Zweites Vatikanum

Antwort auf den Offenen Brief von Msgr. Nicola Bux

Antwort auf den Offenen Brief von Msgr. Nicola Bux on März 24, 2012

London, den 22. März 2012

Monsignore,

In Ihrem offenen Brief vom 19. März 2012 an Bischof Fellay und alle Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X. appellieren Sie an uns, das aufrichtige und warmherzige Angebot der Versöhnung zu akzeptieren, welches Papst Benedikt XVI. der Bruderschaft zur Heilung der langjährigen Kluft zwischen Rom und der Priesterbruderschaft unterbreitete. Als einer der von Ihnen angesprochenen Priester möchte ich die Gelegenheit ergreifen, Ihnen darzulegen, wie meiner Ansicht nach der „große Kirchenmann“ Erzbischof Lefebvre geantwortet hätte.

Ihr Brief beginnt mit dem Aufruf, „um der Einheit Willen jedes Opfer zu erbringen.“ Allerdings ist wahre katholische Einheit ohne den wahren katholischen Glauben unmöglich. Der große Erzbischof erbrachte jedes Opfer für eine Einheit auf dem Fundament der wahren Glaubenslehre. Doch leider bewiesen die Glaubensgespräche der Jahre 2009 bis 2011, daß die Kluft in der Glaubenslehre zwischen dem Rom des Zweiten Vatikanums und der Priesterbruderschaft St. Pius X. so tief ist wie eh und je.

Sie bezeichneten diese Kluft am 19. März lediglich als „verbleibende Ratlosigkeiten“ und als „Punkte, die vertieft und im Einzelnen behandelt werden sollen.“ Kardinal Levada hingegen sagte noch am 16. März 2012 kategorisch, daß die Haltung von Bischof Fellay vom 12. Januar 2012 „ungenügend ist zur Überwindung der dogmatischen Probleme.“ Bischof Fellay merkte schon einmal an, wie unterschiedlich die Haltungen der verschiedenen römischen Kirchenmänner sein können. Nun mag ihre Einheit aussehen wie sie will, doch eine Einheit auf Kosten der Glaubenstreue wäre mit Sicherheit eine treulose Einheit.

Natürlich ist die Kirche, wie Sie sagen, eine Institution mit einem göttlichen und einem menschlichen Teil. Selbstverständlich ist der göttliche Teil der Kirche unfehlbar und somit kann die Kirche schlußendlich nicht scheitern – d.h. eines Tages wird die Kirchenverdunklung wieder dem Lichte weichen. Allerdings muß man Ihre Ansicht nicht teilen, wenn Sie sagen, daß die Morgendämmerung bereits beginne. Denn das Rom des Zweiten Vatikanum strahlt jenen wahren Glauben der Kirche, den die Priesterbruderschaft in den Glaubensgesprächen hochhielt, nicht aus. Folglich wäre die Bruderschaft in diesem Konzilsrom nicht in Sicherheit. Auch könnte sie selber kein Licht mehr ausstrahlen, wenn sie die konziliare Finsternis annähme.

Zwar steht die Aufrichtigkeit des päpstlichen Wunsches, die Priesterbruderschaft wieder in die „volle kirchliche Gemeinschaft“ aufzunehmen – untermauert durch eine Reihe von Gesten guten Willens – außer Zweifel, aber ein „gemeinsames Bekenntnis des Glaubens“ zwischen der Priesterbruderschaft St. Pius X. und den Konzilsgläubigen ist schlicht unmöglich – außer wenn die Bruderschaft von dem Glauben abfiele, welchen sie bei den Gesprächen verteidigte. Wenn die Bruderschaft zu so einem Glaubensverrat „Verhüte es Gott!“ sagt, so wird ihre Stimme dabei nicht erstickt, sondern überall auf der Welt gehört, und sie trägt für die Kirche katholische Früchte, welche heute eher die große Ausnahme als die Regel sind.

