Wahrheit

Der Erzbischof spricht

Der Erzbischof spricht on Juni 9, 2012

Bevor Erzbischof Lefebvre endgültig den Entschluß faßte, im Juni 1988 Bischöfe für die Priesterbruderschaft St. Pius X. zu weihen, war er wie alle Katholiken seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hin- und hergerissen zwischen der katholischen Wahrheit und der katholischen Kirchenautorität. Der modernen Welt folgend, hat dieses Konzil die kirchliche Autorität und die katholische Wahrheit voneinander getrennt. Doch sobald der Erzbischof seinen Entschluß gefaßt hatte – was sich eindeutig als Rettung der katholischen Tradition herausstellte – war es, als ob alles in seinem Denken wieder im Lot war. Von diesem Zeitpunkt an, bis zu seinem Tod zweieinhalb Jahre später, war der Erzbischof nie mehr hin- und hergerissen.

Als Beispiel seines klaren Verstandes folgt nun ein Brief, den der Erzbischof am 18. August 1988 an Dom Thomas Aquinas sandte, den jungen Prior des brasilianischen Klosters, welches vom Benediktinerkloster im südfranzösischen Le Barroux unter Dom Gérard gegründet worden war. Leider brach Dom Gérard einige Tage nach der Bischofsweihe von Ecône mit der Bruderschaft, um sein Kloster in die Konzilskirche eingliedern zu können. Nun also Erzbischof Lefebvres Worte an Dom Thomas:

„Ich bedaure sehr, daß Sie uns vor den Ereignissen in Le Barroux (d.h. vor Dom Gérards Treuebruch) verlassen mußten. Dann wäre die Betrachtung der Situation, die sich durch Dom Gérards verheerende Entscheidung ergab, leichter gewesen.

In seiner Erklärung legt Dom Gérard dar, was ihm von der Amtskirche gewährt wurde, und er unterstellt sich im Gegenzug gehorsam unter das modernistische Rom, welches von Grund auf anti-traditionell bleibt. Deswegen bleibe ich auf Distanz. Gleichzeitig wünschte Dom Gérard die Freundschaft und Unterstützung der traditionellen Katholiken zu behalten, was einfach unfaßbar ist. Er beschuldigt uns, der Konzilskirche bloß um des Widerstandes willen zu widerstehen. Zwar warnte ich ihn vor diesem Schritt, doch hatte er seine Entscheidung bereits seit längerem gefällt und wollte unsere Ratschläge nicht beherzigen.

Die Auswirkungen sind nun unvermeidlich. Wir werden keine weiteren Beziehungen mehr zu Le Barroux unterhalten. Außerdem raten wir unseren Gläubigen, ihre Unterstützung für diese Unternehmung einzustellen, die fortan in den Händen unserer Feinde ist, der Feinde unseres Herrn Jesus Christus und seines universellen Königtums. Die Benediktinischen Schwestern (mit Le Barroux verbunden) sind in großer Bedrängnis und haben mich besucht. Ich gab ihnen den Rat, den ich nun auch Ihnen gebe: Bleiben Sie frei und kappen Sie jede Verbindung mit dem modernistischen Rom.

Dom Gérard setzt alle möglichen Argumente ein, um den Widerstand zu lähmen. (.) Hochwürden Tam wird Ihnen erzählen, was ich in diesem Brief nicht erwähnt habe. (.) Möge Gott Sie und Ihr Kloster segnen. Monseigneur Marcel Lefebvre.“

In der Folgezeit besuchte Dom Gérard das Kloster in Brasilien, um es dazu zu bringen, ihm in die Neukirche zu folgen. Doch der junge Dom Thomas hielt tapfer stand. Seither ist das brasilianische Kloster unter seiner Leitung traditionell katholisch geblieben. Was im obigen Brief nicht steht: Der Erzbischof ermunterte Dom Thomas, die treuen Mönche von Le Barroux zusammenzuscharen und Dom Gérard hinauszuwerfen!

