kann. Somit können sie nicht frei sein, irgendeine selbständige Entscheidung zu treffen; sie sind blosse Maschinen (6), die in ihr materielles Programm (6) eingeschlossen sind. Ihnen irgendwelche menschlichen Leidenschaften, originelles Denken oder Freiheit zuzuschreiben, ist schlicht und einfach kindischer Materialismus.

Kyrie eleison.

Nochmals Lehre

Nochmals Lehre on August 18, 2012

Die Verachtung der „Doktrin“ – also allgemein gesagt der „Lehre“ – ist heute ein schwerwiegendes Problem. Selbst die „besten“ Katholiken unseres 21. Jahrhunderts geben Lippenbekenntnisse über die Wichtigkeit der „Doktrin“ ab, während sie instinktiv meinen, daß sogar die katholische Lehre eine Art Gefängnis für ihren Verstand sei, und der Verstand eben nicht gefangen sein dürfe. In Washington DC steht im Inneren der Kuppel der Jefferson-Gedenkstätte – dem quasi-religiösen Tempel des berühmtesten Verfechters der Freiheit in den USA – folgende religiös wirkende Erklärung Jeffersons: Am Altar Gottes schwöre ich ewige Feindschaft gegen jede Form von Tyrannei über den Verstand des Menschen. Gewiß dachte er dabei unter anderem an die katholische Glaubenslehre. Die Quasi-Religion des modernen Menschen beinhaltet genau die Ablehnung jeder festen Doktrin.

Ein Satz aus einem kürzlichen „Eleison Kommentar“ (Nummer 263 vom 28. Juli 2012) liefert hingegen einen anderen Blickwinkel auf die Art und Bedeutung von „Doktrin“: Solange Rom an seiner Konzilslehre hängt, wird es eine solche (nicht-lehrmäßige) Vereinbarung notwendigerweise dazu verwenden, die Bruderschaft zum (Zweiten Vatikanischen) Konzil heranzuziehen. Anders formuliert: Die treibende Kraft hinter dem Bemühen Roms, angeblich die „Doktrin“ geringzuschätzen und die Priesterbruderschaft um jeden Preis konziliarisieren zu wollen, ist gerade Roms Glaube an seine eigene Konzilslehre. So wie die traditionelle katholische Glaubenslehre – hoffentlich – die treibende Kraft der Priesterbruderschaft St. Pius X. ist, so ist die Konzilslehre die Antriebsfeder von Rom. Beide Lehren prallen zwar aufeinander, aber dennoch sind beide jeweils eine treibende Kraft.

Anders gesagt ist also „Doktrin“ nicht lediglich ein Gedankengut in den Köpfen der Menschen beziehungsweise ein geistiges Gefängnis. Denn unabhängig davon, welche Gedanken ein Mensch zu fassen sich entschieden hat: seine wahre Doktrin besteht genau aus diesem Gedankengut, welches sein Leben antreibt. Obgleich der Mensch dieses Gedankengut ändern kann (z.B. wenn er sich bekehrt), so ist es doch ausgeschlossen, daß er kein Gedankengut hat. Der antike Denker Aristoteles formuliert es so: „Wenn Du philosophieren willst, so mußt Du philosophieren. Willst Du hingegen nicht philosophieren, so mußt Du dennoch philosophieren.“ Auf ähnliche Weise mögen Liberale zwar jedes feste Gedankengut als Tyrannei verachten, doch ist ihre Annahme, daß jedes Gedankengut eine Tyrannei sei, wiederum selber ein tragender Gedanke. Genau dieser tragende Gedanke treibt heute das Leben von Milliarden von Liberalen und viel zu vielen Katholiken an. Diese letzten sollten vernünftiger sein, aber leider liegt die Vergötzung der Freiheit im Wesen von uns modernen Menschen.