Gewiß ist nun „der geeignete Zeitpunkt“ und „die Zeit reif“ für eine Lösung im Überlebenskampf von Kirche und Welt. Doch diese Lösung, von der wir sprechen, wird von unserer himmlischen Mutter Maria schon lange verlangt und diese Lösung hängt einzig und allein vom Heiligen Vater ab. Als Unser Herr seiner Mutter diese Lösung in die Hände legte, sagte sie, daß allein diese Lösung hinreichend sei. Unser Herr könnte also gar keine andere Lösung zulassen, ohne seine Mutter als Lügner abzustempeln. Undenkbar!

Diese Lösung ist seit langem bekannt. Der Himmel hätte die Welt nicht einer solchen Not wie jener der letzten 100 Jahre überlassen können, ohne gleichzeitig eine solche Abhilfe anzubieten, wie jene, die der Prophet Elisäus dem syrischen General Naaman für dessen Leprakrankheit übermittelte. Menschlich gesehen schien damals das Bad des Generals im Jordan lächerlich zu sein, aber niemand konnte sagen, daß es unmöglich war. Das Bad setzte lediglich ein gewisses Maß an Glauben und Demut voraus. Der heidnische General brachte genug Glauben und Vertrauen in den Diener Gottes auf, um dem Willen des Himmels zu genügen, und wurde natürlich auf der Stelle geheilt.

Möge der Heilige Vater genügend Glaube und Vertrauen in die Verheißung der himmlischen Mutter aufbringen! Möge er den „geeigneten Zeitpunkt“ endlich als gekommen erkennen, bevor die gesamte Weltwirtschaft in Trümmern liegt und bevor es den Wahnsinnigen gelingt, den Dritten Weltkrieg im Mittleren Osten zu beginnen! Wir bitten und flehen den Papst an, daß er die Kirche und die Welt retten möge, indem er die Forderung der Muttergottes erfüllt. Das ist keinesfalls unmöglich. Im Gegenteil würde sie ihm helfen, alle seine Hindernisse auf dem Weg dahin zu überwinden. Allein der Papst kann uns vor unvorstellbaren (und unnötigen) Leiden bewahren, wenn er tut, was die Gottesmutter verlangt.

Sollte der Papst Unterstützung durch Gebet und Taten wünschen, mit denen die bescheidene Priesterbruderschaft ihm helfen könnte, Rußland dem Unbefleckten Herzen Mariens zu weihen in Einheit mit allen Bischöfen der Welt – die Muttergottes würde diese um ihn scharen –, so könnte er voll und ganz auf die Unterstützung von Bischof Fellay und den anderen drei Bischöfen zählen, von denen der geringste unter ihnen ist

Ihr ergebener Diener in Christus,

+Richard Williamson

Wendepunkt

Wendepunkt on März 10, 2012

Im Laufe seiner Predigt vom 2. Februar 2012 in den USA erwähnte der Generalobere der Priesterbruderschaft St. Pius X. über die Beziehungen zwischen Rom und der Bruderschaft, daß ein praktisches Abkommen zwischen den beiden Parteien möglich wäre, wenn Rom die Bruderschaft so akzeptieren würde, wie sie ist. Dabei zitierte der Bischof den Erzbischof Lefebvre, wie dieser oft davon gesprochen habe, daß so ein Abkommen möglich sei. Allerdings, so fügte Bischof Fellay an, habe der Erzbischof im Jahre 1987 zum letzten Male von so einem Abkommen gesprochen. Dieser kleine Zusatz ist von großer Bedeutung und verdient eine eingehende Betrachtung, vor allem für die jüngere Generation, welche nicht mehr mit dem historischen Drama der Bischofsweihen von 1988 vertraut ist.