So sah der klare Verstand und Wille von Erzbischof Lefebvre seit den Bischofsweihen aus. Sehr verwunderlich ist, warum einige seiner geistigen Söhne sich jetzt „ gehorsam unter das modernistische Rom, welches von Grund auf anti-traditionell bleibt,“ unterstellen wollen und unter einen subjektivistischen Papst, der unmöglich etwas von objektiver katholischer Tradition verstehen kann. So wirkt sie, diese ständig wachsende Verführungsmacht der uns umgebenden, subjektivistischen Welt. Der Wahnsinn des Subjektivismus ist heute so normal geworden und so weitverbreitet, daß nur wenige Menschen ihn überhaupt noch erkennen. „Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn.“

Kyrie eleison.

Blumensprache

Blumensprache on Juni 2, 2012

Gott ist das unendliche Sein, die unendliche Wahrheit, die Allgüte; er ist allgerecht und allbarmherzig. Dies lehrt seine Kirche. Weil diese Vorstellung herrlich und schön ist, habe ich nichts gegen sie einzuwenden. Doch dann erfahre ich, wie seine Kirche außerdem lehrt, daß unsere Seele wegen nur einer einzigen Todsünde in alle Ewigkeit verdammt werden kann, zu brutalem und grausamem Leiden, das unsere Vorstellungskraft weit übersteigt. Weil dies nicht so schön ist, setzt nun mein Widerspruch ein.

Beispielsweise wurde ich weder angehört, als meine Eltern sich entschlossen, mich ins Dasein zu bringen, noch wurde ich wegen der Bedingungen meines „Existenzvertrages“ befragt, wenn ich das so nennen darf. Wäre ich gefragt worden, so hätte ich durchaus Einwände gegen diese extreme Alternative haben können zwischen einerseits einer unvorstellbaren Glückseligkeit und andererseits einer undenkbaren Qual – beides jeweils für alle Ewigkeit, wie die Kirche lehrt. Vielleicht hätte ich eher einen gemäßigteren „Vertrag“ akzeptiert, wo ich sozusagen im Austausch für eine kürzere Version des Himmels das Risiko einer kürzeren Version der Hölle in Kauf genommen hätte. Doch wurde ich ja, wie gesagt, gar nicht erst gefragt. Die Endlosigkeit beider Alternativen scheint mir einfach in keinem Verhältnis zur kurzen Lebensdauer auf dieser Erde zu stehen: Heute 10, 20, 50 oder sogar 90 Jahre auf der Erde, und morgen ist dann alles vorbei. Die Menschenkinder gleichen dem Gras: „Am Morgen sprießt es und wächst, am Abend welkt es und verdorrt“ (Psalm 89,6). Dieser Denkweise entsprechend scheint mir Gott so ungerecht zu sein, daß ich mir ernsthaft die Frage stelle, ob er wirklich existiert.

Diese Problemstellung zwingt uns zum Nachdenken. Nehmen wir einmal an, daß Gott existiert; daß er so gerecht ist wie seine Kirche sagt; daß es ungerecht ist, jemandem ohne seine Zustimmung eine schwere Last aufzubürden; daß das Leben kurz ist, geradezu eine Rauchwolke im Vergleich zur Ewigkeit; daß gerechterweise niemand eine grauenvolle Strafe erhalten kann, ohne gewußt zu haben, ein grauenhaftes Verbrechen zu begehen. Auf welche Weise kann dann der angenommene Gott gerecht sein? Wenn er gerecht ist, so muß logischerweise jede Seele ab dem Vernunftalter lange genug leben, um zu begreifen, für welche der beiden Ewigkeits-Orte sie sich entscheidet und welche enormen Auswirkungen diese Entscheidung hat. Doch wie kann so eine Entscheidung beispielsweise in der heutigen Welt getroffen werden, wo Gott im Leben der Einzelnen, der Familien und der Staaten so allgemein vernachlässigt wird bzw. für sie unbekannt ist?