Richtig verstanden ist Doktrin also nicht nur ein eingrenzendes Gedankengut, sondern vielmehr die zentrale Vorstellung von Gott, vom Menschen und vom Leben, die das Leben jedes atmenden Menschen vorantreibt. Sogar wenn ein Mensch Selbstmord begeht, wird er dabei von der Vorstellung angetrieben, daß das Leben zu erbärmlich sei, um fortgesetzt zu werden. Beispielsweise treibt die Vorstellung vom Leben, wonach Geld das Wichtigste sei, einen Menschen zum Reichtum; die Vorstellung von der Lust als Mittelpunkt des Lebens macht den Menschen zum Lebemann; und die Vorstellung, daß alles von der Anerkennung abhänge, drängt den Menschen zum Berühmtwerden; usw. Die eigentliche Doktrin eines Menschen entspricht dem, wie er sich sein Leben zentral vorstellt.

Somit werden die konziliaren Römer vom Zweiten Vatikanum als ihrer zentralen Vorstellung angetrieben, die Priesterbruderschaft aufzulösen, weil diese das Zweite Vatikanum ablehnt. Solange die Römer dieses Ziel nicht erreicht haben oder ihre zentrale Vorstellung nicht ändern, solange werden sie sich angetrieben fühlen, die Bruderschaft von Erzbischof Lefebvre aufzulösen. Im Gegensatz dazu müßte die zentrale Vorstellung des Klerus und der Laien der Bruderschaft sie dazu antreiben, in den Himmel zu kommen – gemäß des Gedankengutes, daß es Himmel und Hölle gibt, und daß Jesus Christus und seine wahre Kirche den einen und einzigen Weg in den Himmel darstellen. Klerus wie Laien der Bruderschaft wissen, daß diese letzte antreibende Vorstellung, die völlig mit dem Gedankengut des Credos übereinstimmt, keine phantasievolle Eigenerfindung ist. Deswegen wollen sie auch nicht, daß diese Doktrin untergraben, unterlaufen oder verdorben werde von den armseligen Neo-Modernisten der Neukirche, welche von ihrer falschen Vorstellung von Gott, vom Menschen und vom Leben angetrieben werden. Der Zusammenprall beider Lehren findet auf ganzer Linie statt, wie die Lehrgespräche von 2009 bis 2011 bewiesen haben.

Dieser Zusammenprall ist außerdem unvermeidlich, selbst wenn die Liberalen es sich anders erträumen. Sollte diesmal die Unwahrheit auf Dauer gewinnen, so würden letztendlich die Steine die Wahrheit hinausschreien (vergleiche Lukas 19,40). Gewinnt hingegen die Wahrheit, so wird der Teufel trotzdem bis zum Ende der Welt einen Irrtum nach dem anderen hervorbringen. Doch unser Herr sagt: „Wer aber ausharrt bis zum Ende, der wird gerettet werden“ (Matthäus 24,13).

Kyrie eleison.

Dunkle „Aufklärung“

Dunkle „Aufklärung“ on April 28, 2012

Unabhängig davon, ob die Priesterbruderschaft St. Pius X. sich nun dafür oder dagegen entscheidet, unter Umgehung der glaubenslehrmäßigen Uneinigkeit ein rein praktisches Abkommen mit den römischen Konzilskirchenbehörden zu schließen, müssen alle um ihr ewiges Seelenheil Bemühten möglichst genau verstehen, was auf dem Spiel steht. In diesem Zusammenhang sandte ein Freund mir jüngst eine großartige Darstellung des Kernproblems:

„In den Jahren 2009 bis 2011 führten Vatikanexperten und vier Bruderschaftstheologen sogenannte „Glaubensgespräche“ durch. Diese Gespräche machten deutlich, wie sehr die römischen Behörden an den Lehren des Zweiten Vatikanum festhalten. Dieses Konzil versuchte, die katholische Lehre mit dem aus der „Aufklärung“ des 18. Jahrhunderts entwickelten Menschenverständnis zu versöhnen.“

„Deshalb erklärt das Konzil, daß der Mensch aufgrund der Würde seiner Natur das Recht besitze, die Religion seiner Wahl zu praktizieren. Dementsprechend müsse die menschliche Gesellschaft die Religionsfreiheit schützen und das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Religionen einrichten. Sodann seien diese Religionen zum ökumenischen Dialog eingeladen, weil sie alle ihren eigenen Anteil an der Wahrheit besäßen.“