Das „Drama aller Dramen“ war allerdings das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965), ohne welches die Priesterbruderschaft gar nicht ins Dasein gekommen wäre. Auf diesem Konzil unterzeichnete die große Mehrheit der weltweiten katholischen Bischöfe das „Auf den neuesten Stand bringen“ der Kirche, womit die Bischöfe ihre katholische Autorität von der Wahrheit der katholische Tradition abtrennen ließen. Von da an mußten Katholiken zwischen Autorität und Wahrheit wählen. Bis zum heutigen Tag müssen die Katholiken, wenn sie sich für die Autorität entscheiden, nach der Wahrheit lechzen, und wenn sie sich für die Wahrheit entscheiden, so müssen sie sich stets nach der Wiedervereinigung mit der Autorität sehnen. Erzbischof Lefebvre wählte die Wahrheit. Zur ihrer Verteidigung gründete er im Jahre 1970 die Priesterbruderschaft St. Pius X. Solange wie möglich tat er allerdings alles in seiner Macht stehende, um die Trennung von der Autorität zu überwinden, indem er nach Anerkennung seiner Bruderschaft durch Rom strebte. Aus diesem Grund kann Bischof Fellay heute sagen, daß der Erzbischof bis 1987 wiederholt eine praktische Übereinkunft mit Rom wünschte und auch daran arbeitete.

Der Erzbischof war im Jahre 1987 allerdings 82 Jahre alt und wußte, daß der Einsatz der Priesterbruderschaft für die Tradition ohne Bischöfe ein Ende haben mußte. Also war es dringend geworden, von Rom wenigstens einen Bischof zu bekommen. Doch Rom hielt den Erzbischof hin; weil es sicherlich gleichfalls wußte, daß die Bruderschaft ohne ihren eigenen Bischof eines langsamen Todes sterben würde. Das hartnäckige Hinhalten des damaligen Kardinal Ratzinger machte im Mai 1988 dem Erzbischof völlig klar, daß das neo-modernistische Rom keinerlei Absicht hatte, die katholische Tradition anzuerkennen, geschweige denn zu beschützen. Damit war die Zeit der Diplomatie zu Ende, und der Erzbischof führte die Bischofsweihen durch. Von diesem Zeitpunkt an, so der Erzbischof, galt nur noch der Grundsatz: entweder das katholische Dogma – oder gar nichts! Für den Erzbischof war von da an die absolut notwendige Voraussetzung für irgendwelche Kontakte zwischen Rom und der Bruderschaft das Bekenntnis Roms zum katholischen Glauben nach den großen antiliberalen Lehrschreiben der katholischen Tradition, wie z.B. Pascendi, Quanta Cura, uam.

Deswegen, so Bischof Fellay in seiner Predigt, sprach der Erzbischof bis zu seinem Tod im Jahre 1991 nicht mehr davon, daß eine praktische Vereinbarung zwischen Rom und der Bruderschaft möglich oder wünschenswert wäre. Der Erzbischof war so weit gegangen wie möglich, um von der Autorität die minimale Förderung der Wahrheit zu erhalten. Einmal fragte er sich sogar, ob er im Mai 1988 nicht zu weit gegangen sei. Doch von diesem Zeitpunkt an schwankte er nicht und ging auch keine Kompromisse ein, und drängte vielmehr jene, die auf ihn horchten, dieselbe Linie beizubehalten.

Hat die Situation sich seither verändert? Ist Rom zum Glauben aller Zeiten zurückgekehrt? Man könnte es denken, wenn Bischof Fellay in derselben Predigt vom 2. Februar uns sagt, daß Rom seine harsche Haltung vom 14. September 2011 geändert habe und sich nun bereit erkläre, die Priesterbruderschaft so zu akzeptieren, wie sie ist. Doch wenn wir uns nur an Assisi-III oder die Neuseligsprechung von Johannes Paul II. vom letzten Jahr erinnern, so ist eher zu vermuten, daß hinter dem plötzlichen Wohlwollen der römischen Kirchenmänner gegenüber der Priesterbruderschaft höchstwahrscheinlich etwas anderes liegt: Ein Vertrauen darauf, daß die Euphorie über die Wiederaufnahme und sogar Ausdehnung des gemeinsamen Kontaktes den hartnäckigen Widerstand der Bruderschaft gegen die Neukirche verdünnen, auswaschen und schließlich auflösen wird. Gott sei es geklagt.

„Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn.“

Kyrie eleison.

Benedikts Ökumenismus – I.

Benedikts Ökumenismus – I. on Februar 25, 2012

Vor einigen Jahren erschien in Deutschland eine wertvolle Studie über den konziliaren Ökumenismus, namens „ Benedikt der XVI. und das Selbstverständnis der katholischen Kirche “ von Dr. Wolfgang Schüler. Der Autor argumentiert, daß der vom Zweiten Vatikanischen Konzil entfesselte Ökumenismus das kirchliche Selbstverständnis umgewandelt hat. Durch eine Reihe von Textzitaten belegt er, daß Joseph Ratzinger als Priester, Kardinal und Papst diese Umwandlung seit der Zeit des Konzils beständig förderte und bis heute fördert, wofür er sich gewiß nicht schämt.

In einer Reihe von „Eleison Kommentaren“ betrachten wir in logischer Reihenfolge das Selbstverständnis der wahren Kirche. Danach untersuchen wir mit Hilfe von Dr. Schülers Werk, wie das Konzil dieses kirchliche Selbstverständnis umwandelte und wie Benedikt XVI. diese Umwandlung beständig förderte. Zu guter Letzt schauen wir uns dann die Konsequenzen an, welche für Katholiken, die am wahren Glauben der Kirche festhalten wollen, sich ergeben.

Die wahre katholische Kirche hat sich immer als ein organisches Ganzes und als eine Gesellschaft gesehen, die einig, heilig, katholisch und apostolisch ist, die aus Menschen besteht, die im Glauben mit den hl. Sakramenten unter der römischen Hierarchie verbunden sind. Diese Kirche ist so sehr eins, daß kein Stück von ihr weggebrochen oder entfernt werden kann, ohne daß dieses Stück dann aufhört, katholisch zu sein (vgl. Johannes 15,4–6). Beispielsweise kann der Glaube, der den Kern des katholischen Gläubigen darstellt, nicht stückchenweise geglaubt werden, sondern er muß entweder ganz (zumindest implizit) oder gar nicht angenommen werden. Denn die Glaubenssätze – die Dogmen – der katholischen Kirche, welche ich glaube, stammen von der Autorität Gottes her: lehne ich also auch nur eines von den Dogmen ab, so weise ich insgesamt Gottes Autorität hinter allen diesen Glaubenssätzen zurück. Wenn ich in dem Fall auch alle anderen Glaubenssätze annähme, so würde doch mein Glaube nicht mehr länger auf Gottes Autorität beruhen, sondern auf meiner eigenen Wahl.

Das Wort „häretisch“ kommt ja vom griechischen Wort für „auswählen“ (hairein). Weil der Glaube des Häretikers fortan nur noch auf seiner eigenen Auswahl beruht, hat er die übernatürliche Tugend des Glaubens verloren. Selbst wenn er auch nur einen Glaubenssatz ablehnt, ist dieser Häretiker nicht mehr katholisch. Ein berühmter Ausspruch des hl. Augustinus lautet: „In vielem stimmst Du mir zu, und in wenigem stimmst Du mir nicht zu; aber wegen diesem Wenigen, in dem Du mir nicht zustimmst, ist das Viele, worin Du mir zustimmst, von keinerlei Nutzen für Dich.“

Ein anderes Beispiel: Ein Protestant mag an Gott und sogar an die Göttlichkeit des Menschen Jesus Christus glauben, doch wenn er nicht an die Realpräsenz Gottes glaubt – an Körper, Blut, Seele und Gottheit unter den Gestalten von Brot und Wein nach ihrer Wandlung in der Hl. Messe, dann hat dieser Protestant eine völlig andere und zwar mangelhafte Vorstellung von der Liebe Jesu Christi und vom Gott, an welchen er glaubt. Können wir dann sagen, daß ein wahrer Protestant und ein wahrer Katholik an denselben Gott glauben? Das Zweite Vatikanum behauptet, man könne es, und sein Ökumenismus fußt auf dieser Basis von angeblich mehr oder weniger gemeinsamen Glaubensmeinungen von Katholiken und allen Nichtkatholiken.