Die Antwort kann nur lauten, daß Gott bezüglich den Einzelpersonen, Familien und Staaten den Vortritt hat und daß er der allererste ist, der innerhalb jeder einzelnen Seele „spricht“ – vor den restlichen Menschen und unabhängig von ihnen. Somit ist sogar jene Seele, deren religiöse Erziehung null und nichtig ist, sich dennoch bewußt, daß sie an jedem Tag ihres Lebens eine Entscheidung trifft, daß sie diese Entscheidung alleine und für sich selber fällt, und daß diese Entscheidung enorme Konsequenzen hat. Doch fragen wir erneut: Wie soll dies alles möglich sein angesichts der Gottlosigkeit der uns umgebenden heutigen Welt?

Die Antwort lautet: Weil das „Sprechen“ Gottes im Innern der einzelnen Seele viel tiefer, beständiger, gegenwärtiger und ansprechender stattfindet als das Sprechen irgendeines Menschen oder Geschöpfes es jemals sein kann. Gott allein hat unsere Seele erschaffen, und er wird in jedem Augenblick ihrer endlosen Existenz mit ihrer Erschaffung fortfahren. In jedem Augenblick ist Gott der einzelnen Seele näher als selbst die Eltern dieser Seele es sind, die ja nur den Körper dieser Seele aus materiellen Elementen zusammenfügten, welche allein durch Gott in ihrer Existenz gehalten werden.

Und auf ähnliche Weise steckt die Güte Gottes hinter und innerhalb und unterhalb aller guten Dinge, an denen eine Seele in diesem Leben sich erfreut. Tief in ihrem Inneren spürt die Seele, daß diese guten Dinge bloße Nebenprodukte der unendlichen Güte Gottes sind. „Sei leise,“ sagte der Heilige Ignatius von Loyola zu einer winzigen Blume, „denn ich weiß schon, von wem du sprichst.“ Das Lächeln eines kleinen Kindes, die tägliche Pracht der Natur zu allen Tageszeiten, die Musik, die Kunst in Form von Wolkenbildern am Himmel, usw. Wenn die Seele diese Dinge mit einer tiefgehenden Liebe liebt, so sagen sie ihr, daß es noch etwas viel Größeres, bzw. Jemanden viel größeren gibt.

„Bei Dir, Herr, suche ich Zuflucht; möge ich niemals zuschanden werden!“ (Psalm 30,2).

Kyrie eleison.

Glaubenszerstörer

Glaubenszerstörer on Mai 12, 2012

Würde Rom der Priesterbruderschaft St. Pius X. ein allen ihren Wünschen entsprechendes Angebot unterbreiten, warum sollte sie dann trotzdem verweigern? Offensichtlich glauben immer noch mehrere Katholiken, daß das Angebot einer praktischen Übereinkunft, welches allen praktischen Forderungen der Bruderschaft genügen würde, wirklich angenommen werden könnte. Warum also sollte so ein Angebot nicht akzeptiert werden? Weil Erzbischof Lefebvre die Bruderschaft nicht um ihretwillen gründete, sondern zur Bewahrung des katholischen Glaubens, den das Zweite Vatikanischen Konzil wie nie zuvor in der ganzen Kirchengeschichte gefährdet. Betrachten wir genauer, warum einerseits die Behörden der Neukirche nach einem praktischen Abkommen mit der Bruderschaft streben, während andererseits die Priesterbruderschaft es ablehnen muß.