„Im Ergebnis leugnen diese aufklärerischen Prinzipien, daß Jesus Christus wahrhaftig Gott ist und daß seine Offenbarung – die zu hüten der Kirche obliegt – von allen Menschen und allen Gesellschaften angenommen werden muß. Somit widerspricht die Lehre von der Religionsfreiheit, wie im Konzilsdokument Dignitatis Humanae in Abschnitt 2 ausgedrückt, den Lehren von Papst Gregor XVI. in Mirari Vos, von Pius IX. in Quanta Cura, von Leo XIII. in Immortale Dei und von Pius XI in Quas Primas. Und die dogmatische Konstitution über die Kirche im Abschnitt 8 von Lumen Gentium, wonach die göttliche Vorsehung nichtkatholische Religionsgemeinschaften als Mittel zum Heil benutze, widerspricht den Lehren von Papst Pius IX. im Syllabus, von Leo XIII. in Satis Cognitum und von Pius XI. in Mortalium Animos.“

„Diese neuen Glaubenslehren, die zusammen mit vielen anderen Lehren im Widerspruch zur formalen und einhelligen Lehre der vorkonziliaren Päpste stehen, können im Hinblick auf das katholische Dogma nur als häretisch bezeichnet werden.“

„Weil die Einheit der Kirche auf der Unversehrtheit des Glaubens beruht, kann die Priesterbruderschaft zu keinem Abkommen – und sei es rein „praktischer“ Natur – mit den Vertretern dieser neuen Glaubenslehren gelangen.“

Wenn mein Freund diese Bewegung der intellektuellen Emanzipation des 18. Jahrhunderts, auch „Aufklärung“ genannt, als Grund für das Scheitern der Kirchenmänner des 20. Jahrhunderts bezeichnet, so folgt er dabei lediglich Erzbischof Lefebvre. Dieser hatte ein halbes Jahr vor seinem Tode vor seinen Priestern dieselbe Aussage getroffen: „Je mehr man die Dokumente des Zweiten Vatikanum untersucht . . . desto mehr wird einem klar, worum es geht: . . . um eine komplette Perversion des Geistes und um eine ganz neue Philosophie, die auf der modernen Philosophie und auf dem Subjektivismus beruht . . . . Es ist eine komplett andere Auffassung von der Offenbarung, vom Glauben, von der Philosophie . . . . Es ist wahrhaft erschreckend.“

Doch wie kann der Mensch nun seinen Geist wieder Gottes Wirklichkeit unterwerfen? Eine Möglichkeit ist, die von meinem Freund eingangs erwähnten päpstlichen Lehrschreiben zu besorgen und genau zu lesen. Sie wurden zwar für Bischöfe geschrieben, aber die Konzilsbischöfe sind unzuverlässig. Heute müssen die Laien also ihre geistliche Ausbildung selbst in die Hand nehmen – und ihren eigenen Rosenkranz.

Kyrie eleison.

Benedikts Denken – II.

Benedikts Denken – II. on Juli 16, 2011

Wir können die Studie Bischof Tissiers über das Denken von Papst Benedikt XVI. in vier Teile einteilen. Nach dem einleitenden ersten Teil beschreibt der zweite die philosophischen und theologischen Wurzeln des Papstes Denken. Der Bischof folgt hier der großen Enzyklika „Pascendi“ des Hl. Pius X., wenn er im ersten Schritt die Philosophie behandelt. Ist eine Weinflasche in ihrem Inneren verschmutzt, so verdirbt selbst der beste hineingegossene Wein. Entsprechend gilt: Ist der menschliche Verstand von der Wirklichkeit losgelöst – wie es bei der modernen Philosophie der Fall ist –, dann wird selbst der durch diesen Verstand gefilterte katholische Glaube orientierungslos. Denn der Verstand wird nicht mehr länger an der Realität ausgerichtet. Genau hierin liegt das Problem von Papst Benedikt versteckt.