Hingegen zeigt Dr. Schüler durch eine Reihe von Vergleichen das Gegenteil auf: Wenn etwas, welches wie der gleiche Glaubenssatz aussehen mag, zwei verschiedenen Glaubensbekenntnissen angehört, so ist es überhaupt nicht mehr das Gleiche. Ein Vergleich: Werden Sauerstoff-Moleküle mit Stickstoff vermischt, so handelt es sich zwar um dieselben Moleküle wie bei ihrer Verbindung mit Wasserstoff, aber dennoch werden dieselben Sauerstoff-Moleküle in den zwei Fällen so verschieden wie die Luft, welche wir atmen (O+4N), und das Wasser, welches wir trinken (H2O). Bleiben Sie dran!

Kyrie eleison.

Angelismus

Angelismus on Februar 11, 2012

Der konservative englische Schriftsteller unserer Zeit Roger Scruton erkannte nicht nur scharfsinnig, warum Thomas S. Eliot (1888–1965) „unzweifelhaft der größte englische Dichter des 20. Jahrhunderts war,“ sondern hat damit auch den bedrängten Katholiken des 21. Jahrhunderts Interessantes zu erzählen: Die Lösung liegt im Schmerz selber, so darf man aus seiner Analyse schließen. Wenn wir von der heutigen Welt gekreuzigt werden, so ist dieses das für uns bestimmte und von uns zu tragende Kreuz.

Poetisch gesehen war Eliot ein Erz-Modernist. Wie Scruton schreibt: „Eliot stürzte das 19. Jahrhundert der Literatur und führte das Zeitalter der freien Verse, der Entfremdung und der Experimente ein.“ Ob Eliots finale Verbindung von Hochkultur und Anglizismus eine ausreichende Lösung für die von ihm angepackten Probleme bot, ist fraglich. Doch wer wird verneinen wollen, daß Eliot mit seinem berühmten Gedicht „Das wüste Land“ („The Waste Land“) im Jahre 1922 der modernen englischen Lyrik den Weg bahnte? Der enorme Einfluß seiner Gedichte zeigt zumindestens, daß Eliot seinen Finger am Puls der Zeit hatte. Er ist ein Mann der Moderne, welcher das Problem der heutigen Zeit frontal anpackte. Dieses Problem faßte Scruton so zusammen: „Fragmentierung, Ketzerei und Unglaube.“

Hätte allerdings Eliots Gedicht „Das wüste Land“ im Chaos gar keinen Sinn gefunden, so wäre es kein solch bekanntes Meisterwerk geworden. In nur 434 Zeilen zeichnet es ein hervorragendes Bildnis der zerrütteten europäischen „Zivilisation,“ welche aus den Trümmern des Ersten Weltkrieges (1914–1918) emporstieg. Doch wie gelang Eliot dies? Weil, wie Scruton antwortet, Eliot der Erz-Modernist gleichzeitig ein Erz-Konservativer war. Er hatte die großen Dichter der Vergangenheit ganz in sich aufgenommen; vor allem Dante und Shakespeare, aber er kannte sich auch in den Werken moderner Meister wie Baudelaire und Wagner aus. „Das wüste Land“ zeigt eindeutig, daß es Eliots Verständnis für die Ordnung der Vergangenheit ist, welche es ihm erlaubte, die Unordnung der Gegenwart darzustellen.