Der Grund für die Ablehnung eines solchen Angebots lautet: Weil die Neukirche subjektivistisch ist, und somit jedes rein praktische Abkommen voraussetzt, daß der Subjektivismus wahr sei. Die neue Konzilsreligion betrachtet Glaubensdogmen nicht als objektive Wahrheiten, sondern als Symbole subjektiver Bedürfnisse (vergleiche päpstliches Lehrschreiben Pascendi 11–13,21). Das folgende Beispiel möge diese konziliare Sichtweise demonstrieren: Wenn die Überzeugung, daß Gott Mensch geworden ist, meine psychologische Unsicherheit besänftigen kann, so ist die Menschwerdung Gottes für mich wahr – im einzig möglichen Sinn des Wortes „wahr.“ Wenn nach dieser Sichtweise also die Traditionalisten ihr Bedürfnis nach der alten Religion haben, so ist diese Religion für sie wahr (und es ist sogar bewundernswert, wie stark sie an ihrer Wahrheit hängen). Doch der Gerechtigkeit halber müssen diese Traditionalisten auch uns Römern unsere konziliare Wahrheit lassen. Wenn sie dieses Zugeständnis nicht machen können, dann sind sie unerträglich arrogant und intolerant, weswegen wir nicht erlauben können, daß sie eine solche Entzweiung in unsere Konzilskirche der „Liebe, Liebe, über alles“ hineintragen.

Deswegen wäre das neo-modernistische Rom mit einem praktischen Abkommen glücklich, durch welches die Bruderschaft ihren radikalen Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Verbindlichkeit „ihrer“ Wahrheiten – wenigstens stillschweigend – aufgäbe. Im Gegensatz dazu kann die Priesterbruderschaft mit keinerlei Abkommen von Subjektivisten zufrieden sein, denn der Abschluß eines solchen würde entgegen allen Worten zeigen, daß sie in der Tat die Objektivität „ihrer“ Religion aus 20 Jahrhunderten aufgäben. Denn von „ihrer“ Religion kann gar nicht die Rede sein. Sobald ich mit Subjektivisten übereinkomme, kann ich nicht mehr auf Objektivität bestehen. Bestehe ich hingegen auf Objektivität, so kann ich kein Übereinkommen mit Subjektivisten akzeptieren – außer sie schwören ihrem Subjektivismus ab.

Doch das werden die Römer leider nicht tun. Im Gegenteil unterstrichen sie kürzlich ihr selbstgerechtes Beharren auf ihrer neuen Religion mittels eines Dokumentes namens „Hinweis zu den Schlußfolgerungen der kanonischen Visitation des Institutes vom Guten Hirten“ in Frankreich. Einige Leser werden sich daran erinnern, daß dieses Institut neben anderen nach dem Konzil gegründet wurde, um den traditionellen Katholizismus unter Aufsicht der römischen Behörden zu praktizieren. Rom kann ruhig einige Jahre warten – bis der Fisch sozusagen fest am Haken hängt –, bevor es dann zugreift:

Der „Hinweis“ verlangt die Aufnahme des Zweiten Vatikanischen Konzils und des Konzilskatechismus aus dem Jahre 1992 in die Studiengänge des Instituts. Somit muß das Institut von nun an die „Hermeneutik von Erneuerung in Kontinuität“ behaupten und darf nicht mehr länger die Tridentinische Messe als seinen „ausschließlichen“ Meßritus bezeichnen. Zudem muß das Institut mit einem „Geist der Gemeinschaft“ am offiziellen Diözesanleben teilnehmen. Anders gesagt muß das Institut aufhören, traditionell zu sein, um zur Neukirche gehören zu dürfen. Doch was hatte das Institut denn anderes erwartet? Es müßte wieder dem Zugriff der Neukirchen-Behörden entfliehen, um die Tradition bewahren zu können. Doch wie wahrscheinlich ist das jetzt noch? Das Institut hat vom konziliaren Ungetüm verschluckt werden wollen – und wird nun verdaut.

Warum um Himmels Willen sollte es der Priesterbruderschaft St. Pius X. anders ergehen? Vielleicht wird die römische Versuchung diesesmal von der Bruderschaft zurückgewiesen, aber machen wir uns nichts vor: Die Subjektivisten werden immer und immer wieder kommen, um die objektive Wahrheit und den objektiven Glauben abzustreifen, die ihrem kriminellen Unsinn ein beständiger Vorwurf sind.