Wie schon der hl. Pius X. macht auch Bischof Tissier den deutschen Aufklärer Immanuel Kant (1724–1804) für diese Katastrophe im Denken der modernen Menschen hauptverantwortlich. Kant brachte das System des „Anti-Denkens“ zum Abschluß, das heute überall vorherrscht und Gott aus dem verstandesmäßigen Diskurs ausschließt. Nun behauptet Kant, daß der Verstand von einem vorliegenden Gegenstand – dem Objekt – nichts wissen kann außer dem, was die Sinne wahrnehmen. Somit kann also der Verstand die Wirklichkeit hinter den sinnlichen Erscheinungen beliebig rekonstruieren und die objektive Wirklichkeit als unerkennbar vom Tisch fegen. Dadurch wird also der Handelnde – das Subjekt – zum absoluten Herrscher. Somit ist es zwar schön und gut, wenn dieses Subjekt Gott braucht und seine Existenz zugibt, doch andernfalls hat der liebe Gott sozusagen Pech!

Bischof Tissier präsentiert sodann fünf moderne Philosophen, die alle mit dem Wahnsinn des kantianischen Subjektivismus ringen, wonach die menschliche Vorstellung über der Wirklichkeit und das Subjekt über dem Objekt stünde. Die beiden wichtigsten Vorreiter des Denkens des Papstes dürften Heidegger als Vater des Existentialismus (1889–1976), und Buber (1878–1965) als ein führender Vertreter des Personalismus sein. Wenn, wie Kant behauptet, das nichtsinnliche Wesen der Dinge unerkennbar ist, dann bleibt nur noch die bloße Existenz übrig – wobei die Person die wichtigste Existenz ist. Nun liegt jedoch bei Buber die Beschaffenheit der Person in der „Intersubjektivität,“ d.h. in der „Ich-Du“-Beziehung zwischen subjektiven Personen. Erst diese Beziehung öffnet für Buber den Weg zu Gott. Demnach hängt das Wissen um Gott von der subjektiven Beteiligung des Menschen ab, womit dieses Wissen auf einer äußerst unsicheren Grundlage steht.

Dennoch ist diese Beteiligung des menschlichen Subjekts der Schlüssel zum theologischen Denken Benedikts, welches an erster Stelle durch die renommierte Tübinger Schule beeinflußt wurde, wie Bischof Tissier erklärt. Johann Sebastian Drey (1777–1853) gründete diese Tübinger Schule, die lehrt, daß die Geschichte durch den Zeitgeist in beständiger Bewegung gehalten wird und Jesus Christus dieser Geist ist. Demnach gilt nicht mehr länger, daß Gottes Offenbarung mit dem Tode des letzten Apostels Christi abgeschlossen ist und mit der Zeit lediglich vertieft wird. Sondern vielmehr besitzt nun die Offenbarung einen ständig sich entwickelnden Inhalt, zu welchem das empfangende Subjekt beiträgt. Somit hat nach dieser Schule auch die Kirche zu jeder Zeit einen aktiven und nicht nur passiven Anteil an der Offenbarung; außerdem gibt sie der vergangenen Tradition erst seine jetzige Bedeutung. Klingt das nicht vertraut, etwa so wie bei der im „Eleison-Kommentar“ Nr. 208 beschriebene Hermeneutik von Dilthey?

Auf dieselbe Weise ist auch für Benedikt XVI. Gott weder ein eigenständiger Gegenstand, noch lediglich objektiv, sondern Gott ist ein persönliches „Ich,“ das sich mit jedem menschlichen „Du“ austauscht. Zwar kommen die Hl. Schrift und die Tradition noch, objektiv gesehen, vom göttlichen „Ich,“ aber gleichzeitig muß das lebende und sich bewegende „Du“ beständig die Hl. Schrift neu auslegen. Weil aber die Hl. Schrift die Grundlage der Tradition ist, muß auch die Tradition durch die Beteiligung des Subjekts beweglich werden und kann keineswegs eine „versteinerte“ Tradition wie bei Erzbischof Lefebvre bleiben. Auf ähnliche Weise muß auch die Theologie subjektiviert und der dogmatische Glaube zur persönlichen „Erfahrung“ mit Gott werden. Selbst das Lehramt muß demnach aufhören, unbeweglich zu sein.

„Verflucht der Mann, der auf Menschen vertraut und auf gebrechliches Fleisch sich stützt und dessen Gesinnung vom Herrn abweicht!“ (Jeremias 17,5)

Kyrie eleison.