Scruton merkt an, daß, wenn Eliot die große traditionelle Romantik der englischen Literatur des 19. Jahrhunderts hinwegfegte, dann deswegen, weil diese Romantik nicht mehr der Wirklichkeit seiner Zeit entsprach. „Eliot glaubte, daß die Verwendung abgenutzter poetischer Diktion und beschwingter Rhythmen durch seine Zeitgenossen eine schwere moralische Schwäche verriet: Ein Versagen, das Leben so zu beobachten, wie es wirklich ist; ein Versagen, so zu fühlen, wie wir wirklich fühlen müssen angesichts einer Erfahrung, welche unausweichlich die unsere ist. Und dieses Versagen war laut Eliot keineswegs auf die Literatur beschränkt, sondern durchzog das gesamte moderne Leben.“ Eliots Suche nach einer neuen literarischen Ausdrucksweise, nach einem neuen Idiom, war daher Teil einer umfassenderen Suche – einer Suche „nach der Wirklichkeit der modernen Erfahrung.“

Sahen und sehen wir denn nicht in der Kirche eine ebensolche „schwere moralische Schwäche“? Die Schwäche der Kirche der 1950er Jahre können wir als „Fünziger-ismus“ bezeichnen, und er war der direkte Vater des Zweiten Vatikanischen Konzils der 1960er Jahre. Aber worin bestand er? Bestand er nicht in der Weigerung, die moderne Welt so zu betrachten, wie sie wirklich war? In der Vortäuschung, wonach alles und jeder nett sei? Eine Vortäuschung, wonach wir uns nur in angelistische Sentimentalitäten einzulullen bräuchten, damit die Probleme der Kirche inmitten einer Revolutionswelt verschwänden? Ist die heutige Vortäuschung, wonach Rom die katholische Tradition wirklich mögen würde, im Kern etwa nicht dieselbe Verweigerung der Wirklichkeit? So wie Eliot zeigte, daß Sentimentalität der wahren Poesie den Garaus macht, so zeigte uns Erzbischof Lefebvre, daß Sentimentalität auch dem wahren Katholizismus das Ende bereitet. Der erz-konservative Erzbischof war der Wahrhaftigste der modernen Katholiken.

Liebe Katholiken, die heutige Wirklichkeit mag uns durch ihre unzähligen verderbten Weisen kreuzigen. Doch freuen wir uns darüber, sagt der Heilige Paulus, freuen wir uns immer wieder, denn allein im Annehmen unseres modernen Kreuzes liegt heute unsere Erlösung und die einzige Zukunft des Katholizismus.

Kyrie eleison.

„Geistige Krankheit“

„Geistige Krankheit“ on Januar 21, 2012

Ein langjähriger Brieffreund schrieb mir kürzlich ein dutzend Argumente dafür auf, warum die Priesterbruderschaft zu einer Vereinbarung mit Rom gelangen müsse – selbst wenn die Lehrgespräche von 2009 bis 2011 eine grundsätzliche Uneinigkeit in Glaubensfragen zwischen Rom und der Bruderschaft aufzeigten. Auf ein Argument dieses Freundes möchte ich im folgenden näher eingehen, weil es glaube ich vor Augen führt, womit die Priesterbruderschaft es wirklich zu tun hat.

Er schrieb, daß die Bruderschaft ihr Verständnis für die Kirchenzugehörigkeit zu verlieren droht, wenn sie ihr Verhältnis zu Rom nicht bald „normalisiere.“ Denn es gibt Laien und auch Bruderschaftspriester, welche in ihrer gegenwärtigen anormalen Situation sich wohlfühlen und sich an sie gewöhnt haben, weil die Bruderschaft ja „alles hat, was sie benötigt – insbesondere Bischöfe.“ So eine Anpassung, schreibt der Freund, geht in die Richtung einer schismatischen Haltung und führt praktisch – wenn nicht theoretisch – zum Sedisvakantismus. Darauf antwortete ich, daß mir die Annahme einer schismatischen Haltung wesentlich ungefährlicher vorkomme als die Ansteckung mit der „geistlichen und geistigen Krankheit der heutigen Römer, wenn man ihnen zu nahekommt.“ War das eine skandalöse Antwort? Gerne erkläre ich sie näher.