Kyrie eleison.

Konziliare Doppeldeutigkeit

Konziliare Doppeldeutigkeit on April 14, 2012

Stellen Sie sich einen starken und gut bewaffneten Fußsoldaten vor, welcher bei der hitzigen Verfolgung des Feindes plötzlich in Treibsand gerät. Genau so ergeht es dem tapferen Katholiken, welcher mit der Wahrheit bewaffnet es wagt, die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils zu kritisieren. Denn diese stellen einen Treibsand an Doppeldeutigkeiten dar. Für diesen Zweck wurden sie auch gemacht. Wäre die Religion des Menschen durch die Konzilsdokumente offen proklamiert worden, so hätten die Konzilsväter sie mit Entsetzen abgelehnt. Aber die neue Religion wurde gekonnt verschleiert, indem die Konzilsdokumente so angelegt wurden, daß sie zwei Auslegungen erlauben. Betrachten wir ein klares und höchst wichtiges Beispiel.

Der Abschnitt 8 des Konzilsdokuments Dei Verbum enthält eine Erklärung über die Tradition, also über die Überlieferung. Johannes Paul II. benutzte sie, um Erzbischof Lefebvre im Jahre 1988 zu verurteilen. Dieser Abschnitt lautet wie folgt: „a) Die apostolische Überlieferung kennt in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt. b) Es wächst das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte: c) durch das Nachsinnen und Studium der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen; d) durch innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt; e) durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben.“

Die wahre katholische Überlieferung ist radikal objektiv. So wie der gesunde Menschenverstand sagt, daß die Wirklichkeit objektiv ist – d.h. daß Gegenstände außerhalb von uns und unabhängig von irgendeinem Subjekt genau so sind, wie sie sind (egal was ein Subjekt vorgeben mag, wie diese Gegenstände seien) –, so lehrt auch die wahre Kirche, daß die katholische Überlieferung von Gott stammt und von Gott gemacht ist und daß kein menschliches Wesen auch nur einen Jota an dieser Überlieferung ändern kann. Somit lautet also die katholische Auslegung des vorhin zitierten Konzilsdokuments wie folgt: „a) Im Laufe der Zeit schreiten die Katholiken beim Erfassen der unveränderlichen Wahrheiten des Glaubens voran. b) Katholiken verstehen diese Wahrheiten somit auf tiefsinnigere Weise: c) durch Betrachtung und Studium der Wahrheiten; d) durch ein tieferes Eindringen in diese Wahrheiten; e) durch die Bischöfe, die frische Aspekte der gleichen Wahrheiten predigen.“ Diese Auslegung ist völlig katholisch, weil sie besagt, daß jede Veränderung in den Menschen – die sich im Laufe der Zeit tatsächlich verändern – stattfindet, wohingegen keine Änderung stattfindet in den geoffenbarten Wahrheiten, welche den Glaubensschatz, auch Tradition genannt, ausmachen.

Doch betrachten wir nun, wie derselbe Abschnitt aus Dei Verbum subjektiv, anstatt objektiv gelesen werden kann, wodurch der Inhalt selbst der Wahrheiten von den subjektiven Katholiken abhängig wird und sich mit ihnen verändert: „a) Die katholische Wahrheit lebt und wächst im Laufe der Zeit, weil b) die lebendigen Katholiken Einsichten in diese Wahrheit haben, welche die vergangenen Katholiken niemals erreichten; und weil c) diese lebendigen Katholiken in ihren Herzen und somit in sich selber neu erwachsene Wahrheiten entdecken. d) Diese sind Früchte ihrer inneren spirituellen Erfahrung. Auch wächst e) die katholische Wahrheit, wenn Bischöfe früher unbekannte Dinge predigen, weil die Bischöfe gar nicht die Unwahrheit (!) sagen können.“ (Anders formuliert: „Suchen Sie sich eine Religion nach Belieben aus, wenn Sie nur beten, spenden und uns Modernisten folgen.“)