Ein anderer Freund verwendete den Begriff „geistige Krankheit“ für jene hohe römische Würdenträger, mit welchen er kürzlich intensiv zu tun hatte. Er sagte, daß diese zwar intelligente, aufrichtige Männer und völlig imstande waren, die ihnen vorgelegten Argumente der katholischen Tradition zu erfassen, daß sie aber gleichzeitig „geistig krank sind. Sie besitzen doch die Autorität.“ Als mein Freund diese Römer als „geistig krank“ bezeichnete, beabsichtigte er gewiß keine Beleidigung ihrer Person. Im Gegenteil sprach er etwas wesentlich schwerwiegenderes aus als eine persönliche Beleidigung: er kommentierte den durch ihre Gespräche herausgestellten, objektiven Geisteszustand der Römer. Denn der Verstand dieser Römer fußt nicht mehr länger auf der Wahrheit.

Und ein dritter Freund, welcher mit römischen Würdenträgern im Gespräch war, sagte dasselbe in anderen Worten. Damals fragte ich ihn: „Hätten Sie nicht direkt zum Kern der Sache vorstoßen und mit ihnen zusammen die grundlegende Frage nach dem Verhältnis von Verstand und Wahrheit aufwerfen können?“ Er erwiderte: „Nein. Denn sie hätten nur geantwortet, daß sie die Kirchenautorität und die katholische Kirche seien, und daß, wenn wir katholisch sein wollen, es an ihnen läge uns zu sagen, auf welche Art.“ So ein Verstand fußt also nicht auf der Wahrheit, sondern nur auf der Autorität. Nun mag beispielsweise Milch eine wunderbare Sache sein, aber stellen wir uns einen Autofahrer vor, der in aller Ruhe darauf bestehen würde, seinen Benzintank mit Milch zu füllen! Das große Problem ist nun, daß fast die gesamte moderne Welt jeden Sinn und jede Liebe für die Wahrheit verloren hat. Für lange Zeit widersetzte die Kirche sich diesem Wahrheitsverlust, aber durch das Zweite Vatikanische Konzil brach auch dieser letzter Widerstand zusammen.

In der Tat gibt die moderne Welt sich glamourös und gewichtig – ganz wie das moderne Rom. Ein italienischer Freund beschreibt den Glanz der vatikanischen Büros wie folgt: „Die römischen Paläste zu betreten ist ein gewagtes Unternehmen, denn bereits die Luft, welche man darin atmet, ist unwiderstehlich. Die Faszination dieser heiligen Hallen rührt weniger von den liebenswerten Offiziellen her (denn bei weitem nicht alle sind liebenswert!), also vielmehr von der Bedeutung, den diese Hallen durch die 2000jährige Kirchengeschichte ausstrahlen. Stammt diese Faszination vom Himmel? Oder von der Hölle? Jedenfalls verführt die bloße Atmosphäre des Vatikans seine Besucher und macht ihren Willen gefügsam.“

Hierbei ist diese Faszination des Vatikans allerdings nur ein kleiner Teil des starken Drucks der modernen Welt, welcher auf unseren Verstand einwirkt, um ihn zu lähmen und um uns zu drängen, mit dem Strom zu schwimmen. Lieber Freund, lieber wäre ich ein schismatischer Sedisvakantist als ein römischer Apostat. Doch mit der Gnade Gottes keines von beiden!

Kyrie eleison.

Staatsreligion – III.

Staatsreligion – III. on Januar 14, 2012

Die Behauptung, daß der Staat die katholische Religion weder bekennen noch beschützen brauche, ist ein klassischer liberaler Irrtum und einer der Hauptirrtümer des Zweiten Vatikanischen Konzils. Ein Liberaler könnte seinen siegreichen Plan auf diese Weise schildern: „Greifen wir den Katholizismus nicht direkt an, sondern teilen und herrschen wir: spalten wir den einzelnen Menschen von der Gesellschaft ab, indem wir behaupten, daß der Mensch kein Gesellschaftswesen sei. Dann geben wir vor, daß die Religion eine rein persönliche Angelegenheit sei. Auf diese Weise können wir die Gesellschaft übernehmen, und wenn wir sie erst einmal liberalisiert haben, nutzen wir sie als mächtige Waffe zum Liberalisieren der Einzelnen – denn selbstverständlich ist der Mensch ein Gesellschaftswesen! Will dann ein Einzelner nicht liberalisiert werden, so bekommt er größte Schwierigkeiten mit der Gesellschaft, welche wir zuvor liberalisierten.“ Ist es etwa nicht so? Schauen Sie sich doch nur um. Beantworten wir nun drei weitere Einwände gegen die Lehre, daß für das Heil der Seelen jeder Staat katholisch sein sollte.

Eure Exzellenz, unser Herr sagt selber: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und gebt Gott, was Gottes ist“ (Matthäus 12,21). Hier trennt unser Herr doch ganz klar Kirche und Staat. Deswegen sollte kein Staat sich auf den Katholizismus oder auf irgendeine andere Religion einlassen.

Antwort: Nein, unser Herr trennt hier nicht Kirche und Staat. Er stellt lediglich eine Unterscheidung des gesunden Menschenversandes an zwischen dem, was der Einzelne dem Staat schuldet (Steuern, usw.) und was der Einzelne Gott schuldet (Anbetung). Unser Herr sagt absolut nicht, daß der weltliche Staat dem ewigen Gott nichts schuldet. Tatsächlich schuldet der Staat als kollektive, weltliche Autorität über einer Anzahl von Menschen in seinen Autoritätshandlungen dem allmächtigen Gott, was die einzelnen Menschen als soziale Wesen Gott schulden: namentlich die soziale Anerkennung von Gottes Naturrecht, sowie so viel soziale Anerkennung und Förderung der Kirche – welche durch den natürlichen Verstand eigenständig als wahr erkannt werden kann –, wie es der Rettung der Seelen nicht im Wege steht.

Aber das Erkennen der wahren Religion ist eine Angelegenheit des Einzelnen. Wie kann dann der Staat als Staat grundsätzlich verpflichtet sein, katholisch zu sein?

Antwort: Der Staat ist lediglich die moralische (d.h. nicht-materielle) Vereinigung von einer mehr oder weniger großen Anzahl von physikalischen (d.h. materiellen) Menschen in einem politischen Körper. Jeder einzelne dieser Menschen ist – unabhängig davon, ob er bereits die übernatürliche Gnade des Glaubens besitzt – schon allein durch den rechten Gebrauch seiner natürlichen Vernunft zu der Erkenntnis befähigt, daß Gott existiert, daß Jesus Christus Gott ist und daß die katholische Kirche die von Jesus Christus gegründete Kirche ist. Wenn also ein Staat die wahre Religion nicht erkennt, so liegt das nicht etwa daran, daß seine Bürger dies nicht erkennen können, sondern daran, daß diese aus mehreren Gründen ihre gottgegebene Vernunft nicht für dieses Erkennen einsetzen bzw. nicht einsetzen wollen. Tatsächlich sind die Menschen also zu dieser Erkenntnis befähigt und wenn sie nicht zu ihr gelangen, so werden sie dafür vor Gott in jenem Maße Rechenschaft ablegen müssen, welches Gott ihnen gemäß ihrer Lebensumstände perfekt zudenkt.

Aber Eure Exzellenz, wenn Sie so fest auf der Pflicht des Staates beharren, katholisch zu sein, dann werden Sie lediglich viele Menschen von der guten Lehre abstoßen.

Zur Ehre Gottes und zur Rettung der ewigen Menschenseelen sollte jeder Staat katholisch sein. Wenn Menschen zu ignorant oder zu verdorben für diese Wahrheit sind, so daß sie diese nur befremdet, darf man – ohne von den Grundsätzen abzurücken – mit ihrer Verkündigung zögern. Doch macht das diese Wahrheit nicht weniger wahr. Wahre Grundsätze werden nicht weniger wahr, wenn sie manchmal aus praktischen Erfordernissen heraus mit einem gewissen Maß an Vorsicht verkündet werden müssen. Sicherlich sollte den Lesern dieser „Eleison Kommentare“ aber die ganze Wahrheit dargelegt werden können.

Kyrie eleison.