Kommen wir nun zum großen Problem des doppeldeutigen Konzils: Wenn wir an diesem Abschnitt aus Dei Verbum kritisieren, daß er den Modernismus fördert, so werden konservative Katholiken (die im Grunde nur ihren Glauben an glaubenslose Kirchenmänner konservieren) sofort antworten, daß die wahre Bedeutung des Textes der überlieferten Auslegung entspricht, die wir im dritten Absatz zitierten. Als aber Johannes Paul II. in seinem apostolischen Schreiben Ecclesia Dei Adflicta diesen Abschnitt aus Dei Verbum benutzte, um Erzbischof Lefebvre und seine Bischofsweihen von 1988 zu verurteilen, konnte Johannes-Paul II. den Text ausschließlich im modernistischen Sinn benutzt haben. Solche Handlungen sprechen eine deutlich stärkere Sprache als irgendwelche Worte.

Liebe Leser, gehen Sie diesen Konzilstext und die beiden Auslegungen solange durch, bis Sie die teuflische Doppeldeutigkeit jenes elenden Konzils erfaßt haben.

Kyrie eleison.

Wendepunkt

Wendepunkt on März 10, 2012

Im Laufe seiner Predigt vom 2. Februar 2012 in den USA erwähnte der Generalobere der Priesterbruderschaft St. Pius X. über die Beziehungen zwischen Rom und der Bruderschaft, daß ein praktisches Abkommen zwischen den beiden Parteien möglich wäre, wenn Rom die Bruderschaft so akzeptieren würde, wie sie ist. Dabei zitierte der Bischof den Erzbischof Lefebvre, wie dieser oft davon gesprochen habe, daß so ein Abkommen möglich sei. Allerdings, so fügte Bischof Fellay an, habe der Erzbischof im Jahre 1987 zum letzten Male von so einem Abkommen gesprochen. Dieser kleine Zusatz ist von großer Bedeutung und verdient eine eingehende Betrachtung, vor allem für die jüngere Generation, welche nicht mehr mit dem historischen Drama der Bischofsweihen von 1988 vertraut ist.

Das „Drama aller Dramen“ war allerdings das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965), ohne welches die Priesterbruderschaft gar nicht ins Dasein gekommen wäre. Auf diesem Konzil unterzeichnete die große Mehrheit der weltweiten katholischen Bischöfe das „Auf den neuesten Stand bringen“ der Kirche, womit die Bischöfe ihre katholische Autorität von der Wahrheit der katholische Tradition abtrennen ließen. Von da an mußten Katholiken zwischen Autorität und Wahrheit wählen. Bis zum heutigen Tag müssen die Katholiken, wenn sie sich für die Autorität entscheiden, nach der Wahrheit lechzen, und wenn sie sich für die Wahrheit entscheiden, so müssen sie sich stets nach der Wiedervereinigung mit der Autorität sehnen. Erzbischof Lefebvre wählte die Wahrheit. Zur ihrer Verteidigung gründete er im Jahre 1970 die Priesterbruderschaft St. Pius X. Solange wie möglich tat er allerdings alles in seiner Macht stehende, um die Trennung von der Autorität zu überwinden, indem er nach Anerkennung seiner Bruderschaft durch Rom strebte. Aus diesem Grund kann Bischof Fellay heute sagen, daß der Erzbischof bis 1987 wiederholt eine praktische Übereinkunft mit Rom wünschte und auch daran arbeitete.

Der Erzbischof war im Jahre 1987 allerdings 82 Jahre alt und wußte, daß der Einsatz der Priesterbruderschaft für die Tradition ohne Bischöfe ein Ende haben mußte. Also war es dringend geworden, von Rom wenigstens einen Bischof zu bekommen. Doch Rom hielt den Erzbischof hin; weil es sicherlich gleichfalls wußte, daß die Bruderschaft ohne ihren eigenen Bischof eines langsamen Todes sterben würde. Das hartnäckige Hinhalten des damaligen Kardinal Ratzinger machte im Mai 1988 dem Erzbischof völlig klar, daß das neo-modernistische Rom keinerlei Absicht hatte, die katholische Tradition anzuerkennen, geschweige denn zu beschützen. Damit war die Zeit der Diplomatie zu Ende, und der Erzbischof führte die Bischofsweihen durch. Von diesem Zeitpunkt an, so der Erzbischof, galt nur noch der Grundsatz: entweder das katholische Dogma – oder gar nichts! Für den Erzbischof war von da an die absolut notwendige Voraussetzung für irgendwelche Kontakte zwischen Rom und der Bruderschaft das Bekenntnis Roms zum katholischen Glauben nach den großen antiliberalen Lehrschreiben der katholischen Tradition, wie z.B. Pascendi, Quanta Cura, uam.

Deswegen, so Bischof Fellay in seiner Predigt, sprach der Erzbischof bis zu seinem Tod im Jahre 1991 nicht mehr davon, daß eine praktische Vereinbarung zwischen Rom und der Bruderschaft möglich oder wünschenswert wäre. Der Erzbischof war so weit gegangen wie möglich, um von der Autorität die minimale Förderung der Wahrheit zu erhalten. Einmal fragte er sich sogar, ob er im Mai 1988 nicht zu weit gegangen sei. Doch von diesem Zeitpunkt an schwankte er nicht und ging auch keine Kompromisse ein, und drängte vielmehr jene, die auf ihn horchten, dieselbe Linie beizubehalten.

Hat die Situation sich seither verändert? Ist Rom zum Glauben aller Zeiten zurückgekehrt? Man könnte es denken, wenn Bischof Fellay in derselben Predigt vom 2. Februar uns sagt, daß Rom seine harsche Haltung vom 14. September 2011 geändert habe und sich nun bereit erkläre, die Priesterbruderschaft so zu akzeptieren, wie sie ist. Doch wenn wir uns nur an Assisi-III oder die Neuseligsprechung von Johannes Paul II. vom letzten Jahr erinnern, so ist eher zu vermuten, daß hinter dem plötzlichen Wohlwollen der römischen Kirchenmänner gegenüber der Priesterbruderschaft höchstwahrscheinlich etwas anderes liegt: Ein Vertrauen darauf, daß die Euphorie über die Wiederaufnahme und sogar Ausdehnung des gemeinsamen Kontaktes den hartnäckigen Widerstand der Bruderschaft gegen die Neukirche verdünnen, auswaschen und schließlich auflösen wird. Gott sei es geklagt.

„Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn.“

Kyrie eleison.

„Geistige Krankheit“

„Geistige Krankheit“ on Januar 21, 2012

Ein langjähriger Brieffreund schrieb mir kürzlich ein dutzend Argumente dafür auf, warum die Priesterbruderschaft zu einer Vereinbarung mit Rom gelangen müsse – selbst wenn die Lehrgespräche von 2009 bis 2011 eine grundsätzliche Uneinigkeit in Glaubensfragen zwischen Rom und der Bruderschaft aufzeigten. Auf ein Argument dieses Freundes möchte ich im folgenden näher eingehen, weil es glaube ich vor Augen führt, womit die Priesterbruderschaft es wirklich zu tun hat.

Er schrieb, daß die Bruderschaft ihr Verständnis für die Kirchenzugehörigkeit zu verlieren droht, wenn sie ihr Verhältnis zu Rom nicht bald „normalisiere.“ Denn es gibt Laien und auch Bruderschaftspriester, welche in ihrer gegenwärtigen anormalen Situation sich wohlfühlen und sich an sie gewöhnt haben, weil die Bruderschaft ja „alles hat, was sie benötigt – insbesondere Bischöfe.“ So eine Anpassung, schreibt der Freund, geht in die Richtung einer schismatischen Haltung und führt praktisch – wenn nicht theoretisch – zum Sedisvakantismus. Darauf antwortete ich, daß mir die Annahme einer schismatischen Haltung wesentlich ungefährlicher vorkomme als die Ansteckung mit der „geistlichen und geistigen Krankheit der heutigen Römer, wenn man ihnen zu nahekommt.“ War das eine skandalöse Antwort? Gerne erkläre ich sie näher.

Ein anderer Freund verwendete den Begriff „geistige Krankheit“ für jene hohe römische Würdenträger, mit welchen er kürzlich intensiv zu tun hatte. Er sagte, daß diese zwar intelligente, aufrichtige Männer und völlig imstande waren, die ihnen vorgelegten Argumente der katholischen Tradition zu erfassen, daß sie aber gleichzeitig „geistig krank sind. Sie besitzen doch die Autorität.“ Als mein Freund diese Römer als „geistig krank“ bezeichnete, beabsichtigte er gewiß keine Beleidigung ihrer Person. Im Gegenteil sprach er etwas wesentlich schwerwiegenderes aus als eine persönliche Beleidigung: er kommentierte den durch ihre Gespräche herausgestellten, objektiven Geisteszustand der Römer. Denn der Verstand dieser Römer fußt nicht mehr länger auf der Wahrheit.

Und ein dritter Freund, welcher mit römischen Würdenträgern im Gespräch war, sagte dasselbe in anderen Worten. Damals fragte ich ihn: „Hätten Sie nicht direkt zum Kern der Sache vorstoßen und mit ihnen zusammen die grundlegende Frage nach dem Verhältnis von Verstand und Wahrheit aufwerfen können?“ Er erwiderte: „Nein. Denn sie hätten nur geantwortet, daß sie die Kirchenautorität und die katholische Kirche seien, und daß, wenn wir katholisch sein wollen, es an ihnen läge uns zu sagen, auf welche Art.“ So ein Verstand fußt also nicht auf der Wahrheit, sondern nur auf der Autorität. Nun mag beispielsweise Milch eine wunderbare Sache sein, aber stellen wir uns einen Autofahrer vor, der in aller Ruhe darauf bestehen würde, seinen Benzintank mit Milch zu füllen! Das große Problem ist nun, daß fast die gesamte moderne Welt jeden Sinn und jede Liebe für die Wahrheit verloren hat. Für lange Zeit widersetzte die Kirche sich diesem Wahrheitsverlust, aber durch das Zweite Vatikanische Konzil brach auch dieser letzter Widerstand zusammen.

In der Tat gibt die moderne Welt sich glamourös und gewichtig – ganz wie das moderne Rom. Ein italienischer Freund beschreibt den Glanz der vatikanischen Büros wie folgt: „Die römischen Paläste zu betreten ist ein gewagtes Unternehmen, denn bereits die Luft, welche man darin atmet, ist unwiderstehlich. Die Faszination dieser heiligen Hallen rührt weniger von den liebenswerten Offiziellen her (denn bei weitem nicht alle sind liebenswert!), also vielmehr von der Bedeutung, den diese Hallen durch die 2000jährige Kirchengeschichte ausstrahlen. Stammt diese Faszination vom Himmel? Oder von der Hölle? Jedenfalls verführt die bloße Atmosphäre des Vatikans seine Besucher und macht ihren Willen gefügsam.“

Hierbei ist diese Faszination des Vatikans allerdings nur ein kleiner Teil des starken Drucks der modernen Welt, welcher auf unseren Verstand einwirkt, um ihn zu lähmen und um uns zu drängen, mit dem Strom zu schwimmen. Lieber Freund, lieber wäre ich ein schismatischer Sedisvakantist als ein römischer Apostat. Doch mit der Gnade Gottes keines von beiden!

Kyrie eleison.